9060/J XXVII. GP
Eingelangt am 16.12.2021
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Anfrage
des Abgeordneten David Stögmüller, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend den Fall „Assadi Assadollah“
BEGRÜNDUNG
Der Fall Assadi wäre schon ein sehr guter Handlungsstrang für einen spannenden Netflix-Krimi, aber leider handelt es sich dabei um eine wahre Begebenheit. Assadollah Assadi, geboren am 22.12.1971 ist ein iranischer Diplomat, der erste der in Europa wegen eines versuchten Terroranschlags verurteilt wurde.
Assadi war dritter Botschaftsrat der Botschaft der Islamischen Republik Iran in Wien und im Besitz einer Legitimationskarte der roten Kategorie[1]. Allerdings war er nicht nur iranischer Diplomat in Europa, sondern soll gleichzeitig auch für den iranischen Geheimdienst MOIS gearbeitet haben als Offizier des „Department 312“, das von mehreren europäischen Geheimdiensten beobachtet wird. Denn das „Department 312“ wird laut dem Belgischen Sicherheitsdienst VSSE in der Europäischen Union als terroristische Organisation angesehen[2].
Die Geschichte um Assadi Assadollah beginnt damit, dass er als dritter Botschaftsrat der Islamischen Republik an der Botschaft in Wien arbeitete und diese diplomatische Immunität dafür ausgenutzt hat um einen Anschlag auf europäischem Boden zu planen. Assadi hat gemeinsam mit Nasimeh N., Amir S. und Mehrdad A. einen Bombenanschlag auf eine Kundgebung der Oppositionsgruppe Nationaler Widerstandsrat Iran in Villepinte bei Paris 2018 mit Tausenden Exiliranern und hochrangigen internationalen Gästen geplant. Die Bombe, die dazu benutzt wurde, soll er wegen seiner diplomatischen Privilegien, über einen Linienflug aus dem Iran nach Österreich gebracht haben und von Wien dann weiter nach Luxemburg, wo er diese an Nasimeh N. und Amir S. übergeben hat. Laut den Recherchen der Tageszeitung die Presse haben sich die Ereignisse dann so weiterentwickelt:
„Zwei
Tage später stoppte die belgische Polizei das Paar auf dem Weg ins nahe
Frankreich. Im Fahrzeug fand sie 550 Gramm Sprengstoff - Triacetontriperoxid,
auch TATP oder "Satans Mutter" genannt, verpackt in Plastik in einer
Toilettentasche und separat davon einen Fernzünder. […] Nach ihrer
Verhaftung legten S. und N. ein Geständnis ab. Sie hätten im
Großherzogtum Luxemburg einen Mann mit dem Decknamen "Daniel"
getroffen, mit dem sie schon länger in Kontakt gewesen seien. Bei ihm, da
sind sich die Ermittler sicher, handelt es sich um den ehemaligen Dritten
Botschaftssekretär aus Wien, Assadolah Assadi. In Luxemburg soll der
Diplomat auch die Bombe beziehungsweise die Bestandteile dafür
übergeben haben, angeblich bei einem schnellen Mittagessen im Fast-Food-Restaurant
Pizza Hut.
Für ihn schnappte die Falle am 1. Juli 2018 zu, einen Tag nach dem
vereitelten Anschlagsversuch in Villepinte. An jenem Sonntag hätte er
seine Mitverschwörer in Köln treffen sollen. So war es vereinbart.
Doch alles ging schief. Die deutsche Polizei nahm ihn auf Grundlage eines von
Belgien ausgestellten europäischen Haftbefehls im Spessart fest, auf einer
Autobahnraststätte in Aschaffenburg.“[3]
Assadi hat alles genauestens geplant. Seine Reisebewegung hat das Bundeskriminalamt aus Meckenheim in einem Aktenvermerk detailgenau festgehalten. Gegen Assadi, Nasimeh N., Amir S. und Mehrdad A. wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit, Verabredung zum Mord eingeleitet. In Deutschland wird das Verfahren unter der AZ GBA 3 BJs 28/18-1 geführt, allerdings wurden Assadi und seine Komplizen nach 100 Tagen Haft von Deutschland an Belgien ausgeliefert und sie wurden dort auch vor Gericht gestellt und am 05.02.2021[4] von diesem mit Haftstrafen bis zu 20 Jahren verurteilt.
Da sich ein großer Teil dieses Vorfalles in Österreich angespielt hat und es laut den Akten des belgischen Gerichts auch zu mehreren Vorbereitungstreffen kam, stellt sich hier auch die Frage was die österreichischen Sicherheitsbehörden – insbesondere das BVT – wussten und wie diese dann auch über Amtshilfeersuchen die belgischen Behörden unterstützt haben.
Laut Akten aus dem BVT[5] hatte Assadi seinen Wohnort in Wien im 13. Bezirk, wo er eine Wohnung angemietet hatte. Laut Amtshilfeersuchen[6] vom 19.10.2018, das erst am 30.10.2018 von Seiten des BVT an das BMEIA ergangen ist, wurde noch am selben Tag von Seiten des BMEIA[7] festgestellt, dass die Wohnung nicht im Zusammenhang mit einer ausländischen Vertretungsbehörde steht. Hier ist erstaunlich, dass seit der Festnahme von Assadi durch die Polizeibeamten in Deutschland an der Raststätte Spessart Süd, am 30.06.2018 über vier Monate vergingen bis es dann zu einer tatsächlichen Nachschau bei der Wohnung und den privaten Gegenständen von Assadi am 30.10.2018 gekommen ist.
Aus den Akten des Gerichtsprozesses geht hervor, dass Assadi neben der gemieteten Wohnung auch im Besitz eines österreichischen Sparbuchs, eines österreichischen Bankkontos, sowie mehrerere SIM Karten mit österreichischen Nummern war. Die Kommunikation zwischen den mittlerweile Verurteilten soll laut Presse so abgelaufen sein:
„Daniel alias Assadi kommunizierte zudem per SMS unter einer österreichischen Handy-Telefonnummer mit den mutmaßlichen Attentätern. Dabei tauschten sie codierte Botschaften aus. Am Tag nach der Bombenübergabe erkundigte er sich: "Ist das Spiel installiert?" Die Antwort: "Ja, das Spiel ist installiert. Wir können am Sonntagmorgen Ball spielen." Am Sonntag, dem 30. Juni 2018, sollte die Bombe beim Treffen des iranischen Widerstandsrats nahe Paris hochgehen. Am 1. Juli meldete sich Assadi noch einmal bei dem Pärchen. "Alles gut und in Ordnung?", fragte er um 10.53 Uhr. Amir S. und Nasimeh N. antworten nicht mehr. Sie sind bereits verhaftet.“[8]
Allerdings geht aus den Unterlagen laut den Telefonprotokollen und Auswertungen hervor, dass es noch mehr verdächtige Anrufe und Nachrichten gegeben hat, die nicht nur auf die Verurteilten zurückzuführen sind. Alle mit österreichischen Telefonnummern. Bis heute ist nicht bekannt, ob der vermeintliche Bombenbauer die Bombe selber nach Österreich gebracht hat, oder ob es in Österreich weitere Drahtzieher gibt.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1. Die Staatsanwaltschaft Wien hat unter der Aktenzahl 317 HSt 160/18y verschiedene Rechtshilfemaßnahmen angeordnet. Welche Maßnahmen hat das konkret umfasst?
2. Welche österreichischen Behörden waren von diesen Rechtshilfemaßnahmen betroffen?
3. Laufen unter dem Aktenzeichen 317 HSt 160/18y noch Ermittlungen?
a. Wenn ja, welche Ermittlungsschritte wurden seit dem 30.10.2018 gesetzt?
b. Wenn nein, wann wurde dieses Verfahren eingestellt und aufgrund welcher Grundlage?
4. Gegen wie viele Personen wurde bzw. wird aktuell in dieser Causa ermittelt?
a. Wie viele davon sind Personen aus Drittstaaten?
5. Welche Ermittlungsbehörden hat die Staatsanwaltschaft Wien mit Ermittlungen im Verfahren beauftragt? (Geben Sie bitte alle an)
a. Wann wurden diese beauftragt?
b. Wenn mehrere, wie wurden diese inhaltlich aufgeteilt?
6. Hat sich das Außenministerium in dieser Causa jemals an Mitarbeiter:innen Ihres Hauses gewandt?
a. Wenn ja, aus welchem Grund?
b. Wenn ja, wer hat sich an Ihr Haus gewandt?
7. Hat sich die iranische Botschaft oder eine andere ausländische Botschaft in dieser Causa jemals an Mitarbeiter:innen Ihres Hauses gewandt?
a. Wenn ja, aus welchem Grund?
b. Wenn ja, wer hat sich an Ihr Haus gewandt?
8. Wurden in dem Verfahren weitere Rechtshilfeansuchen anderer Staaten an österreichische Justizbehörden gestellt?
a. Wenn ja, von wem?
b. Wenn ja, mit welchem Inhalt?
9. Wurde diese Verfahren als „clamoröses Verfahren“ geführt (vgl. §8 Abs 1 StAG)?
10. Wurden in dieser Causa Weisungen (auch mündliche) erteilt?
a. Wenn ja, wann und welcher Art?
Sollte eine detaillierte Beantwortung einzelner Fragen aus Geheimhaltungsgründen nicht möglich sein, so wird dennoch um eine Beantwortung mit möglichst hohem Informationsgehalt im Sinne des parlamentarischen Interpellationsrecht ersucht. Allenfalls ersuchen die Abgeordneten um eine Beantwortung in klassifizierter Weise nach dem Bundesgesetz über die Informationsordnung des Nationalrates und des Bundesrates (InfOG).
[1] GZ. BMEIA-IR.1.35.01/0027-I.1b/2018 betreffend: Assadi Assadollah, Muhammed - Auskunft
[2] VSSTE vom 21.02.2020 mit der Referenznummer: NA/2020/259/CI3A/284/099/1 Objet: Informations sur le profil et les activités de Asadi Asadollah (°22/12/1971)
[3] Die Presse am 23.10.2020, Das Terrorkomplott, das von Wien ausging
[4] Die Presse am 05.02.2021, Die Bombe aus Teheran im Toilettentascherl
[5] GZ. BVT-2-2/18742/2018 Rechtshilfeersuchen des Generalstabsanwalt beim Bundesgerichtshof Deutschland, sowie des Gerichtes Erster Instanz Antwerpen/Belgien
[6] GZ BVT-2-2/18742/2018 Anordnung von Rechtshilfemaßnahmen durch die Staatsanwaltschaft Wien (Zahl: 317 hast 160/18y)
[7] GZ. BVT-2-2/18742/2018 Rechtshilfeersuchen des Generalstabsanwalt beim Bundesgerichtshof Deutschland, sowie des Gerichtes Erster Instanz Antwerpen/Belgien
[8] Die Presse am 23.10.2020, Das Terrorkomplott, das von Wien ausging