9543/J XXVII. GP

Eingelangt am 25.01.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Folgeanfrage zu Asyl-Solidaritätsmodell nach Vorstellungen des BMI

 

Am 23. September 2020 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für einen neuen EU Asyl- und Migrationspakt vorgestellt, welcher seitdem in Verhandlung ist. Wie bereits in der Begründung der Anfrage 7761/J vom 8. September 2021 erwähnt, werden zahlreiche Elemente dieses Pakts vonseiten des Bundesministeriums für Inneres kritisch betrachtet, insbesondere der Verordnungsvorschlag zum Solidaritätsmechanismus für Asyl-Krisensituationen aufgrund des starken Fokus auf Umverteilung und die Rückkehrpartnerschaften. Auch der Schaffung einheitlicher Regelungen für Resettlement steht das österreichischen Regierungsprogramm entgegen.

Die NEOS-Anfrage "Asyl-Solidaritätsmodell nach Vorstellungen des BMI" (7761/J) hatte zum Ziel, die Positionen des BMI hinsichtlich der verschiedenen Aspekte des EU Asyl- und Migrationspaktes, insbesondere Ihre Vorstellungen zu einem solidarischen und funktionierenden EU-Asylsystem, konkreter zu erfassen. Am 8. November 2021 erging von Bundesministerium für Inneres eine Beantwortung (7629/AB). Darin wird angegeben, das BMI befände sich bezüglich EU Asyl- und Migrationspakt „im ständigen Austausch mit Amtskolleginnen und Amtskollegen sowie der Europäischen Kommission“. In Bezug auf Außengrenzverfahren läge der Fokus auf Verhinderung der Sekundärmigration. Bei der Durchführung von Asylverfahren nach Einreise in die EU wird vonseiten des BMI eine dauerhafte Zuständigkeit ohne Möglichkeit eines Zuständigkeitsübergangs gefordert. Hinsichtlich einer gerechten und solidarischen Aufteilung von Verantwortlichkeiten im Rahmen einer EU Asyl- und Migrationspolitik vertritt das Bundesministerium für Inneres ein Konzept der „verpflichtenden, aber flexiblen Solidarität, zum Beispiel im Bereich des Außengrenzschutzes, der Führung von Asylverfahren oder bei Rückführungen“. Jedoch wird das Konzept der "verpflichtenden, aber flexiblen Solidarität" nicht weiters erläutert. Hinsichtlich der Unterstützung von Kindern bekennt sich das Bundesministerium für Inneres laut Beantwortung zum „best interest of the child“ Grundsatz, begründet die genauen Positionen, die in Gesprächen zum EU Asyl- und Migrationspakt vertreten werden, allerdings nicht. Bei der Handhabung von Asylanträgen an den EU- Außengrenzen wird behauptet, dass „ein wirksamer Rechtsbehelf und dadurch eine gerichtliche Überprüfung vorgesehen“ sind, um die Rechtsstaatlichkeit der Asylverfahren inkl. Zugang zum Rechtsmittelverfahren zu gewährleisten. Weiterhin wird in der Beantwortung folgendes angegeben: „Das Erfordernis der Entlastung einzelner Mitgliedstaaten sollte sich am tatsächlichen Migrationsdruck und nicht an rein geographischen Gegebenheiten orientieren. Österreich ist ein besonders belasteter Mitgliedstaat und hat, gemessen an der Bevölkerungszahl, über viele Jahre hinweg deutlich höhere Asylantragszahlen als die meisten EU Außengrenzstaaten.“ Jedoch war Österreich 2016 das letzte Mal unter den Top 3 der höchsten Asylantragszahlen pro 100.000 Einwohner, laut Eurostat liegt Österreich aktuell auf Platz 9. Die höchsten Asylantragszahlen haben weiterhin die EU-Mitgliedstaaten an den Außengrenzen. Maßnahmen und Mechanismen zur Entlastung dieser Mitgliedsstaaten werden nicht weiters detailliert. In Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten zur Verhinderung des Verschwindens von Personen und zur Bekämpfung von Menschenhandel und Schlepperei verweist das Bundesministerium für Inneres lediglich auf die Implementierung der „Joint Coordination Platform (JCP)“ sowie die Einrichtung des „Joint Operational Office (JOO)“. Darüber hinaus wird angegeben, dass die österreichische Bundesregierung sich nicht an Resettlementprogrammen beteiligen möchte. Dies, obwohl legale Zugangswege wie Resettlement es ermöglichen, Flüchtlingen, die dringend Hilfe brauchen, Schutz zu bieten und verhindern, dass Menschen auf der Flucht gefährliche Reisen unternehmen. Gleichzeitig ist Resettlement ein effizientes Mittel zur Bekämpfung von Schlepperei. Dadurch tragen legale Zugangswege auch zur Verringerung irregulärer Migration bei (siehe Mitteilung der Europäischen Kommission zum EU Asyl- und Migrationspakt: https://eur‑lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:85ff8b4f-ff13-11ea-b44f-01aa75ed71a1.0001.02/DOC_3&format=PDF, S. 28-29). Schließlich geht aus der Beantwortung hervor, dass die österreichische Bundesregierung zur Verhinderung von Fluchtbewegungen auf den afrikanischen Migrationsrouten, insb. aus Süd-, Ost-, Zentral- und Westafrika, in mehreren Drittstaaten Migrationsprojekte in Kooperation mit diesen Drittstaaten und internationalen Partnern unterstützt, wobei zusätzliche Informationen über die Inhalte solcher Kooperationen von Interesse wären. Somit verlangen einige Antworten weitere Präzisierung. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Welche Informationen haben Sie in welchen Gesprächen von wem und wann zum aktuellen Stand der Verhandlungen zum EU-Asyl- und Migrationspakt eingeholt?
  2. Welche konkreten Maßnahmen würde das BMI vorschlagen, um im Rahmen der Außengrenzverfahren Sekundärmigration zu verhindern?
    1. Wie würde das BMI sicherstellen, dass diese Verhinderungsmaßnahmen menschenrechtskonform gestaltet sind?
  1. Sieht das BMI keine Ausnahmen vor, die bei der Durchführung von Asylverfahren nach Einreise in die EU einen Zuständigkeitsübergang rechtfertigen würden, wie beispielsweise Familienzusammenführung oder Überschreitung der Fristen für die Rückführung (siehe EuGH-Urteil C-201/16)?
  2. Wie sieht nach Vorstellungen des BMI bei dem Konzept der „verpflichtenden, aber flexiblen Solidarität" der Ermessenspielraum aus? Bitte um eine konkrete Erläuterung des Konzepts der „verpflichtenden, aber flexiblen Solidarität". 
  3. Welche Positionen vertritt das Bundesministerium für Inneres, um Asylverfahren mit dem „best interest of the child“ Grundsatz zu vereinbaren, in welchen Gesprächen zum EU Asyl- und Migrationspakt jeweils wann und wem gegenüber?
    1. Laut Agentur der EU für Grundrechte hat die Inhaftierung von Kindern, insbesondere im Rahmen von Rückführungsverfahren, seit 2015 zugenommen (siehe: https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2020-children-in-migration_en.pdf, S. 18). Darüber hinaus sollte es, laut Bericht der Kindeswohlkommission, für Kinder keine Schubhaft geben. Generell wird eine stärkere Berücksichtigung des Kindeswohls in Verfahren gefordert (siehe: https://orf.at/stories/3220883/). Wie steht das BMI zu Maßnahmen wie Schubhaft, die in Hinsicht auf die Konformität mit „best interest of the child“ problematisch sind?
  1. Welche Positionen vertritt die österreichische Bundesregierung in welchen Gesprächen zum EU-Asyl- und Migrationspakt jeweils wann und wem gegenüber zur Unterstützung anderer besonders schutzwürdigen Personen, z.B. Menschen mit Behinderung, psychischen oder sonstigen Erkrankungen?
  2. Durch welche konkreten Maßnahmen soll nach Vorstellungen des BMI im Rahmen von Asylverfahren an den EU-Außengrenzen der Zugang zu einem wirksamen Rechtsbehelf und einer gerichtlichen Überprüfung garantiert werden?
  3. Welche konkreten Maßnahmen und Mechanismen sollen laut BMI die Entlastung der EU-Außengrenzstaaten gewährleistet?
  4. Können Sie konkrete Beispiele geben, die den Beitrag der Initiativen „Joint Coordination Platform (JCP)“ und „Joint Operational Office“ (JOO) zur Bekämpfung von Menschenhandel und Schlepperei veranschaulichen?
    1. Welche Akteure sind bzw. waren in welchem Zeitraum und inwieweit an den Aktivitäten der JCP und der JOO beteiligt?
    2. Erheben Sie Daten zur Wirksamkeit dieser Initiativen, insbesondere angesichts der vielen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die jedes Jahr verschwinden?
  1. Für eine rasche und effiziente Rückführung von negativ beschiedenen Asylwerber _innen befürworten Sie „Rückübernahmeabkommen bzw. alternative Vereinbarungen“. Können Sie ein konkretes Beispiel einer solchen alternativen Vereinbarung geben?
    1. Hat das BMI bereits solche alternativen Vereinbarungen geschlossen bzw. führt das BMI diesbezüglich Verhandlungen?
    2. Wenn ja, seit wann und mit wem?
  1. Da Resettlementprogramme abgelehnt werden: Welche anderen legalen Wege werden vom BMI in Betracht gezogen, um Menschen auf der Flucht Zugang zur Schutzgewährung in der EU zu bieten?
    1. Können Sie die Aussage „Resettlement kann nur Alternative aber nicht Ergänzung zu illegaler Migration sein“ in Bezug auf legale Zugangswege für geflüchtete Menschen näher ausführen?
  1. Welche „Migrationsprojekte“ zur Verhinderung von Fluchtbewegungen auf den afrikanischen Migrationsrouten, insb. aus Süd-, Ost-, Zentral- und Westafrika, unterstützt das BMI bereits?
    1. Was ist die rechtliche Grundlage dieser Projekte?
    2. In welchen Drittstaaten werden diese Projekte unterstützt?
    3. Welche (internationalen) Partner sind daran beteiligt?
    4. Seit wann bzw. bis wann werden diese Projekte unterstützt?
    5. Sind weitere Projekte dieser Art in Verhandlung? 

                                          i.    Wenn ja, welche Projekte, in welchen Staaten, mit welchen Partnern und für welchen Zeitraum?