9649/J XXVII. GP
Eingelangt am 03.02.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerhard Kaniak, Peter Wurm
und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Pharmalobbyistin als Chefin der Medizinmarkaufsicht
Eine Pharmalobbyistin übernimmt die Medizinmarktaufsicht der AGES. Kritik an der Entscheidung kommt von der Opposition und Anti-Korruptionskämpfern.
Einmal mehr sorgt eine Postenbesetzung in Österreich für großen Unmut. Die bisherige Pharmalobbyistin Helga Tieben von Pharmig soll demnach neue Chefin der der Medizinmarktaufsicht in der AGES werden. Kritik kommt nun von fast allen Seiten. Die derzeitige Chefin Christa Wirthumer-Hoche geht nämlich mit Sommer in Pension.
Die Medizinmarktaufsicht bei der AGES ist ein hochsensibler Bereich. Hier sind die rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich für Arzneimittelzulassungen, klinische Prüfungen und Überwachung der Arzneimittelsicherheit. Dass nun ausgerechnet Tieben, die bisher Direktorin für Zulassungsbereich und Innovation im Verband der pharmazeutischen Industrie Pharmig war, den Job bekommen soll, erzürnt die Gemüter.
Die Gesundheitsexpertin von Transparency Österreich Claudia Wild nennt die geplante Besetzung "unglaublich". Sie sagt dem Ö1-Morgenjournal am Samstag, dass hier eindeutig ein Interessenskonflikt vorliege und Österreich sich wieder einmal über geltendes EU-Recht hinweg setzen würde. Das Interesse der Pharma-Lobby, der Tieben bisher angehört, sei, dass Medikamente schnell zugelassen werden würden, die AGES müsste hingegen einen kritischeren Blick einnehmen, meinte Wild.
Eine BASG-Mitarbeiterin sagt im Gespräch mit der "Heute": "Eine Chef-Pharmalobbyistin als AGES-Chefin, das ist doch schon ein starkes Stück“. Auch Martin Kreutner, der Initiator des Anti-Korruptionsvolksbegehren geht mit der Bestellung hart ins Gericht. Für ihn ist die Bestellung Tiebens vergleichbar mit einer Beförderungen von jemanden aus der Tabakindustrie in einen Aufsichtsbehörde – "das geht so eigentlich nicht.“
Kritik kommt auch von der Opposition. SPÖ-Vize-Klubobmann Jörg Leichtfried meint demnach, dass die Besetzung "Wasser für die Mühlen von Verschwörungstheoretiker" sei. Der für die Besetzung zuständige Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein hätte sich damit einen "politischen Patzer" geleistet.
Der Grünen-Politiker und die AGES weisen die Vorwürfe und die Kritik entschieden zurück. Die Bestellung wäre durch einen Auswahlprozess erfolgt, der auch ein Hearing vor einer Kommission beinhaltete. Tieben hätte in diesem Prozess als Expertin überzeugt und die Stelle aufgrund ihrer Qualifikationen bekommen.
Pharmalobbyistin wird Chefin der Medizinmarktaufsicht (msn.com)
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende
Anfrage
1) Wie ist der Auswahlprozess für die Bestellung der Chefposition in der Medizinmarktaufsicht genau abgelaufen?
2) Nennen Sie Zeitpunkt der Ausschreibung, Zusammensetzung der Auswahlkommission, Zeitpunkt des Hearings und tatsächliche Willensbildung und Beschlussfassung im Zusammenhang mit der Bestellung der Chefposition in der Medizinmarktaufsicht?
3) Wie viele Kandidaten und Kandidatinnen haben sich in diesem Auswahlprozess für diese Stelle beworben?
4) Wer waren die Kandidatinnen und Kandidaten, die sich in diesem Auswahlprozess für diese Stelle beworben haben?
5) Waren Sie als Gesundheitsminister zu irgendeinem Zeitpunkt mit diesem Bestellungsprozess befasst?
6) Wenn ja, in welcher Art und Weise?
7) Welche Akten wurden bzw. werden dazu im BMSGPK bzw in der AGES dazu geführt?
8) War Ihr Kabinett im Gesundheitsministerium zu irgendeinem Zeitpunkt mit diesem Bestellungsprozess befasst?
9) Wenn ja, in welcher Art und Weise?
10) Welche Akten wurden bzw. werden dazu im BMSGPK bzw in der AGES dazu geführt?
11) Welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihrem Kabinett sind für die AGES zuständig?
12) War das Generalsekretariat des Gesundheitsministeriums War Ihr Kabinett im Gesundheitsministerium zu irgendeinem Zeitpunkt mit diesem Bestellungsprozess befasst?
13) Wenn ja, in welcher Art und Weise?
14) Welche Akten wurden bzw. werden dazu im BMSGPK bzw in der AGES dazu geführt?
15) Welche Sektionen, Gruppen und Fachabteilungen waren zu zu irgendeinem Zeitpunkt mit diesem Bestellungsprozess befasst?
16) Wenn ja, in welcher Art und Weise?
17) Welche Akten wurden bzw. werden dazu im BMSGPK bzw in der AGES dazu geführt?
18) Wie stellen Sie sicher, dass Frau Helga Tieben in der Medizinaufsicht nicht die Interessen der Pharmig vertritt?
19) Welche Compliance-Regelungen wurden mit Frau Helga Tieben vereinbart, um die völlige Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von der Pharmig und insgesamt den Interessen der Pharmaindustrie zu garantieren?