Eingelangt am 21.12.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Dr.
Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an
den Bundesminister für Inneres
betreffend Polizeieinsatz
beim Bundesquartier für minderjährige Flüchtlinge in Steinhaus
am Semmering
Minderjährige
brauchen besonderen Schutz. Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen,
ist das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen. In Österreich
stehen die Rechte von Kindern im Verfassungsrang. Es gilt gemäß Art.
1 BVG Kinderrechte und Art. 3 Abs. 1 der Kinderrechtskonvention das
Vorrangigkeitsprinzip in allen Belangen. Auch im gesamten Asylverfahren ist das
Kindeswohl daher vorrangig zu berücksichtigen. Unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge (UMFs) stellen - auf Grund der Tatsache,
dass sie ohne Eltern oder zuständiger Begleitperson in Österreich
sind - eine besonders vulnerable Gruppe dar, auf die im Asylverfahren deshalb
ausdrücklich Rücksicht zu nehmen ist.
Jedes Kind hat Anspruch
auf den "Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen
notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die
Wahrung seiner Interessen" (Art 1 BVG Kinderrechte). Jedes Kind, das aus
seinem familiären Umfeld herausgelöst ist, hat außerdem
Anspruch auf "besonderen Schutz und Beistand des Staates" (Art 2 Abs
2 leg cit). Laut der EU-Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) müssen UMF in
für "Minderjährige geeigneten Unterkünften"
untergebracht werden (Art 24 Abs. 2). Weiters sieht die EU-Aufnahmerichtlinie
vor, dass das Betreuungspersonal "im Hinblick auf die Bedürfnisse von
Minderjährigen adäquat ausgebildet sein und sich angemessen
fortbilden" muss (Art 24 Abs 4).
Für die Unterbringung
und Betreuung der UMF sind im Zulassungsverfahren - vorgesehen als
vorübergehende Unterkunft - die Bundesbetreuungsstellen
zuständig. Die Betreuung für Kinder und Jugendliche in den
Bundesbetreuungsstellen weist Mängel auf: Unterkünfte sind oft
überfüllt und nicht kinderrechtskonform gestaltet, Verfahren sind
langwierig, die Übergabe in die Länderbetreuung verzögert sich
oftmals und auch Tagessätze sind zu niedrig. Für Kinder und
Jugendliche bringt dies schwerwiegende Konsequenzen mit sich: ungenügende
Versorgung, wenig pädagogische Aktivitäten, Isolation, Abschottung
und psychische Belastung. Derzeit sind ungefähr 600 unbegleitete
minderjährige Asylsuchende in Bundesbetreuungseinrichtungen (Stand 12.
Oktober 2021). Die Betreuungseinrichtung in Steinhaus am Semmering ist eines
der Quartiere, das 2021 "wiederbelebt" worden ist. Seitdem beklagen
zahlreiche Hilfsorganisationen die kinderrechtswidrige
Betreuung unbegleiteter minderjähriger Asylsuchende (siehe: https://www.derstandard.at/story/2000130369376/warum-immer-mehr-junge-asylwerber-ohne-ausreichend-unterstuetzung-bleiben).
Am 14. Dezember 2021 soll
eine Protest-Wanderung vom NGO-Verbund #Fairlassen vor dem Bundesquartier
für minderjährige Geflüchtete in Steinhaus am Semmering
stattgefunden haben. Diese Initiative hatte zum Ziel, gegen die schlechte
Betreuung und Isolation von Minderjährigen im Asylverfahren zu
protestieren. An diesem Tag soll ebenfalls eine interreligiöse Feier mit
Übergabe von Geschenken an die Kinder und Jugendlichen vonseiten
zivilgesellschaftlicher Akteure geplant gewesen sein. Diese konnte laut Angaben
des NGO-Verbunds nicht stattfinden, da Besucher_innen von Polizeieinheiten
aufgehalten wurden und die Zufahrt zur Flüchtlingseinrichtung gesperrt
wurde. Den anwesenden Personen aus der Zivilgesellschaft wurde vonseiten des
BBU-Personals erklärt, dass die UMFs kein Interesse an einem Treffen
hätten. Das Aufgebot an Polizeiautos und Beamt_innen soll groß
gewesen sein. Eine derartige Eskalation ist bedauerlich und die Entwicklung der
Ereignisse daher zu hinterfragen.
Die unterfertigten
Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
- Zu
welchem Zeitpunkt und von wem hat das Bundesministerium für Inneres
von dieser Protestwanderung erfahren?
- Welche Maßnahmen
wurden in der Folge wann durch wen angeordnet?
- Wer hat daher insb.
diesen Polizeieinsatz angeordnet?
- Wer hat wann diesen
Polizeieinsatz geplant?
- Inwiefern war die
Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen BBU
GmbH, die die Unterbringungseinrichtung leitet, in den Einsatz involviert?
Gab es eine Kommunikation zwischen Polizei und BBU GmbH und wenn ja, mit
welchen Personen?
- Wie viele Kräfte
welcher Einheit waren im Einsatz bzw. welche Mittel wurden für diesen
Einsatz zur Verfügung gestellt?
- Wie viele
Betreuungspersonen der BBU GmbH waren zum Zeitpunkt des Einsatzes vor Ort
anwesend?
- Warum wurde den
NGO-Vertreter_innen der Kontakt zu den untergebrachten Jugendlichen
verwehrt und aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage geschah dies?
- Wurden die in der
Unterkunft anwesenden Jugendlichen über den Besuch, und dass ihnen
Geschenke übergeben werden sollten, informiert?
- Wenn ja, von wem?
- Wenn nein, warum nicht?
- Wurden die in der
Unterkunft anwesenden Jugendlichen gefragt, ob sie Interesse an einem
Treffen mit den NGO-Vertreter_innen und den Vertreter_innen der
Glaubensgemeinschaften (unter Einhaltung sämtlicher Covid
-Maßnahmen) interessiert seien?
- Wenn ja, wie viele
wurden gefragt und wie viele hatten Interesse an einem Treffen?
i. Wurde denjenigen, die Interesse hatten dennoch der
Kontakt untersagt?
1.
Wenn ja, warum?
2.
Wenn nein, warum nicht?
- Wenn nein, warum nicht?
- Welche konkreten
Maßnahmen wurden im Rahmen des Einsatzes getroffen?
- Wurde die Zufahrt zum
Bundesquartier für minderjährige Geflüchtete in Steinhaus
am Semmering gesperrt?
i. Wenn ja, warum?
- Wurden Vertreter_innen
der Zivilgesellschaft angehalten?
i. Wenn ja, warum?
- Wurde der Einsatz im
Nachhinein evaluiert bzw. diskutiert?
- Wenn ja, zwischen wem
wann mit welchem Ergebnis?
- Gab es während des Einsatzes
Kontakt zwischen der Polizei und den in der
Bundesbetreuungsstelle untergebrachten Jugendlichen?
- Wenn ja, welche
Informationen sind Ihnen diesbezüglich bekannt?
- Wenn ja, haben
Jugendliche bezüglich des Besuchs der zivilgesellschaftlichen
Akteure Wünsche geäußert?
i. Wenn ja, welche?
- Gibt es vonseiten der
Polizei eine Stellungnahme zu diesem Einsatz?
- Ergingen Beschwerden
gegen (eine) von der Polizei gesetzte(n) Maßnahme(n)?
- Wenn ja, wann durch
wen?
- Wie viele unbegleitete
minderjährige Asylsuchende befinden sich zum Zeitpunkt der Anfrage in
der Bundesbetreuungseinrichtung in Steinhaus am Semmering? Bitte um
Aufschlüsselung nach Geschlecht, Herkunftsland, Alter und Stand
des Verfahrens (zugelassen/nicht zugelassen zum Verfahren).
- Wie viele unbegleitete minderjährige
Asylsuchende befinden sich zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung in der
Bundesbetreuungseinrichtung in Steinhaus am Semmering? Bitte um
Aufschlüsselung nach Geschlecht, Herkunftsland, Alter und Stand
des Verfahrens (zugelassen/nicht zugelassen zum Verfahren).
- Wie viel
Betreuungspersonal mit welcher fachlichen Qualifikation wurde zum
Zeitpunkt der Anfragebeantwortung zur ausschließlichen Betreuung der
unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden eingesetzt? Bitte um
Aufschlüsselung nach Vollzeitäquivalenten, Anzahl der physischen
Personen und Angabe der Qualifikation.
- Wie viele
Betreuungsplätze stehen in Steinhaus am Semmering für
unbegleitete minderjährige Asylsuchende insgesamt zur
Verfügung?
- Wie viele
Betreuungsplätze stehen zum Zeitpunkt der Anfrage für UMF in
Bundesbetreuungseinrichtungen insgesamt zur Verfügung? Bitte um
Aufschlüsselung nach Ort der Einrichtung, Kapazitäten, Zeitpunkt
des Beginn des Betriebs.
- Wie viele
Betreuungsplätze stehen zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung
für UMF in Bundesbetreuungseinrichtungen insgesamt zur
Verfügung?
- Gibt es darüber
hinaus noch verfügbare Kapazitäten für die Unterbringung
für UMF im Bereich der Bundesbetreuung?
- Welche konkreten
Maßnahmen wurden seit Wiederöffnung der Betreuungseinrichtung
Steinhaus am Semmering getroffen, um die kinderrechtskonforme
Unterbringung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge
sicherzustellen?
- Welche konkreten
Maßnahmen wurden seit Wiederöffnung der Betreuungseinrichtung
Steinhaus am Semmering getroffen, um Isolation und Abschottung der
unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden zu vermeiden?
- Wurde vom BMI bzw. von
der BBU GmbH von der Möglichkeit des § 2 Abs 2
BBU-Errichtungsgesetz bereits Gebrauch gemacht?
a.
Wenn nein, ist dies geplant?
b.
Wenn ja, mit welchen
Organisationen wurde hier Kontakt aufgenommen?
c.
Wenn ja, was sind die
außergewöhnlichen Umstände, die dies erforderlich machen?
d.
Betrifft dies auch die
Unterbringung von UMF?
e.
Wie viele Personen haben sich
zu den Stichtagen der Anfrage und Anfragebeantwortung in den Vorjahren (2018,
2019, 2020, 2021) insgesamt in der Grundversorgung befunden? Bitte um
Aufschlüsselung nach Status der Grundversorgten (Asylberechtigt,
subsidiär schutzberechtigt, Asylwerber, illegalisiert, Bundesland der
Landesgrundversorgung, Quotenerfüllung, Unterbringung in
Bundesbetreuungseinrichtung, UMF).
- Wie oft wurde den in
Steinhaus am Semmering untergebrachten unbegleiteten minderjährigen
Flüchtlingen seit Wiederöffnung
der Betreuungseinrichtung bis zum Zeitpunkt
der Anfragebeantwortung Besuch gestattet?
- Wenn keine Besuche
erlaubt wurden, aus welchen Gründen?
- Gibt es von Seite der
BBU GmbH im Bereich der Grundversorgung eine Kommunikation bzw. Austausch
mit Nichtregierungsorganisationen?
- Welche Maßnahmen
wurden von Seite des BMI und der BBU GmbH gesetzt um ehrenamtliche
Tätigkeiten, die von der Zivilgesellschaft in Orten, in denen eine
Bundesbetreuungseinrichtung angesiedelt ist, angeboten werden, zu
koordinieren und zu ermöglichen? Welche Maßnahmen und Austausch
mit NGOs sind zukünftig geplant?