8892/J XXVII. GP veröffentlichte Version

Eingelangt am 03.12.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend wer achtet auf qualitätsvolle Begutachtung im Asylverfahren?

 

Bereits Ende 2017 ergingen von NEOS einige parlamentarische Anfragen bezüglich des ehemaligen Gerichtsgutachters für Länderkunde Karl Mahringer. Seine 2018 nach Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts erstellten Gutachten über die Lage in Afghanistan und die Situation von LGBT+ Personen im Irak dienten regelmäßig als Grundlage für Entscheidungen in Asylverfahren. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde Karl Mahringer von zahlreichen Experten und NGOs aufgrund seiner unwissenschaftlichen Methoden und der mangelnden Qualität seiner Arbeit stark kritisiert. Letztere hatten zur Konsequenz, dass zahlreiche Asylverfahren auf zweifelhafte Weise negativ entschieden worden sind. Aufgrund seiner unwissenschaftlichen Arbeitsweise wurde Karl Mahringer am 14. September 2018 nach einem Überprüfungsverfahren nach § 10 Sachverständigen- und Dolmetschergesetz per Bescheid die Zulassung entzogen. Auch das Bundesverwaltungsgericht bestätigte Mangel an Vertrauenswürdigkeit von Mahringers Arbeitsweise. 

Nun wurde in einem Verfahren des BVwG Linz zu GZ L502 2117938-1 vom zuständigen Richter ein Gutachten zum Irak eingebracht, auf dem der Name Karl Mahringers – als nicht zertifizierter Sachverständiger – geschwärzt wurde. Auftrag der Recherche war es, Personen homosexueller Orientierung in Basra und Bagdad zu befragen und Daten zu ihrem Alltag inklusive Aufenthaltsörtlichkeiten zu erheben. Darüber hinaus sollte erkundet werden, inwieweit in Basra und Bagdad Menschen mit Erscheinungsmerkmalen wie Tätowierungen, langes Haupthaar und „westlichem Kleidungsstil“ in der Öffentlichkeit „unter Verdacht stünden, homosexuell orientiert zu sein“. Der Qualitätsmangel dieses Gutachtens ist bemerkenswert, z.B. besteht es weitgehend aus Screenshots, einschließlich eines Google Maps-Bildes. In dem Gutachten fehlen außerdem zahlreiche Informationen zu Methodik, Zeitraum der Befragungen, sowie Auswahlkriterien der befragten Personen oder Auswertung der Antworten (siehe das beiliegende Dokument). 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

  1. Wann wurde die Gerichtssachverständigenkategorie 23 eingeführt?
  2. Was war der Hintergrund der Einführung der Gerichtssachverständigenkategorie 23 „Länderkunde (insbesondere Menschenrechte)“?
  3. Für welche Länder sind derzeit Sachverständige im Register eingetragen?
  4. Gab es für die Kategorie 23 andere Sachverständige, die seit der Austragung von Hr. Ing. Mahringer im Register für die Länder Afghanistan und Irak eingetragen wurden? 
  5. Wurden Sachverständigen mit Länderkunde die Sachverständigeneigenschaft iSd § 10 SDG entzogen? Wenn ja, in wie vielen Fällen ist dies seit der Einrichtung des BVwG vorgekommen und für welche Länder waren diese Sachverständigen registriert?
  6. Mit Bescheid des LG für ZRS Wien wurde Hr. Ing. Karl Mahringer die Sachverständigeneigenschaft gemäß § 10 SDG entzogen und dies wie folgt begründet: „Hervorzuheben sind dabei noch folgend Punkte: Ing. Mag. Mahringer lehnte im Zug der Prüfung ein Mitglied der Prüfungskommission ab, diese Ablehnung wurde vom Vorsitzenden der Kommission als unbegründet verworfen. Weiters lautet die Schlussfolgerung der Zertifizierungskommission auszugsweise betreffend allgemeine Bereiche der Gutachtenserstattung: „Ing. Mag. Mahringer kann zwar den Aufbau eins Gutachtens in der Theorie beschreiben, aufgrund seiner mangelhaften länderspezifischen Kenntnisse und der damit verbundenen Ungenauigkeit und Unschärfe bestehen jedoch Zweifel, dass Ing. Mag. Mahringer in der Lage ist, jeweils die für eine Gutachtenserstattung im Bereich der Länderkunde für Irak, Syrien und Afghanistan mit der Spezialisierung Flüchtlingswesen und Entwicklungshilfe erforderlichen Grundlagen lege artis zu erheben und zutreffende, eine Überprüfung standhaltende, nachvollziehbare gutachterliche Schlussfolgerung zu ziehen".“ Was folgte aus dieser Entscheidung für das Sachverständigenwesen im Allgemeinen und für die Kategorie Länderkunde im Besonderen?
  7. Wurde seitens des BMJ eine Novellierung des SDG insbesondere im Hinblick auf die Sachverständigen im Asylverfahren angedacht?
  8. Wie stellt das BMJ sicher, dass zukünftig geeignete Sachverständige im Asylverfahren herangezogen werden?
  9. Die Auswahl und Bestellung von Sachverständigen in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist als Akt der unabhängigen Rechtsprechung zu qualifizieren und als solcher ausschließlich der/dem jeweils zuständigen Richter/in bzw. dem jeweils zuständigen Richtersenat obliegt. Ohne der freien Beweiswürdigung des einzelnen Gerichtes vorgreifen zu wollen, ist jedoch für ein faires und qualitätsvollen Asylverfahren die Hinzuziehung von qualifizierten Sachverständigen essentiell. Sind in ihrem Ressort Verbesserungen bzw. legistische Maßnahmen geplant um insbesondere die Situation mit Sachverständigen "Länderkunde" zu verbessern?
    1. Wenn ja, inwiefern?
    2. Wenn nein, weshalb nicht?
  1. Ist Ihnen bekannt, ob der ehemalige gerichtlich zertifizierte Sachverständige Mahringer nochmals als nicht zertifizierter Sachverständige beauftragt wurde?
    1. Wenn ja, bezüglich welcher Länder?
    2. Wenn ja, in wie vielen Fällen?
  1. In einem Verfahren des BVwG Linz zu GZ L502 2117938-1 wurde vom zuständigen Richter ein „Gutachten“ zum Irak beauftragt. Der Ersteller dieses Gutachtens wurde sodann im Erkenntnis geschwärzt.
    1. Ist Ihnen dieser Umstand bekannt?
    2. Was unternimmt das BMJ um offenkundig ungeeignete Sachverständige (denen bereits die Sachverständigeneigenschaft nach § 10 SDG entzogen wurde) im Asylverfahren zu verhindern? 
  1. Welche Kosten entstanden für den Recherchebericht des Hr. Ing. Karl Mahringer?
    1. Mit der Bitte um Angabe nach Datum, Leistungsbeschreibung und Beträgen.
  1. Im Recherchebericht wird angegeben, dass Hr Ing. Karl Mahringer die Recherche persönlich, unter Zuhilfenahme von verlässlichen Übersetzern/Mitarbeitern, im Zeitraum vom 20.10.2020 bis 22.07.2021 durchgeführt hat.
    1. Für wie viele Tage, Wochen oder Monate hat sich Hr. Ing. Karl Mahringer vor Ort befunden, um die Recherche persönlich durchzuführen?
    2. Gibt es zu diesen Reise- und Aufenthaltskosten Abrechnungen mit Originalbelegen? Falls ja, mit der Bitte um Übermittlung dieser Belege, zumindest aber Darstellung der wesentlichen Inhalte wie Datum, Beleginhalt, Kosten, etc.
  1. Der Bericht beinhaltet sehr viele Screenshots, die sehr wenig Information zu den Fragestellungen des Auftraggebers liefern. Insgesamt sind von den 39 Seiten des Recherche-Berichts etwa 24 Seiten Screenshots und etwa 3-4 Seiten Kopien der Fragen des Recherecheauftrags. Die Untersuchung selbst scheint extrem rudimentär zu sein und man vermisst grundsätzliche Information wie Zeitraum der Befragungen, Methodik, Auswahlkriterien der befragten Personen, Überlegungen zu den Fragestellungen, Auswertungen etc. Insgesamt scheint die Recherche erhebliche Mängel aufzuweisen und vermag hinsichtlich der Qualität nicht zu überzeigen. Wie bereits das LG für ZRS Wien festgestellt hat dürften die Gutachten von Hr. Ing. Karl Mahringer grundsätzlich nicht die notwendige Qualität aufzeigen, um gutachterliche Schlussfolgerungen im Bereich der Länderkunde (Irak, Syrien und Afghanistan) zu ziehen. Die dem BVwG vorgelegte Recherche scheint die Entscheidung des LG für ZRS Wien zu bestätigen. Wie stellt das BMJ sicher, dass mangelhafte Gutachten, wie die des Hr. Ing. Karl Mahringer zukünftig nicht wiederholt für lange Zeit ungestört als Grundlage von asylrechtlichen Erkenntnissen dient?