9821/J XXVII. GP

Eingelangt am 21.02.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend behördlicher Verfolgung von Schleichwerbung

 

In einem Artikel von "Dossier" vom 7.9.2016 mit dem Titel "Wie die Polizei Schleichwerber laufen lässt" wird über Alexander Kaimberger berichtet, der bei der Polizei Verdachtsfälle einbrachte, bei welchen mutmaßlich gegen das Mediengesetz verstoßen wurde. Im März 2015 brachte er insgesamt 476 Verdachtsfälle ein - 102 bei der LPD Graz und 374 bei der LPD Wien. Im Zuge seiner Dissertation meldete er im Jänner 2020 weitere 500 Verdachtsfälle bei der LPD Wien ein. Diese bat ihn jedoch die Verdachtsfälle auf 40 zu reduzieren, weil die Behörde eine so große Zahl nicht bewältigen könne. Sowohl der Artikel, als auch die wissenschaftliche Aufarbeitung durch Alexander Kaimberger lassen den Anschein erwecken, dass dem Problem der Schleichwerbung von Behördenseite kaum nachgegangen wird, ja sogar überfordert damit zu seien scheint. Dabei ist gerade die Exekution unseres Medienrechts ein wichtiger Baustein in unserer Demokratie. So verlangt §26 Mediengesetz, dass Ankündigungen, Empfehlungen sowie sonstige Beiträge und Berichte, für deren Veröffentlichung ein Entgelt geleistet wird, in periodischen Medien als „Anzeige“, „entgeltliche Einschaltung“ oder „Werbung“ gekennzeichnet sein müssen, es sei denn, dass Zweifel über die Entgeltlichkeit durch Gestaltung oder Anordnung ausgeschlossen werden können. Die Leser_innen haben somit das Recht zu erfahren, ob ein Beitrag in einem Medium einen redaktionellen Inhalt aufweist und somit frei von Werbung ist, oder ob für den Druck eines Beitrags finanzielle Mittel geleistet wurden. Advertorials vermengen genau diese Grenze: Werbung wird als redaktioneller Beitrag getarnt, oft auch optisch an das Umfeld angepasst und soll den Anschein von objektivem Journalismus erwecken. Diese Form der Werbung ist nur zulässig, wenn sie nach §26 Mediengesetz als solche gekennzeichnet ist, um Leser_innen nicht zu täuschen. Doch auch wenn gekennzeichnet wird, sind diese Schriftzüge oftmals gut versteckt platziert: So finden sich Kennzeichnungen beispielsweise senkrecht, in deutlicher kleinerer Schrift als der Werbebeitrag oder in einer optisch ungünstigen Farbe. Wird die Kennzeichnung unterlassen, dann ist dies (verbotene) Schleichwerbung. Bei Verstößen drohen (theoretisch) Verwaltungsstrafen von bis zu 20.000 Euro. Theoretisch deshalb, weil der oben genannte Artikel vermuten lässt, dass es sich hier um nicht exekutiertes Recht handelt. Ob die Behörde diesen Verstößen ausreichend nachgeht, ist fraglich. Dies wäre jedoch angesichts der Bedeutung von Journalismus in unserer Gesellschaft als absolut notwendig anzusehen, um das hohe Gut von glaubwürdigem, angesehenem Journalismus in einer Demokratie nicht zu beschädigen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:

 

  1. Was wurde aus den 476 Verdachtsfällen, die 2015 der Polizei übergeben wurden?
    1. Bei wie vielen wurden jeweils wann Ermittlungen aufgenommen, wann jeweils eine Verwaltungsübertretung festgestellt und daher und in weiterer Folge jeweils wann eine Verwaltungsstrafe in jeweils welcher Höhe verhängt?

                                          i.    Wie viele jeweils davon waren entgeltliche Veröffentlichungen von Rechtsträgern des Bundes gem. den Richtlinien über Ausgestaltung und Inhalt entgeltlicher Veröffentlichungen von Rechtsträgern des Bundes?

    1. Bei wie vielen kam es zu einer Verfolgungsverjährung nach §31 Abs 1 VStG?
    2. Bei wie vielen kam es zu einer Strafbarkeitsverjährung nach §31 Abs 2 VStG?
    3. Bei wie vielen kam es wann zu einem Absehen von der Einleitung oder Fortführung des Strafverfahrens nach §34 Z2 VStG?
    4. Bei wie vielen kam es wann zu einer Einstellung nach §45 VStG?
    5. Kam es zu Anzeigen wegen Amtsmissbrauchs in Ihrem Ministerium oder nachgelagerten Behörden bzw. Dienststellen im Zuge der (Nicht-)Bearbeitung der besagten Verdachtsfällle?

                                          i.    Wenn ja: wann inwiefern und mit welchem Ergebnis zu welchem Zeitpunkt?

    1. Wie viele Verdachtsfälle blieben unbehandelt?
    2. Wie viele Verdachtsfälle haben Sie verloren?
  1. Was wurde aus den verbliebenen 40 Verdachtsfällen, die 2020 an die Polizei übergeben wurden?
    1. Bei wie vielen wurden jeweils wann Ermittlungen aufgenommen, wann jeweils eine Verwaltungsübertretung festgestellt und daher und in weiterer Folge jeweils wann eine Verwaltungsstrafe in jeweils welcher Höhe verhängt?

                                          i.    Wie viele jeweils davon waren entgeltliche Veröffentlichungen von Rechtsträgern des Bundes gem. den Richtlinien über Ausgestaltung und Inhalt entgeltlicher Veröffentlichungen von Rechtsträgern des Bundes?

    1. Bei wie vielen kam es zu einer Verfolgungsverjährung nach §31 Abs 1 VStG?
    2. Bei wie vielen kam es zu einer Strafbarkeitsverjährung nach §31 Abs 2 VStG?
    3. Bei wie vielen kam es wann zu einem Absehen von der Einleitung oder Fortführung des Strafverfahrens nach §34 Z2 VStG?
    4. Bei wie vielen kam es wann zu einer Einstellung nach §45 VStG?
    5. Kam es zu Anzeigen wegen Amtsmissbrauchs in Ihrem Ministerium oder nachgelagerten Behörden bzw. Dienststellen im Zuge der (Nicht-)Bearbeitung der besagten Verdachtsfällle?

                                          i.    Wenn ja: wann inwiefern und mit welchem Ergebnis zu welchem Zeitpunkt?

    1. Wie viele Verdachtsfälle blieben unbehandelt?
    2. Wie viele Verdachtsfälle haben Sie verloren?
    3. Wie oft wurden anderweitig Verdachtsfälle verloren (bitte um Nennung der Zahlen pro Quartal seit 2015)?

                                          i.    Falls Zahlen unbekannt: wie kann dann ein seriöses Fehlermanagement Einzug halten, um diesen rechtsstaatlichen Missstand zu beheben? 

    1. Wie oft wurden anderweitig Anzeigen verloren (bitte um Nennung der Zahlen pro Quartal seit 2015)?

                                          i.    Falls Zahlen unbekannt: wie kann dann ein seriöses Fehlermanagement Einzug halten, um diesen rechtsstaatlichen Missstand zu beheben?

    1. Warum wurden nicht alle 500 an die Polizei herangetragenen Verdachtsfälle aufgenommen?
  1. Ist es üblich, dass die Einhaltung des Medienrechts nur "stark selektiv exekutiert" wird?
  2. Wie viele Mitarbeiter_innen Ihres Ministeriums oder der jenen nachgelagerten Behörden bzw. Dienststellen beschäftigen sich mit der Einhaltung und Exekution des Medienrechts? (bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland und Jahren seit 2015)
  3. Wie viele Mitarbeiter_innen befassen sich ausschließlich mit der Einhaltung des Medienrecht je LPD? (bitte um Aufschlüsselung nach LPD und Jahren seit 2015)
  4. Wie viele Verwaltungsstrafen gab es in den Jahren 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020 und 2021 nach §27 Abs 1 Z 2 MedienG?
    1. Wie viele davon wurden im Zuge der Amtswegigkeit aufgegriffen?
    2. Wie viele davon waren entgeltliche Veröffentlichungen von Rechtsträgern des Bundes gem den Richtlinien über Ausgestaltung und Inhalt entgeltlicher Veröffentlichungen von Rechtsträgern des Bundes?
  1. Bei wie vielen Anfangsverdachtsfällen nach §27 Abs 1 Z 2 MedienG kam es zu einer Verfolgungsverjährung nach §31 Abs 1 VStG? (bitte um Aufschlüsselung nach Jahren seit 2015)
  2. Bei wie vielen Anfangsverdachtsfällen nach §27 Abs 1 Z 2 MedienG kam es zu einer Strafbarkeitsverjährung nach §31 Abs 2 VStG? (bitte um Aufschlüsselung nach Jahren seit 2015)
  3. Bei wie vielen Anfangsverdachtsfällen nach §27 Abs 1 Z 2 MedienG kam es zu einem Absehen von der Einleitung oder Fortführung des Strafverfahrens nach §34 Z2 VStG? (bitte um Aufschlüsselung nach Jahren seit 2015)
  4. Bei wie vielen Anfangsverdachtsfällen nach §27 Abs 1 Z 2 MedienG kam es zu einer Einstellung nach §45 VStG? (bitte um Aufschlüsselung nach Jahren seit 2015)