8753/J XXVII. GP
Eingelangt am 25.11.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Kontakte mit oder Ermittlungen zu Softwareanbietern
Anfang dieses Jahres wurde – vier Monate nach seiner Gründung – ein internationaler gemeinnütziger Vereins namens „GAIA-X AISBL“ in Brüssel offiziell eingetragen. Das ist ein zunächst deutsch-französisches Daten-Infrastruktur-Großprojekt für Europa. "Die meisten nennen es 'europäische Cloud', also ein Gegenstück zu den Cloud-Giganten Amazon AWS, Microsoft Azure, Google Cloud aus den USA oder Alibaba aus China. GAIA-X wurde 2019 ins Leben gerufen und soll ein gigantisches digitales europäisches IT-System werden, in dem unzählige Unternehmen und unzählige Institutionen Unmengen von Daten speichern und austauschen können. Absolut sicher, nach europäischen und nicht etwa nach amerikanischen oder chinesischen Regeln. Versprochen wird nicht weniger als 'vertrauenswürdige und souveräne digitale Infrastruktur für Europa'" (https://www.georgstreiter.de/ziemlich-viel-usa-und-china-in-der-europa-cloud/).
Seit dem Start ist beispielsweise der US-Konzern Palantir an GAIA-X beteiligt.
PALANTIR
Der US-Software-Anbieter ist bei Datenschützern höchst umstritten, weil er mit Geld des amerikanischen Geheimdienstes CIA gegründet wurde und mit zahlreichen Regierungen, Militärs und Geheimdiensten zusammenarbeitet.
"Was Verkäufer einer führenden Geheimdienst-Software in den Chefetagen von Medien-Konzernen wollen und machen, kann man sich noch denken. Ob solche Verbindungen schlau sind, ist eine andere Frage – schließlich ist Karps Spezialgebiet eher die Unterstützung der Exekutive, nicht derer, die diese kontrollieren. Mit der hessischen Polizei ist er mittlerweile im Geschäft, in Nordrhein-Westfalen kurz davor".
Am 1. April 2020 berichtete der Standard von Prüfungen des Sozialministers, das US-amerikanische Unternehmen "Palantir" in die Analyse von in Österreich gewonnenen "big data" einzubinden, bzw. Softwarelösungen dieses Unternehmens zu diesem Zweck zu erwerben. Dabei handelt es sich um ein Unternehmen, welches Datenanalysetools bereitsstellt. Diese dienen zum Ordnen und Filtern von ungeheuren Datenmengen, um die jeweils gesuchte Information schnell und zielgerichtet aufzuspüren.
Palantir arbeitet bereits seit Jahren mit der NSA sowie der CIA zusammen. Letztere investierte sogar zwei Millionen Dollar in das Unternehmen, als es noch ein Start-up war. Die deutsche "Welt" beschäftigte sich bereits 2016 eingehend mit Palantir. Auch dort sahen sich die Journalisten mit einer Mauer des Schweigens konfrontiert. Bei Palantir spricht man nicht gern über Geschäfte und Geschäftspartner.
Einen direkten Draht zu Entscheidungsträger_innen pflegt Palantir jedoch gern. So traf auch Bundeskanzler Sebastian Kurz Anfang des Jahres während einer Reise im Silicon Valley einen Firmengründer Palantirs, zudem gab es auch Ende Jänner beim Weltwirtschaftsforum in Davos Kontakt. Neben Kontakt zu Politikern versucht Palantir auch direkt seine Hand in Richtung Politik auszustrecken. So wurde auch die ehemalige Bundesgeschäftsführerin der SPÖ, Laura Rudas, im Jahr 2015 engagiert. Palantir selbst gibt an, dass seine Dienste genutzt werden könnten, um beispielsweise die Verbreitung zu analysieren, oder um Vorhersagen zu treffen – etwa, ob die Ausstattung eines Krankenhauses knapp zu werden droht.
Die aktuelle Krise rund um COVID-19 rückt die Produkte Palantirs nun in den Fokus des Interesses zahlreicher Regierungen. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg steht Palantir mittlerweile mit mehreren Staaten bezüglich ihrer Produkte in Kontakt, darunter Frankreich, Deutschland und die Schweiz. In Großbritannien sowie in zwei deutschen Bundesstaaten ist Software von Palantir bereits im Einsatz.
DSIRF
Die absehbaren Probleme des Projekts GAIA-X: "Wie gestaltet man eine „vertrauenswürdige und souveräne digitale Infrastruktur für Europa“ mit Partnern, zu denen man eigentlich die europäische saubere Alternative sein will? Ist das Versprechen europäischer Souveränität ohne die Giganten aus den USA oder China überhaupt zu halten? Gibt es in Europa keine Alternativen? Sind wir technisch so zurückgefallen, dass wir den Rückstand gar nicht mehr aufholen können? Eine der wenigen Firmen, von denen man in diesem Zusammenhang noch etwas erwarten kann, ist die Wiener Software-Werkstatt des in der Schweiz ansässigen Unternehmens DSIRF („Decision Supporting Information Research and Forensic“ – Entscheidungsunterstützende Informationsforschung und Forensik)", meinen manche Stimmen (https://www.georgstreiter.de/ziemlich-viel-usa-und-china-in-der-europa-cloud/).
Doch was kann man von DSIRF wirklich erwarten? Denn es soll Florian Stermann, der Generalsekretär der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft (ORFG) laut Focus-Recherchen Ende August 2018 eine Mail an Jan Marsalek übermittelt haben, in dem „wie besprochen“ der „liebe Jan“ eine Filmpräsentation von DSIRF erhielt. Letztlich boten die vermeintlichen IT-Cracks ein spezielles Hacking-Tool namens „Subzero“ an. Es handelt sich um Dienstleistungen, die in der EU so gut wie nicht legal zu erbringen sind." Laut Homepage der DSIRF GmbH sind vor allem Regierungen potenzielle Kunden (https://www.focus.de/politik/vorab-aus-dem-focus-volle-kontrolle-ueber-zielcomputer-das-raetsel-um-die-spionage-app-fuehrt-ueber-wirecard-zu-putin_id_24442733.html).
Ausgewählte potenzielle Kunden erhalten exklusive Präsentationen – wie die in der Mail an Marsalek. "Mit einem „Computer-Überwachungswerkzeug“ auf dem „letzten Stand der Technik“ verspricht DSIRF darin die „volle Kontrolle über Zielcomputer“ und den „kompletten Zugang zu allen Passwörtern“. Regierungen würden damit alle Daten zur Verfügung stehen, die sie zu lückenloser Überwachung bräuchten. Dreißig hoch qualifizierte Mitarbeiter hätten zudem Kenntnisse im Bereich Datendiebstahl, Informationskriegstechniken sowie in beeinflussendem politischem Campaigning.
Matthias Marx, Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC), meint: 'Solche Angebote richten sich häufig an staatliche Akteure. Vergleichbare Programme wie die von DSIRF werden genutzt, um Journalisten, Menschenrechtsaktivistinnen und Oppositionelle zu überwachen.'“
Florian Stermann pflegte auch intensiven Kontakt zu Johann Gudenus, der ebenfalls im Vorstand der ORFG war - dies genau in der Zeit, als Herbert Kickl vonseiten der FPÖ den Innenminister stellte. Für Gudenus machte Stermann einen "World Compliance Check" der am für H.C. Strache und Gudeuns verhängnisvollen Abend auf Ibiza anwesenden "Oligarchennichte". Der erste Firmensitz des 2016 gegründeten Unternehmens war laut Tagesanzeiger wiederum ein Loft im siebten Wiener Gemeindebezirk, das einem prominenten Politiker gehört haben soll: Dem damaligen Kanzler Christian Kern (SPÖ) (https://www.tagesanzeiger.ch/spionagefirma-bietet-gesichtserkennung-von-shoppern-an-467623717263). Als Referenzkunden werden in DSIRFs Präsentation unter anderem Rene Benkos Signa Retail angegeben. Auch "Russian Machines", ein Unternehmen des Oligarchen Oleg Deripaska, soll die Dienste von DSIRF in Anspruch nehmen. Als Vertrauter von Deripaska gilt wiederum der mächtige heimische Unternehmer Siegfried "Sigi" Wolf, der Altkanzler Sebastian Kurz in Wirtschaftsfragen berät.
Der Schutz des Staatsgebiets stellt eine der zentralen Aufgaben des Staats dar. Konnte man vor einigen Jahren noch anhand der Topographie des Staatsgebiets dessen Grenzen abstecken, ist dies in einer globalisierten und vernetzten Welt nicht mehr auf das physische Erscheinungsbild begrenzt. Damit wird es immer mehr zur Aufgabe des Staats, seine Bevölkerung und damit auch sich selbst vor elektronischen Angriffen zu schützen. Ähnlich wie die Diskussion rund um die Frage der Anschaffung von 5G Technologie aus China, sollte auch in diesem Zusammenhang die Frage gestellt werden, ob Technologie aus den USA mit klarem Nahebezug zur CIA, sowohl datenschutzrechtlich im Interesse der Bürger_innen als auch strategisch im Sinne Österreichs und auch im weiteren Sinne im strategischen Interesse Europas liegen kann.
Neben den offensichtlichen Vorteilen für Nutzer derartiger System müssen gerade im Zusammenhang mit Überwachungssoftware eventuelle Schlupflöcher bis hin zum unerkannten Abfluss von Daten an fremde Mächte mitbedacht werden. Der Vertrauenswürdigkeit und Herkunft von Geschäftspartnern in diesem Feld ist daher erhöhtes Augenmerk zu schenken.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. Insbesondere: Welche Nachforschungen wurden vor Vertragsabschluss bezüglich Palantir angestellt? Zu welchem Ergebnis kamen diese Nachforschungen?
i. Insbesondere: Welche Rechte und Pflichten ergeben sich für die jeweiligen Vertragsparteien?
ii. Insbesondere: Welche Mechanismen wurden implementiert, um die jeweilige Erfüllung des Vertrages nachvollziehbar zu machen?
iii. Insbesondere: Welche Nachforschungen wurden vor Vertragsabschluss bezüglich Palantir angestellt? Zu welchem Ergebnis kamen diese Nachforschungen?
i. Insbesondere: Welche Nachforschungen wurden vor Vertragsabschluss bezüglich DSIRF angestellt? Zu welchem Ergebnis kamen diese Nachforschungen?
i. Insbesondere: Welche Rechte und Pflichten ergeben sich für die jeweiligen Vertragsparteien?
ii. Insbesondere: Welche Mechanismen wurden implementiert, um die jeweilige Erfüllung des Vertrages nachvollziehbar zu machen?
iii. Insbesondere: Welche Nachforschungen wurden vor Vertragsabschluss bezüglich DSIRF angestellt? Zu welchem Ergebnis kamen diese Nachforschungen?
i. Wenn ja: Wann wird diese Prüfung voraussichtlich abgeschlossen sein?