963/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.02.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Eva Blimlinger, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Landesverteidigung

betreffend Heeresgeschichtliches Museum

BEGRÜNDUNG

 

Kurz nach dem Bekanntwerden der rechtsextremen Umtriebe im Heeresgeschichtlichen Museum (HGM)[1] richtete der damalige Verteidigungsminister Thomas Starlinger zwei Kommissionen ein, die zum einen den zeitgeschichtlichen Saal – inzwischen erweitert auf alle Schauräume – prüfen soll, zum anderen den Museumsshop.

Das HGM hat vom Präsidenten des Museumsbundes Wolfgang Muchitsch, der zugleich Leiter der erstgenannten Kommission ist, ein Museumsgütesiegel verliehen bekommen; Kriterien für die Verleihung des Gütesiegels sind u.a., dass die BesucherInnen eine qualitätsvolle Präsentation erwarten können und definierte „Ethische Richtlinien für Museen“ eingehalten werden.[2]

Der Kunsthistoriker und Museumsexperte Gottfried Fliedl reiht das HGM unter zehn gelisteten „schlechtesten Museen Österreichs” an erster Stelle: „Veraltet, schwer veraltet! Hinsichtlich der militärgeschichtlichen Forschung, hinsichtlich der Museumstechnik- und Gestaltung, hinsichtlich des heutigen Wissens- und Forschungsstandes der Geschichtswissenschaften, hinsichtlich der gesellschaftlichen Interessen und Ansprüche an ein solches Museum, hinsichtlich der militaristischen Ideologie. Zeitgemäß bloß hinsichtlich seiner Funktion als Wärmestube für Militaria-Fetischisten uam. Kann man nur sagen: Sofort schließen!“[3]

Auch in der Veranstaltung „HGMneudenken“ am 24.1.20 haben mehr als 30 Fachleute aus Wissenschaft, Kunst und Kultur großteils so fundamentale Kritik an der Gesamtkonzeption des Museums geübt, dass die Frage zu stellen ist, wie es zur Verleihung des Gütesiegels kommen konnte: „Das Museum biete heute mehr denn je eine ‚Projektionsfläche für Militaristen, Monarchisten und Rechtsextreme’, so Öllinger. Worin das grundsätzliche Problem des HGM besteht, darin waren sich alle Tagungsteilnehmer einig: Eine riesige Menge an historisch zweifellos hochinteressanten Objekten werde großteils völlig unkontextualisiert präsentiert. (...) ‚Die Objekte wirken wie die Requisiten eines Stücks, dessen Text nicht vorgegeben ist’, lautet ein vielzitierter Befund zum Zustand des Hauses. (...) Die frühere Chefkuratorin des Jüdischen Museums, Felicitas Heimann-Jelinek, und der Politologe Walter Manoschek zeigten sich bei der Tagung ‚entsetzt’ und ‚schockiert’ nach ihren Rundgängen durch das HGM: Es sei ‚eine Parallelwelt’, ‚ein Skandal’ – von der Forschung, die in den letzten 30 Jahren passiert ist, finde sich ‚null’. ‚In Deutschland würde so etwas nach ein paar Monaten zugesperrt’, so Manoschek.“[4]

Eine dritte Kommission wurde eingesetzt, nachdem der Rechnungshof das Museumsdepot in der Kaserne Zwölfaxing geprüft und festgestellt hatte, „dass in einem versteckten Bunker auf dem Gelände historische Ersatzteile, Panzerketten und Werkzeugsätze von Mitarbeitern privat gelagert worden waren. Es waren Stücke, die in den letzten fünf Jahren oder sogar länger vom Heereslogistikzentrum des Bundesheeres ausgeschieden worden waren und, auf welchen verschlungenen Wegen auch immer, nach und nach in die Privatsammlung der HGM-Panzerliebhaber gewandert waren.”[5]

Eine vierte Kommission wurde im Zuge eines §-17-Verfahrens nach dem Ausschreibungsgesetz vom derzeitigen Direktor des HGM, Christian Ortner, einberufen, nachdem BM a.D. Starlinger an Direktor Ortner eine Mitteilung über dessen Nichtweiterbestellung geschickt haben soll. Ortners Vertrag ist mittlerweile ausgelaufen, über eine etwaige Weiterbestellung oder Nachbesetzung ist in Bälde zu entscheiden. Die Weiterbestellungskommission soll mittels eines Gutachtens feststellen, inwieweit eine Person „insbesondere hinsichtlich der fachlichen Qualifikation, der Fähigkeit zur Menschenführung und der organisatorischen Fähigkeiten und die Eignung zur weiteren Ausübung der Funktion”[6] geeignet ist.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie ist die in der Begründung genannte Weiterbestellungskommission personell besetzt, nach welchen Kriterien wurde sie zusammengestellt und welche Kompetenzen und Erfahrungen bringen die einzelnen Kommissionsmitglieder in wissenschaftlicher, museologischer und kaufmännischer Hinsicht mit, um die fachliche Qualifikation von Direktor Ortner bzw. anderen Kandidat*nnen beurteilen zu können?

a.    Bitte um eine Liste der Expert*innen mit den jeweiligen Qualifikationen

 

2)    Hat die Weiterbestellungskommission ihr Gutachten bereits erstellt?
Falls ja: Zu welchem Ergebnis ist die Kommission gelangt? Falls nein: Wann rechnen Sie mit der Erstellung des Gutachtens? Wurde eine Frist gesetzt?

 

3)    Die Prüfer*innen des Rechnungshofs sollen dem Vernehmen nach zu einer katastrophalen Beurteilung des HGM gekommen sein. Wurden bzw. werden seitens der Weiterbestellungskommission die Ergebnisse aus dem Rohbericht berücksichtigt?

 

4)    Jene Kommission, die die Schauräume des Museums prüfen soll, wird vom Präsidenten des Museumsbundes Wolfgang Muchitsch geleitet. Wie kann eine objektive Prüfung sicher gestellt werden, wenn der Kommissionsleiter dem Museum zuvor bereits eine hohe Qualität bescheinigt hat?

 

5)    Wie erfolgte die Zusammensetzung der Kommission und welche anderen Persönlichkeiten gehören ihr an? Nach welchen Kriterien wurde sie zusammengestellt und welche Kompetenzen und Erfahrungen bringen die einzelnen Kommissionsmitglieder in wissenschaftlicher, museologischer und kaufmännischer Hinsicht mit, um die Schauräume des Museums beurteilen zu können?

 

6)    Die Kommission sollte ursprünglich mit Zeitplan bis Ende Jänner den zeitgeschichtlichen Saal geprüft haben. Liegen hierfür bereits Erkenntnisse vor?
Falls ja: welche? Falls nein: Wann rechnen Sie mit dem Abschluss dieser Prüfung? Wurde eine Frist gesetzt? Wenn ja, wie lautet sie? Wenn nein warum nicht?

 

7)    Wie erfolgte die Zusammensetzung der Kommission zur Prüfung des Museumsshops und welche Persönlichkeiten gehören ihr an? Nach welchen Kriterien wurde sie zusammengestellt und welche Kompetenzen und Erfahrungen bringen die einzelnen Kommissionsmitglieder in wissenschaftlicher Hinsicht mit, um den Museumsshop des Museums beurteilen zu können?

 

8)    Ist diese Kommission bereits zu Ergebnissen gelangt?
a. Wenn ja: zu welchen?
b. Wenn nein: Bis wann ist mit Ergebnissen zu rechnen? Wurde eine Frist gesetzt? Wenn ja, wie lautet sie? Wenn nein warum nicht?

 

9)    Wie erfolgte die Zusammensetzung der Kommission zur Prüfung der vom Rechnungshof in Zwölfaxing gefundenen Militärgerätschaften und welche Persönlichkeiten gehören ihr an? Nach welchen Kriterien wurde sie zusammengestellt und welche Kompetenzen und Erfahrungen bringen die einzelnen Kommissionsmitglieder in wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht mit, um die Militärgerätschaften beurteilen zu können?

 

10) Ist diese Kommission bereits zu Ergebnissen gelangt?
a. Wenn ja: zu welchen?
b. Wenn nein: Bis wann ist mit Ergebnissen zu rechnen? Wurde eine Frist gesetzt? Wenn ja, wie lautet sie? Wenn nein warum nicht?

 

11) Ist auch für das Jahr 2020 geplant, die in die Kritik geratene Schau „Auf Ketten und Rädern“ durchzuführen?
a. Falls ja: Welche Konsequenzen werden in personeller und inhaltlicher Sicht aus den im Vorjahr publik gewordenen Vorkommnissen (Verkauf und Zurschaustellung von NS-Devotionalien unter den Augen des zuständigen HGM-Mitarbeiters Franz Brödl) gezogen?

 

12) Im Mai 2017 wurde die Panzerhalle für Besucher*nnen als Schauraum zugänglich gemacht. Nun wurde sie nach der Prüfung durch den Rechnungshof wieder geschlossen – wegen Umbauarbeiten, wie es auf der Website des HGM heißt.
a. Welche konkreten Umbauarbeiten werden hier vorgenommen?
b. Lagen für die Halle ab Beginn der Öffnung alle erforderlichen Genehmigungen vor?
i. Falls nein: warum nicht?
ii. Falls nein: Welche Genehmigungen lagen nicht vor?

 

13)  Hat Ihr Ministerium bereits Konsequenzen aus dem Rohbericht des Rechnungshofs gezogen, die über die Schließung der Panzerhalle hinausgehen?
a. Falls ja: welche?
b. Falls nein: warum nicht und wie lautet der Zeitplan zur Umsetzungen der Empfehlungen?

 

14)  Im Jahr 2012 erhielt Christian Ortner die vom BMLV vergebene Auszeichnung „Civil Servant oft he Year“. In der Begründung dafür wurde angeführt, dass Ortner „ein regelrechter Neustart“ und „eine zukunftsträchtige Weiterentwicklung“ des HGM gelang sowie „die Besucherzahl nachhaltig zu steigern und inzwischen mehr als zu verdreifachen“[7]. Inzwischen ist davon die Rede, die Besucher*nnenzahlen könnten manipuliert worden sein. Ist daran gedacht, Ortner diese Auszeichnung wieder abzuerkennen, falls sich der Vorwurf der Manipulation bestätigen sollte?



[1] Rechtsextremes im letzten großen Staatsmuseum, unter: https://www.stopptdierechten.at/2019/09/03/rechtsextremes-im-letzten-grossen-staatsmuseum-teil-1-das-hgm-als-identitaere-projektionsflaeche (last view: 6.2.20)

[2] Österreichisches Museumsgütesiegel, Ziele und Nutzen, unter: http://www.museumsguetesiegel.at/shop/shop.php?detail=1238058889 (last view: 6.2.20)

[3] Die zehn besten Museen Österreichs. Die zehn schlechtesten Museen Österreichs, unter: https://museologien.blogspot.com/2018/01/die-zehn-besten-museen-osterreichs-die.html (last view: 6.2.20)

[4] Kritik am Heeresgeschichtlichen Museum: Initiative will Neuaufstellung, unter: https://www.derstandard.at/story/2000113769809/kritik-an-heeresgeschichtlichem-museum-initiative-will-neuaufstellung (last view: 6.2.20)

[5] Barbara Tóth, Bunkerstimmung im Heeresmuseum, in: Falter Nr. 47/2019

[6] Ausschreibungsgesetz § 17

[7] OTS 22.11.2012, unter: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20121122_OTS0052/civil-servant-of-the-year-2012-bild