9685/J XXVII. GP
Eingelangt am 09.02.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek,
Genossinnen und Genossen
an die Bundesministerin für Landesverteidigung
betreffend dringender Handlungsbedarf der Verteidigungsministerin bei der Reform des Heeresgeschichtlichen Museum
Die Situation und vor allem die Missstände im Heeresgeschichtlichen Museum sind seit Jahren Thema von Rechnungshofberichten, Symposien und Artikeln. Bereits im Oktober 2020 legte der Rechnungshof einen umfassenden Bericht der Prüfung des Heeresgeschichtlichen Museums vor. Der Bericht listet eine beachtliche Reihe an Problemen, Mängeln und Missständen beim Heeresgeschichtlichen Museum auf. Die Rede war beispielsweise von einer unzureichenden Wahrnehmung der Dienst- und Fachaufsicht, von der Nichtbeachtung rechtlicher Vorschriften, einem fehlenden gesamthaften wirtschaftlichen Überblick und Missständen im Bereich der Sammlungen. Die dazugehörige Presseaussendung vom Rechnungshof wurde daher folgerichtig mit „Gravierende Mängel und Missstände im HGM“ betitelt.
Eine Kommission rund um den Museumsbund-Präsident Wolfgang Muchitsch evaluierte die Darstellung der Jahre zwischen 1918 und 1945 und bezeichnete sie als „nicht mehr zeitgemäß und unzureichend“. Zwar fänden sich darin keine „expliziten Hinweise auf antisemitische, rassistische oder rechtsextreme Inhalte“, jedoch sei durch die Zusammenstellung der Objekte und deren „mangelhafte Kontextualisierung eine Missinterpretation der Inhalte möglich“[1]. Anfang Februar 2021 legte die Expertenkommission dann ihren restlichen Bericht zur inhaltlichen Präsentation der HGM-Ausstellungen vor und empfahl „eine neue Konzeption des gesamten Museums hin zu einem modernen militärhistorischen Museum“, wie Kommissionschef Wolfgang Muchitsch sagte[2].
Es liegt daher bereits seit Jahren substanzielle Kritik von Expert*innen vor. Trotz der konkret dokumentierten Probleme sind jedoch nach wie vor keine Reformen und Veränderungen im Heeresgeschichten Museum wahrnehmbar. Die Darstellung und die Auseinandersetzung mit Geschichte hängt nach wie vor einem antiquierten Verständnis nach. Während militärhistorische Museen in anderen Ländern längst die kritische Auseinandersetzung pflegen, ist beim Heeresgeschichtlichen Museum selbst und auch im Landesverteidigungsressort kein Wille zu einer umfassenden Reform sichtbar.
Besonders deutlich wird das auch in der Person der Leitung des Museums. Der Vertrag von Direktor Ortner endete bereits am 31. Jänner 2020. Dennoch wurde er ohne Ausschreibung interimistisch weiterbestellt, um „die Kontinuität in der Führung zu gewährleisten“, wie es in einer der zahlreichen Anfragebeantwortungen, die an die Verteidigungsministerin gestellt wurden, hieß. Wozu es eine Kontinuität zu den offenbar desaströsen Zuständen braucht, blieb allerdings unbeantwortet. Auch die Äußerung der Ministerin, dass bei der Neuausschreibung der Direktion „Qualität vor Schnelligkeit gehen“[3] müsse, lässt einen ähnlich ratlos zurück.
Im Dezember 2021 ließ nun ein Ministeriumssprecher endlich ausrichten, dass der Ausschreibungstext vorliege und die Ausschreibung im Jänner 2022 erfolgen werde. Nun haben wir Februar 2022 und noch immer fand keine Neuausschreibung der Direktion statt, sondern wurde diese auf unbestimmte Zeit vertagt. Denn der Erstentwurf des Ministeriums richtete sich zu sehr an bundesheer-internes Personal und muss nun nachgebessert werden. Auf Anfrage des Mediums „derStandard“ wurde außerdem mitgeteilt, „dass der Prozess auch durch externe Personalberatung begleitet wird – aber er läuft.“[4] Diese anhaltende Verzögerungstaktik ist abzulehnen. In jedem anderen Unternehmen wäre der Direktor nach derartig negativen Evaluierungen nach Ablauf seines Vertrages nicht mehr mit der vorübergehenden Leitung betraut worden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ‑ trotz zahlreicher Ankündigungen ‑ die Verteidigungsministerin bisher keine nachhaltigen Reforminitiativen gesetzt hat, obwohl sie bereits in einem Statement zum RH-Bericht 2020 verkündet hatte: „Wir werden hier nicht tatenlos zusehen“. Man werde die Direktion des Museums „in Kürze neu ausschreiben und beurteilen, welche weitere Maßnahmen zu treffen sind". Auch Anfang 2021 ortete Tanner wieder einmal Handlungsbedarf, „weil es ein Museum auch auf Höhe der Zeit werden soll, von verschieden Warten aus beleuchtet, insbesondere auch eben von der wissenschaftlichen.“[5]
Es braucht daher jetzt endlich Taten statt Ankündigungen – und das ohne Verzögerung. Die Direktion muss rasch ausgeschrieben und eine international anerkannte Persönlichkeit für die Leitung gefunden werden. Diese muss das Museum weg von einer Habsburg-Devotionalien-Anbetungsstätte mit Feldherren-Huldigung ohne Gesamtkonzept und Strategie in die Gegenwart und Zukunft führen. Das schwierige Thema „Krieg“ muss angemessen, kritisch und von unterschiedlichen Seiten thematisiert werden. Das Heeresgeschichtliche Museum muss zu einer Bildungsstätte für breite Bevölkerungsschichten werden, anstatt ein Militärmuseum für rechtsgerichtete Eliten mit einem Faible für Krieg und Waffen zu sein. Auch die Situation der Mitarbeiter*innen des Museums gehört endlich verbessert. Das in der Vergangenheit erstellte arbeitspsychologische Gutachten hat hier große Versäumnisse offenbart. Bisher hat man auch hier auf ignorieren anstatt auf Taten gesetzt.
Die gravierenden Missstände zeigen auch, dass das Verteidigungsministerium kein Museum führen kann. Wie die Kommission richtig ausführt, würde das HGM – wäre es seit den 1980er Jahren ein Bundesmuseum gewesen – heute völlig anders dastehen. Da es seitens der Verteidigungsministerin eine Eingliederung in die Bundesmuseen abgelehnt wird, braucht es zumindest eine Ausgliederung und eine international anerkannte Leitungspersönlichkeit, um endlich zu einem professionellen Museumsmanagement zu kommen. Es braucht klare organisatorische Vorgaben und vor allem ein modernes inhaltliches Gesamtkonzept. Bei der Erstellung muss – wie auch die Kommission vorschlägt - ein interdisziplinärer Beirat beigezogen werden, um sicherzustellen, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt werden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage
1) Wie sieht Ihr konkreter Plan für die Zukunft des HGM aus?
2) Welche Reformschritte sind wann geplant?
3) Sie haben bereits 2020 eine Neukonzeption der Dauerausstellung angekündigt. Wie ist hier der Stand und der weitere Zeitplan?
4) Sie haben ebenfalls gefordert, dass die Zeit zwischen 1918 und 1945 „kritisch und differenziert zu betrachten, zu beleuchten und auch neu zu kontextualisieren“ ist. Durch welche Maßnahmen werden Sie das sicherstellen?
5) Sie haben schon mehrmals „enormen Handlungsbedarf“ geortet. Warum hat sich das bisher nicht in der Praxis niedergeschlagen?
6) Wie werden Sie sicherstellen, dass es zu einer adäquaten Neukonzeption des gesamten Museums hin zu einem modernen militärhistorischen Museum kommt?
7) Wie oft und von wem haben Sie sich über den Fortschritt der Reformen im HGM informieren lassen?
8) Sie haben für das Jahr 2021 zusätzliche 4,3 Millionen Euro für das HGM zur Verfügung gestellt. Wofür wurden diese konkret verwendet? (Bitte um Aufschlüsselung)
9) Ist an eine Ausgliederung des HGM gedacht?
a) Wenn nein, wie wird die Unabhängigkeit des Museums sichergestellt?
10) Wie schaut der Prozess der Neuausschreibung genau aus?
11) Wann wird nun endlich die Direktion des Museums ausgeschrieben?
12) Welche externe Personalberatung wurde beauftragt?
13) Wie viel wurde hierfür budgetiert?
14) Bis wann spätestens soll die Direktion des Museums neu besetzt sein?
15) In welchen, auch internationalen, Medien soll die Ausschreibung konkret veröffentlicht werden?
16) Wie lauten die nunmehrigen Ausschreibungskriterien?
17) Sind Promotion und Erfahrung in der Leitung von Museen Voraussetzungen für die Bewerbung? Wenn nein, warum nicht?
18) Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um dafür zu sorgen, dass genügend qualifizierte Personen (Frauen und Männer) sich für die Stelle bewerben?
19) Wie konnte es passieren, dass der Entwurf der Ausschreibung nach so langer Zeit noch einmal überarbeitet werden musste?
20) Ist die Bewerbung auch für internationale Bewerber*innen möglich? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?
21) Wie kann sichergestellt werden, dass die zukünftige Leitung des HGM am neuesten Stand ist, sowohl im wissenschaftlichen als auch museumsdidaktischen Bereich?
22) Wird es eine Doppelspitze geben, wie das auch in den Bundesmuseen üblich ist?
23) Welche Empfehlungen des Rechnungshofes wurden bereits umgesetzt?
24) Wie viele Mitarbeiter*innen sind im Museum angestellt? (Bitte nach Tätigkeit und Geschlecht aufschlüsseln.)
25) Wie hat sich das Budget seit dem Jahr 2000 entwickelt?
26) Wie teilt sich das Budget auf einzelne Bereiche auf?
27) Wie viele Personen haben aktuell Hausverbot im Heeresgeschichtlichen Museum?
28) In der Anfrage 1190/AB vom 04.05.2020 ist die Rede von „Ziel- und Leistungsvorgaben des HGM/MHI“, die jährlich von der Sektion I überarbeitet, vorgegeben und überprüft“ werden. Wie lauten diese Ziel- und Leistungsvorgaben konkret für die Jahre 2015 bis 2022? (Bitte um Übermittlung im Wortlaut.)
a) Welche der von Ihnen angekündigten Reformvorhaben wurden jeweils wie in den Ziel- und Leistungsvorgaben verankert?
29) Wie läuft das Projekt „Einführung Qualitätsmanagementsystem und Controlling/Stabselement“ (QMS-Projekt)?
a) Liegt das angekündigte mehrjährige Entwicklungs- und Museumskonzept bereits vor?
b) Welche Ergebnisse hat das Projekt bisher konkret gebracht?
c) Wie ist der weitere Zeitplan?
d) In der Anfragebeantwortung 4727/AB stellen Sie fest, dass im Zuge des Projekts auch eine „neue Aufbau- bzw. Ablauforganisation“ entwickelt werden soll. Liegt diese bereits vor?
i) Wenn ja, wie lauten sie?
e) Liegen die neuen Arbeitsplatzbeschreibungen bereits vor?
i) Wenn ja, wie lauten sie?
30) Welche Maßnahmen gab es im Personalbereich, um die Arbeitszufriedenheit zu erhöhen und die Krankenstandstage zu senken?
a) Hat die angekündigte Evaluierung in dem Bereich nun bereits stattgefunden?
b) Wenn ja, was waren die Ergebnisse?
c) Wenn nein, warum nicht?