9900/J XXVII. GP

Eingelangt am 23.02.2022
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten DI Gerhard Deimek, Edith Mühlberghuber, Hermann Brückl,MA

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien

betreffend Inklusive Schülertransporte

 

 

"Oberösterreichische Nachrichten" vom 12.01.2022:

Ministerieller Bürokratismus gefährdet erfolgreiches Gmundner Schulmodell

Eine Autobus-Regelung stellt Integrationsmodell der Nikolaus-Lenau-Schule infrage

 

Die Nikolaus-Lenau-Schule in Gmunden ist ein Vorzeigemodell. Die Sonderschule begann vor 30 Jahren, auch Volksschulklassen zu führen, in denen pro Klasse integrativ auch drei bis sechs Kinder mit erhöhtem Förderbedarf unterrichtet werden. Davon profitieren beide Gruppen: Benachteiligte Kinder erfahren Integration (auf die sie ohnehin ein Anrecht hätten), die anderen Kinder werden sozial gestärkt. Mittlerweile wird dieser Schulversuch an neun Standorten in Oberösterreich durchgeführt.

 

"Schule entwickelt sich zurück"

Doch er ist in Gefahr. "Unsere Schule entwickelt sich gerade wieder zu einer reinen Sonderschule zurück", sagt Schuldirektor Walter Mayrhofer. Schuld ist die österreichische Rechtslage beim Schülertransport, die mit dem preisgekrönten Schulversuch aus Gmunden nicht kompatibel ist.

Als Sonderschule hat die Nikolaus-Lenau-Schule einen Pflichtsprengel von zwölf Gemeinden im Norden des Bezirks. Weil viele davon (zum Beispiel die Almtalgemeinden) schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln angebunden sind, werden die Kinder mit Kleinbussen ("Schülertransport im Gelegenheitsverkehr") transportiert. Für Kinder mit besonderem Förderbedarf wird das vom Familienlastenausgleichsfonds finanziert. Als das Familienministerium im Jahr 2020 jedoch erfuhr, dass im Fall der Nikolaus-Lenau-Schule auch Volksschulkinder ohne besonderen Förderbedarf in den Kleinbussen transportiert werden, lehnte das Ministerium es ab, das für sie weiter zu finanzieren.

"Seither bringen manche Eltern, die sich zwei Autos leisten können, ihr Kind selbst zur Schule - was eigentlich niemand will", sagt Mayrhofer. "Andere melden ihr Kind aber einfach nicht mehr bei uns an. Wir hatten vor zwei Jahren 30 Neuanmeldungen für unsere Volksschulklassen. Letztes Jahr waren es nur noch zwölf."

 

Geschwister werden getrennt

Das gefährde aber das Schulmodell, erklärt der Direktor. "Wenn der Anteil von Kindern mit besonderem Förderbedarf, zum Beispiel weil sie taub sind, in der Klasse zu hoch wird, funktioniert die Integration nicht mehr", sagt Mayrhofer. Darüber hinaus würden Geschwister auseinandergerissen. Denn viele Eltern von beeinträchtigten Kindern möchten, dass es die gleiche Schule besuchen kann wie die Schwester oder der Bruder.

 

Mit Unterstützung des Gmundner Bürgermeisters Stefan Krapf (ÖVP) hat Direktor Mayrhofer bereits versucht, Ministerialbeamte zum Einlenken zu bewegen, doch die beiden bissen auf Beton. Mayrhofer klappert nun Nationalratsabgeordnete ab, um sie zu einer Gesetzesänderung zu bewegen.

Kuriosum am Rande: Die Kindertransportkosten, um die es geht, betragen rund 60.000 Euro pro Schuljahr. Gmunden oder das Land Oberösterreich könnten hier durchaus einspringen - dürfen aber nicht, weil das gesetzlich nicht vorgesehen ist.

Bürgermeister Krapf kündigt an, die Schule in ihrem Kampf weiter zu unterstützen. "Die Nikolaus-Lenau-Schule ist ein Paradebeispiel für gelebte Inklusion", sagt er. "Wie ein Staat so unflexibel sein kann, dass er das gefährdet, ist mir unverständlich."

"Die Nikolaus-Lenau-Schule ist ein Paradebeispiel für gelebte Inklusion. Wie ein Staat so unflexibel sein kann, dass er so etwas gefährdet, ist mir unverständlich."

 

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien folgende

 

Anfrage

 

1.     Ist Ihnen der oben geschilderte Sachverhalt bekannt?

2.     Wann und von wem wurde an Sie der Wunsch nach Weiterführung des bisherigen Schulbusses in diesem konkreten Fall an Sie herangetragen?

3.     Weshalb haben Sie dieses Anliegen abgelehnt?

4.     Wie viele Schüler haben jeweils in den letzten 3 Jahren den angebotenen Schülertransport in Gmunden genutzt?

5.     Aus welchen Gründen ist ein gemeinsamer Schülertransport von Kindern mit und ohne Förderbedarf aus Ihrer Sicht nicht möglich bzw. nicht sinnvoll?

6.     Wie vielen anderen Schulen wurden jeweils in den letzten 3 Jahren die Schülertransporte gestrichen?

7.     Welche Schulen sind konkret davon betroffen und seit wann bzw. ab wann gibt es in den jeweiligen Fällen aus welchen Gründen keinen Schülertransport mehr?

8.     Wie viele Schüler sind im heurigen Schuljahr davon betroffen?

9.     Aus welchen Gründen lehnen Sie Schülertransporte, in denen Kinder mit und ohne Förderbedarf gemeinsam transportiert werden, ab?

10.  Welche Änderungen sind notwendig, dass es bei Bedarf Schülertransporte alle Kinder einer Schule unabhängig von einem allfälligen Förderbedarf transportieren dürfen?

11.  Wann wird es zu Änderungen bei den Schülertransporten kommen?