9887/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.02.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Jörg Leichtfried,
Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport 

betreffend Gibt es einen Sideletter zur Abschaffung von Steuern für Millionäre? 

 

Die aufgetauchten Sideletter zwischen ÖVP und Grüne haben tief in die Abgründe des Politikverständnisses der Regierung blicken lassen. Dabei geht es nicht nur um potentiell rechtswidrige Vorgänge wie Postenabsprachen beim ORF oder der FMA, sondern auch um politische Untiefen, die man in Österreich bisher nicht gesehen hat. Und das ausgerechnet in der ersten Regierungsbeteiligung der Grünen auf Bundesebene. Eines ist bereits jetzt klar: Die Abschaffung der sogenannten „Hacklerregelung“ wurde in einem Sideletter festgehalten, aber nicht ins Koalitionsabkommen von ÖVP und Grünen geschrieben. Das ist nicht nur ein glatter Betrug an der grünen Basis – die über dieses Vorhaben eben nicht informiert werden sollte – es ist vor allem auch Betrug am Wähler. Einen so wesentlichen Eingriff in die Pensionen von Millionen Menschen aktiv zu verschweigen, ist das Gegenteil von Anstand und Transparenz.

Es stellt sich die Frage, ob überhaupt schon alle Nebenvereinbarungen offengelegt wurden. Die ÖVP schreit in letzter Zeit auffällig laut nach der Abschaffung der Spekulationssteuer auf Aktiengewinne. Diese Steuer wurde von der SPÖ gegen die ÖVP durchgesetzt. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass nicht nur die Zinsen am Sparbuch sondern auch die Kursgewinne auf Aktienspekulationen besteuert werden müssen. Eigentlich eine klare Sache, aber in diesen Zeiten ist es mehr als verwunderlich, was in Österreich unter grüner Regierungsbeteiligung „alles möglich ist“.

Die SPÖ will daher wissen, ob die Abschaffung von Millionärsabgaben – wie der Spekulationssteuer auf Aktiengewinne – ebenfalls in Nebenabsprachen und Sideletter vereinbart wurden.

 

Im Regierungsprogramm heißt es dazu unter dem Titel „Private Altersversorgung stärken“: „Erarbeitung einer Behaltefrist für die Kapitalertragssteuerbefreiung für Kursgewinne bei Wertpapieren und Fondsprodukten“.

 

Aus unserer Sicht lässt sich aus diesem Satz keineswegs die Abschaffung der Wertpapierspekulationssteuer herauslesen. Wenn das jedoch so gemeint war, dann wäre es besonders perfide. Denn: Einerseits ist dann der Plan der Regierung unter dem Titel „Altersvorsorge“ eine Steuer, die zu mehr als der Hälfte vom reichsten Prozent(!) der Menschen in Österreich zu bezahlen ist, abzuschaffen während die öffentlichen Pensionen (Stichwort: „Hacklerregelung“) radikal gekürzt werden. Ersteres ist im Koalitionsabkommen festgeschrieben, zweiteres in nicht öffentlichen Nebenvereinbarungen. Das ist pure Wählertäuschung und der Gipfel der Unanständigkeit.

 

 

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE

1)    Gibt es eine Nebenabsprache zwischen ÖVP und Grüne - mündlich oder schriftlich - („Sideletter“) zur Abschaffung der Wertpapierspekulationssteuer?

2)    Ist aus diesem Satz aus dem Regierungsprogramm: „„Erarbeitung einer Behaltefrist für die Kapitalertragssteuerbefreiung für Kursgewinne bei Wertpapieren und Fondsprodukten“, aus Ihrer Sicht die Abschaffung der Wertpapierspekulationssteuer abzuleiten?

3)    Ist Ihnen – als Ökonom – bekannt, dass nach jüngster Erhebung der OeNB das reichste Prozent der Haushalte in Österreich bis zu 50% des Vermögens hält?

4)    Ist Ihnen – als Ökonom – bekannt, dass Österreich internationales Schlusslicht bei vermögensbezogenen Steuern, aber ein Hochsteuerland auf Arbeit ist?

5)    Falls 3 und 4 zutrifft: Warum haben Sie als grüner Chefverhandler zugestimmt, dass vermögensbezogene Steuern, die fast ausschließlich die Multimillionäre treffen, abgeschafft werden?

6)    Warum haben Sie die Abschaffung der Hacklerregelung – im Gegenzug zur Passage aus Frage 2 - nicht ins Regierungsprogramm genommen?

7)    Hätte die grüne Basis aus Ihrer Sicht einer Abschaffung der Hacklerregelung – also einer Kürzung der Pensionen von Millionen von Menschen – in Verbindung mit der Abschaffung einer Spekulationssteuer, die fast ausschließlich die Superreichen trifft, unter dem Titel „Altersvorsorge“ zugestimmt?

8)    Würden Sie heute noch immer ernsthaft behaupten: „Der Anstand würde „Grün“ wählen?“