9526/J XXVII. GP
Eingelangt am 20.01.2022
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Anfrage
der Abg. Mag.a Selma Yildirim, Abg. Sabine Schatz
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Nationale Strategie gegen Antisemitismus – Vorgehen betreffend antisemitischer Literatur
Aus der Strategie der Republik Österreich zur Verhütung und Bekämpfung aller Formen von Antisemitismus:
Die Strafverfolgungsbehörden sind in den letzten Jahren verstärkt mit antisemitischen Vorfällen konfrontiert. Die Gründe für diesen Anstieg liegen unter anderem in der steigenden Bereitschaft zur Anzeigeerstattung, der Schaffung zusätzlicher Meldestellen und der zunehmenden Nutzung des Internets und Sozialer Medien, wodurch die Versendung und Weiterverbreitung derartiger Inhalte massiv erleichtert und beschleunigt wird. Diese Vorfälle können eine Reihe von Straftatbeständen erfüllen (insbesondere §§ 105f, 107, 107a, 107c, 111, 115, 282, 283, 297 StGB sowie die Bestimmungen des VerbotsG).
Als besonders relevant sind zu erwähnen: Gemäß § 3h VerbotsG ist, wer in einem Druckwerk, im Rundfunk oder in einem anderen Medium, oder wer sonst öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird, den nationalsozialistischen Völkermord oder andere nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost, gutheißt oder zu rechtfertigen sucht, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, bei besonderer Gefährlichkeit des Täters oder der Betätigung mit bis zu 20 Jahren zu bestrafen. Andere antisemitische Äußerungen, wie beispielsweise Äußerungen zur Wiederinbetriebnahme der Gaskammern, können den Tatbestand des § 3g VerbotsG verwirklichen („Wer sich auf andere als die in den §§ 3a bis 3f bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, wird, sofern die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung strenger strafbar ist, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, bei besonderer Gefährlichkeit des Täters oder der Betätigung bis zu 20 Jahren bestraft.“).
Die zu den Bestimmungen des VerbotsG subsidiäre Verhetzung nach § 283 StGB erfasst antisemitische Äußerungen insoweit, als öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird, zur Gewalt gegen Juden aufgefordert oder zum Hass gegen sie aufgestachelt wird (§ 283 Abs. 1 Z 1 StGB), Juden auf eine Weise beschimpft werden, die geeignet ist, diese Gruppe in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen (§ 283 Abs. 1 Z 2 StGB), der Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit befürwortet wird (§ 283 Abs. 1 Z 3 StGB) oder verhetzendes Material verbreitet wird (§ 283 Abs. 4 StGB). Auf Straftaten, die aus einer antisemitischen Motivation heraus begangen werden, ist der Erschwerungsgrund des § 33 Abs. 1 Z. 5 StGB der Tatbegehung aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder anderen besonders verwerflichen Beweggründen anwendbar.
Zur Gewährleistung einer effektiven Strafverfolgung besteht beim Großteil der Staatsanwaltschaften eine Spezialisierung in der Form von Sonderreferaten für extremistische Straftaten, die gemäß § 4 Abs. 3 DV-StAG auch für Strafsachen nach dem VerbotsG und wegen Verhetzung nach § 283 StGB zuständig sind. Weiters besteht eine Gruppenberichtspflicht für Strafsachen wegen § 283 StGB und nach dem VerbotsG und alle Fälle, in denen § 117 Abs. 3 StGB zur Anwendung gelangte (Verfolgungsermächtigung) oder der besondere Erschwerungsgrund nach § 33 Abs. 1 Z 5 StGB herangezogen wurde. In diesen Fällen ist an das Bundesministerium für Justiz (BMJ) zur Wahrnehmung der Fachaufsicht über die staatsanwaltschaftliche Enderledigung und den gerichtlichen Verfahrensausgang zu berichten. Von der zuständigen Fachabteilung erfolgt regelmäßig eine Information über die relevante Judikatur durch Versendung von gesammelten Rechtsmittelentscheidungen zu § 283 StGB und zum VerbotsG an die Staatsanwaltschaften.
Ein umfangreicher Leitfaden zum Tatbestand der Verhetzung (§ 283 StGB), zweite Auflage November 2019, wurde zur Sensibilisierung und Information der Staatsanwaltschaften und Gerichte ausgearbeitet.
Nunmehr wurde bekannt, dass in österreichischen Buchhandlungen klar antisemitische und extremistische Publikationen verbreitet werden.[1] Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin Ermittlungen aufgenommen.[2]
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1. Ist Ihnen der Sachverhalt bekannt, wonach die Verbreitung von antisemitischen und extremistischen Publikationen von der Staatsanwaltschaft verfolgt wird?
2. Ist Ihnen bekannt, ob rechtliche Probleme bei einer effizienten Strafverfolgung aufgetreten sind und wenn ja, welche?
3. Welche Schritte sind aus Ihrer Sicht auf welcher Ebene erforderlich, um Antisemitismus und Extremismus effizient strafrechtlich zu verfolgen und diesbezügliche Publikationen einzuziehen?
4. Werden für eine effiziente Verfolgung auch gesetzliche Maßnahmen, wie die Einführung eines neuen Straftatbestandes, notwendig werden?
5. Sind Ihnen auch andere Beispiele bekannt, bei welchen antisemitische Handlungen und Äußerungen nicht ausreichend verfolgt werden können?
6. Werden Sie an die Staatsanwaltschaften herantreten, um sich umfassend und laufend über solche Sachverhalte berichten zu lassen?