8957/J XXVII. GP

Eingelangt am 15.12.2021
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Petra Bayr, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend nachhaltige IT-Geräte und Lücken bei Ausfuhrverbot von Elektroschrott in Nicht-OECD- Länder

Laut Prognosen der Weltgesundheitsorganisation WHO werden 2021 weltweit im Schnitt 7,6 Kilogramm E-Schrott pro Kopf und Jahr produziert. Zusammengenommen wäre das ein Berg von 57,4 Millionen Tonnen an ausgedienten Kühlschränken, Fernsehern, Klimaanlagen, Druckern, Computern, Solarpaneelen, Akkus usw.. Die Kapazitäten der weltweiten Recyclinganlagen reichen nicht aus, um diese Mengen zu verarbeiten. Nur 17,4 Prozent des anfallenden Elektroschrotts werden laut E-Waste Monitor 2020 sachgemäß recycelt. In Österreich sind 2019 168.000 Tonnen Elektromüll entstanden. Nur etwas mehr als die Hälfte davon werden ordnungsgemäß recycelt. (Quelle: Südwind-Magazin, Oktober 2021)

Stattdessen werden jährlich Millionen Tonnen Elektroschrott fälschlicherweise als Gebrauchtware deklariert und auf illegalen Wegen in Länder des Globalen Südens wie zum Beispiel Ghana exportiert, wo sie auf informellen Müllhalden ohne professionelle Recyclingmöglichkeit landen.

Kinder und Jugendliche zerbrechen dort Computerbildschirme und verbrennen Kühlschränke und Elektrokabel ohne Schutz vor den giftigen Dämpfen, um an Kupfer und andere Metalle zu gelangen und diese für Hungerlöhne zu verkaufen, wie die preisgekrönten Dokumentation Welcome to Sodom und auch Recherchen der NGO Südwind in den Jahren 2009, 2012 und 2021 belegen.

Elektronische Produkte bestehen unter Anderem aus über 1.000 giftigen Inhaltstoffen, wie Blei, Quecksilber, bromierten Flammschutzmitteln und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, die bei unsachgemäßer Handhabung, Lagerung und Verarbeitung freigesetzt werden. Viele dieser Stoffe sind krebserregend oder können Atemwegserkrankungen, Kopfschmerzen und andere Beschwerden verursachen, andere zerstören die Ozonschicht und befördern die Klimaerhitzung.

Die Praxis der illegalen Elektroschrottexporte sollte mit dem Basler Abkommen aus dem Jahr 1989 unterbunden werden. In Österreich ist es seit 1993 in Kraft. Lückenhafte Kontrollen in den europäischen Häfen, lasche Strafverfolgung und relativ hohe Gewinne aus dem verbotenen Geschäft mit dem Schrott haben zur Folge, dass in Ländern wie Ghana, China und Indien tonnenweise kaputte Geräte aus den Ländern des Globalen Nordens landen.

Die Lebenszeit der Elektro- und Elektronikprodukte wird immer kürzer, weil Reparaturen aufgrund des Produktdesigns immer schwieriger und die Leistungsanforderungen an die Geräte und ihre elektronischen Funktionen immer größer werden. Dadurch steigt die jährliche Produktionsmenge und infolgedessen mit leichter zeitlicher Verzögerung wiederum die Menge an anfallendem Elektroschrott. Wenn sich nichts ändert, fallen im Jahr 2030 laut Prognosen des E-Waste Monitors (2020: S. 13) bereits 74,7 Megatonnen Elektroschrott jährlich an.

Aber auch in der Produktion von elektronischen Geräten gibt es Nachweise für Menschenrechtsverletzungen und die Ausbeutung der Umwelt.

Elektronikgeräte werden hauptsächlich in Südostasien und China zusammengebaut. In Studien der Menschenrechtsorganisation Südwind wird von einer hohen Gesundheitsgefährdung der Arbeiter*innen in der Produktion durch die verwendeten Chemikalien, über extrem hohe Wochenarbeitszeiten und prekäre Beschäftigungsverhältnisse, bis zur Unterdrückung von Gewerkschaften berichtet.

Am Anfang der Lieferkette, beim Rohstoffabbau, arbeiten Menschen oft unter lebensgefährlichen Bedingungen, verdienen wenig und vom Gesamtgewinn bleibt nur ein Bruchteil in der Region und im Land. Viele Rohstoffe für IT-Geräte kommen aus den Ländern des Globalen Südens. Mit der stetig steigenden Produktion neuer elektrischer und elektronischer Geräte (aufgrund der oben angesprochenen kurzen Lebensdauer und schlechten Reparierbarkeit sowie der erwünschten Umsatzsteigerungen der Unternehmen) steigt auch der Rohstoffhunger. Dieser Tendenz, welche sich auf dem Rücken von Arbeiter*innen und Natur in rohstoffexportierenden Ländern vollzieht, kann mit einem klar definierten Reduktionsziel begegnet werden, wie es bislang in der österreichischen Rohstoffstrategie allerdings fehlt.

Durch die Wiedergewinnung von Rohstoffen aus Elektroschrott durch hochqualitatives Recycling können diese als Sekundärrohstoffe wiederum in neue Geräte eingebaut werden, was den Bedarf an Primärrohstoffen zusätzlich senken würde.

Der ökologische Fußabdruck für die Produktion und Verwendung von Elektronikgeräten wird mit 4 bis 10 % aller CO2-Emissionen weltweit beschrieben. (Bericht #ClimateofChange: Towards a wellbeing economy that serves people and nature, S. 40f.) Durch Recycling, eine längere Verwendungsdauer der Geräte und eine verbesserte Reparierbarkeit wird ein Beitrag zur CO2- Reduktion und somit zum Klimaschutz geleistet.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.       Wo sehen Sie die Zuständigkeit Ihres Ministeriums oder von Ihrem Ministerium verantwortlichen ausgelagerten Bereichen oder Dienststellen in diesem Bereich?

2.       Wo sehen Sie Lösungsansätze in Ihrem Wirkungsbereich, um die oben beschriebenen Lücken zu schließen?

3.       Welche Initiativen setzen Sie in Ihrem Wirkungsbereich, um illegale E-Müll-Exporte zu unterbinden?

a) Wenn sie keine Initiativen setzen, warum nicht?

4.       Welche Initiativen setzen Sie, um sachgemäßes Recycling von Elektroschrott innerhalb der OECD- Länder zu fördern?

a)       Wenn sie keine Initiativen setzen, warum nicht?

5.       Welche Initiativen setzen Sie in Ihrem Wirkungsbereich, um die Lebensdauer und Reparierbarkeit von Elektronikprodukten zu verlängern?

a)       Wenn sie keine Initiativen setzen, warum nicht?

6.       Sind bei den Beschaffungsprozessen von Elektronikprodukten in Ihrem Wirkungsbereich Menschenrechts- und Umweltstandards inkludiert (Haltbarkeit, Reparierbarkeit, unabhängige

Überprüfung der Umwelt und Sozialstandards in der Produktion und beim Rohstoffabbau, Recyclierbarkeit, Vermeidung von Rohstoffen aus Konfliktregionen,...)?

a)   Wenn ja welche?

b)  Wenn ja, werden die Kriterien und die Einhaltung unabhängig überprüft?

c)    Wenn nein, warum nicht?

7.       Ist Ihr Ministerium der Initiative Electronics Watch zur unabhängigen Überprüfung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Lieferkette beigetreten?

a) Wenn nein, warum nicht?

8.       Wie stellen Sie sicher, dass nicht mehr funktionsfähige Elektronikgeräte aus Ihrem Wirkungsbereich sachgemäß wiederverwertet werden und nicht auf Elektroschrott-Müllhalden außerhalb der OECD landen?

a) Wenn Sie keine Maßnahmen setzen, warum nicht?

9.       Wo liegt in Ihrem Wirkungsbereich die Zuständigkeit für die Einhaltung und Überprüfung der Vorgaben des Basler Abkommens?

10.   Von welchem Strafausmaß könnte ihr Ressort bei Verstößen gegen das Basler Abkommen betroffen sein?

11.    Welche Maßnahmen zur Entschädigung und Wiedergutmachung treffen Sie in Ihrem Wirkungsbereich im Hinblick auf Schäden an Menschenrechten, Gesundheit und Umwelt, welche durch illegale Elektroschrott-Exporte aus Österreich verursacht wurden?

a) Wenn sie keine Maßnahmen setzten, warum nicht?

12.   Wo sehen sie in Ihrem Wirkungsbereich weitere Handlungsnotwendigkeiten und wie planen Sie diese umzusetzen? (Bitte um Auflistung der Vorhaben und der dazugehörigen Zeithorizonte.)

13.    Wenn Sie keine Handlungsnotwendigkeiten in Ihrem Wirkungsbereich sehen, gibt es trotzdem Maßnahmen, die Sie politisch oder verwaltungstechnisch setzen könnten?

14.    Welche Schritte setzen Sie in Ihrem Wirkungsbereich, um die österreichische Rohstoffstrategie wirksamer zu gestalten?

a)       Setzen Sie sich für klare und ambitionierte Zielvorgaben für die nachhaltige Reduktion des Rohstoffverbrauchs Österreichs ein?

I.                     Wenn ja, wie?

II.                   Wenn nein, warum nicht?

b)      Setzen Sie sich für eine wirksame Lieferkettenverantwortung von global agierenden Unternehmen für deren weltweiten Wertschöpfungsketten ein?

I.                     Wenn ja, wie?

II.                   Wenn nein, warum nicht?

c)       Beziehen Sie Zivilgesellschaft und Wissenschaft in Strategieentwicklung und Umsetzung ein?

I.                    Wenn ja, wie?

II.                   Wenn nein, warum nicht?

d)       Setzen Sie sich für die Aufwertung von Wiederverwendbarkeit und Reparatur ein?

I.                    Wenn ja, wie?

II.                   Wenn nein, warum nicht?