8752/J XXVII. GP

Eingelangt am 25.11.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Einnahmen aus Rechtsgeschäftsgebühren

 

Abschaffung der Rechtsgeschäftsgebühren

In kaum einem europäischen Land gibt es eine derartige Vielfalt und Höhe an Gebühren wie in Österreich. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei das österreichische Justizsystem, das die europaweit höchste Gebührenbelastung aufweist. Neben den Gerichtsgebühren treffen dabei die Rechtsgeschäftsgebühren nicht nur die eigenen Bürger_innen und deren uneingeschränkten Zugang zum Recht, sondern auch ausländische Unternehmer_innen und Investor_inen und damit den Wirtschafts- und Wettbewerbsstandort Österreich. Die Rechtsgeschäftsgebühr war ursprünglich als "Papierverbrauchssteuer" konzipiert und ist damit in einer digitalisierten Welt, zu der auch der Rechtsverkehr und die Verwaltung rechtlich relevanter Daten zählen, anachronistisch. Die aus dem Bundesrechnungsabschluss 2020 klar ersichtlichen überbordenden Belastung von Unternehmer_innen und Private durch Gebühren soll durch diesen Antrag endlich beseitigt werden.

Rechtsgeschäftsgebühren bedeuten für sozial Schwache ein faktisches und ganz wesentliches Hindernis beim Zugang zum Recht, per se eine unverhältnismäßig hohe finanzielle Belastung jedes Rechtsgeschäfts, einen massiven Standortnachteil und nicht zuletzt einen großen Wettbewerbsnachteil für österreichische Unternehmer_innen. Wo möglich, werden schriftliche Verträge vermieden, was zu Rechtsunsicherheit und Streitfällen führt. Die eingehobenen Beträge stehen in keinem Verhältnis zu dem Aufwand, den die auslösenden Rechtsgeschäfte für die Justiz verursachen. Vielmehr entsteht dem Staat aus dem Abschluss eines Vertrages zwischen Privaten gar kein Aufwand, oder aber nur ein sehr geringer, der ohnehin durch andere Gebühren abgedeckt wird. Wenig nachvollziehbar ist insbesondere, warum ein außergerichtlicher Vergleich, durch den das Justizsystem eben gerade nicht belastet wird, gebührenpflichtig ist. Auch nicht nachvollziehbar ist, dass etwa Ehepakte durch Rechtsgeschäftsgebühren als prozentualer Anteil an der vertraglich verfügten Summe belastet sind. Ehewillige, die vorausplanend einen Ehepakt errichten wollen, werden in Österreich durch eine eigene Steuer belastet. Besonders abwegig ist auch die Belastung eines außergerichtlichen Vergleichs mit Rechtsgeschäftsgebühr.

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Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) schließt sich dieser Forderung auch in seinem Tätigkeitsbericht 2019 an und stellt die Sinnhaftigkeit von Rechtsgeschäftsgebühren in Zweifel. Im Jahr 2018 betrugen die Budgeteinnahmen aus der Vergebührung von Rechtsgeschäften in Summe 142 Mio. Euro, wovon alleine auf die Wettgebühr 45 Mio. Euro entfallen (Anfragebeantwortung 121/AB). Die Wettgebühr ist daher die mit Abstand aufkommensstärkste Rechtsgeschäftsgebühr und soll deshalb beibehalten werden. Im Übrigen betreibt die Republik, in diesem Fall das Finanzministerium, im Bereich der Gebühreneinnahmen budgetären Blindflug. Das BMF kann nämlich keine Aussage dazu treffen, in welcher Höhe Einnahmen aus den einzelnen Tarifposten der Rechtsgeschäftsgebühren generiert werden. Bis zum Beweis des Gegenteils muss davon ausgegangen werden, dass die übrigen Tarifposten nicht wesentlich zum Gebührenaufkommen im Bereich der Rechtsgeschäftsgebühren beitragen, bzw. der Verwaltungsaufwand der Finanzbehörden in diesem Bereich zu den Einnahmen außer Verhältnis steht. Im Zuge der Abschaffung der Rechtsgeschäftsgebühren sollen sämtliche mit der Einhebung dieser Gebühren verknüpften Planstellen eingespart werden.

 

Quellen:  

 

Um einen aktuellen Überblick darüber zu gewinnen, welche budgetären Implikationen Rechtsgeschäftsgebühren im Allgemeinen für das österreichische Budget haben, stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

Anfrage:

 

  1. Für die einzelnen Jahre 2019-2021 wird um folgende Angaben in tabellarischer Darstellung gegliedert nach einzelnen Tarifposten des § 33 GebG ersucht:
    1. Wie viele Rechtsgeschäfte der jeweiligen Tarifpost wurden in den jeweiligen Jahren bei Finanzämtern vergebührt?
    2. Wie hoch waren in den einzelnen Jahren in Summe die Budgeteinnahmen aus den betreffenden Rechtsgeschäftsgebühren der jeweiligen Tarifpost?
  1. Wenn das Finanzministerium darüber keine Angaben machen kann:
    1. Weshalb kann das Finanzministerium keine Angaben machen? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

                                          i.    Kann das Finanzministerium keine Angaben machen, weil die rechtlichen Voraussetzungen der Abgabenbemessung bzw. -entrichtung dafür nicht vorliegen? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

                                        ii.    Kann das Finanzministerium keine Angaben machen, weil die technischen Voraussetzungen bei der Abgabenanmeldung oder -entrichtung dafür nicht vorliegen? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

    1. Plant das Ministerium Änderungen in der Anmeldungs-/Verbuchungspraxis beim FAGVG, um im Bereich der Gebühren für Budgettransparenz zu sorgen?

                                          i.    Wenn nein: Weshalb nicht? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

                                        ii.    Wenn ja: Welche Änderungen sind geplant? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

  1. Wie hoch wäre der kumulierte jährliche Einnahmeverlust der Republik im Falle der ersatzlosen Streichung der Rechtsgeschäftsgebühren nach § 33 GebG?
  2. Ist eine teilweise oder vollständige Streichung der Rechtsgeschäftsgebühren nach § 33 GebG geplant?
    1. Wenn ja: In welchen Umfang und wann soll die entsprechende Novelle vorgelegt werden?
    2. Wenn nein: Weshalb nicht?

 

  1. Sollte der Finanzminister keine detaillierte Aufgliederung über die Gebühreneinnahmen gemäß § 33 GebG liefern können, wird um eine möglichst informative Übersicht ersucht, die Budgetimplikationen der Rechtsgeschäftsgebühren nach § 33 GebG umfassend, im Sinne der Anfrage und dem parlamentarischen Interpellationsrecht darstellt.