9222/J XXVII. GP

Eingelangt am 03.01.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS Genossinnen und Genossen,
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend
europaweites „Lieferkettengesetz"

Die Europäische Kommission hat bereits mehrmals angekündigt, ein bzw. zwei Richtlinienentwürfe betreffend Vorstandspflichten und Sorgfaltspflichten entlang von Lieferketten vorzulegen. Zu der Vorlage kam es jedoch bis heute nicht. Insbesondere das „Lieferkettengesetz", eine EU- Rechtsvorschrift zur verpflichtenden Einhaltung unternehmerischer Sorgfaltspflichten im Bereich Menschenrechte und Umweltschutz, wird mit Spannung erwartet. Nach mehrmaligen Verschiebungen wurde der Vorschlag letztendlich für den 8. Dezember 2021 angekündigt und ist nun ohne neuem Datum von der Kommissionsagenda verschwunden. Der Vorschlag ist nun offenbar schon zum zweiten Mal am Regulatory Scrutiny Board gescheitert.

Vier Abgeordnete des Europäischen Parlaments haben eine Anfrage bei der Kommission eingebracht[1], weil bekannt wurde, dass der dänische Industrieverband beim Regulatory Scrutiny Board lobbyiert hat und sich dann öffentlich über seinen offenbaren „Erfolg" gefreut hat. Die Integrität und Transparenz dieser eigentlich technischen Einrichtung stehen damit gerade in Zweifel.

Auch Kommissionspräsidentin Von der Leyen hat in ihrer Rede zur Lage der Union einen Legislativvorschlag für ein Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit angekündigt - ein wichtiges Element eines Lieferkettengesetzes.

Es braucht dringend eine EU-Rechtsvorschrift, ein „Lieferkettengesetz" zur verpflichtenden menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht und sozialen, menschenrechtskonformen und nachhaltigen Produktionsweisen, denn wie auch schon Kommissionspräsidentin Von der Leyen in ihrer Rede sagte: „Menschenrechte sind nicht käuflich - für kein Geld der Welt."[2] Die Selbstverpflichtung von Unternehmen hat sich bereits oftmals und auch in der Studie der Kommission ais unzureichend erwiesen[3] und laut einer YouGov Umfrage sprechen sich mehr als 80% der Bevölkerung der Union für strengere Gesetze aus, damit Unternehmen für Verletzungen von Menschenrechten und Umweltverstöße entlang der Lieferkette den von ihnen in Verkehr gebrachten Produkte und Dienstleistungen verantwortlich gemacht werden können.

Justizministerin Alma Zadić erklärte im Rahmen des EU-Unterausschusses am 2.11.2021, dass Menschenrechte, ArbeitnehmerInnenrechte und der Schutz der Umwelt gewahrt werden können, wenn rechtliche Vorschriften in der gesamten Lieferkette eingehalten werden. Es müsse das gemeinsame Ziel Europas sein, sich für ein konsequentes Eintreten gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung auf allen Ebenen sowie das Einfordern unternehmerischer Verantwortung durch verbindliche Regeln einzusetzen. Freiwillige Handlungsempfehlungen würden dafür nicht ausreichen, wie die Erfahrung zeige. Verbindliche Regeln würden auch zu einem faireren Wettbewerb beitragen und jenen heimischen Unternehmen helfen, die menschenrechtliche und ökologische Standards einhalten, so Zadic. Sie werde sich daher für eine rasche Vorlage eines Vorschlags der Kommission einsetzen. Sollte es nicht dazu kommen, wolle sie auf österreichischer Ebene einen Vorschlag erarbeiten, sagte die Justizministerin (Parlamentskorrespondenz IMr. 1210 vom 02.11.2021; in: EU-Unterausschuss: Digital Services Act soll besseren Schutz von VerbraucherInnen bringen (PK-Nr. 1210/2021) 1 Parlament Österreich; Stand: 21.12.2021)

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1.       Ist Ihnen bekannt, aus welchem Grund die Europäische Kommission erneut keinen Richtlinien-Vorschlag präsentiert hat?

a.       Wenn ja, weshalb?

b.       Wenn nein, werden Sie sich erkundigen, weshalb es erneut zu keiner Präsentation kam und diese Erkenntnisse mit dem Parlament teilen?

2.       Ist es korrekt, dass das Regulatory Scrutiny Board die Vorlage des Richtlinien Vorschlages erneut verhindert haben soll?

a.       Wenn ja, sind Ihnen die Gründe dafür bekannt?

b.       Werden Sie diese hinterfragen?

3.       Eben dieses Regulatory Scrutiny Board steht derzeit in Brüssel unter Kritik. Denn durch ein Twitterposting und eine damit einhergehende Anfrage an die Kommission von vier EU Abgeordneten, wird massiver Lobbyismus seitens des dänischen Industrieverbands vermutet. Sind Sie diesen Vorwürfen nachgegangen bzw. haben Sie diese Vorwürfe auf europäischer Ebene thematisiert und um Prüfung gebeten?

a.       Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b.      Wenn nein, warum nicht und werden Sie dies nachholen?

4.       Haben Sie sich auf europäischer Ebene aktiv dafür eingesetzt, dass es zu einer Vorlage kommt?

5.       Werden Sie sich weiterhin dafür einsetzen, dass hier schnellst möglich eine Gesetzesvorlage seitens der Europäischen Kommission vorgelegt wird?

6.       Weiche Schwerpunkte sollte dieser aus Ihrer Sicht bzw. aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz beinhalten?

7.       Für wann wurde Ihres Wissens nach eine neuerliche Vorlage der Europäischen Kommission angekündigt?

8.       Sie haben im EU Unterausschusses des Nationalstes angekündigt, dass Sie auf nationaler Ebene an einer Vorlage arbeiten würden, sofern die EU Kommission nichts vorlegen würde. Das scheint nun eingetreten zu sein.

a.       Wann ist daher mit Ihrer Vorlage zu rechnen?

b.      Wie weit sind die Arbeiten an dieser Vorlage bereits gediehen?

c.        Laufen derzeit schon Gespräche mit dem Koalitionspartner?

d.       Wen binden Sie abseits dessen in die Erarbeitung dieses Gesetzesvorschlags noch mit ein?

e.       Welche konkreten Punkte sollen von einem „nationalen Lieferkettengesetz" erfasst werden?

f.        Wann etwa wollen Sie diese Vorlage dem Parlament vorlegen?



[1] Tweet von Lara Wolters, am 15. Dezember:

https://twitter.com/larawoltersEU/status/1471115572150784000/photo/1 und https://twitter.com/larawoltersEU/status/1471115572150784000/photo/2 )

[2] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/SPEECH_21_4701: Stand: 03.10.2021

[3] Study on due dilieence requirements through the supply chain - Publications Office of the EU (europa.eu): Stand: 22.12.2021