Eingelangt am 01.02.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Dr.
Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen
an
die Bundesministerin für Justiz
betreffend Dolmetscher
in Gerichtsverfahren
Das Recht auf ein faires
Verfahren nach Art 6 EMRK schließt das Recht auf Unterstützung durch
Dolmetscher mit ein, wenn Angeklagte die Verfahrenssprache nicht verstehen. Die
Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.
Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen
in Strafverfahren verlangt, dass Dolmetschleistungen „eine für die
Gewährleistung eines fairen Verfahrens ausreichende Qualität
aufweisen“. Es bedarf keiner Begründung, dass in einer Zeit
zunehmender Internationalisierung und Personenfreizügigkeit qualifizierte
Dolmetschleistungen für das Funktionieren des Rechtsstaats und die
Gewährleistung des rechtlichen Gehörs unabdingbar sind.
Die
Gebührensätze des GebAG, nach denen die Leistungen der
Gerichtsdolmetscher/Gerichtsdolmetscherinnen in der Mehrzahl der Gerichts- und
Behördenverfahren entlohnt werden, wurden seit dem Jahr 2007 bis heuer
nicht erhöht. Durch die aktuelle Gebührenreform wird zwar die
Tätigkeit („Mühewaltung“) der Gerichtsdolmetscher ab
Mitte diesen Jahres deutlich besser bezahlt. Bei der An- und Abreise
(„Zeitversäumnis“) wurde jedoch das Gebührensystem so
geändert, dass viele der Gerichtsdolmetscher in ziemlich alltäglichen
Situationen schlechter aussteigen als vorher. Die
„Zeitversäumnis“ war bis zum 1.7.2022 noch in Wege unter 30 km
(Euro 22,70 pro Stunde) und Wege über 30 km (Euro 28,20 pro Stunde) geteilt. Es
wurde, nachdem die „Zeitversäumnis“ ebenso wie die
„Mühewaltung“ 15 Jahre hindurch unverändert geblieben
war, der höhere Wert gestrichen und der niedrigere nicht einmal
inflationsbereinigt.
Der niedrige Verdienst und
die langen Zahlungsfristen (im Regelfall mehrere Monate bis mehrere Jahre)
führen dazu, dass sich immer weniger Dolmetscherinnen und Dolmetscher in
die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetscher
eintragen lassen. Das Durchschnittsalter der eingetragenen Dolmetscher und
Dolmetscherinnen liegt bereits über 60 Jahre.
Dass der Einsatz von
unqualifizierten Dolmetschern den Rechtsstaat gefährdende Ausmaße
annehmen kann, zeigte jüngst wieder der in den Medien berichtete Fall am
Landesgericht Salzburg.
Eine der Ursachen für
den vermehrten Einsatz von ungeprüften Dolmetschern liegt in der
Tätigkeit von Vermittlungsdiensten, denen es nicht um die
Zurverfügungstellung von qualifizierten Dolmetschern an die Gerichte,
sondern vor allem um das Lukrieren von Vermittlungsprovisionen geht.
Die Justiz betreibt ein
System der gerichtlichen Prüfung und im Fall der positiven Ablegung sodann
der gerichtlichen Zertifizierung von (Sachverständigen und) Dolmetschern.
Diese Dolmetscher finden sich auf der von der Justizverwaltung herausgegebenen
und gewarteten Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten
Dolmetscher (SDG-Liste). Neuerdings allerdings existiert im Justiz-Intranet
neben der offiziellen SDG-Liste auch eine als „SDG Liste und Ad hoc
Sachverständige und Dolmetscher:innen“ bezeichnete Liste, die neben
den zertifizierten (Sachverständigen und) Dolmetscher auch eine Reihe von
unzertifizierten „Hausdolmetschern“, darunter solche, die (mitunter
mehrmals) die Zertifizierungsprüfung nicht bestanden haben, aufweist. Damit
entwertet die Justiz den selbst verliehenen Befähigungsnachweis und
konterkariert auch den jüngst durch BGBl I Nr. 135/2020 in § 86
GOG normierten gesetzlichen Auftrag der vorrangigen Bestellung von
zertifizierten (Sachverständigen und) Dolmetschern.
Der Österreichische
Gerichtsdolmetscherverband hat das Justizministerium wiederholt auf die
prekäre Lage der allgemein beeideten und gerichtlich
zertifizierten Dolmetscher und Dolmetscherinnen aufmerksam gemacht. Bisher ohne
konkretes Ergebnis.
Die unterfertigten
Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
- Welche Maßnahmen
sind geplant, um der Überalterung der eingetragenen Dolmetscher und
Dolmetscherinnen entgegenzuwirken?
- Welche Maßnahmen
sind geplant, um der Verringerung der Zahl der Dolmetscher und
Dolmetscherinnen entgegenzuwirken?
- Welche Maßnahmen
sind geplant, um kurz-, mittel- und langfristig die Versorgung der Justiz
mit Dolmetschern und Dolmetscherinnen mit ausgezeichneten
Sprachkenntnissen, entsprechender Dolmetsch- und Übersetzerkompetenz
und dem für die korrekte Ausübung der Tätigkeit unbedingt
erforderlichen Berufsethos sicherzustellen?
- In wie vielen
Fällen wurden im Jahr 2021 - bitte mit Aufgliederung nach
OLG-Sprengeln
- in
Strafverfahren Dolmetscher/Dolmetscherinnen beigezogen?
- in Zivilverfahren
Dolmetscher/Dolmetscherinnen beigezogen?
- in arbeits- und
sozialgerichtlichen Verfahren Dolmetscher/Dolmetscherinnen beigezogen?
- in
verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem BVwG
Dolmetscher/Dolmetscherinnen beigezogen?
- In wie vielen
Fällen wurden im Jahr 2021 - bitte mit Aufgliederung nach
OLG-Sprengeln
- in
Strafverfahren eingetragene
Dolmescher/Dolmetscherinnen beigezogen?
- in Zivilverfahren
eingetragene Dolmetscher/Dolmetscherinnen beigezogen?
- in arbeits- und
sozialgerichtlichen Verfahren eingetragene Dolmetscher/Dolmetscherinnen
beigezogen?
- in
verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem BVwG eingetragene
Dolmetscher/Dolmetscherinnen beigezogen?
- In wie vielen
Fällen wurden im Jahr 2021 - bitte mit Aufgliederung nach
OLG-Sprengeln
- in Strafverfahren Amtsdolmetscher/Amtsdolmetscherinnen
der Justizbetreuungsagentur beigezogen?
- in Zivilverfahren
Amtsdolmetscher/Amtsdolmetscherinnen der
Justizbetreuungsagentur beigezogen?
- in arbeits- und
sozialgerichtlichen Verfahren Amtsdolmetscher/Amtsdolmetscherinnen der
Justizbetreuungsagentur beigezogen?
- in
verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem BVwG
Amtsdolmetscher/Amtsdolmetscherinnen der
Justizbetreuungsagentur beigezogen?
- In wie vielen
Fällen wurden im Jahr 2021 - bitte mit Aufgliederung nach
OLG-Sprengeln
- in Strafverfahren
Dolmetscher/Dolmetscherinnen ad hoc beeidet?
- in
Zivilverfahren Dolmetscher/Dolmetscherinnen ad hoc beeidet?
- in arbeits- und
sozialgerichtlichen Verfahren Dolmetscher/Dolmetscherinnen ad hoc
beeidet?
- in
verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem BVwG
Dolmetscher/Dolmetscherinnen ad hoc beeidet?
- Welche Kosten entstanden
dem Bund im Jahr 2021 insgesamt durch die Beiziehung von Dolmetscher und
Dolmetscherinnen in der Justiz (einschließlich BVwG)?
- Welche Kosten
entstanden dem Bund im Jahr 2021 durch die Beiziehung
von eingetragenen Dolmetscher/Dolmetscherinnen?
- Welche Kosten
entstanden dem Bund im Jahr 2021 durch die Beiziehung
von Amtsdolmetscher/Amtsdolmetscherinnen der
Justizbetreuungsagentur?
- Welche Kosten
entstanden dem Bund im Jahr 2021 durch die Beiziehung
von ad-hoc beeideten Dolmetschern/Dolmetscherinnen?
- In wie vielen
Fällen konnte 2021 der Bedarf an Dolmetschern/Dolmetscherinnen nicht
durch die Beiziehung von eingetragenen Dolmetschern gedeckt werden
(einschließlich BVwG)?
- In wie vielen Fällen
konnte 2021 der Bedarf an Dolmetschern/Dolmetscherinnen nicht durch die
Beiziehung von Amtsdolmetschern/Amtsdolmetscherinnen gedeckt werden
(einschließlich BVwG)?
- In wie vielen
Fällen mussten 2021 ad hoc beeidete Dolmetscher/Dolmetscherinnen
beigezogen werden (einschließlich BVwG)?
- Wird beabsichtigt,
die Gebührensätze des Gebührenanspruchsgesetzes
für Dolmetscher/Dolmetscherinnen zu erhöhen?
- Wenn ja, in welcher
Höhe?
- Wenn nein, warum
nicht?
- Warum wurde die
"Zeitversäumnis" nie inflationsbereinigt und wenn es schon
zwei Tarife für „Zeitversäumnis“ gabt, (nämlich
22,70 unter 30 km und 28,20 über 30 km) wie ist es dann
möglich, dass nach 15 Jahren Tarifstagnation der höhere Wert
gestrichen wird - und nicht im Sinne einer Indexanpassung der niedrigere
Betrag?
- Warum existiert neben
der SDG-Liste eine als „SDG Liste und Ad hoc Sachverständige
und Dolmetscher:innen“ bezeichnete Liste, die neben den
zertifizierten (Sachverständigen und) Dolmetschern auch eine Reihe
von unzertifizierten Dolmetschern, darunter auch solche, die (mitunter
mehrmals) die Zertifizierungsprüfung nicht bestanden haben, nennt?
- Wie viele zertifizierte
Sachverständige gibt es derzeit in Österreich verglichen mit den
Jahren 2016-2021 (wir bitten um Auflistung nach Jahren und Gerichtssprengeln)?
- Wieviele unbeeidete
Sachverständige wurden in den Jahren 2016-2021 in Verfahren
eingesetzt (wir bitten um Auflistung nach Jahren und Gerichtssprengeln)?
Widerspricht diese Zahl nicht dem §86 GOG, der die vorrangige
Bestellung von zertifizierten Sachverständigen und Dolmetschern
aufträgt?
- Wieviele beeidete
Sachverständige wurden in den Jahren 2016-2021 in Verfahren
eingesetzt (wir bitten um Auflistung nach Jahren und Gerichtssprengeln)?
- Ist dem Ministerium
bekannt, ob und in welcher Höhe ad hoc beauftragte Dolmetscher:innnen
Vermittlungsprovisionen an einschlägige Agenturen (zB Büro
Micolini in Graz) zu bezahlen haben?
- Warum wird die
„SDG Liste und Ad hoc Sachverständige und
Dolmetscher:innen“ nicht aus dem Intranet zu entfernt?