Eingelangt am 14.01.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Helmut
Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für
europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend BMEIA_800 Tage
Regierungsprogramm - 100 Tage Bundesregierung Nehammer: Außenpolitik
„Chancen nutzen heißt
Verantwortung übernehmen“ stellte die Bundesregierung klar, als
sie im Zuge ihrer Angelobung am 7. Jänner 2020 das Regierungsprogramm
2020-2024 präsentierte. Bereits vor Ausbruch der Pandemie wurde darin
festgehalten, dass es „auch und gerade in politisch, wirtschaftlich
und global unsicheren Zeiten“ nötig ist, neue Wege zu gehen.
Unterschiedliche Reformvorhaben stehen in diesem Übereinkommen, das
trotz zahlreicher Neubesetzungen seither die Arbeitsgrundlage der
österreichischen Bundesregierung bildet. Über diese innenpolitisch
turbulente Zeit hindurch wurde von unterschiedlichen Kanzlern und
Bundesminister_innen stets die Wichtigkeit der Abarbeitung des
Regierungsprogrammes betont. Bei seiner Antrittsrede versprach der am 6.
Dezember 2021 angelobte Bundeskanzler Nehammer, rasch in die Arbeit einzusteigen
und sich nicht vom Virus davon abhalten zu lassen, die Arbeit für die
Menschen in diesem Land fortzusetzen. Knapp 800 Tage nach
Präsentation des Regierungsprogramms 2020 – 2024 und 100
Tage nach Antritt der Regierung Nehammer stellt sich die Frage, was
aus all diesen Versprechen geworden ist. Diese Jubiläumsanfrage bietet
Gelegenheit, im Rahmen einer Zwischenbilanz ausführlich festzustellen,
welche Vorhaben erledigt wurden und wann die verbliebenen Projekte umgesetzt
werden sollen. Gerade angesichts der aktuellen Herausforderungen sollte das im
Programm formulierte Ziel der Stärkung der Position
Österreichs in Europa und in der Welt rasch durch mutige Reformen
umgesetzt werden.
Insbesondere im Fall der österreichischen
Außenpolitik stellt die Amtsübergabe an die Regierung Nehammer eine
mögliche Zäsur dar. Die vorhergegangene Regierung galt in Europa als
Bremser. Die neue Regierung hat die Möglichkeit, sich wieder als konstruktiver
Partner zu etablieren, die Österreichs rhetorisch pro-europäische Haltung
auch in Taten umsetzt.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
- Das Regierungsprogramm sieht vor, dass sich
Österreich in Brüssel für die Abschaffung des
Einstimmigkeitsprinzips in außenpolitischen Fragen einsetzen wird.
Ein derartiger Antrag im Hauptausschuss fand keine Zustimmung unter den
Regierungsparteien. Welche konkreten Impulse hat die Bundesregierung in
den letzten 800 Tagen gesetzt, um auf europäischer Ebene das
Einstimmigkeitsprinzip durch ein Mehrheits- oder qualifiziertes
Mehrheitsprinzip zu ersetzen?
- Welche konkreten Maßnahmen hat die
Bundesregierung in den letzten 100 Tagen in der Regierung Nehammer in
dieser Hinsicht gesetzt?
- Das Regierungsprogramm sieht vor, das
österreichische Vertretungsnetz im Ausland zu stärken.
- Wie viele neue Vertretungen wurden in den
letzten 800 Tagen eröffnet?
- Gibt es in der Regierung Nehammer
Pläne in diese Richtung?
- Welche anderen Maßnahmen (neben
Neueröffnung von Vertretungen) wurden in den letzten 800 Tagen
gesetzt? Welche neuen Impulse wurden von der Regierung Nehammer
angedacht?
- Österreich spricht im
Regierungsprogramm von einer österreichischen Initiative in der EU
für einen EU-Zukunftspakt mit Afrika. Allerdings unterhält die
Republik in Afrika nur 10 Botschaften. Zum Vergleich, die Türkei,
die Afrika ebenfalls zu einem Zukunftskontinent erhoben hat, hat die
Anzahl ihrer Botschaften am Kontinent seit 2002 von 12 auf 43
erhöht; keine nicht-afrikanische Fluglinie fliegt so viele
afrikanische Ziele an wie Turkish Airlines. Plant die Bundesregierung im
Zuge ihrer Afrikafokuspolitik sowie der geplanten Stärkung des
Vertretungsnetzes eine Ausweitung der Botschaften in Afrika?
- Österreich hat den Migrationspakt
mitverhandelt und ist dann zu großem internationalen Unmut im
letzten Moment ausgestiegen. Seiher gibt es mehrere europäische
Initiativen, die von Österreich regelmäßig abgelehnt
werden. Welche Maßnahmen plant die neue Bundesregierung, um wieder
an einer konstruktiven internationalen Regelung der Migrationsproblematik
teilzunehmen?
- Im Regierungsprogramm spricht sich die
Bundesregierung für "Initiativen für eine internationale
Positionierung der EU als starke Akteurin" aus. Welche derartige
Initiativen wurden in den letzten 800 Tagen bzw. seit der Angelobung der Regierung
Nehammer ins Leben gerufen?
- Im Regierungsprogramm steht dass sich
Österreich für die EU-Westbalkanerweiterung einsetzen wird.
Welche Aktivitäten hat die Bundesregierung in dieser Hinsicht
gesetzt?
- Welche neuen Initiativen sind in der
Regierung Nehammer geplant, um die Erweiterung voranzutreiben?
- Im Regierungsprogramm steht ein Bekenntnis
für die Unterstützung einer EU-Handelspolitik, die sich für
umfassende internationale Handelsabkommen einsetzt, Mercosur in der
derzeitigen Form ablehnt und sich protektionistischen Tendenzen
entschlossen entgegenstellt, da eine starke Exportwirtschaft in
Österreich Arbeit und Wohlstand schafft. Nur Teile der Landwirtschaft
stehen Mercosur aus protektionistischen Gründen negativ
gegenüber, Klimafragen sollen nachverhandelt werden.
- Wird Österreich die Nachverhandlungen
des Mercosur Vertrages konstruktiv unterstützen und einen
klimapolitisch verbesserten Mercosur Vertrag akzeptieren?
- Die Bundesregierung trat im
Regierungsprogramm für eine Annäherung der Ukraine an Europa
ein. Welche konkreten Maßnahmen sind in dieser Hinsicht geplant bzw.
bereits gesetzt?
- Die Bundesregierung spricht sich für
harte Sanktionen gegen Russland wegen des völkerrechtswidrigen
Anschlusses der Krim und der militärischen Einmischung im Donbass
aus. Gleichzeitig ist die Regierung nicht gewillt, NordStream II in ein
Sanktionspaket aufzunehmen. Welche Sanktionen ist die Regierung Nehammer
bereit mitzutragen, welche sind für die Bundesregierung zu teuer?
- Die Bundesregierung tritt für das Ende
der unzeitgemäßen Einstufung Chinas als Entwicklungsland auf,
auch weil damit unfaire Handels- und Beihilfepraxen ermöglicht
werden, die europäische und damit auch österreichische
Unternehmen gegenüber chinesischen Konkurrenten schlechterstellen.
Wird die neue Bundesregierung auf eine Neu-Einstufung Chinas als Bedingung
für Handels- und Investitionsabkommen bestehen?
- Welche anderen Maßnahmen sind in der
Regierung Nehammer geplant, um die Neueinstufung Chinas voranzutreiben?
- China wird in europäischen Analysen,
aber auch in anderen liberalen Demokratien, mittlerweile nicht mehr als
Partner oder Konkurrent, sondern als Systemrivale eingestuft. China nimmt
in diesen Analysen eine revisionistische Haltung ein und versucht, die
globale Ordnung in Chinas Sinn und zum Vorteil des dortigen Regimes zu
ändern. Wie steht die Nehammer Regierung zur Frage, ob China als
Systemrivale einer Containment-Politik unterliegen muss?
- Die deutsche Bundesregierung spricht von
einer "wertebasierten Außenpolitik." Kann sich die
österreichischen Regierung mit diesem Konzept identifizieren, und
wird die Regierung Nehammer einen deutschen Vorstoß in diese
Richtung auf europäischer Ebene unterstützen?
- Wird die österreichische
Bundesregierung eine auf Werte (wie Menschenrechte, Völkerrecht
etc.) basierende Politik auch dann unterstützen, wenn daraus Kosten
für Österreich entstehen (zum Beispiel NordStream II
Sanktionen)?