8929/J XXVII. GP

Eingelangt am 09.12.2021
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Anfrage

 

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

betreffend unsachliche Schlechterstellung beim regionalen Klimabonus

 

 

Ab 1. Juli 2022 bekommen alle Menschen in Österreich einen Klimabonus von 100 Euro im Jahr. Jedes Kind bekommt 50 Euro. Das Prinzip dahinter ist folgendes: Je weniger CO2 verbraucht wird, desto mehr bleibt vom Klimabonus übrig. So zahlt sich laut Ministerium der Klimaschutz auch finanziell aus.

Zusätzlich zum Klimabonus wird es einen Regionalausgleich geben. Denn die öffentlichen Verkehrsanbindungen sind nicht überall gegeben und viele daher weiterhin auf ein Auto angewiesen. „Je weiter die Alltagswege sind und je weniger Öffentlicher Verkehr in der jeweiligen Gemeinde angeboten wird, umso höher der Ausgleich. In Gemeinden mit wenig öffentlichem Verkehrsangebot ist der Weg zur Schule oder zum Arbeitsplatz meist länger, dann ist der Ausgleich am höchsten. Der Regionalausgleich orientiert sich an der Wohngemeinde. Dabei gibt es drei Kategorien. Die öffentliche Anbindung (ÖV-Güteklasse) gemeinsam mit dem Ausbau der Infrastruktur wie Schulen, Einkaufsmöglichkeiten etc. (Urban-Rural-Typologie) ergeben die Kategorie.“ Zum Klimabonus gibt es dann zusätzlich: In der Kategorie 1: +33 Euro; in der Kategorie 2: +67 Euro; in der Kategorie 3: +100 Euro.1 Menschen mit Behinderung, die eine Mobilitätseinschränkung haben, erhalten unabhängig vom Wohnort 200 Euro.2

 

Die Kategorisierung wird von der Statistik Austria vorgenommen. Sie wurde beauftragt, eine Typologie zu erstellen, um die Regionen entsprechend einzuteilen. Basis für die Berechnung ist die sogenannte „Urban-rural-Typologie“, die zwischen dem ländlichen und dem urbanen Raum unterscheidet und alle fünf Jahre berechnet wird.3 In der Urban-rural-Typologie fehlt aber die Anbindung an den öffentlichen Verkehr, daher legte die Statistik Austria über die Urban-rural-Typologie noch die ÖV-Güteklassen (Öffentlicher Verkehr) – also wie gut ein Standort mit öffentlichem Verkehr versorgt ist. Konkret wurde allen Bus-, Bahn- und U-Bahn-Haltestellen in Österreich eine von acht Güteklassen zugewiesen.4

 

1)        https://www.bmk.gv.at/service/presse/gewessler/20211003_oekosoziale-steuerreform.html 

2)        https://kurier.at/politik/inland/gesetz-fuer-steuerreform-offene-fragen-beim-regionalen-klimabonus/401798455

3)        https://www.dolomitenstadt.at/2021/10/05/klimabonus-grosse-unterschiede-auch-in-osttirol/

4)        https://orf.at/stories/3231087/

Am 8. November ist der Gesetzesentwurf zur ökosozialen Steuerreform in eine vierwöchige Begutachtung gegangen. Mehrere Punkte sind noch offen. So auch die Auszahlung. Der Klimabonus wird in Zukunft analog zur CO2-Bepreisung ansteigen. Nach 2022 soll das BMK jährlich per Verordnung festlegen, wie hoch die Summe ausfällt.2

 

Kritisiert wird an der derzeitigen Staffelung und regionalen Differenzierung vor allem, dass teilweise Gleiches unterschiedlich bewertet wird. Bei ein und demselben klimafreundlichen bzw. klimaschädlichen Verhalten kann es zu einem beträchtlichen Unterschied beim Klimabonus kommen – abhängig davon, wo man zu Hause ist.5

 

„Als „nicht sachgerecht“ kritisierte Klima-Ökonom Joel Tölgyes vom sozialliberalen Momentum Institut die regionale Differenzierung. Zudem wurde auf die Mieter vergessen, bekrittelte Tölgyes: „Dabei gibt es in Wien mehr als 440.000 Gasheizungen, die meisten davon in Mietwohnungen, wo die Mieter keinen Einfluss auf das Heizsystem haben.“ Größtes Problem sei jedoch der Mobilitätsbereich auch aufgrund der stetig steigenden Emissionen. Hier könne der CO2-Preis nicht einmal im Ansatz ausgleichen, was verfehlte Raumordnungspolitik, Diesel- und Dienstwagenprivileg, Pendlerpauschle und Öffi-Defizite außerhalb Wiens verursachten, lautet die Kritik.“5

 

Zudem können aufgrund der regionalen Differenzierung in manchen Fällen bereits einige Meter den Unterschied ausmachen, in welche der vier Klassen man fällt und wie hoch somit der Ökobonus ausfällt. So ein Fall in Wien: In der Ketzergasse erhalten Menschen, die in einem Haus mit ungerader Hausnummer wohnen, 133 Euro, weil sie schon Niederösterreicher sind, ihre Nachbarn mit gerader Hausnummer sind jedoch noch Wiener und bekommen daher – wegen der angeblich guten Öffi-Anbindung – weniger, nämlich wie überall in Wien nur 100 Euro.6

 

Genauso verhält es sich auch in ländlichen Gebieten und Tälern. Ein Beispiel: In der Gemeinde Weißenstein in Kärnten – die geografisch gesehen gleich weit vom Stadtzentrum Villach entfernt liegt, wie die Gemeinde Afritz am See, wird ein Klimabonus von 200,- Euro ausbezahlt. In Afritz am See beträgt der Klimabonus aber nur 167,- Euro. Auch in der Gemeinde Feld am See wird ein Klimabonus von 200,- Euro ausbezahlt, obwohl sie auf der gleichen Strecke, durch das gleiche Tal führt und den gleichen Anschluss an die Linienbusse hat, wie die Gemeinde Afritz.

 

Gänzlich vergessen wurden jene, die aus der Stadt auspendeln müssen. In Kärnten gibt es in der Industrie über 400 Betriebe und mehr als 26.000 Beschäftigte. Diese Betriebe sind typischerweise abseits dicht besiedelter Gebiete verortet. Die Arbeitnehmer in diesen Betrieben sind auf die gleiche Verkehrsinfrastruktur angewiesen wie jene, die in die Ballungsräume einpendeln. Im Vergleich zu den Ihnen morgens und abends entgegenkommenden Pendlern, schauen die Auspendler jedoch durch die Finger. Beiden Gruppen steht die gleiche Infrastruktur zur Verfügung, aber eine Gruppe wird schlechtergestellt.

 

 

2)     https://kurier.at/politik/inland/gesetz-fuer-steuerreform-offene-fragen-beim-regionalen-klimabonus/401798455

5)     https://www.vienna.at/steuerreform-klimabonus-ordnet-gleiches-unterschiedlich-ein/7147699

6)     https://www.diepresse.com/6043489/klimabonus-wenn-die-hausnummer-den-unterschied-macht

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie folgende

 

 

ANFRAGE

 

1.    Warum wurden die Gemeindegrenzen zur örtlichen Definition des Klimabonus herangezogen?

2.    Gibt es auch Fälle, in denen die Gemeindegrenzen aufgrund der öffentlichen Verkehrsanbindung an den Grenzen „fließend“ gestaltet wurden?

a.    Wenn ja, welche Fälle sind das und aus welchen Gründen wurden die Grenzen „fließend“ gestaltet?

b.    Wenn nein, warum nicht?

3.    Wurde innerhalb der Gemeindegrenzen eine weitere Einteilung bzw. Differenzierung – z.B. in Stadt- und Randgebiete – vorgenommen anhand der der regionale Klimabonus festgelegt wurde?

a.    Wenn ja, warum und wie sieht diese Differenzierung aus?

b.    Wenn nein, warum nicht?

4.    Wurde bei der örtlichen Definition und Festlegung des Klimabonus auch die Geographie ländlicher Gebiete und Täler berücksichtigt?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn nein, warum nicht?

5.    Wie kommt konkret der ungleiche Klimabonus-Betrag der Gemeinden Weißenstein und Afritz am See zustande, wenn sie geografisch gesehen gleich weit vom Stadtzentrum Villach entfernt sind?

6.    Wie kommt der ungleiche Klimabonus-Betrag der Gemeinden Afritz am See und Feld am See zustande, obwohl die Gemeinden im gleichen Tal liegen und dieselbe Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel haben?

7.    Wie hat die Statistik Austria die ÖV-Güteklassen festgelegt und welche Faktoren spielten dabei eine Rolle?

8.    Wie werden die ÖV-Güteklassen gegenüber der Urban-rural-Typologie gewichtet?

9.    Wurden auch Faktoren wie die Taktung der öffentlichen Verkehrsmittel oder die Erreichbarkeit von Ämtern, Schulen und Geschäften bei der Gewichtung und Verteilung des Klimabonus berücksichtigt?

a.    Wenn ja, welche Faktoren genau?

b.    Wenn nein, warum nicht?

10. Wurden Faktoren, wie Heizkosten und Energieversorgung, bei der Gewichtung und Verteilung des Klimabonus berücksichtigt?

a.    Wenn ja, warum und inwiefern?

b.    Wenn nein, warum nicht?

11. Wie sieht die Verteilung der acht Güteklassen aus, die den Bus-, Bahn und U-Bahn-Haltestellen zugewiesen wurden, und nach welchen Kriterien ist dies passiert?

12. Spielt es für den Klimabonus eine Rolle, ob es sich beim Wohnsitz um einen Haupt- oder Nebenwohnsitz handelt?

a.    Wenn ja, warum?

b.    Wenn nein, warum nicht?

13. Über welches Ministerium wird der Klimabonus abgewickelt und mit welcher Begründung?

14. Wird dieses Ministerium auch die Auszahlung des Klimabonus vornehmen?

a.    Wenn ja, warum?

b.    Wenn nein, warum nicht?

15. Was entgegnen Sie Vorwürfen, wonach Auspendler gegenüber Einpendlern unsachlich schlechtergestellt werden, da Erstere trotz der gleichen Verkehrsinfrastruktur einen geringeren Klimabonus bekommen?

16. Planen Sie Maßnahmen um die beschriebene Schlechterstellung zu beenden?

a.    Wenn ja, welche Maßnahmen sollen wann umgesetzt werden?

b.    Wenn nein, warum nicht?

17. Gibt es in Ihrem Ressort Einschätzungen, Studien oÄ welche Personengruppen (Bildungsgrad, Erwerbsart, Einkommen, Geschlecht, Alter) durch die Schlechterstellung von Auspendlern besonders benachteiligt werden?