8968/J XXVII. GP
Eingelangt am 15.12.2021
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möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Folgeanfrage III zu Abschiebelager in Serbien
Unter Bundesminister Kickl wurde am 24. April 2019 eine Arbeitsvereinbarung mit Serbien betreffend der Unterbringung von in Österreich nicht erwünschten Fremden unterzeichnet. Aus der Beantwortung unserer Anfrage vom 14.04.2020 (923/AB) geht hervor, dass diese Vereinbarung noch immer besteht und ein Konzept zur Umsetzung der Arbeitsvereinbarung in Ausarbeitung ist (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_00923/imfname_791360.pdf).
Ziel sind Einrichtungen in Serbien für illegal in Österreich aufhältige Fremde, deren Abschiebung in den Herkunftsstaat nicht möglich ist und wo "ein ausreichender Bezug des Fremden zur Republik Serbien besteht" (etwa wenn diese über die Westbalkanroute nach Österreich geflüchtet sind). Die Unterbringungskosten soll das österreichische BMI bezahlen. Für die Unterbringung „ist keine bestimmte Dauer oder Maximalfrist festgelegt“. Über den genauen Inhalt, die Rechte und Pflichten wurde Stillschweigen vereinbart. Obwohl ein Konzept zur Umsetzung in Ausarbeitung ist, wurden selbst Fragen zu den Kosten- für die Steuerzahler_innen sehr wohl relevant- vonseiten des BMI nicht beantwortet.
Aus der Beantwortung der Folgeanfrage vom 22. Juli 2020 (2912/J) geht hervor, dass das Bundesministerium für Inneres sich zur Tragung von Kosten für "die Unterbringung, Versorgungsleistungen, Bekleidung und notwendige Hygieneartikel" verpflichtet hat. Erstattungsfähig seien Kosten für "medizinische Versorgung, psychologische Betreuung, Rückkehrberatung, Pflichtschulbildung und notwendige Utensilien sowie Transport innerhalb des Drittstaates, der in Bezug auf Pflege, medizinische Versorgung und Unterkunft notwendig ist". Die Anfragebeantwortung bestätigt, dass die Arbeitsvereinbarung am Tag ihrer Unterzeichnung auch in Kraft trat (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_02917/index.shtml).
Somit wurde eine Vereinbarung zur Aufnahme abzuschiebender Personen von Österreich in ein weiterhin hinterfragenswürdiges Lager in Serbien auf unbekannte Dauer am 24. April 2019 wirksam.
Die Grünen sprachen sich im April zwar gegen diesen Abschiebeplan aus (https://www.derstandard.at/story/2000116902861/regierung-will-abgelehnte-fluechtlinge-nach-serbien-schicken) und begründeten dies laut Standard unter anderem damit, dass der Plan unter der Regierung Kurz I entstanden war, doch spricht auch das jetzige Regierungsprogramm von einer "Prüfung der Schaffung von bi- und multilateralen Abkommen mit sicheren Drittstaaten zur Aufnahme von rechtskräftig abgelehnten Asylwerberinnen und Asylwerbern in diesen Ländern bei unmöglicher freiwilliger oder zwangsweiser Außerlandesbringung unter Berücksichtigung völker- und menschenrechtlicher Verpflichtungen" (S. 196).
Am 16. April berichtete auch der ORF (https://orf.at/stories/3162103/), dass seitens der Grünen ein solches Abkommen nicht stattfinden könne, obwohl dieses zum Zeitpunkt dieser Aussagen bereits ein Jahr lang wirksam waren: "Die grüne Klubvizechefin Ewa Ernst-Dziedzic lehnt die Abschiebung von nicht aus Serbien stammenden Geflüchteten in das Balkan-Land ab. [...] Wie sie im Ö1-Mittagsjournal ausführte, sei dieses Projekt in der von Kickl vorgesehenen Form nicht durch das Regierungsprogramm gedeckt. Für Ernst-Dziedzic ist die Überstellung von rechtskräftig negativ befundenen Asylwerbern nicht mit dem Pakt vereinbar und somit hinfällig."
Dass Österreich seine menschenrechtlichen Verpflichtungen durch Umsetzung dieses Projektes nicht verletzen wird, ist schwer in Zweifel zu ziehen. Anstatt sich um effektive Rücknahmeabkommen einzusetzen, welche die Aufrechterhaltung von menschenrechtlichen Verpflichtungen berücksichtigen, sieht die Umsetzung dieser Vereinbarung vor, Menschen, die in Österreich keinen internationalen Schutz bekommen haben, nach Serbien zurückzuführen. Und dies auch, wenn der einzige Bezug dieser Menschen zu Serbien lediglich eine Durchreise des Landes ist. In Anbetracht widersprüchlicher Stellungnahmen der Regierungsparteien und der minimalen Informationen, die selbst durch das Einlangen von zwei Anfragen bisher zur Causa 'extraterritoriales Abschiebezentrum' an die Öffentlichkeit gelangten, sind weiterhin einige Fragen offen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. Was ist unter "Konzept" zu verstehen?
i. Welche Art der Unterbringung ist in der vom BMI unterzeichneten Vereinbarung vorgesehen?
ii. Für welche maximale Dauer übernimmt das BMI hierfür welche Kosten pro Person in welchem Zeitabstand?
i. Welche Versorgungsleistungen sind hier genau inbegriffen?
ii. Für welche maximale Dauer übernimmt das BMI hierfür welche Kosten pro Person in welchem Zeitabstand?
i. Wie viele und welche Kleidungsstücke sind pro Person in der vom BMI unterzeichneten Vereinbarung inbegriffen?
ii. Was unternimmt das BMI, um den Erhalt und das Bestehen von genügend adäquater und qualitativer Kleidung für jede/n 'Bewohner_in' des Zentrums fortgehend zu kontrollieren und sicherzustellen?
1. Wie kommt das BMI für die Reparatur oder den Ersatz kaputter oder alter Kleidung auf?
2. Woher stammt die Kleidung (bitte um detaillierte Erläuterung)?
iii. Für welche maximale Dauer übernimmt das BMI hierfür welche Kosten pro Person in welchem Zeitabstand?
i. Wie viele und welche Hygieneartikel werden pro Frau monatlich bereitgestellt?
ii. Wie können Frauen im Abschiebezentrum bei Bedarf mehr Hygieneartikel beantragen (bitte um genauen Ablauf des Antrags und die Dauer für die Bearbeitung und Resultate solcher Anträge)?
iii. Für welche maximale Dauer übernimmt das BMI hierfür welche Kosten pro Person in welchem Zeitabstand?
i. Welche genaue(n) Art(en) der medizinische Versorgung ist/sind in der vom BMI unterzeichneten Vereinbarung inbegriffen?
ii. Übernimmt das BMI eine volle Rückerstattung (100% des Betrags)?
1. Wenn ja, in wie vielen Fällen wurde eine volle Rückerstattung durchgeführt?
2. Wenn nein, wie viel wurde jeweils rückerstattet?
iii. Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen eine Rückerstattung nicht möglich war?
1. Wenn ja, wie viele wann und weshalb?
2. Wenn ja, wie haben Sie diese Hindernisse behoben?
iv. Für welche maximale Dauer übernimmt das BMI hierfür welche Kosten pro Person in welchem Zeitabstand?
v. Wie viele Menschen haben wann für welche medizinische Artikel oder Dienstleistungen eine Rückerstattung beantragt?
i. Übernimmt das BMI eine volle Rückerstattung (100% des Betrags)?
1. Wenn ja, in wie vielen Fällen wurde eine volle Rückerstattung durchgeführt?
2. Wenn nein, wie viel wurde jeweils rückerstattet?
ii. Wie viele psychologische Betreuer_innen stehen wie vielen Menschen im Zentrum in Serbien wie oft zur Verfügung?
iii. Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen eine Rückerstattung nicht möglich war?
1. Wenn ja, wie viele wann und weshalb?
2. Wenn ja, wie haben Sie diese Hindernisse behoben?
iv. Wie viele Menschen haben wann für wie viele Therapiesitzungen eine Rückerstattung beantragt?
i. Welche genaue Form der Beratung ist in der vom BMI unterzeichneten Vereinbarung inbegriffen? Bitte um Erläuterung der Häufigkeit und Dauer der Rückkehrberatung.
ii. Übernimmt das BMI eine volle Rückerstattung (100% des Betrags)?
1. Wenn ja, in wie vielen Fällen wurde eine volle Rückerstattung durchgeführt?
2. Wenn nein, wie viel wurde jeweils rückerstattet?
iii. Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen eine Rückerstattung nicht möglich war?
1. Wenn ja, wie viele wann und weshalb?
2. Wenn ja, wie haben Sie diese Hindernisse behoben?
iv. Wie viele Menschen haben wann für wie viele Beratungen eine Rückerstattung beantragt?
i. Wer ist für die Sicherstellung einer vorhandenen und adäquaten Schulausbildung aller Kinder und Minderjährigen im Zentrum in Serbien zuständig?
1. Wie kontrollieren oder stellen Sie sicher, Herr Minister, dass die im Zentrum verbleibenden Kinder und Minderjährigen eine adäquate Schulausbildung erhalten?
ii. Wie viele Lehrer_innen stehen wie vielen Minderjährigen und Kindern im Zentrum in Serbien wie oft zur Verfügung?
iii. Übernimmt das BMI eine volle Rückerstattung (100% des Betrags)?
1. Wenn ja, in wie vielen Fällen wurde eine volle Rückerstattung durchgeführt?
2. Wenn nein, wie viel wurde jeweils rückerstattet?
iv. Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen eine Rückerstattung nicht möglich war?
1. Wenn ja, wie viele wann und weshalb?
2. Wenn ja, wie haben Sie diese Hindernisse behoben?
v. Wie viele Menschen haben wann für eine Pflichtschulbildung eine Rückerstattung beantragt?
1. Wieso gilt die "Pflichtschulbildung" von Geflüchteten nicht als "Versorgungsleistung", dessen Kosten vom BMI übernommen werden?
i. Welche Utensilien gelten gemäß der vom BMI unterzeichneten Vereinbarung als "notwendig" und welche nicht?
ii. Übernimmt das BMI eine volle Rückerstattung (100% des Betrags)?
1. Wenn ja, in wie vielen Fällen wurde eine volle Rückerstattung durchgeführt?
2. Wenn nein, wie viel wurde jeweils rückerstattet?
iii. Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen eine Rückerstattung nicht möglich war?
1. Wenn ja, wie viele wann und weshalb?
2. Wenn ja, wie haben Sie diese Hindernisse behoben?
iv. Wie viele Menschen haben wann für welche Utensilien eine Rückerstattung beantragt?
i. Welche genauen Transportmittel und welche Strecken sind in der vom BMI unterzeichneten Vereinbarung inbegriffen?
ii. Übernimmt das BMI eine volle Rückerstattung (100% des Betrags)?
1. Wenn ja, in wie vielen Fällen wurde eine volle Rückerstattung durchgeführt?
2. Wenn nein, wie viel wurde jeweils rückerstattet?
iii. Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen eine Rückerstattung nicht möglich war?
1. Wenn ja, wie viele wann und weshalb?
2. Wenn ja, wie haben Sie diese Hindernisse behoben?
iv. Wie viele Menschen haben wann für welche Transportmittel und welche Strecken eine Rückerstattung beantragt?
i. Welche genaue(n) Art(en) der Pflege ist/sind in der vom BMI unterzeichneten Vereinbarung inbegriffen?
ii. Übernimmt das BMI eine volle Rückerstattung (100% des Betrags)?
1. Wenn ja, in wie vielen Fällen wurde eine volle Rückerstattung durchgeführt?
2. Wenn nein, wie viel wurde jeweils rückerstattet?
iii. Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen eine Rückerstattung nicht möglich war?
1. Wenn ja, wie viele wann und weshalb?
2. Wenn ja, wie haben Sie diese Hindernisse behoben?
iv. Wie viele Menschen haben wann für welche Pflege eine Rückerstattung beantragt?
i. Welche Unterkunft gilt gemäß der vom BMI unterzeichneten Vereinbarung als "notwendig" und welche nicht?
1. Wieso gelten "notwendige Unterkünfte" nicht als "Versorgungsleistung" oder "Unterbringung", dessen Kosten vom BMI übernommen werden?
ii. Übernimmt das BMI eine volle Rückerstattung (100% des Betrags)?
1. Wenn ja, in wie vielen Fällen wurde eine volle Rückerstattung durchgeführt?
2. Wenn nein, wie viel wurde jeweils rückerstattet?
iii. Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen eine Rückerstattung nicht möglich war?
1. Wenn ja, wie viele wann und weshalb?
2. Wenn ja, wie haben Sie diese Hindernisse behoben?
iv. Wie viele Menschen haben wann für welche Unterkünfte eine Rückerstattung beantragt?
i. Wenn ja, welchen?
ii. Wenn ja, in welchen Intervallen soll welche Einheit die Zentren in Serbien kontrollieren?
iii. Wenn nein, warum nicht?
i. Wenn ja, wie ist diese aufgebaut und wer ist für sie zuständig?
ii. Wenn ja, zu welchen Zeiten haben die Betroffenen wie Zugang zur Beschwerdestelle?
iii. Wenn nein, warum nicht?
i. Gibt es getrennte und abschließbare Badezimmer für Männer und Frauen?
ii. Gibt es getrennte und abschließbare Badezimmer für Minderjährige?
iii. Gibt es getrennte und abschließbare Badezimmer für unbegleitete Minderjährige (UMF)?
i. Wenn ja, woraus besteht die Gestaltung der relevanten Aktivitäten und pädagogischen Betreuung von Minderjährigen und wer ist für diese zuständig?
i. Welches Organ ist für einen bestehenden Internetanschluss und technische Unterstützung zuständig?
i. Wenn nein, warum nicht?
ii. Wenn nein, wird ihnen stattdessen eine alternative Möglichkeit zur Telekommunikation zur Verfügung gestellt? Bitte um genaue Erläuterung.