8916/J XXVII. GP

Eingelangt am 07.12.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Andreas Kollross, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Rückzahlung Ertragsanteilvorschüsse

Die 2095 Gemeinden in Österreich fehlen aufgrund der Coronakrise laut den Analysen des Zentrums für Verwaltungsforschung (KDZ) für die Jahre 2020 und 2021 insgesamt vier Milliarden Euro, die Auswirkungen des 4. Lockdowns noch gar nicht mitberücksichtigt. Auch die kommenden Jahre stehen die Gemeinden somit vor schwierigen Herausforderungen.

 

Rund 42 % der gesamten Einnahmen beziehen die Gemeinden aus konjunkturabhängigen Steuereinahmen. Durch die Coronakrise ist zusätzlich zu den erwartbaren Minderungen des Steueraufkommens - und damit der Ertragsanteile für die Gemeinden - mit einem erheblich reduzierten Aufkommen, der von der Lohnsumme abhängenden Kommunalsteuer, zu rechnen. Die Finanzierung zahlreicher kommunaler Dienstleistungen ist dadurch gefährdet. Wichtige Teile der Daseinsvorsorge wie Kinderbetreuung, Rettungs- und Feuerwehrwesen, Schulerhaltung, Spitalsfinanzierung, Abwasserent- und Wasserversorgung fallen nämlich in den Aufgabenbereich der Kommunen.

 

Städte und Gemeinden sind jedoch nicht nur für die Finanzierung wichtiger Infrastruktur zuständig und mit fast 75.000 Vollbeschäftigtenäquivalenten der größte öffentliche Dienstgeber, sondern auch der größte öffentliche Investor in dieser Republik. Das Investitionsvolumen der Gemeinden lag 2019 bei über 4,4 Mrd. Euro, 30% aller öffentlicher Investitionen wurden von Gemeinden getätigt. Das Schicksal vieler Handwerksbetriebe, Installateur*innen, Gärtner*innen, Tischler*innen und regionaler Baufirmen ist eng mit der Finanzkraft der Kommunen verwoben.

 

Zur Unterstützung von kommunalen Investitionen hat der Nationalrat am 18.06.2020 das Kommunalinvestitionsgesetz 2020 (KIG 2020) verabschiedet, welches mit 1. Juli 2020 in Kraft getreten ist und am 08.07.2021 um ein Jahr verlängert wurde. Nach dem Kommunalinvestitionsgesetz 2020 werden kommunale Investitionsprogramme der Gemeinden mit Zweckzuschüssen von insgesamt einer Milliarde Euro vom Bund unterstützt. Die Höhe des Zweckzuschusses beträgt maximal 50% der Gesamtkosten pro Investitionsprojekt. Dieser Zuschuss ist jedoch mit der anteiligen Höhe begrenzt, welche für jede Gemeinde gemäß§ 2 Abs. 8 KIG 2020 berechnet wird.

Anfang des Jahres kam es dann zu einem zweiten Gemeindepaket, welches zu einem Großteil auf Vorschüssen auf künftige Ertragsanteile basiert. Der zur Verfügung gestellte Betrag muss jedoch ab 2023 zurückbezahlt werden.

 

Das KDZ berechnete basierend auf diesen beiden Paketen eine erneute Prognose der Gemeindefinanzen bis 2024 und kam zu dem Schluss, dass es bis 2024 erneut zu einem finanziellen Engpass kommen wird. Maßgeblich verantwortlich dafür sind die Rückzahlungen der Ertragsvorschüsse des zweiten Gemeindepakets. Es ist daher davon auszugehen, dass ohne zusätzliche Förderungen die laufenden Ausgaben der Gemeinden stärker steigen werden als die laufenden Einnahmen und es dadurch zu Problemen in der regionalen Daseinsvorsorge und bei kommunalen Investitionen kommen wird.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE

 

1.       Wie hätten die Gemeindefinanzen laut Berechnungen des Finanzministeriums auf Basis der Planrechnung 2020 und Folgejahre aus Sicht des Jahres 2019 ausgesehen?

 

2.       Wie steht es laut den Berechnungen des Finanzministeriums um die Gemeindefinanzen für den Zeitraum von 2020-2025?

 

3.       Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um der steigenden Zahl an Abgangsgemeinden (= Gemeinden deren Ergebnis des ordentlichen Haushalts eines Jahres negativ ist) entgegenzuwirken?

 

4.       Planen Sie ein drittes Gemeindepaket?

a.       Wenn nein, warum nicht?

b.       Wenn nein, aus welchen Mitteln sollen die krisengebeutelten Gemeinden ihre gemeindeeignen Dienstleitungen (Müllentsorgung, Wasserversorgung,…) finanzieren?

 

5.       Welche Maßnahmen planen Sie, um die finanzielle Stabilität der Gemeinden über das Jahr 2024 hinaus zu gewährleisten?

 

6.       Welche Maßnahmen planen Sie, um die Auswirkungen des 4. Lockdowns auf die Gemeindefinanzen zu kompensieren?

 

7.       Wieso hat die Rückzahlungsphase der Sondervorschüsse bereits im Herbst 2021 begonnen und nicht wie angekündigt im Jahr 2023?

 

8.       Bis wann sollen Sie Gemeinden die Ertragsanteilvorschüsse zurückzahlen?

 

9.       Im Zuge der ökosozialen Steuerreform kommt es von 2022 bis 2025 zu Mindereinnahmen für die Gemeinden inkl. Wien von voraussichtlich insgesamt rund 1,9 Mrd. Euro bzw. 200 bis 600 Mio. Euro p.a., welche Maßnahmen planen Sie, um diese Mindereinnahmen zu kompensieren?

a.       Welche Maßnahmen werden getroffen, wenn es nicht zu der, wie vom BMF prognostizierten, positiven Wirtschaftsentwicklung in den nächsten Jahren kommen wird und die Gemeinden daher noch weniger Geld zur Verfügung haben werden?