8972/J XXVII. GP
Eingelangt am 15.12.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Rainer Wimmer, Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Arbeit
betreffend Erhöhung der Saisonkontingente statt Verbesserung der Arbeitsbedingungen
Der am 25. November 2021 in Begutachtung geschickte Verordnungsentwurf für die Saisonarbeitskontingente 2022 sieht für den Tourismus eine Erhöhung um 63,5% auf 1.989 Plätze (mit Überziehungsmöglichkeit um bis zu 50%) vor, während für die Festlegung der Saisonarbeitskontingente für Land- und Forstwirtschaft und Erntearbeit für 2022 dieselben Werte wie für das Jahr 2020 vorgeschlagen wurden.
Diese Erhöhung des Tourismus-Saisonarbeitskontingents wäre in Zeiten niedriger Arbeitslosigkeit schon schwer nachvollziehbar und ist es umso mehr in der anhaltenden Corona-Krise, deren Dauer zum aktuellen Zeitpunkt nur schwer einschätzbar ist.
Aktuell sind rund 36.000 Menschen, die der Tourismusbranche zugeordnet sind, in Österreich auf Arbeitssuche. Insgesamt waren Ende November 2021 laut Angaben des AMS knapp 365.000 Menschen in Österreich arbeitslos gemeldet. In der Europäischen Union sind es über 14 Millionen Menschen. Allein angesichts dieser Zahlen ist es unverständlich, für das kommende Jahr einen Arbeitskräftemangel zu prognostizieren.
Dass die Arbeitszufriedenheit im Tourismus mehr als ausbaufähig ist, zeigt der Arbeitsklimaindex regelmäßig auf. Auch der Lehrlingsmonitor[1] der Österreichischen Gewerkschaftsjugend macht deutlich, dass in dieser Branche Handlungsbedarf besteht: in der Lehrberufsgruppe Tourismus/Gastgewerbe/Hotellerie gibt es überdurchschnittlich hohe Anteile von nicht bezahlten Überstunden, die überdurch-schnittlich oft unfreiwillig verrichtet werden sowie ein auffallend hohes Ausmaß an ausbildungsfremden Überstunden. Darüber hinaus versucht die Tourismuswirtschaft aktuell mit allen Mitteln die seit 1. Oktober 2021 gleichen Kündigungsbestimmungen zwischen ArbeiterInnen und Angestellten mit dem Ziel zu hintertreiben, dass ArbeiterInnen im Tourismus auch weiterhin schneller vor die Tür gesetzt werden können. Unternehmerisches Engagement für bessere Arbeitsbedingungen in dieser Branche sieht anders aus.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1. Der von Ihnen in Begutachtung geschickte Verordnungsentwurf für die Saisonarbeitskontingente 2022 sieht eine Erhöhung für Tourismus-Saisoniers von 63,5% auf 1.989 Plätze vor.
a. Wie berechnet sich diese Zahl?
b. Welche Rahmenbedingungen für die Annahme dieser vermeintlichen Bedarfssteigerung um 63,5% haben sich im Vergleich zum Vorjahr geändert?
2. Mit welcher Begründung wird der Tourismus im Vergleich zu anderen Branchen bei der Zuwanderung von Drittstaatsangehörigen derart bevorzugt?
3. Wie viele Personen haben im ersten Lockdown in der Tourismusbranche ihren Arbeitsplatz verloren?
a. Welche Kosten sind der öffentlichen Hand dadurch direkt oder indirekt entstanden?
4. Welche Vorgaben gibt es an die Tourismuswirtschaft hinsichtlich des Einkommens, der Unterkunft, der Verpflegung und der Kosten für An- und Abreise aus dem Heimatland für Saisonarbeitskräfte?
5. Über welche formale Qualifikation verfügten die in den letzten 10 Jahren als SaisonarbeiterInnen eingesetzten Arbeitskräfte im Tourismus und aus welchen Herkunftsländern kamen diese Beschäftigten? Um Aufschlüsselung nach Jahren und Bundesländern wird ersucht.
6. Gibt es Ihrerseits bzw. innerhalb Ihres Ressorts Überlegungen, eine Tourismuskasse einzurichten, um Ganzjahresbeschäftigungsmodelle zu ermöglichen und so langfristige Beschäftigungsperspektiven zu schaffen?
a. Wenn ja, wie sehen diese Überlegungen konkret aus?
b. Wenn nein, warum nicht?
7. Wie viele Tourismusbetriebe wurden von der Finanzpolizei von 2017 bis 2020 kontrolliert?
a. Wie viele Strafanträge wurden in diesem Zeitraum von der Finanzpolizei gestellt? Um Aufschlüsselung nach Jahr und Straftatbestand wird ersucht.
b. Wie hoch waren die Strafen in diesem Zeitraum? Um Aufschlüsselung nach Jahr und Straftatbestand wird ersucht.
c. Waren Betriebe, in denen Saisonarbeitskräfte beschäftigt waren, von Strafanträgen betroffen?
d. Wie hoch ist der prozentuelle Anteil der kontrollierten Betriebe, bei denen die Finanzpolizei im Zuge einer Kontrolle keine Beanstandungen feststellt?
8. Der von Ihnen in Begutachtung geschickte Verordnungsentwurf für die Saisonarbeitskontingente 2022 legt das Kontingent für die Land- und Forstwirtschaft mit 3.046 Personen fest.
a. Wie berechnet sich diese Zahl?
b. Dieselbe Zahl wurde bereits für das Saisonkontingent 2020 festgelegt. Inwieweit ist die Ausgangslage im damaligem Verordnungszeitpunkt Dezember 2019 mit der aktuellen Ausgangslage vergleichbar?
9. Der von Ihnen in Begutachtung geschickte Verordnungsentwurf für die Saisonarbeitskontingente 2022 legt das Kontingent für ErntearbeiterInnen mit 119 Personen fest.
a. Wie berechnet sich diese Zahl?
b. Dieselbe Zahl wurde bereits für das Saisonkontingent 2020 festgelegt. Inwieweit ist die Ausgangslage im damaligem Verordnungszeitpunkt Dezember 2019 mit der aktuellen Ausgangslage vergleichbar?
10. Wie viele landwirtschaftliche Betriebe wurden von der Finanzpolizei von 2017 bis 2020 kontrolliert?
a. Wie viele Strafanträge wurden in diesem Zeitraum von der Finanzpolizei gestellt? Um Aufschlüsselung nach Jahr und Straftatbestand wird ersucht.
b. Wie hoch waren die Strafen in diesem Zeitraum? Um Aufschlüsselung nach Jahr und Straftatbestand wird ersucht.
c. Waren Betriebe, in denen Saisonarbeitskräfte beschäftigt waren, von Strafanträgen betroffen?
d. Wie hoch ist der prozentuelle Anteil der kontrollierten Betriebe, bei denen die Finanzpolizei im Zuge einer Kontrolle keine Beanstandungen feststellt?
11. Wie stellen Sie sicher, dass Saisonarbeitskräfte aus Drittstaaten zu gleichen Einkommens- und Arbeitsbedingungen beschäftigt werden, wie österreichisches Personal?
12. Als zuständiger Bundesminister sind Sie gemäß Ausländerbeschäftigungsgesetz dazu angehalten, bei der Festlegung der Saisonkontingente die „allgemeine Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes, insbesondere im betreffenden Teilarbeitsmarkt“ zu berücksichtigen.
a. Inwiefern wurde dieser gesetzlichen Vorgabe bei der Festlegung der Kontingente im Verordnungsentwurf entsprochen? Um Aufschlüsselung auf die Teilarbeitsmärkte wird ersucht.
b. Aufgrund von welchen konkreten Prognosedaten zu Wirtschaftslage und Arbeitsmarktentwicklung verorten Sie den im Verordnungsentwurf festgelegten Bedarf an SaisonarbeiterInnen?
c. Wie viele EU-BürgerInnen sind in der Tourismusbranche sowie in der Land- und Forstwirtschaft bzw. im Bereich der Erntearbeit aktuell auf Arbeitssuche?
d. Welcher weitere Verlauf der Corona-Krise liegt diesen Prognosen zugrunde?
13. Welche politischen Schlüsse ziehen Sie aus dem von Ihnen angenommenen erhöhten Bedarf von Saisonarbeitskräften?
a. Welche Maßnahmen werden Sie konkret setzen, um die Arbeitsbedingungen in der Tourismusbranche zu verbessern?
b. Welche Maßnahmen werden Sie konkret setzen, um die Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft zu verbessern?
c. Welche Maßnahmen werden Sie konkret setzen, um die Arbeitsbedingungen von ErntearbeiterInnen zu verbessern?
14. Am 17. November 2021 haben Sie eine Regierungsvorlage[2] eingebracht, die eine Ausweitung der Stamm-Saisoniers vorsieht. Zukünftig sollen Saisonarbeitskräfte, die schon zwischen 2017 und 2021 in drei Jahren jeweils für mindestens 3 Monate in Österreich gearbeitet haben, nach Registrierung Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten – zusätzlich zum jährlich festgelegten Saisonarbeits-Kontingent. Das betrifft laut Angaben in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ca. 3.100 Menschen. Diese Regelung ist damit noch ausgedehnter, als die bisherige Stammsaisonier-Regelung.
Die Regierungsvorlage sieht ein Inkrafttreten dieser neuen
Bestimmung mit 1. Jänner 2022 vor, sie schlägt sich damit also auch
auf die Berechnung der Saisonkontingente für das nächste Jahr durch.
a. Inwiefern haben Sie diese Erhöhung der Stamm-Saisoniers um 3.100 Menschen in Ihre Berechnung der Saisonkontingente 2022 einbezogen?
b. Bitte um Aufschlüsselung, in welchem Umfang die Berücksichtigung im jeweiligen Wirtschaftszweig vorgenommen wurde und welchem die von Ihnen berechneten 3.100 Personen jeweils zuzurechnen sind.
c. Falls die zusätzlichen 3.100 Stamm-Saisoniers nicht einbezogen wurden, warum nicht?