9306/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.01.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien

betreffend 800 Tage Regierungsprogramm -100 Tage Bundesregierung Nehammer: Umsetzungsstand Frauen- und Gleichstellungspolitik

„Chancen nutzen heißt Verantwortung übernehmen“ stellte die Bundesregierung klar, als sie im Zuge ihrer Angelobung am 7. Jänner 2020 das Regierungsprogramm 2020-2024 präsentierte. Bereits vor Ausbruch der Pandemie wurde darin festgehalten, dass es „auch und gerade in politisch, wirtschaftlich und global unsicheren Zeiten“ nötig ist, neue Wege zu gehen. Unterschiedliche Reformvorhaben stehen in diesem Übereinkommen, das trotz zahlreicher Neubesetzungen seither die Arbeitsgrundlage der österreichischen Bundesregierung bildet. Über diese innenpolitisch turbulente Zeit hindurch wurde von unterschiedlichen Kanzlern und Bundesminister_jnnen stets die Wichtigkeit der Abarbeitung des Regierungsprogramms betont. Bei seiner Antrittsrede versprach der am 6. Dezember 2021 angelobte Bundeskanzler Nehammer, rasch in die Arbeit einzusteigen und sich nicht vom Virus davon abhalten zu lassen, die Arbeit für die Menschen in diesem Land fortzusetzen. Knapp 800 Tage nach Präsentation des Regierungsprogramms 2020 - 2024 und 100 Tage nach Antritt der Regierung Nehammer stellt sich die Frage, was aus all diesen Versprechen geworden ist.

Diese Jubiläumsanfrage bietet Gelegenheit, im Rahmen einer Zwischenbilanz ausführlich festzustellen, welche Vorhaben erledigt wurden und wann die verbliebenen Projekte umgesetzt werden sollen. Gerade angesichts der aktuellen Herausforderungen sollte das im Programm formulierte Ziel der Stärkung der Position Österreichs in Europa und in der Welt rasch durch mutige Reformen umgesetzt werden.

Eine wesentliche Rolle hierbei spielt insbesondere die Frauen- und Gleichstellungspolitik, bei der es in Österreich einigen Aufholbedarf gibt. Die schockierende Serie an Frauenmorden, die im neuen Jahr bereits fortgesetzt wurde, ist nur die traurige Spitze eines Eisbergs an Diskriminierung und Gewalt, der von einem weit über EU-Durchschnitt liegenden Gender Pay Gap, einer damit einhergehenden unterdurchschnittlichen Bildungs- und Betreuungsquote bei Kindern im Elementarbereich, die nicht einmal die in den Barcelona-Zielen formulierten Mindeststandards erfüllt, bis hin zu der Tatsache reicht, dass Altersarmut in Österreich weiblich und Alleinerziehen einer der größten Treiber dorthin ist.

Wenn man sich das Kapitel "Frauen" im Regierungsprogramm durchliest, fällt auf, dass oft nur inhaltslose Schlagwörter aneinandergereiht und Maßnahmen genannt werden, die selbstverständlich scheinen oder die es schon längst gibt, wie "Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten", "Verbot von Zwangsheirat, Frauenhandel" oder "Gleichstellung und Frauenförderung". Konkrete Leuchttürme der Gleichstellung, die ambitionierte Zielvorgaben beinhalten und auch auf das Aufbrechen tiefsitzender konservativer Rollenbilder innerhalb der österreichischen Gesellschaft abzielen, sucht man vergebens. Auch die Budgeterhöhungen der letzten Jahre, die nur dann substantiell erscheinen, wenn man ausblendet, dass hier jahrelanger Stillstand auf niedrigem Niveau geherrscht hat, sind nicht ausreichend, um Gleichstellung aller Menschen in Österreich zu erreichen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

Gewaltschutz:

1.    Nationaler Aktionsplan (Sicherstellung der Finanzierung):

a.    Welche Maßnahmen wurden in Bezug auf einen nationalen Aktionsplan Ihrerseits bereits gesetzt und welche Maßnahmen sind hierfür 2022 geplant?

2.    Bestmögliche Umsetzung der Istanbul-Konvention:

a.    Welche Maßnahmen wurden Ihrerseits ev. auch ressortübergreifend gesetzt, die die Umsetzung der Istanbul-Konvention voranbringen?

b.    In welchen Bereichen muss Österreich noch nachbessern und welche Maßnahmen werden in diesen Bereichen 2022 gesetzt?

3.    Ausbau der Opferschutzeinrichtungen, Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen:

a.    Wie viele neue Einrichtungen sind in welchem Bereich ausgebaut worden?

b.    Wie viele Personalstellen sind in welchen Einrichtungen aufgestockt worden?

c.     Wie viele neue Einrichtungen/Personalstellen in welchen Bereichen sind 2022 geplant?

4.    Ausbau der Frauenberatungsstellen:

a.    Gerade Frauen- und Mädchenberatungsstellen sind laut eigenen Angaben immer noch stark unterfinanziert und erhalten eine zu geringe Basisförderung, was eine langfristige, verlässliche Planung und Projektarbeit verunmöglicht und zum Jahreswechsel zu großen Personalunsicherheiten führt. Wie hoch ist die Basisförderung für Frauen- und Mädchenberatungsstellen in den Jahren 2017-2022 und ist geplant, sie 2022 zu erhöhen und wenn ja, auf welchen Betrag soll sie erhöht werden?

b.    Wenn keine Erhöhung der Basisförderung von Frauen- und Mädchenberatungsstellen geplant ist, warum nicht?

c.     Wie viele Personalstellen in Frauen- und Mädchenberatungsstellen wurden seit Regierungsantritt 2019 finanziert und welche Ausbau- Maßnahmen sind hier 2022 geplant?

5.    Sensibilisierung von Justiz, Polizei und Multiplikatorinnen bzw. Multiplikatoren:

a.    Welche Sensibilisierungsmaßnahmen in welchen Bereichen sind hier konkret umfasst, welche wurden schon umgesetzt und welche sind für 2022 geplant?

b.    Welche dieser Sensibilisierungsmaßnahmen sind verpflichtend, welche sind freiwillig?

c.     Wie viele Personen haben an oben genannten freiwilligen und verpflichtenden Sensibilisierungsmaßnahmen seit ihrer Einführung bereits teilgenommen (wenn möglich, bitte um jährliche Aufschlüsselung nach Geschlecht)?

d.    Sind Richterjnnen ebenfalls von (verpflichtenden) Sensibilisierungsmaßnahmen umfasst und welche Themengebiete sind hier genau mitinbegriffen?

e.    Wie viel Budget hat Ihr Ressort bislang für die jeweiligen Sensibilisierungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt?

6.    15a-Vereinbarung zu bundeslandübergreifenden Frauenhausplätzen:

a.    Welche Maßnahmen wurden hier gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant?

b.    Wann ist mit einer solchen 15a-Vereinabrung zu rechnen und wer ist an den Verhandlungen hierzu beteiligt?

7.    Verbot von Zwangsheirat, Frauenhandel:

a.    Ein Verbot von Zwangsheirat und Frauenhandel gibt es natürlich längst - welche Maßnahmen sind hier also konkret gemeint, welche wurden bereits gesetzt und welche sind für 2022 geplant?

b.    Gibt es Statistiken oder andere Datengrundlagen sowohl zu Frauenhandel, als auch zu Zwangsheirat in Österreich, die evidenzbasierte Maßnahmen ermöglichen und welche Zahlen liegen für die Jahre 2015-2021 vor?

c.     Werden diese Datengrundlagen regelmäßig erstellt und wie werden sie erhoben?

d.    Wenn es keine aktuellen Datengrundlagen zu Zwangsheirat und Frauenhandel in Österreich gibt, warum nicht und wie werden dann evidenzbasierte Maßnahmen gesetzt?

8.    15a-Vereinbarung zur Bereitstellung von Start- und Übergangswohnungen:

a.    Welche Maßnahmen wurden hier gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant?

b.    Wann ist mit einer solchen 15a-Vereinabrung zu rechnen und wer ist an den Verhandlungen hierzu beteiligt?

c.     Wie viele Start- und Übergangswohnungen gibt es aktuell in Österreich, wie viele davon wurden seit Regierungsantritt neu geschaffen und wie viele sind für 2022 geplant?

d.    Wie viel Budget wendet Ihr Ressort für diese Maßnahme auf?

9.    Sensibilisierungskampagne zu Gewalt gegen Frauen und Kinder:

a.    Welche Maßnahmen umfasste die Kampagne?

b.    Wer waren die Zielgruppen der Kampagne?

c.     Wie lange lief die Kampagne und in welcher Form (bitte um Angabe der Medien)?

d.    Wie viel Budget hat ihr Ressort für die Kampagne aufgewendet und wie viel davon wurde für Inserate aufgewandt?

e.    Welche Maßnahmen sind diesbezüglich angesichts der traurigen Aktualität der Thematik im Jahr 2022 geplant?

10. Multiinstitutionelle Einberufung von Fallkonferenzen bei Hochrisikofällen:

a.    Diese Hochrisiko-Fallkonferenzen gab es ebenfalls bereits, sie wurden jedoch unter Schwarz-Blau abgeschafft und wurden unter Türkis-Grün nur unvollständig wieder eingeführt. Welche konkreten Maßnahmen wurden hier bereits umgesetzt und welche sind für 2022 geplant?

b.    Ist geplant, Opferschutzeinrichtungen fortan intensiv miteinzubinden, sodass diese auch selbständig solche Hochrisiko-Fallkonferenzen einberufen können und wenn nein, warum nicht?

c.     Wie viele solcher Hochrisiko-Fallkonferenzen hat es in den Jahren 2015 bis ins Jahr 2022 jährlich gegeben?

11. Präzisierung der Kriterien im Zusammenhang mit der Anzeigepflicht:

a. Welche Maßnahmen wurden hier gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant?

12.   Zugang zu Frauenhäusern für alle Frauen, die den Schutz brauchen:

13.

a.   Welche Maßnahmen wurden hier gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant?

Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt

1.    Chancen für Frauen im ländlichen Raum erhöhen (Stichwort Digitalisierung):

a.    Welche konkreten Maßnahmen wurden hier gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant?

2.    Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten:

a.    Welche konkreten Maßnahmen sind mit dieser vagen Formulierung gemeint, wurden bereits gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant (bitte um jährliche Angabe von Teilnehmer_innenzahlen dieser etwaigen Maßnahmen)?

3.    Equal-Pay-Siegel (Kriterienkatalog):

a.    Auf welchen Vergabekriterien beruht das 2020 geschaffene Gütesiegel?

b.    Wie oft wurde es bereits vergeben?

4.    40% Frauenquote in jedem einzelnen Aufsichtsrat von Unternehmen in öffentlicher Hand mit mehr als 50% Beteiligung:

a.    Welche konkreten Maßnahmen wurden hier gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant?

b.    Welche Entwicklungen lassen sich in diesem Bereich beobachten und wie läuft das Monitoring dazu ab?

5.    Prüfung von Maßnahmen zur Erhöhung der Frauenquote in börsennotierten Unternehmen:

a. Welche konkreten Maßnahmen wurden hier gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant?

6.    Info-Kampagne/Sensibilisierung: Auswirkungen von Teilzeit auf die soziale Absicherung in Arbeitslosigkeit und Alter, Weiterbildungsmaßnahmen von MA in Teilzeit, Führen in Teilzeit, Teilzeitrechner, Elternteilzeit:

a. Welche konkreten Maßnahmen wurden hier gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant?

7.    Studie zu Stadt-/Landflucht:

a.    Welche konkreten Maßnahmen wurden hier gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant?

b.    Inwiefern untersucht diese Studie frauenpolitische Aspekte (z.B. Kinderbetreuungsplätze etc.)?

c.     Liegen bereits Ergebnisse dieser Studie vor bzw. wann ist damit zu rechnen?

8.    Ausführliche Informationen im Vorfeld der Karenz:

a.    Welche Maßnahmen sind hier umfasst und an wen richten sie sich (nur an Frauen, oder auch an Männer)?

b.    Welche konkreten Maßnahmen wurden hier gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant?

c.     Welche weiteren Maßnahmen in Bezug auf Karenzmanagement und die Gleichstellung von Frauen und Männern sind bereits umgesetzt oder für 2022 geplant?

d.    Wann wird das Pensionssplitting umgesetzt und in welcher Form wird es genau kommen?

9.    Ausbau und Stärkung der Ausbildung von Journalistinnen:

a. Welche konkreten Maßnahmen wurden hier gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant?

Gleichstellung und Selbstbestimmung, Frauengesundheit

1.    Forcierung der im NAP Frauengesundheit vorgesehenen Maßnahmen.

a.    Welche konkreten Maßnahmen aus dem NAP wurden bereits gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant?

b.    Welche Maßnahmen sind darüber hinaus noch ausständig?

2.    Stärkung der Schutzmöglichkeiten gegen Diskriminierung in den unterschiedlichen Lebensbereichen:

a.    Welche konkreten Maßnahmen wurden hier gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant?

b.    Ist das Levelling Up im Gleichbehandlungsgesetz ebenfalls von diesen Maßnahmen umfasst und wenn nein, warum nicht?

3.    Gleichstellung und Frauenförderung:

a. Welche konkreten Maßnahmen sind mit dieser vagen Formulierung gemeint, wurden bereits gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant (bitte um jährliche Angabe von Teilnehmer_innenzahlen dieser etwaigen Maßnahmen)?

4.    Bei Fördervergabe ist jedenfalls auf Geschlechtergerechtigkeit zu achten und diese umzusetzen:

a.    Welche konkreten Maßnahmen wurden hier gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant?

b.    Welche Maßnahmen setzten Sie 2022, um das eigentlich längst verfassungsrechtlich verankerte Gender Budgeting auch tatsächlich umzusetzen, das laut Budgetdienst immer noch äußerst unzureichend angewandt wird?

c.     Warum wurde bei der Vergabe der enormen Corona-Hilfsgelder in allen möglichen Bereichen nicht auf die Geschlechtergerechtigkeit geachtet bzw. welche Maßnahmen wurden hier ganz konkret angewandt, die eine geschlechtergerechte Verteilung der Mittel sicherstellen hätten sollen?

5.    Förderungen und Basissubventionen nur bei gleicher Bezahlung von Männern und Frauen für gleiche Arbeit:

a.    Wie wird die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen überprüft, welche konkreten Maßnahmen wurden hier bereits gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant?

6.    Schritt für Schritt Reduzierung des Gender-Pay-Gap in Kunst- und Kulturorganisationen:

a.    Welche konkreten Maßnahmen wurden hier bereits gesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant?

7.    Interkulturelle und Gleichbehandlungskompetenzen müssen in allen pädagogischen Ausbildungen als Pflichtlehrveranstaltungen enthalten sein:

a.    Inwiefern ist diese Maßnahme bereits umgesetzt und welche Maßnahmen sind für 2022 geplant?