9517/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.01.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Ing. Reinhold Einwallner,

Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Inneres

betreffend Radikalisierung von Covid-Maßnahmengegner*innen auf Demonstrationen

Seit Beginn der Pandemie kann festgestellt werden, dass die verschiedensten Maßnahmen der Bundesregierung zu mehr oder weniger starkem Widerstand in Teilen der Bevölkerung geführt haben. Dabei ist es unerheblich, ob es um die Verwendung von Mund-Nasen-Schutz und später der FFP2-Maske. die Testpflichten oder zuletzt um die Impfpflicht ging oder geht. Gegen fast jede dieser Maßnahmen fanden Demonstrationen statt und das ist aus rechtsstaatlicher und de­mokratiepolitischer Sicht rechtlich verbrieft und damit auch zu sichern.

Zuletzt wurde aber im Rahmen der Demonstrationen immer wieder Sachverhalte bekannt, die grundsätzlich zu denken geben müssen, weil sie dazu angetan sind, das Demonstrationsrecht an sich zu beschädigen und damit zu einer Schwächung des Rechtsstaats zu führen. Das ständige Übertreten von Grenzen und der Bruch von Regeln im Rahmen der Demonstrationen ist in der Lage, auch in breiten Teilen der Bevölkerung Unverständnis und Ablehnung gegen Proteste an sich zu wecken und für Einschränkungen der Demonstrationsfreiheit zugänglich zu werden. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Aussage des Innenministers wider, dass es nicht „unserer gewachsenen demokratischen Tradition“ entspräche, „wenn im Parlament vertretene Parteien bewusst die Diskussion auf die Straße verlegen [...]". Das ist historisch fragwürdig und zudem demokratiepolitisch problematisch: häufig waren es Parteien, die Proteste unter­stützt, getragen und vielfach sogar ins Leben gerufen haben.

Genau deshalb muss aber auch darauf geachtet werden, dass sich die Teilnehmer*innen an De­monstrationen einerseits an die vorgeschriebenen Regeln halten, andererseits auch der Schutz der Bevölkerung und der Exekutive gewährleistet sein. Neben steigender Aggression von Demo-Teilnehmer*innen, über die Verwendung von Kindern als Schutzschilde[1] gegen Amts­handlungen der Exekutive bis hin zu Angriffen gegen Einsatzkräfte sind verschiedene Sachver­halte dokumentiert, die schwer problematisch sind. Auch die steigende Zahl an Anzeigen, we­gen der offenbar systematischen Nicht-Einhaltung von geltenden Corona-Maßnahmen oder aber auch die immer wieder stattfindenden Festnahmen auf Demonstrationen geben Anlass zur Sorge.

Zudem gewinnt man den Eindruck, dass es neben den verschiedenen, teilweise gewalttätigen Ausritten[2] auf den Demonstrationen auch einen nicht unbeträchtlichen Teil an Teilnehmer*innen der Demos gibt, die diese nur für ihre politischen Motive instrumentalisieren wollen. Exemplarisch dafür werden rechte Splittergruppen in den Medien angeführt, die regelmäßig die Demospitze übernehmen, oder aber auch mit ihrer Diktion in den Sprachgebrauch von Demo­teilnehmer*innen[3] Eingang finden. Zudem werden immer wieder antisemitische Codes bedient und mit absolut unpassenden Vergleichen Parallelen zum Holocaust gezogen, die zu einer Ver­harmlosung der Verfolgung von Jüdinnen und Juden beiträgt und daher abzulehnen und unter keinen Umständen zu akzeptieren ist.

Zuletzt wurden in Niederösterreich Plakate an Geschäften bekannt, die mit der Aufschrift „Kauft nicht bei Impf-Faschisten"[4] eine eindeutige Replik auf die Beschmierungen von jüdi­schen Geschäften nach dem Anschluss im März 1933. Oder aber auch der Vergleich der Polizei mit KZ-Aufseher*innen während der NS-Zeit oder Mauerbewachern in der DDR[5]. Zugleich tauchten auf der letzten Demonstration plötzlich ..Sicherheitskräfte“[6] auf, deren Uniformen je­nen der Polizei ausgesprochen ähnlich waren und den Anschein erweckten, als würde die Exe­kutive Teil der Demonstration sein - teilweise waren diese auch mit Ausrüstung (Pfefferspray, Handschellen, Kabelbindem,...) ausgestattet, die im Grunde nur zur Ausrüstung der Exekutive gehören und von Zivilist*innen auf einer Demonstration nicht mitgeführt werden dürfen.

Die radikalisierenden Aussagen von FPÖ-Chef Kickl auf der Demonstration am 16. Jänner 2022 in Wien bilden dabei nur mehr den vorläufigen Schlussstein einer Rhetorik, die lediglich ein Ziel verfolgt: Menschen aufzuwiegeln und die Sicherheitslage in diesem Land eskalieren zu lassen. Ein Umstand, der unentschuldbar ist, insbesondere für einen Politiker, der selbst als Innenminister noch vor Kurzem ein Gastspiel im Haus in der Herrengasse gegeben und nun seine Verantwortung für die Gesamtgesellschaft auf Grund seines Abstiegs in die Oppositions­rolle komplett aufgegeben hat.

All das fügt sich zu einem besorgniserregenden Bild zusammen, das vor allem in eine Richtung weist: die Radikalisierung eines Teils der Bevölkerung hat sich zugespitzt. Es ist damit zu rech­nen, dass diese Entwicklung noch eine Zeit anhält, weil die Pandemie nicht vorüber ist und ein Ende der Maßnahmen, die zu einem Gutteil dem Versagen der Bundesregierung geschuldet ist, damit auch nicht absehbar wird.

Weil das aber nicht widerstandslos geschehen darf und es vonseiten der politisch verantwortli­chen Bundesregierung dringend eine geeignete Gegenstrategie gegen die fortschreitende Radi­kalisierung braucht, stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

Anfrage

1 )Wie viele Kundgebungen gegen die Maßnahmen der Bundesregierung wurden seit Be­ginn der Pandemie im März 2020 angemeldet?

a.        Wie viele davon wurden abgehalten?

b.       In welchen Bundesländern fanden diese Demonstrationen statt?

2)      Wie viele der Kundgebungen, die angemeldet wurden, wurden untersagt und aus welchen Gründen? Listen Sie diese bitte nach Bundesland und Jahr und Grund der Untersagung auf.

3)      Nahmen an den bisherigen Demonstrationen Menschen aus Organisationen teil, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden?

a.        Wenn ja: aus welchen Organisationen sind diese?

b.       Wenn ja: Um wie viele Personen handelt es sich dabei?

4)      Wie viele Anzeigen gab es im Rahmen dieser Demonstrationen? Listen Sie die Angaben für die Haupt- und Nebenfragen bitte nach Jahr und Bundesland auf.

a.       Wie viele davon beziehen sich auf die Nicht-Einhaltung der Covid-Maßnahmen der Bundesregierung?

b.       Welche weiteren Delikte wurden im Rahmen der Demonstrationen bisher über­wiegend angezeigt?

5)      Wie viele Festnahmen und vorübergehende Festnahmen gab es bislang im Rahmen der Demonstrationen gegen die Covid-Maßnahmen der Bundesregierung?

a.       Wie viele davon resultieren aus der Nicht-Einhaltung der Covid-Maßnahmen der Bundesregierung?

b.       Welche weiteren Delikte führten zu den Festnahmen und vorübergehenden Fest­nahmen?

Listen Sie die Angaben für die Flaupt- und Nebenfragen bitte nach Jahr und Bundesland auf.

6)      Wie viele Polizist*innen wurden im Rahmen Ihrer Einsätze auf den Demonstrationen ge­gen die Covid-Maßnahmen der Bundesregierung verletzt?

7)      Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um die Einsatzkräfte der Polizei auch im Rahmen solcher Einsätze bestmöglich gegen Verletzungen zu schützen?

8)      Auf Grund der Berichterstattung ist davon auszugehen, dass es eine nicht unerhebliche Anzahl von Rechtsextremen gibt, die regelmäßig an den Demonstrationen gegen die Covid-Maßnahmen der Bundesregierung teilnehmen. Können Sie das bestätigen?

a.       Wenn ja: Wie viele Menschen umfasst diese Gruppe?

b.       Wenn ja: Stehen diese vollständig oder in Teilen unter Beobachtung des Verfas­sungsschutzes?

c.       Wenn nein: Wie erklären Sie dann den Umstand, dass regelmäßig rechte und rechtsextreme Codes in der Sprache bedient und NS-verharmlosende Symbole oder Bilder gezeigt werden?

9)      Gibt es von Seiten Ihres Ministeriums bzw. auch in Kooperation mit anderen Ministerien und dem Bundeskanzleramt eine Strategie gegen die zunehmende Radikalisierung von Teilen der Bevölkerung im Zuge der Proteste gegen die Covid-Maßnahmen der Bun­desregierung?

a.       Wenn ja: Seit wann gibt es diese und befindet sich diese bereits in Umsetzung?

b.       Wenn ja: Gibt es bereits Erkenntnisse über eine etwaige Wirksamkeit dieser Strategie?

c.       Wenn ja: Wer ist daran beteiligt, wie sieht diese in Grundzügen aus und wer hat sie entwickelt?

d.       Wenn nein: Werden Sie dafür eintreten, eine derartige Strategie zu etablieren?

e.       Wenn nein: Aus welchen konkreten Gründen gibt es keine derartige Strategie?

10)  Sind im Rahmen der Proteste gegen die Covid-Maßnahmen der Bundesregierung neben oben zitiertem Fall, bei dem Schaufenster durch das Anbringen von Plakaten beschädigt wurden, bekannt, bei denen es zu Sachbeschädigung gekommen ist bzw. diese angezeigt wurde?

a.       Wenn ja: Wie viele, wann und wo?

b.      Wenn ja: Wurden dabei die Verursacher*innen ausfindig gemacht und konnten zur Rechenschaft gezogen werden?

11)  Gibt es in Ihrem Ressort eine Einschätzung zur allgemeinen Gefahrdungslage durch radikale Maßnahmengegner*innen?

a.       Wenn ja: Was besagt diese und wie sieht die Prognose aus?

b.       Wenn nein: Warum nicht?



[1] littps://noe.orf.at/stories/3138848/

[2]  https://www.derstandard.at/story/2000132039442/antisemitismus-und-gewaltvorwuerfe-wenn-fpoe-jugendli-
che-mit-identitaeren-demonstrieren

[3]  httns://wien.orf.at/stories/3138745/

[4] https://noe.orf.at/stories/3 138979/

[5] https://www.tips.at/nachrichten/amstetten/land-leute/555539-polizei-meldet-massive-ausschreitungen-bei-
corona-demo-in-st-peter-au

[6] https://wien.orf.at/stories/3138745/