9538/J XXVII. GP
Eingelangt am 24.01.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie
betreffend Erpressbarkeit durch Energieimporte
Steigende Energiepreise sind derzeit ein beherrschendes Thema in Österreichs Energie- wie auch Außenpolitik. Trotz Beteuerungen zur Wichtigkeit von Völkerrecht und europäischem Zusammenhalt, sagte Außenminister Schallenberg im Außenpolitischen Ausschuss am 7. Dezember 2021, Sanktionen gegen die russische NordStream II Pipeline wären ob der angespannten Preisentwicklung bei Erdgas ein "Schuss ins eigene Knie." Importabhängigkeit von fossilem Gas bleibt offensichtlich ein bestimmender Faktor in Österreichs Außenpolitik, Sicherheitspolitik und Europapolitik.
Allerdings ist Erdgas selbst ein fossiler Energieträger und nur marginal weniger klimaschädlich als Öl und Kohle. Daher ist der mittelfristige Ausstieg aus fossilem Gas unabdingbar für die Erreichung der europäischen und österreichischen Klimaziele, weshalb fossile Infrastrukturen drohen, zu "stranded investments" zu werden. Investition in weitere Infrastruktur erschafft neue Lobbies, die dann aus Eigeninteresse ihre Regierungen zur Weiternutzung dieses als "Übergangsenergie" bezeichneten fossilen Energieträgers drängen. Österreichs und Deutschlands Position zu NordStream II dient hier als Lehrbeispiel.
Auch Russland ist eine Gas-Lobby. Das europäische Bekenntnis zur Klimapolitik, und damit auch zu einer reduzierten Importabhängigkeit, stellt eine wirtschaftliche und geopolitische Bedrohung für Russland dar. Je schneller der Ausstieg aus Gas, desto größer die Herausforderung für das unter Putin forcierte rohstoffbasierte Wirtschaftsmodell, und desto weniger Einfluss hätte Moskau auf Abnehmer- oder Transitstaaten wie die Ukraine. Daher drängt Russland auf die Inbetriebnahme der NordStream II Pipeline und hofft auf weitere Jahrzehnte der lukrativen Abhängigkeit Europas.
Die Ölkrise in den 1970er Jahren hat gezeigt, dass selbst die Ankündigung rascher Diversifizierung von Importquellen Exporteure schnell zum Einlenken bei erpresserischem Verhalten bewegen kann. Aufgrund der hohen Abhängigkeit Europas von Gas – und spezifisch russischem Gas – kann aber Russlands Machthaber Vladimir Putin Erdgas als geopolitische Waffe einsetzen, etwa als Druckmittel gegen die von Transitgebühren abhängige Ukraine, oder zuletzt durch Androhung von Lieferkürzungen gegenüber der EU. Dementsprechend ist die Abhängigkeit von russischem Gas nicht nur klimapolitisch und volkswirtschaftlich schädlich, sondern untergräbt auch Europas außenpolitische Unabhängigkeit, wie die Debatte um NordStream II bezeugt.
Allerdings deckt, trotz der Klimaschutzbemühungen, Erdgas auf absehbare Zeit noch einen erheblichen Teil des Wärmeenergiebedarfs sowie der Stromproduktion ab. Die österreichischen Energieunternehmen beteuern, dass die Lager hierzulande gut gefüllt seien; dennoch steigen Energiepreise aufgrund der hohen globalen Nachfrage sowie der künstlichen Verknappungspolitik durch Russland rasant an. Hinzu kommt, dass aufgrund der starken Abhängigkeit von Russland allein die Ankündigung von möglichen Lieferbeschränkungen den Markt verunsichern und Preise weiter in die Höhe treiben können. Das Ziel österreichischer – und europäischer – Energiepolitik muss aus klima- wie sicherheitspolitischen Gründen sein, (1) so schnell wie möglich aus der Abhängigkeit von Gas zu entkommen, (2) sich von einzelnen, unzuverlässigen Anbietern weg zu diversifizieren, und (3) bestehende Infrastruktur zu nutzen statt neue Infrastrukturprojekte zu initiieren, die eine längerfristige Abhängigkeit von Gas mit sich bringen würden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende