9100/J XXVII. GP

Eingelangt am 21.12.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Wie Gutachten im Maßnahmenvollzug über Leben entscheiden

 

Die im Strafgesetzbuch (StGB) vorgesehenen "Vorbeugenden Maßnahmen" (§§ 21-23 StGB) erlauben massive Eingriffe in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechte der betroffenen Personen. In den  Verfahren, in denen entschieden wird, ob und in welchem Umfang vorbeugende Maßnahmen anzuordnen sind, kommt den Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie (§ 429 Abs. 2 Z. 2 StPO) maßgebliche Bedeutung zu.

Aufgrund der weitreichenden Folgen, welche die Gutachten dieser Sachverständigen für die Betroffenen auslösen können – von der Entscheidung, ob eine Person in den Maßnahmenvollzug bedingt oder unbedingt eingewiesen wird, bis hin zur Frage, ob und wann diese Person bedingt entlassen werden kann – müssen diese Sachverständigen über ausreichende Qualifikation verfügen und deren Gutachten besonderen Qualitätsanforderungen entsprechen. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen zudem, dass einem einmal erstatteten Gutachten erhebliche "Beharrungskraft" zukommt, sodass es umso mehr geboten ist, auf höchste Qualität der Gutachten und beste Qualifikation der Gutachter zu bestehen. 

Auch Volksanwalt Amon erklärte bereits im Mai: „Es muss genau kontrolliert werden, wer in den Maßnahmenvollzug gehört und wer nicht. Gedacht ist er für psychisch kranke Rechtsbrecher und nicht für Personen, die straffällig wurden, bei denen man schlicht und ergreifend nicht weiß, wo man sie sonst unterbringen soll. Der Maßnahmenvollzug darf keine Sammelstelle sein. Hier ist es dringend an der Zeit für eine Reform“.

Die meisten im Maßnahmenvollzug Untergebrachten werden ohne Befristung angehalten, so lange sie als gefährlich eingestuft werden. Manchmal ist das im wahrsten Sinne des Wortes "lebenslänglich".

Da Gutachten eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung spielen, ob eine Person in den Maßnahmenvollzug übernommen wird bzw. dort verbleibt, stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgende

 

Anfrage:

 

  1. Werden psychiatrische Gutachten im Zuge von Strafverfahren gegen Jugendliche ausschließlich von Jugendpsychiatern durchgeführt? Wenn nein, warum nicht?
  2. Kommt es vor, dass Sachverständige Gutachten verfassen, ohne im Rahmen der Befundaufnahme jemals direkten persönlichen Kontakt zur betroffenen Person gehabt zu haben? Wenn ja, ist beabsichtigt, die rechtlichen Rahmenbedingungen dahingehend zu ändern, dass eine persönliche Untersuchung im Rahmen der Befundaufnahme unerlässlich ist?
  3. Wie viele psychiatrische Gutachten im Zuge von Strafverfahren gegen Jugendliche wurden in den letzten drei Jahren in Auftrag gegeben? Wir bitten um tabellarische Aufstellung nach Gerichtssprengeln.
  4. Wie viele Gutachten davon wurden von eingetragenen SV erstattet? 
  5. Wie viele Gutachten im Zuge eines Maßnahmenverfahrens (§§ 21 ff StGB) wurden in den letzten drei Jahren in Auftrag gegeben? Wir bitten um tabellarische Aufstellung nach Gerichtssprengeln.
  6. Wie viele Gutachten davon betrafen Jugendliche?
  7. Wie viele Gutachten davon wurden von eingetragenen SV erstattet?
  8. Welche berufliche und persönliche Qualifikation wird für die Tätigkeit als psychiatrischer Sachverständiger im Sinne des § 429 Abs. 2 Z. StPO gefordert?
  9. Gibt es betreffend die im Rahmen des Verfahrens zur Verhängung vorbeugender Maßnahmen eingeholten psychiatrischen Gutachten eine Qualitätskontrolle?