9095/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.12.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

Parlamentarische Anfrage

der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Karikatur an Tür eines leitenden Staatsanwaltes

In der Kronenzeitung vom 17. November 2021 findet sich auf Seite 2 ein kurzer Artikel samt Foto, der folgendermaßen übertitelt ist „Staatsanwalt und Pinocchio“. Auf dem Foto ist erkennbar, dass auf dem dem Gang zugewendeten Türblatt – und somit für alle Bediensteten und Besucherinnen und Besucher sichtbar – eine Karikatur befestigt ist.

Die Kronenzeitung erläutert das Foto: „Spezieller Sinn für Humor an der Tür eines leitenden Staatsanwaltes im Justizministerium. Brisant, da viel über die politische Unabhängigkeit der Justiz gestritten wird. […] [Die Karikatur] zeigt den damaligen Kanzler Sebastian Kurz, den [damaligen] Finanzminister Gernot Blümel, (Ex-)ÖBAG-Chef Thomas Schmid sowie Tourismusministerin Elisabeth Köstinger. Alle als Pinocchio dargestellt. Die Zeichentrickfigur gilt als Symbol für erkennbare Lügen anhand wachsender Nase. […]“

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen in diesem Zusammenhang an die Frau Bundesminister für Justiz folgende

Anfrage

1.         Entspricht der Bericht der Kronenzeitung vom 17. November 2021 der Wahrheit?

2.         Wenn ja, seit wann war diese Karikatur angebracht?

3.         Wenn ja, ist bzw. war die Karikatur tatsächlich an der Tür zum Büro einer leitenden Staatsanwältin oder eines leitenden Staatsanwaltes angebracht?

4.         Ist es im Justizministerium oder in den Staatsanwaltschaften üblich, dass derartige Karikaturen an Bürotüren befestigt werden?

5.         Wer ist für das Befestigen von Bildern oder Karikaturen in den Büros, Gängen, Türen etc. im Bundesministerium für Justiz oder in den Staatsanwaltschaften verantwortlich?

6.         Gibt es Regelungen, die das Behängen von Büros, Gängen, Türen regeln? Wenn ja, wie lauten diese und wer ist für die Einhaltung dieser Regeln verantwortlich? Sofern es solche Regelungen nicht gibt, sind Sie der Ansicht, dass es aufgrund des geschilderten Vorfalls notwendig ist, derartige Regelungen zu erlassen?

7.         Halten Sie es für angebracht, dass eine derartige Karikatur mit politischem Inhalt, in der sich über aktive Politikerinnen und Politiker lustig gemacht wird und die ihnen unmoralisches Verhalten unterstellt, von einer Ihnen unterstehenden Mitarbeiterin oder einem Ihnen unterstehenden Mitarbeiter für jedermann sichtbar angebracht wird. 

8.         Ist dieses Verhalten (eines leitenden Staatsanwaltes bzw. einer leitenden Staatsanwältin) Ihrer Meinung nach mit der Anordnung in § 57 Abs. 1 und 3 Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz vereinbar, wonach Staatsanwälte die Pflichten ihres Amtes unparteiisch zu erfüllen und sich im und außer Dienst so zu verhalten haben, dass das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen ihrer Berufsstände nicht gefährdet wird?

Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

9.         Ist dieses Verhalten (eines leitenden Staatsanwaltes bzw. einer leitenden Staatsanwältin) Ihrer Meinung nach mit den Compliance-Leitlinien des Bundesministeriums für Justiz allgemein und im Besonderen mit folgenden Ausführungen der Leitlinien vereinbar?

„Wir nehmen unsere Aufgaben unbeeinflusst wahr und sind dabei ausschließlich den geltenden Gesetzen und der Wahrung der Grund- und Menschenrechte verpflichtet. Wir ermöglichen, unterstützen und sichern unabhängige richterliche Entscheidungen, die ausschließlich von sachlichen Gesichtspunkten geleitet und frei von außerhalb des Gesetzes liegenden Einflüssen sind.

[…] Wir sind in unserem Handeln durch das Recht bestimmt und gebunden.

Die verfassungsrechtlich festgelegte Rechtsstaatlichkeit leben wir, indem wir ausschließlich aufgrund und im Rahmen der Gesetze handeln. Wir treten jedem Versuch, diese Grundsätze infrage zu stellen, entschieden entgegen.

[…] Wir orientieren uns ausschließlich an sachlichen Kriterien, sind unparteiisch und unvoreingenommen und entscheiden ausgewogen. Wir lassen uns bei unserer Aufgabenerfüllung weder durch eigene Interessen noch durch Dritte beeinflussen.

[…] Wir sind rechtschaffen und unbestechlich. Wir nehmen unsere Aufgaben korrekt, sorgfältig und verantwortungsbewusst wahr. Unsere Zuverlässigkeit und unser Pflichtbewusstsein sind Merkmale unseres vertrauenswürdigen Handelns.

[…] Wir gewähren Rechtsschutz und bewahren die Grundrechte. Als wesentlichen Ausfluss der Rechtsstaatlichkeit beachten wir insbesondere das Recht auf ein faires Verfahren nach Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

[…] Unsere ausschließlich auf dem Gesetz beruhenden Entscheidungen sind sachlich begründet und damit vertrauensbildend. Wir erklären unser Handeln verständlich und nachvollziehbar.

[…]

Wir sind der Republik Österreich zur Treue verpflichtet.

Wir erfüllen unsere dienstlichen Aufgaben streng nach dem Gesetz und lassen uns ausschließlich von sachlichen Überlegungen bei der Aufgabenerledigung leiten; wir gehen dabei gewissenhaft, unparteiisch, uneigennützig, professionell und so rasch wie möglich vor.

Erkennen wir, dass wir in einer dienstlichen Angelegenheit nicht mehr unvoreingenommen oder unparteiisch sind oder der Anschein hierfür bestehen könnte, so zeigen wir diesen Umstand auf und veranlassen die vorgesehenen Maßnahmen.“

Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

10.      Ist dieses Verhalten (eines leitenden Staatsanwaltes bzw. einer leitenden Staatsanwältin) Ihrer Meinung nach mit Art. IX der „Welser Erklärung“ der Vereinigung der österreichischen Richter und Richterinnen, das auch für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte als Organe der Gerichtsbarkeit von Bedeutung ist, vereinbar, der da lautet: „Außerdienstliches Verhalten: Wir prüfen sorgfältig und kritisch, ob uns unsere Handlungen oder Äußerungen in die Gefahr von Abhängigkeiten bringen oder auch nur einen solchen Anschein erwecken können. Dies gilt auch für unser privates Verhalten, soweit wir damit rechnen müssen, dass dadurch in der Öffentlichkeit unsere Glaubwürdigkeit als Richterinnen und Richter infrage gestellt werden kann. […]“

Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

11.      Wie beurteilen Sie als Frau Bundesminister für Justiz diesen Vorfall? Entspricht dieses Verhalten ihren Vorstellungen betreffend die Haltung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesministeriums für Justiz bzw. der Haltung von Staatsanwältinnen und Staatsanwälten?

12.      Ist dieses Verhalten aus Ihrer Sicht disziplinär? Wurde dieser Vorfall untersucht? Wird dieser Vorfall Konsequenzen haben? Wenn ja, warum, für wen und welche? Wenn nein, warum nicht?