9315/J XXVII. GP

Eingelangt am 17.01.2022
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Covid-19-Maßnahmen im internationalen Vergleich

 

Die Covid-Pandemie hat trotz aller Versuche von internationalem Zusammenhalt rasch gezeigt, dass die nationalen Vorgehensweisen stark voneinander abweichen werden. Schon zu Beginn wurde Schweden das Vorzeigeland, in dem Maßnahmen gänzlich anders ausgelegt wurden und stattdessen auf die "Durchseuchung" der Bevölkerung gesetzt wurde - Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus hatten daher nur Empfehlungscharakter. Österreich dagegen war eines der Länder, dass schnell sehr strenge Maßnahmen durchsetzte und dafür auf rasche Erleichterungen hoffte und damit anfänglich ganz gut fuhr. Aus einem harten, kurzen Lockdown wurden mangels stringenter Politik mittlerweile vier Lockdowns und in der Bevölkerung machen Gerüchte die Runde, dass zu Jahresbeginn ein erneuter Lockdown für die gesamte Bevölkerung kommen könnte. Die mangelnde Stringenz stellt also in den Raum, dass sich der Jahresanfang 2020, der wegen der Delta-Variante im Lockdown verbracht wurde,  zu Jahresbeginn 2021 wegen der Omikron-Variante wiederholt - und das, obwohl mittlerweile ein guter Teil der Bevölkerung mehrfach geimpft ist. 

Obwohl bereits mehrmals - und berechtigterweise - das Versagen der Bundesregierung im Pandemiemanagement thematisiert wurde, stellt sich spätestens an diesem Punkt und im internationalen Vergleich die Frage: Hat das was gebracht?

 

Nimmt man beispielsweise die Inzidenzen und Todesfälle, sieht man, dass Schweden und Österreich auf genau das gleiche Ergebnis kommen: 150 Covid-Tote per 100.000 Einwohner. Anschaulich gezeigt wird das anhand der Grafiken des Economist (1), in der bestätigte Fälle (blau) und bestätigte Todesfälle (rot) per 100.000 Einwohner visualisiert werden. Dunkel hinterlegt sind die unterschiedlichen Ausgangsbeschränkungen, wobei hier Sperrstunden Teillockdowns bestimmter Bereiche gleichberechtigt gewertet werden.

 

 

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Vergleicht man allerdings, wie streng die Maßnahmen sind, sieht man schnell, dass Österreich versuchte, härter durchzugreifen. So wertete die Financial Times (2) die Strenge der einzelnen Maßnahmen aus und im Zeitvergleich wurde in Österreich fast durchgehend mit mehr Strenge auf die Pandemie reagiert. Auch hier müssen Daten allerdings im richtigen Kontext gesetzt werden: Österreichs Ausreißer nach oben sind Lockdowns und Ausgangsbeschränkungen, die Phasen des strengeren Maßnahmen in Schweden sind ein Vorverlegen der Sperrstunde. 

 

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Nicht eigens ausgewertet werden kann, welche Folgen die Maßnahmen haben. Ein harter Lockdown mit kompletten Geschäfts- und Lokalschließungen mag sinnvoller erscheinen, allerdings spielt die Compliance der Bevölkerung dabei eine große Rolle. Sind die Maßnahmen noch so streng, aber keiner hält sich daran, haben Sie überwiegend wirtschaftliche Folgen. Die gesundheitliche Auswirkung auf Infektionszahlen kann zwar ermessen werden, allerdings muss dafür auch die Testhäufigkeit berücksichtigt werden. Schweden hat auch hier niedrigere Zahlen und im vergangenen Herbst zwischenzeitlich das gesamte Testprogramm zurückgefahren und erst nach breiter Kritik wieder aufgenommen (3).

 

Dennoch stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Österreich hat weitaus mehr Wochen im kompletten Lockdown verbracht, damit die Compliance der Bevölkerung gesenkt und so noch härtere Maßnahmen nötig gemacht. Mangels tatsächlicher Umsetzung und Kontrollen der vorhandenen Maßnahmen, muss deren Wirkung aber noch weiter hinterfragt werden.

 

 

 

 

Maßnahmen am 23.11.2021

Ein Bild, das Tisch enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

Maßnahmen am 20.12.202Ein Bild, das Tisch enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

 

 

 

 

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Auch die Corona-Kommission, die das BMSGPK berät, vergleicht Inzidenzen und Maßnahmen international. Vergleicht man diese im Zeitverlauf, sieht man, dass auch Länder mit höheren Inzidenzen diese mit gelinderen Maßnahmen wieder senken konnten - zu sehen etwa am Beispiel von Ende November und Ende Dezember. So hat beispielsweise Tschechien die Maßnahmen in der nicht geändert, die Inzidenz ist in diesem Zeitraum aber trotzdem stark gesunken. Alleine solche Beispiele zeigen also, dass das Ministerium sich besser überlegen muss, mit welchen Maßnahmen welche Ziele erreicht werden können und welche wirtschaftlichen und gesundheitlichen Schäden für das Land und die Bevölkerung dadurch in Kauf genommen werden müssen.

 

  1. https://www.economist.com/graphic-detail/tracking-coronavirus-across-europe 
  2. https://ig.ft.com/coronavirus-lockdowns/
  3.  https://www.thelocal.se/20211117/swedish-health-agency-reverses-decision-to-scale-back-testing-after-criticism/

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Welche Entscheidungsgrundlagen werden zur Auswahl verschiedener Maßnahmen in der Pandemiebekämpfung verwendet? (Bitte um genaue Aufschlüsselung für einzelne Maßnahmen - beispielsweise XY% Senkung der Inzidenz durch 2G in Gastronomie oÄ)
  2. Welche Rolle spielt die Testrate bei der Auswertung von Inzidenzen?
    1. Wird die Testrate berücksichtigt, um die Inzidenz zu kontextualisieren?
    2. Falls nein: Warum nicht?
  1. Warum werden Inzidenzen nach wie vor als Hauptmaßstab verwendet und - soweit die Öffentlichkeit weiß- , nicht kontextualisiert?
    1. Werden Testraten international verglichen, um unterschiedliche Inzidenzen zu kontextualisieren?
    2. Gibt es Pläne, die Viruslast in der Bevölkerung auf anderem Weg zu erheben? (beispielsweise Berücksichtigung von Abwasserscreenings)
    3. Welche Rolle beim Fokus auf Infektionszahlen spielt der Anteil der asympotmatischen Infektionen?
    4. Wird der Anteil an symptomatischen/ asymptomatischen Infektionen bei der Berechnung der zukünftigen Krankenhausbelagszahlen berücksichtgt?

                                          i.    Wenn ja, wie?

                                        ii.    Wenn nein, warum nicht?

    1. Welche Rolle spielt die Krankenhausbelagszahl bei der Auswahl von Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 und auf welcher Ebene wurde die Relevanz dieser Kennzahlen Anfang Jänner überarbeitet?
  1. Die Corona-Kommission stellt in Ihren Berichten internationale Vergleiche an, leitet daraus aber keine Empfehlungen ab. Welche Mechanismen gibt es im BMSGPK, um internationale Vergleiche zur Orientierung bei der Auswahl von Maßnahmen anzustellen?
  2. In den Begründungen des Ministeriums für Lockdowns, Teillockdowns, 2G- oder 3G-Beschränkungen werden jeweils nur die nationalen Zahlen und Entwicklungen angeführt. Welche internationalen Vergleiche wurden zum jeweiligen Zeitpunkt angestellt, um nach gelinderen Maßnahmen zu suchen?
    1. Falls keine derartigen Vergleiche versucht wurden: Warum nicht?