9461/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.01.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Nurten Yılmaz, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Evakuierungsmaßnahmen in Afghanistan 

Seit der Machtübernahme der Taliban am 15. August 2021, dem kompletten Rückzug der internationalen Truppen und dem Ende der Luftbrücke stehen unzählige Menschen, die einen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel außerhalb von Afghanistan hätten, vor teils unüberwindbaren Herausforderungen. Es handelt sich um Personen, die in den letzten Jahren westliche Mächte unterstützt haben (sogenannte Ortskräfte), Personen die ein Recht auf Familienzusammenführung haben oder auch besonders von den neuen Machthabern bedrohte Personengruppen, wie etwa Richter*innen und Journalist*innen. Jedoch erreichen uns auch immer wieder Nachrichten von österreichischen Staatsbürger*innen oder Personen, die einen gültigen Aufenthaltstitel in Österreich haben, die noch immer in Afghanistan festsitzen und das Land nicht verlassen können. 

Nach geltender Rechtslage gibt es in Österreich zahlreiche Möglichkeiten einen legalen Aufenthaltstitel für Familienangehörige zu erwerben. Zum Beispiel nach §34 und §35 Asylgesetz.  Um einen solchen Antrag stellen zu können sind jedoch einige Hürden zu bewältigen. Die Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, sind abhängig vom jeweilig beantragten Titel. Eines haben aber alle gemein: Der Antrag muss in der zuständigen Botschaft gestellt werden. Für Afghanistan ist dies die Botschaft in Islamabad/Pakistan. Eine Reise dahin scheint aktuell sehr gefährlich, zumal der Chaiber-Pass, wo sich die Taliban aufhält, überquert werden muss. Fehlende Dokumente und lange Wartezeiten erschweren zusätzlich die Lage der Antragsberechtigten. Auch dem Bericht „Rettung vom Hindukusch“ aus dem Magazin des Innenministeriums, „Öffentliche Sicherheit“ (Nr. 11-12/21; S.51-53), lässt sich entnehmen, dass eine Reise von Afghanistan nach Pakistan auch nicht ohne weiteres möglich ist. Zahlreiche NGOs, die Caritas und die Diakonie fordern daher sichere Fluchtwege und eine „geordnete humanitäre Aufnahme“ [1]. Besonders für Frauen in Afghanistan ist die Lage dramatisch. Am 16.09.2021 wurde vom EU-Parlament eine unverbindliche Resolution beschlossen, mit der die EU-Mitgliedsstaaten unter anderem zu folgenden Punkten aufgefordert werden: [2]

·         Erleichterung der weiteren Evakuierung von EU-Bürgern und gefährdeten Afghanen

·         Erneute Prüfung von vor kurzem eingereichten Asylanträgen aus Afghanistan

·         Einrichtung eines Visa-Programms speziell für afghanische Frauen, die von den radikalislamistischen Taliban bedroht sind

·         Unter keinen Umständen erzwungene Rückkehr nach Afghanistan

·         Unterstützung von Afghanistans Nachbarn und Schaffung von humanitären Korridoren

Dementsprechende Initiativen Österreichs sind noch nicht bekannt. Vielmehr wurden bis jetzt seitens der österreichischen Regierung jegliche direkte Hilfe für gefährdete Afghan*innen, außer der sogenannten „Hilfe vor Ort“, abgelehnt, wobei sich Innen- und Außenministerium gegenseitig die Verantwortung zuschieben.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.       Wie beurteilt Ihr Ressort Sie die aktuelle Sicherheitslage in Afghanistan für dort aufhältige Mensche bzw. die Bevölkerung, nachdem das Außenministerium für das gesamte Land Reisewarnstufe 6 ausgegeben hat?

2.       Wie schätzen Sie die aktuelle Sicherheitslage in Pakistan ein?

3.       Gibt es sichere Korridore an der Grenze Afghanistan/Pakistan?

a.       Stehen Sie in diesem Belangen mit österreichischen NGOs in Kontakt?

b.       Was unternimmt Ihr Ministerium um sichere Korridore zu schaffen?

4.       Wie viele Personen befinden sich derzeit insgesamt in Afghanistan, die noch zu evakuieren sind?

5.       Wie viele österreichische Staatsbürger*innen befinden sich derzeit in Afghanistan, die noch zu evakuieren sind?

6.       Wie viele Personen mit gültigem Aufenthaltstitel in Österreich befinden sich derzeit in Afghanistan, die noch zu evakuieren sind?

7.       Wie stehen Sie bzw. das BMI mit diesen Personen (Frage 5-6) in Kontakt?

8.       Wie viele Personen wurden bereits aus Afghanistan nach Österreich evakuiert?

a.       Welche Staatsbürgerschaft haben diese Personen?

b.       Welchen Aufenthaltstitel haben diese Personen?

c.       Welcher Tätigkeit gingen/gehen die evakuierten Personen in Afghanistan nach?

d.       Wie hat das BMI Kontakt mit diesen Personen aufgenommen?

9.       Wie viele Personen wurden über den Weg über Usbekistan und wie viele über den Weg über Pakistan nach Österreich evakuiert?

a.       Wie viele hatten davon gültige Reisedokumente?

10.   Nach welchen Kriterien wurde und wird entschieden, ob man auf die Evakuierungsliste kommt oder nicht?

11.   Wer verwaltet diese Evakuierungsliste?

12.   Bis wann wird diese Liste abgearbeitet sein und was sind die Gründe, dass nicht schon jetzt alle Menschen evakuiert werden konnten?

13.   Wie viele Verfahren zur Familienzusammenführung von afghanischen Staatsbürger*innen befinden sich in einem laufenden Verfahren?

a.       Um wie viele Personen handelt es sich hierbei?

14.   Wie viele Anträge auf Familienzusammenführungen wurden seit der Machtübernahme der Taliban aufgrund von welcher gesetzlichen Grundlage gestellt?

15.   Wie viele Anträge auf Familienzusammenführungen wurden von Jänner 2021 bis zur Machtübernahme der Taliban aufgrund von welcher gesetzlichen Grundlage gestellt?

16.   Wie lange dauert die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der Anträge?

17.   Hat sich die Bearbeitungsdauer seit der Machtübernahme der Taliban verändert? Wenn ja, inwiefern?

18.   Wie viele Termine wurden für die Antragstellung auf Familienzusammenführung in der zuständigen Botschaft seit der Machtübernahme der Taliban vergeben?

a.       Wie lange ist die durchschnittliche Wartedauer für einen solchen Termin?

19.   Wie viele Termine wurden für die Antragstellung auf Familienzusammenführung von 2021 bis zur Machtübernahme der Taliban vergeben?

a.       Wie lange ist die durchschnittliche Wartedauer für einen solchen Termin?

20.   In welchen Botschaften ist es für afghanische Staatsangehörige möglich einen solchen Antrag zu stellen?

21.   Gibt es Überlegungen die Verfahren online abzuwickeln nachdem es kaum möglich ist Afghanistan zu verlassen?

22.   Welche Möglichkeiten haben Personen, die bereits einen Termin in der Botschaft in Islamabad haben, und sich in ein anderes Land mit österreichischer Botschaft bewegen wollen bzw. können? Können diese Personen den vereinbarten Termin verlegen?

23.   Welches Unterstützungsangebote gibt es seitens des Ministeriums für Personen aus Afghanistan, die einen Anspruch auf Familienzusammenführung haben? 

24.   Gibt es Bestrebungen eine Erleichterung für Personen, für die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein positiver Aufenthaltstitel zu erwarten ist, einzuführen? (Deutschnachweis erst auf österreichischen Boden zu erbringen etc.)

25.   Welche österreichischen Hilfsorganisationen befinden sich derzeit in Afghanistan und wie viele Mitarbeiter*innen dieser befinden sich dort konkret?

26.   Inwieweit sind diese Organisationen in die Evakuierungspläne eingebunden?

27.   In welcher Weise beschäftigt sich Ihr Ministerium mit der Erleichterung der weiteren Evakuierung von EU-Bürgern und gefährdeten Afghan*innen?

28.   In welcher Weise beschäftigt sich Ihr Ministerium mit der Einrichtung von Visa-Programmen speziell für afghanische Frauen, wie z.B. Richterinnen, die von den radikalislamistischen Taliban bedroht sind?

29.   In welcher Weise beschäftigt sich Ihr Ministerium mit der Unterstützung von Afghanistans Nachbarstaaten zur Schaffung von humanitären Korridoren?

30.   Sind weitere gemeinsame Einsätze mit dem Außenministerium und/oder Verteidigungsministerium geplant (vgl. den letzten KUT-Einsatz)?

31.   Wie viel finanzielle Mittel für die „Hilfe vor Ort“ wurden bis her zur Verfügung gestellt?

a.       Welche Konkreten Projekte wurden damit unterstützt? (Bitte um genaue Aufschlüsselung)

b.       An wen gingen diese Zahlungen? (Bitte um genaue Aufschlüsselung)

32.   Welche Kooperationen ist das BMI bezüglich der Krise in Afghanistan mit dem BMEIA eingegangen?

a.       Wie hoch waren die Kosten jeweils dafür?

b.       Wer koordiniert in ihrem Ressort diese Kooperationen?

c.       Wurden diese Kooperationen schon abgeschlossen?



[1] (https://kurier.at/politik/inland/ngos-fordern-oesterreich-soll-menschen-aus-afghanistan-aufnehmen/401481442 )

[2] (https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20210910IPR11906/meps-call-for-special-visa-programme-for-afghan-women-seeking-protection)