9011/J XXVII. GP

Eingelangt am 16.12.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Harald Troch, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend dem Angriff auf ein homosexuelles Ehepaar am 18. August 2018 in Wien

 

Wie das Rechtskomitee Lambda und der Standard vom 15.12.2021 berichten kam es am Abend des 18. August 2018 im Hotel Melia (DC Tower) zu einem Angriff auf ein homosexuelles Ehepaar durch drei Männer, darunter ein ukrainischer Abgeordneter. In Folge der Tat kam es zu höchst bedenklichen Fehlern in der Ermittlungsarbeit.

Da die Eheleute erheblich verletzt waren, riefen sie die Polizei, die die Sache aufnahm und Verletzungen dokumentierte. Eine Hotelangestellte, die den Vorfall miterlebt hatte, bestätigte die Angaben des Ehepaares. Mit den Tätern, die im selben Hotel wohnten, nahmen die Polizeibeamten keinen Kontakt auf. Sie stellten weder die Gästeblätter der Täter sicher noch die vom Hotel angefertigten Ausweiskopien. Obwohl die Hotelangestellte mitteilte, dass eine Videoaufnahme existiert, haben die Polizeibeamten diese nicht sichergestellt oder sie zumindest angesehen sondern lediglich angekündigt, dass sie die Aufnahme per Email vom Hotel anfordern würden.

Am nächsten Morgen riefen die Opfer neuerlich die Polizei, weil sie die drei Täter im Frühstücksraum seelenruhig gemeinsam an einem Tisch sitzend angetroffen haben. Während sich das Ehepaar mit den eintreffenden Polizeibeamten (andere als in der Nacht) unterhielt, kamen ihnen die drei Männer entgegen. Obwohl von den Opfern darauf aufmerksam gemacht, reagierten die Polizeibeamten nicht und verließen das Hotel. Weil die Sache ohnehin bereits in der Nacht aufgenommen worden sei.

Die Assistent Front Managerin hat dem Ehepaar dann noch gesagt, dass die Videoaufnahmen sichergestellt werden und die Namen der Täter bekannt sind. In der Folge forderte die Polizei vom Hotel die Videoaufnahme der Tat an. Nach Übermittlung durch das Hotel, hat sie den Datenträger jedoch nicht sofort sondern erst nach geraumer Zeit gesichtet, um dann festzustellen, dass er leer war. Zu diesem Zeitpunkt war dann die Videoaufnahme im Hotel bereits gelöscht.

In ihrem Abschlussbericht vom Oktober 2018 gibt die Polizei an, dass „über die Hotelverwaltung“ nur einer der drei Täter, ein ukrainischer Parlamentsabgeordneter (Petro Poroschenko Block), ausgeforscht werden hätte können. Die Identität der beiden Mittäter war angeblich nicht klärbar. Warum blieb unbeantwortet. Einvernahmen, so die Polizei, hätten nicht durchgeführt werden können, da die Beschuldigten „bereits am nächsten Tag abgereist sind“.

Das Verfahren wegen der homophoben hasserfüllten Beschimpfungen stellt die Staatsanwaltschaft bereits im September 2019 ein, weil nach geltender Gesetzeslage verbale Hassdelikte die Strafjustiz nur dann zu interessieren haben, wenn mindestens drei unbeteiligte Personen diese gehört haben (§ 115, § 117 Absatz 3 Strafgesetzbuch).

Zum tätlichen Angriff wiederum hat die Staatsanwaltschaft alle Ermittlungsschritte zur Ausforschung der beiden unbekannten Mittäter nur auf hartnäckiges Betreiben der Opfer gesetzt. So beispielsweise die Beischaffung der Ausweiskopien der Hotelgäste der betreffenden Nacht. Da war es allerdings bereits Ende November 2019 und das Hotel teilte mit, dass es die Ausweiskopien der Hotelgäste vom August 2018 bereits vernichtet habe.

Die Opfer beantragten daraufhin, aus dem nach dem Meldegesetz zu führenden (und 7 Jahre lang aufzubewahrenden) Gästeverzeichnis die Hotelgäste der Tatnacht auszuforschen, Lichtbilder dieser Personen zu ermitteln und den Opfern sowie der Zeugin zur Identifikation vorzulegen.

Die Staatsanwaltschaft lehnte das ab und das Landesgericht für Strafsachen Wien sowie das Oberlandesgericht Wien bestätigten diese Entscheidung. Das betreffende Hotel verfüge über mehr als 250 Zimmer und die Überprüfung all dieser Gäste (auch nur der erwachsenen männlichen) bloß, um ein oder zwei Täter ausfindig zu machen, verletze das Recht der unschuldigen Gäste auf Datenschutz (OLG-Wien 29.06.2020, 22 Bs 138/20k). Auch wären die beantragten Ermittlungen sehr aufwändig und auch von daher unverhältnismäßig (ebendort).

All das obwohl das Meldegesetz bestimmt, dass das Gästeverzeichnis just auch für polizeiliche Ermittlungen zu führen ist (§ 10 Absatz 2).

Wieder erst auf Antrag der Opfer beauftragte die Staatsanwaltschaft die Einvernahme der Assistent Front Managerin, die dem Ehepaar am Morgen nach der Tat mitgeteilt hatte, dass die Namen der Täter bekannt sind. Plötzlich konnte das Hotel nun doch einen weiteren Täter identifizieren. Warum der dritte nach wie vor nicht beauskunftet werden konnte, bleibt bis heute ein Rätsel.

Die Staatsanwaltschaft hat im Rechtshilfeweg die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft um Vernehmung der beiden Beschuldigten ersucht und die Beschuldigten zur Fahndung ausgeschrieben. Allerdings: nur im Inland. Wieder erst auf Antrag der Opfer hat sie die Fahndung auf ganz Europa ausgedehnt.

Als die Einvernahme des Parlamentsabgeordneten (er verweigerte Angaben zur Sache) eintraf, wartete die Staatsanwaltschaft die Einvernahme des zweiten Beschuldigten erst gar nicht ab und stellte das Verfahren ein (StA Wien 10 St 304/19y). Der Tathergang sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisbar.

„Auf den Tag genau drei Jahre und vier Monate nach der Tat lässt die Staatsanwaltschaft die Beschuldigten aus ebenjenem Beweisnotstand laufen, den die von Schlamperei und auffallendem Desinteresse gekennzeichneten Ermittlungen verursacht haben, insbesondere durch die Verschlampung der Videoaufnahme der Tat“, kritisiert Dr. Helmut Graupner, Rechtsanwalt des Ehepaares und Präsident des Rechtskomitees LAMBDA (RKL).

Und er verweist darauf, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) Opfern von Hassdelikten das Recht auf eine wirksame, umfassende und erschöpfende Untersuchung und auf wirksame Strafverfolgung der Täter zukommt.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage

 

1)    Wie erklären Sie die offenkundigen Fehler in den Ermittlungen?

 

2)    Wie können Sie erklären, dass wichtiges Beweismaterial wie z.B. die Videoaufnahme des Vorfalls, von den ermittelnden Behörden einfach verloren wurde?

3)    Wie viele Taten mit Opfern aus dem LGTIQ+ Szene innerhalb der letzten 5 Jahre gibt es, in denen die Ermittlungen auf Grund mangelnder Beweise eingestellt wurden?

 

4)    Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um auszuschließen, dass es in Zukunft zu ähnlichen schweren Ermittlungsfehlern kommen wird?

 

5)    Wird es verpflichtende Schulungen für den Umgang bei Ermittlung im Umfeld von LGBTIQ+ Personen für die beteiligten Beamt*innen geben?

 

6)    Welche Schritte werden sie nach dem Bekanntwerden der mangelhaften Ermittlungen setzen, um den angegriffenen Opfern zu ihrem Recht zu verhelfen?

 

7)    In welcher Form gedenken Sie an den Außenminister heranzutreten, um gemeinsam gegenüber der Ukraine und insbesondere der Partei Petro Poroschenkos klar Position zu beziehen und sicher zu stellen, dass Mitglieder dieser Bewegung kein weiteres Mal homophobe oder andere Verbrechen aus Hass auf österreichischem Boden begehen werden?

 

8)    Können Sie ausschließen, dass die ermittelnden Beamten durch eine Einflussnahme der Ukraine in Ihren Ermittlungen behindert wurden?

a.    Wenn ja, wie können Sie dies ausschließen?

b.    Falls nein, was werden Sie unternehmen, um dies in Zukunft zu unterbinden?

 

9)    Wie gedenken Sie den Schutz von LGBTIQ+ Personen, welche in Österreich zu Gast sind, zu verbessern, um so das Ansehen Österreichs als Land der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit vor weiterem Schaden zu bewahren?

 

10)  Österreich entsendet im Rahmen der EUAM Ukraine (European Union Advisory Mission for Civilian  Security Sector Reform) auch Polizist*innen in die Ukraine; gibt es im Rahmen dieser Unterstützung für die Ukraine, Bemühungen seitens Österreich die Ukraine auch für Anliegen von LGBTIQ+ Personen in Ermittlungsverfahren zu sensibilisieren, um so die hohen Menschenrechtsstandards, insbesondere im Bereich gleichgeschlechtlich Liebender, Österreichs und der EU der Ukraine näher zu bringen?