9722/J XXVII. GP

Eingelangt am 10.02.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

betreffend Eigenkapitalpaket Wirtschaftskammern: Staatswirtschaft statt Entlastung?

Das schwindene Eigenkapital und mehr Staat als Gegenrezept der Bundesregierung

Die Eigenkapitalquote bestimmt maßgeblich die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens. Österreichische KMU verfügten schon vor 2020 mit im Schnitt 33% über eher niedrige Eigenkapitalstände. Die Kombination von Pandemie und schlechtem Krisenmanagement hat zahlreiche Schließtage und Geschäftseinschränkungen mit sich gebracht und damit die Liquidität der Unternehmen stark reduziert. Dazu kommt, dass neben Zuschüssen auch zahlreiche zusätzliche Bankkredite und aufgeschoben Abgabenrückzahlungen auf den Schultern der Unternhemr_innen in Österreich lasten. Der Schuldenrucksack ist durch die schlechte wirtschaftliche Entwicklung besonders in Tourismusbetrieben sehr groß. Gezielte Anreize wären nötig, um die Eigenkapitalisierung und damit die Krisenfestigkeit der heimischen Wirtschaft langfristig und nachhaltig zu erhöhen. Die Bundesregierung hat dazu einiges angekündigt aber - von entsprechenden Ministerratsbeschlüssen (1), BM Schramböcks 500 Millionen Euro KMU-Fonds (2) oder BM Blümels fiktiven Eigenkapitalzinsen (3) - sieht man wenig in der Umsetzung. Statt gezielt attraktive Rahmenbedingungen für mehr Eigen- oder Mezzaninkapital zu setzen, hat das Finanzministerium durch Verordnung festgelegt, dass die COFAG Kreditgarantien in stille Beteiligungen an Unternehmen umwandeln kann (4).

Eigenkapitalpaket in Planung: Signale der Wirtschaftskammern gehen in Richung Staatswirtschaft

Die Wirtschaftskammer Wien bestätigt in einem Artikel vom 7.2,2022 die Schwierigkeiten von Unternehmen in Österreich bei Bildung und Erhaltung von Eigenkapital. Wirtschaftskammer-Wien Präsident Ruck kündigt im Gespräch mit dem Standard ein entsprechendes Maßnahmenpaket an. Besonders bemerkenswert erscheint dabei, dass der WKW-Chef stille Beteiligungen an Unternehmen als zentrale Frage sieht (5). Nicht nur die Republik will nun also ihre Kredite in stille Beteiligungen umwandeln, jetzt will auch die WKW ihr überschüssiges Geld in heimische Betriebe legen. Statt nach mehr Staat zu rufen, sollte gerade die gesetzlichen Interessensvertreter heimischer Betriebe den Ton in Richtung Bundesregierung deutlich verschärfen und endlich weitgehende Reformschritte verlangen. Gleichzeitig sollten die Wirtschaftskammern mit gutem Bespiel vorangehen und ihre Mitglieder durch Senkung der Beiträge, Auflösung der überschießenden Rücklagen und effizientere Strukturen nachhaltig entlasten.

Allein die Möglichkeit von Beteiligungen der Republik oder der Wirtschaftskammer bringt die Unternehmen in die Zwangslage, solche Beteiligungen zu akzeptieren. Dieser Zwang ergibt sich daraus, dass jede Bank als Kreditgeber das Bestreben nach guten Sicherheiten verfolgt. Der Bank ist besser gedient, wenn der Staat oder

die WK beteiligt und die Schuld reduziert ist als wenn der Staat oder die WK für eine Schuld des Unternehmens haftet. Solche Beteiligungsideen lassen also eine Zange von Staat und Bank gegenüber dem Unternehmen entstehen, aus der es kein Entrinnen gibt. Der Weg zur Staatswirtschaft wird unter Führung wichtiger ÖVP- Exponenten gebahnt.

Quelle:

1.    https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/icr:632f3df3-8cda-49fc-bdda-9c0f378b2170/23_18_mrv.pdf.

2.    https://www.diepresse.com/5838104/schramboeck-plant-500-mio-fonds-fuer-kmu

3.    https://www.diepresse.com/5993594/finanzministerium-und-wkoe-draengen-auf-mehr-eigenkapital-fuer-firmen

4.    https://www.diepresse.com/6084718/finanzminister-ermoeglicht-staatliche-beteiligungen

5.    https://www.derstandard.at/story/2000133175276/firmengruendungen-nehmen-deutlich-zu-doch-viele-scheitern-nach-drei-iahren

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Inwiefern ist das Wirtschaftsministerium bei der Erarbeitung des Eigenkapitalpakets der Wirtschaftskammern (WKW und anderer Teilorganisationen) involviert?

2.    Ist eine zunehmende Beteiligung der Wirtschaftskammern oder Fachorganisationen an ihren Mitgliedern vom gesetzlich vorgesehenen Zweck nach Wirtschaftskammergesetz abgedeckt?

a. Wenn ja: Ist eine gesetzliche Verschärfung zur Verhinderung

zusätzlicher staatlicher Beteiligungen über die Wirtschaftskammern in Vorbereitung?

3.    Welche Maßnahmen wurden vonseiten des BMDW nach dieser Ankündigung des WKW-Präsidenten ergriffen?

a. Wurde mit Vertretern der Wirtschaftskammern zur Verhinderung zusätzlicher staatlicher Beteiligungen (eben über die Wirtschaftskammern) Kontakt aufgenommen?

4.    Ab welchen Beteiligungsvolumen wird das BMDW, in Vollziehung des Wirtschaftskammergesetzes, eingreifen und eine zunehmende Verwandlung der Wirtschaftskammern in Beteiligungsgesellschaften stoppen?

5.    Angesichts dieser kostenintensiven Beteiligungsphantasien:

a.    Welche Änderungen im Wirtschaftskammergesetz werden aktuell vorbereitet?

b.    Inwiefern wird eine gesetzliche Reduktion der Beiträge vorbereitet?

c.    Inwiefern wird eine gesetzliche Reduktion der Rücklagenhöhe vorbereitet?

d.    Inwiefern wird eine Prüfung der Effizienz bei der Verwendung der Beiträge durch den Rechnungshof vorbereitet?

6.    Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen wurden seit der Ankündigung im JMR am 16. Juni 2020 zur nachhaltigen Attraktivierung von Eigenkapital mit den Wirtschaftskammern gesetzt? (Strukturreformen - keine Förderungen)

7.    Um die die Kammerumlagen nicht entsprechend dem Wirtschaftskammergesetz senken zu müssen, suchen sich die Wirtschaftskammern laufen neue Aufgabengebiete. Die Zweckmäßigkeit spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.

a.    Welche Schritte setzen Sie als Aufsicht der Wirtschaftskammern, um die Zweckmäßigkeit gem. WKG bei der laufenden Ausgabenausweitung der Wirtschaftskammern sicherzustellen?

8.    Tätigkeiten, die vom Wirtschaftsministerium wahrgenommen werden, unterliegen im Gegensatz zu den Tätigkeiten der Wirtschaftskammern dem parlamentarischen Anfragerecht.

a.    Welche Schritte setzen Sie, damit die Ausgliederung von Ausgaben an die Wirtschaftskammern, die ebenso vom Wirtschaftsministerium erbracht werden könnten, nicht das parlamentarische Anfragerecht unterlaufen?