9308/J XXVII. GP
Eingelangt am 14.01.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Reformen im Bereich Kapitalmarkt
„Chancen nutzen heißt Verantwortung übernehmen“ stellte die Bundesregierung klar, als sie im Zuge ihrer Angelobung am 7. Jänner 2020 das Regierungsprogramm 2020-2024 präsentierte. Bereits vor Ausbruch der Pandemie wurde darin festgehalten, dass es „auch und gerade in politisch, wirtschaftlich und global unsicheren Zeiten“ nötig ist, neue Wege zu gehen. Unterschiedliche Reformvorhaben stehen in diesem Übereinkommen, das trotz zahlreicher Neubesetzungen seither die Arbeitsgrundlage der österreichischen Bundesregierung bildet. Über diese innenpolitisch turbulente Zeit hindurch wurde von unterschiedlichen Kanzlern und Bundesminister_innen stets die Wichtigkeit der Abarbeitung des Regierungsprogramms betont. Bei seiner Antrittsrede versprach der am 6. Dezember 2021 angelobte Bundeskanzler Nehammer, rasch in die Arbeit einzusteigen und sich nicht vom Virus davon abhalten zu lassen, die Arbeit für die Menschen in diesem Land fortzusetzen. Knapp 800 Tage nach Präsentation des Regierungsprogramms 2020 – 2024 und 100 Tage nach Antritt der Regierung Nehammer stellt sich die Frage, was aus all diesen Versprechen geworden ist. Diese Jubiläumsanfrage bietet Gelegenheit, im Rahmen einer Zwischenbilanz ausführlich festzustellen, welche Vorhaben erledigt wurden und wann die verbliebenen Projekte umgesetzt werden sollen. Gerade angesichts der aktuellen Herausforderungen sollte das im Programm formulierte Ziel der Stärkung der Position Österreichs in Europa und in der Welt rasch durch mutige Reformen umgesetzt werden.
Fokus Kapitalmarkt
Der österreichische Kapitalmarkt ist von Banken dominiert: Nur eine geringe Anzahl von Unternehmen hat Zugang zu Finanzierungsalternativen abseits des Bankensektors. Durch einen besser ausgebauten Kapitalmarkt könnte das Eigenkapital von Unternehmen gestärkt und eine komplementäre Säule zum vorherrschenden Bankkredit etabliert werden – Faktoren die auch zu einer krisensicheren Wirtschaft beitragen. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie ist die Bedeutung von Eigenkapital für die Krisenresilienz von Unternehmen besonders sichtbar geworden. Insbesondere KMUs verfügen in Österreich traditionell über eine geringe Eigenkapitalausstattung.
Auch fehlt es in Österreich immer noch an entsprechender Risikofinanzierung für Start-Ups und Neugründungen. Wir brauchen daher unter anderem Rechtsformen für Unternehmen und Fonds, die auch von internationalen Investoren verstanden werden. Österreichische Anleger_innen verpassen die Chancen am Kapitalmarkt: Weniger als 5% des Geldvermögens in Österreich wird am Kapitalmarkt veranlagt, und das obwohl Spar- und Giroguthaben schon seit Jahren keine Renditen mehr abwerfen. Es braucht daher die Umsetzung von vielen Maßnahmen gleichzeitig, um zusätzliche Milliarden Euro von privaten Spar- und Giroguthaben - insgesamt haben die Österreicher dort laut einer Studie der Agenda Austria fast 300 Mrd. EUR liegen - in die Unternehmensfinanzierung fließen zu lassen. Und damit auch mehr Österreicher_innen Zugang zur besseren Rendite-Entwicklung auf den Kapitalmärkten zu ermöglichen.
Benötigt werden auch neue Anlagerichtlinien und mehr Flexibilität für bestehende österreichische Pensionsinvestoren (bAV, MVK). Für künftige Generationen braucht es zusätzliche geeignete Instrumente zur privaten Altersvorsorge. Diese Pensionsvermögen können - wie z.B. auch in Dänemark oder Schweden - zu wichtigen strategischen Ankerinvestoren für den österreichischen, unternehmerischen Mittelstand werden.
Kapitalmarktreformen im türkis-grünen Regierungsprogramm
Das türkis-grüne Regierungsprogramm lässt darauf schließen, dass die Regierungsparteien sich der Bedeutung von Reformen am Kapitalmarkt zwar bewusst sind, es aber bisher bei Überschriften belassen. Diese Anfrage dient der Übersicht darüber, welche geplanten Maßnahmen bereits gesetzt wurden und welche heuer zu erwarten sind. Angesichts der oft beschworenen, hohen Bedeutung eines Ausbaus und Stärkung des Kapitalmarkts für Österreich erscheint es angebracht, einzeln auf die Umsetzung der angekündigten Maßnahmen einzugehen und von einer pauschalen Beantwortung dieser Anfrage abzusehen. Unternehmer_innen und Anleger_innen in Österreich verdienen einen klaren Blick auf die geplanten Schritte zum Ausbau des österreichischen Kapitalmarkts. Gegenstand dieser Anfrage sind konkrete angekündigte Maßnahmen in Federführung oder unter Mitwirkung des BMF (im Sinne von tatsächlichen Projekten oder Gesetzesinitiativen - keine abstrakten Absichtsbekundungen).
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende