9818/J XXVII. GP
Eingelangt am 18.02.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort
betreffend „0% zukunftsorientiert": Minimalkompromisse bedrohen Modernisierung des Wirtschaftsstandorts Österreich!
Versprechen und ausbleibende Umsetzung
Große Reformankündigungen kommen bekanntlich gut an und so hört man schon seit langem von Bundesministerin Schramböck Versprechen, die umfassende Reformen des Wirtschaftsstandorts in Aussicht stellen. Neben vieler vager Versprechen im Regierungsprogramm verkündete die Wirtschaftsministerin bereits am 16.6.2020 ein Gründerpaket in Höhe von 450 Mio. Euro und eine „Deregulierungs-Offensive" (1). Mehr als ein halbes Jahr später gab es zwar keine Ergebnisse, dafür wurden umso größere Versprechen abgegeben. Das selbsternannte „Wiederaufbau-Trio“ versprach eine Vision für Österreich 2040, die „Österreich unter die zehn besten Wirtschaftsnationen weltweit“ bringen soll (2). Die Präsentation dieser unterschiedlichen Reformen war für Herbst 2021 bzw. Ende 2021 angekündigt. Anfang Februar 2022 liegt noch nichts davon vor.
Unternehmensgründung in Österreich: langes Warten mit vielen Zwischenschritten
Gründungen und Online-Behördenwege sind in Österreich nach wie vor viel zu aufwändig. Neben der genannten Reformen im Gesellschaftsrecht sind digitale Behördenwege bekanntlich die „Vorzeigeprojekte" der Wirtschaftsministerin. Wie eine NEOS-Anfrage aufzeigt, erweist sich das Unternehmensserviceportal - immer wieder als One-Stop-Shop für Gründungen von BM Schramböck gepriesen - viel mehr als reine Linksammlung (3). Einmal angemeldet, müssen sich Unternehmer_innen durch unzählige Seiten durchklicken. Mindestens 28,5 Mio. Euro wurden bisher in die Plattform gesteckt und trotzdem kann sie offenbar kaum genutzt werden. Insgesamt gab es im Jahr 2020 etwa 38.857 Gründungen in Österreich (alle Rechtsformen) – davon sind nur 4 Prozent (1.566) über das USP erfolgt. Des Weiteren rühmt sich Schramböck damit, dass Gründer_innen für die Anmeldung nur einige Stunden benötigen. Da die Dauer der Abwicklung aber bis zu zehn Tage dauern kann, wird die Verantwortung auf andere Ressorts geschoben. Andererseits bestätigte auf NEOS-Anfrage bereits der damalige Finanzminister Blümel, dass es nur in 25 % der Fälle möglich ist, eine einfache Steuernummer innerhalb eines Tages zu erhalten (4). Gründer_innen brauchen in Österreich also nach wie vor viel Zeit und einen langen Atem.
Moderne Rahmenbedingungen bei Unternehmensgründungen: Ambitioniertes Gutachten des BMDW
Zumindest hinsichtlich der Reformen beim Gesellschaftsrecht begann man im BMDW im Jahr 2020 motiviert und beauftragte ein Gutachten für ein Regelungskonzept zur Einführung einer zeitgemäßen, Gründer- und Investorfreundlichen Gesellschaftsform. Das präsentierte Gutachten für eine „Austrian Limited“ zeigt das Ausmaß an möglichen Reformen in diesem stark in Jahre gekommen Rechtsgebiet (5). Gefordert wird darin, den unnötige Formalismus durch eine neue Austrian Limited abzubauen. Statt zahlreicher Notariatsakte soll in vielen Fällen die einfache Schriftform reichen. Dies ist in anderen Ländern bereits möglich, würde die Verfahren beschleunigen und den Kostenfaktor entlasten. Insbesondere bei internationalen Beteiligungen erweist sich die Notariatsaktspflicht als besonders umständlich. Insgesamt werden darin zahlreiche Reformvorschläge dargelegt, wie Vereinfachungen bei Kapitalerhöhungen, Zulässigkeit der englischen Sprache (bei Gesellschaftsverträgen, Beschlussfassung und Rechnungslegung), Einführung moderner Mitarbeiterbeteiligungsformen (unterschiedliche Anteilsklassen samt entsprechender steuerlicher Begünstigungen) oder einem geringen Nennkapital in Höhe von 5.000 Euro. Die Autoren des Gutachtens unterstreichen die Wichtigkeit dieser Reformen für den Wirtschaftsstandort Österreich, das im internationalen Vergleich laut Rankings nur im Mittelfeld liegt (6).
„0% zukunftsorientiert" - stockende Regierungsverhandlungen und die Aussicht auf einen Minimalkompromiss
Das Gründerpaket wurde entgegen der Zusagen der Wirtschaftsministerin im Herbst 2021 nicht präsentiert. Stattdessen ist immer mehr vom Begriff "Flexkap" die Rede, was bereits auf eine Verwässerung der ambitionierten Vorlage aus dem BMDW-Gutachten hinweist. Das Justizministerium drehte dann Ende 2021 noch eine Konsultationsrunde mit Experten, aber ohne Einbindung des BMDW. Im Wirtschaftsausschuss am 1.12.2021 sah sich Bundesministerin Schramböck deshalb auch nicht mehr als zuständig und verwies auf laufende Arbeiten ihrer Kollegin, Bundesministerin Zadic. Ende Jänner 2022 gab es noch immer kein Gründerpaket und Schramböcks Startup-Beauftragte äußerte sich mit einer vernichtenden Kritik rund um laufende Reformprozesse zu Wort (7) - und das nur nach einem halben Jahr nach Beginn ihrer Zusammenarbeit mit dem BMDW (8). Die Strukturen und Systeme werden darin als antiquiert, festgefahren und unflexibel beschrieben. Kritisiert wird vor allen, dass vonseiten der Entscheidungsträger aus ideologischen Gründen auf Maximalpositionen bestanden wird und Entscheidungen dann auf den absoluten Minimal-Konsens reduziert werden. In eben diesem Stadium befindet sich der Ende Jänner 2022 übermittelte Entwurf des BMJ. Informierte Kreise sprechen von großen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ressorts (9) und nähren damit die Befürchtungen eines langsamen Minimalkompromiss rund um die neue Gesellschaftsform.
Quellen:
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. Wenn ja: Was sind die Hintergründe?