9686/J XXVII. GP

Eingelangt am 09.02.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Douglas Hoyos- Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Postenschacher in einem oberösterreichischen Finanzamt

Die Geschichte einer Postenbesetzung, über die bereits 2017 berichtet wurde (1) und uns NEOS daher bereits schon einmal zu einer Anfrage bewegt hat(7205/J), füllt nun die Schlagzeilen: Ein ÖVP-Bürgermeister bekam die Leitung eines Finanzamtes in Oberösterreich über- ein Job, für den er weder fachlich qualifiziert war, die notwendige berufliche Erfahrung vorweisen konnte und zusätzlich täglich eine 90 Minuten Fahrt zur Dienststelle antreten musste- obwohl es eine top qualifizierte, schon als interimistische Leiterin ebendieses Finanzamtes tätige, Bewerberin gab.

Das Finanzamt Braunau-Ried-Schärding in Oberösterreich war nach der Pensionierung des Leiters auf der Suche nach seiner Nachfolge. In derzeit zwischen Pensionierung der einen und Ausschreibung bzw. Einstellung der neuen Leitung übernahm die Verantwortung für die Behörde die damalige Fachvorständin und Stellvertreterin des bisherigen Chefs. Für die Stelle gesucht wurde jemand mit "Berufserfahrung, Fach- und Managementwissen, Lösungs- und Umsetzungskompetenz". Und: Bei gleicher Eignung musste gemäß Gleichbehandlungsklausel die Bewerberin genommen werden. Die Interimsleiterin hat sich naturgemäß für den Posten beworben, gleich wie ein ÖVP-Bürgermeister einer kleiner oberösterreichischen Gemeinde. Er hat den Job bekommen, sie nicht.

Die Frau lies den Fall durch die Bundes-Gleichbehandlungskommission begutachten - diese bestätigte ihre Diskriminierung im Zuge ihrer Nichtbestellung.

Unabhängige Instanz Nummer eins. Basierend auf diesem Gutachten stellte Frau Dr. Scharf einen Antrag auf Entschädigung und Ersatzanspruch, den das BMF ablehnte. Sie gab nicht auf, legte Rechtsmittel ein und wandte sich an das Bundesverwaltungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht den Bestellungsprozess, kam letztlich zu demselben Ergebnis wie die Bundes-Gleichbehandlungskommission, gab der Beschwerde statt und sprach Frau Dr. Christa Scharf wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes sowohl einen Ersatzanspruch als auch eine Entschädigung zu. (2) Die Aussage eines Kommissionsmitglieds, wonach die gute Vernetzung des Bürgermeisters in der Region ein Vorteil sei, stimmte das Gericht ebenfalls sehr skeptisch, und es stellte die Frage in den Raum, ob das angesichts der für einen Finanzamtschef gebotenen Objektivität überhaupt ein Pluspunkt sei.

Die Bewertung der beruflichen Erfahrungen durch die Kommission sei "noch bemerkenswerter", handle es sich bei der unterlegenen Bewerberin doch um jemanden mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Finanzverwaltung; bei ihrem erfolgreichen Konkurrenten hingegen um einen früheren Polizisten und Quereinsteiger. "Es erübrigt sich, auf die Sachlichkeit einer solchen Bewertung im Rahmen der Personalauswahl für eine leitende Tätigkeit in der Finanzverwaltung weiter einzugehen", hieß es in der Entscheidung. Die Finanzbeamtin sei "deutlich besser" geeignet gewesen. Unabhängige Instanz Nummer zwei. Weil kein sachliches und objektives Kriterium für eine bessere Eignung des bestellten Leiters hervorgekommen sei, hätten „sachfremde Gründe für den zur Ernennung führenden, Vorschlag ausschlaggebend sein müssen" (3).

All diese Punkte - unter anderem das Urteil - waren schon im Sommer 2021 bekannt und erschütternd. Aber mit dem 7. Februar 2022 nahm diese eine weitere Dimension an: Neue Chats geben Anlass zu der Vermutung, dass August Wöginger - damals Viezklubobmann sowie Bezirksparteiobmann in Schärding - den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, zum Amtsmissbrauch angestiftet hat, um den bereits erwähnten oberösterreichischen ÖVP-Bürgermeister in die ausgeschriebene Position zu bringen. Bei der Auswertung von Chats stießen die Ermittler nämlich auch auf solche zwischen Schmid und Wöginger. Schon am 13. Dezember 2016 bat Wöginger den Generalsekretär im Finanzministerium, Schmid, um einen Rückruf wegen des Kandidaten, eines ÖVP-Politikers und Bürgermeisters einer kleinen oberösterreichischen Gemeinde, der bei einer Sprechstunde mit Wöginger über seinen Berufswunsch gesprochen hatte. (4)

Auch heute (Morgenjournal, 8.2.2022) beschreibt die Finanzbeamtin, dass diese Art der Postenschacherei kein Einzelfall war- sie erlebte es auch von der anderen Seite: Es gab Hearings, bei denen sie Teil der Kommission war. Auch in diesen Fällen wurde sie zuvor telefonisch kontaktiert und gebeten, gewissen Bewerber_innen mehr Aufmerskamkeit zu schenken, weil es "versprochen" wurde: "In die Richtung..ja, den soll ma nehmen."

Und nicht nur das - fast alle Mitglieder der Begutachtungskommission, die für die Bestellung des Postens im Finanzamt verantwortlich waren, wiesen ein Naheverhältnis zur ÖVP auf. Der vorliegende Fall betraf einen Ihrer Vorgänger und die Frage nach Beurteilungskriterien wurde schon in der letzten Anfrage nicht beantwortet. Trotzdem werfen Fälle wie dieser selbstverständlich sehr viele Fragen auf.

(1)https://www.derstandard.at/story/2000133159408/wksta-will-gegen-oevp-

klubobmann-woeginger-ermitteln

(2)https://www.krone.at/2453961

(3)https://www.krone.at/2452788

(4)https://orf.at/stories/3246560/

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Wie viele Besetzungen vergleichbarer Posten gab es seit 2017?

a.     Bitte um Auflistung nach Posten und Jahr sowie Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber.

2.    Welche internen Prozesse folgen einem Antrag auf Entschädigung und Ersatzanspruch, wie das im Falle von Frau Dr. Scharf passiert ist?

a.   Wer entscheidet darüber, ob dieser angenommen oder abgelehnt wird?

b.     Mit welcher wurde der damalige Antrag abgelehnt?

3.    Wie viele Anträge auf Entschädigung und Ersatzanspruch wurden in den Jahren 2017 bis 2021 an das BMF gestellt?

a.    Von wem gingen diese aus?

b.    Wie viele wurden angenommen und wie viele abgelehnt? Welche?

4.    Welche internen Prozesse folgen einem derartig eindeutigen Urteil der Bundes-Gleichbehandlungskommission?

a.    Wie werden die getroffenen Entscheidungen überprüft?

i. Wie war das in diesem Fall?

b.    Welche Konsequenzen gab es in diesem konkreten Fall?

5.    Welche internen Prozesse folgen einem deratig eindeutigen Urteil eines Bundesverwaltungsgerichts?

a. Welche Konsequenzen gibt es für die Verantwortlichen?

6.    Gab es seit ihrer Amtsübernahme Änderungen, die diese Prozesse betreffen?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn nein, warum nicht?

7.    Wie gedenken Sie in Zukunft mit eindeutigen Urteilen unabghängiger Kommissionen umzugehen?

a.    Welche Prozesse gedenken Sie einzuleiten und zu installieren, um die Gerechtigkeit bei der Besetzung wichtiger Posten zu garantieren?

8.    Welche Schritte haben sie bereits gesetzt oder haben Sie vor zu setzen, um diese Art des Postenschachers in Zukunft zu vermeiden?