9336/J XXVII. GP
Eingelangt am 20.01.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc,
Genossinnen und Genossen
betreffend Richtlinie Lohntransparenz
Frauen sind unverhältnismäßig stark von der COVID-19-Pandemie betroffen, insbesondere wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben geht. Neben dem Homeoffice kamen oft auch Betreuungs- und Pflegetätigkeiten zum Alltag hinzu. Aufgrund der Schließung von Kindergärten und Schulen bzw. aufgrund des Distance-learnings und des Ausfalls von Hilfsdiensten wie Pflegediensten, haben Frauen den Großteil an Betreuungspflichten übernommen. Der hart erkämpfte Fortschritt bei der Gleichstellung der Geschlechter hat in Zeiten der Pandemie merklich gelitten. Laut aktueller Studie des World Economic Forum hat sich die Lohnschere in den letzten 12 Monaten so verschlechtert, dass eine Schließung mit den aktuellen Maßnahmen nun noch 36 Jahre länger dauern wird. Womit die Lohnschere erst in 136 Jahren Geschichte wäre.
Frauen standen in der Pandemie vielfach an vorderster Front – als Ärztinnen, Krankenschwestern, Pflegerinnen, Apothekerinnen, Kindergärtnerinnen, Lehrerinnen oder auch Supermarktverkäuferinnen und Reinigungskräfte. Frauen sind es auch, die europaweit einen Großteil der Beschäftigten in Niedriglohnsektoren und -berufen wie Gastgewerbe, Einzelhandel oder persönliche Dienstleistungen ausmachen. Insbesondere diese Bereiche sind aktuell von einer hohen Arbeitslosigkeit oder der Kurzarbeit hart getroffen.
Das Recht von Frauen und Männern auf gleichen Lohn bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit stellt seit den Römischen Verträgen aus dem Jahr 1957 ein Grundprinzip der Europäischen Union dar. Nach einer Richtlinie aus dem Jahr 2006 zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Arbeits- und Beschäftigungsfragen sind Arbeitgeber zur Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit verpflichtet. 2014 wurde dies durch eine Empfehlung der Kommission zur Lohntransparenz ergänzt. Diesem Rechtsrahmen zum Trotz wird der Grundsatz des gleichen Entgelts nicht in vollem Umfang umgesetzt und durchgesetzt[1]. Jüngsten Angaben von Eurostat zufolge beläuft sich das geschlechtsspezifische Lohngefälle in der EU nach wie vor auf 14,1 %[2].
Die fehlende oder mangelhafte Lohntransparenz stellt laut EU-Kommission eines der Haupthindernisse für die Durchsetzung des Rechts auf gleiche Löhne für gleiche Arbeit dar. Mangelnde Lohntransparenz macht es unmöglich, sich ein Bild davon zu machen, wie sich das eigene Entgelt zu dem der Kolleginnen bzw. Kollegen des anderen Geschlechts, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten, verhält. Gleichzeitig macht es auch das Handeln der politischen Ebene über einzelne Fälle hinaus schwierig, da es an Daten und Informationen fehlt welche gesetzlichen und anderen Maßnahmen branchenintern und branchenübergreifend ergriffen werden könnten, um der Verpflichtung aus 1957 spät, aber doch nachzukommen.
Das erstrebenswerte Ziel muss sein, dass europaweit nicht weiter gegen das Grundrecht auf gleiches Entgelt verstoßen wird und den Verzerrungen, die zur Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage von Frauen führen, ein Ende gesetzt wird.
Die Richtlinie zur Lohntransparenz soll die Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts durch Lohntransparenz sowie wirksamere Durchsetzungsmechanismen sicherstellen. Im Dezember kam es im BESO Rat zu einer Abstimmung über die Ratsposition, mit der in die Trilogverhandlungen gegangen werden soll. Österreich hat sich hierbei enthalten. Bundesminister Kocher hat im Kurier Interview vom 6.12.2021 Bedenken zur Richtlinie geäußert[3].
1. Aus welchen Gründen hat sich Österreich bei der Abstimmung im EU Rat enthalten?
2. Aus dem Kurier Interview vom 6.12.2021 geht hervor, dass Sie „Bedenken“ bei der geplanten EU-Richtlinie haben. Worin sehen Sie konkrete Probleme und wo erhoffen Sie sich Verbesserungen in den Trilogverhandlungen?
3. Aus den Berichten der Ständigen Vertretung geht hervor, dass sich Österreich auch während der Verhandlungen im Rat der Richtlinie skeptisch gegenüberstand. Die vielen Streichungen von einzelnen Artikeln, die Österreich im Verlauf des Verhandlungsprozesses vorgeschlagen hat, lassen eher darauf schließen, dass Österreich nicht an der Umsetzung einer EU-weiten Lohntransparenz Richtlinie interessiert ist.
Herr Bundesminister aus welchen Gründen hat sich Ihr Ressort bei den Verhandlungen überproportional für Streichungen einzelner Artikel eingesetzt?
a. Der Kommissionsvorschlag besteht aus 34 Artikel. Aus dem oben genannten Bericht geht hervor, dass sich Österreich bei 16 Artikel für eine komplette oder partielle Streichung ausgesprochen hat. Herr Bundesminister, setzen Sie bzw. Ihr Ressort sich wirklich für Lohntransparenz auf europäischer Ebene ein?
b. Ist die österreichische Position – die vielen Streichungen implizierend – auch mit der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt. akkordiert gewesen?
4. Welche Maßnahmen schlagen Sie zur effektiven Bekämpfung der Lohnschere als Ersatz zu den genannten Streichungen, insbesondere der vorgeschlagenen Durchsetzungsmechanismen, daher vor?
a. Wann und wie werden Sie diese umsetzen?
5. Was wird getan, damit die verpflichtende Angabe von Gehaltsangaben bei Stelleninseraten auch eingehalten wird?