9927/J XXVII. GP

Eingelangt am 23.02.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Cornelia Ecker,

Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

 

betreffend Zentralisierung des Austro Control - Flugwetterdienstes in Wien

Die Austro Control plant in einem weiteren Projekt „Heading 030+“, den Austro Control Flugwetterdienst (ACG MET) an allen Bundesländerflughäfen aufzulösen und die Arbeitsplätze nach Wien Schwechat zu zentralisieren.

In einem ersten Schritt soll der Flugwetterdienst bereits ab 24. Februar 2022, auch auf dem Flughafen Salzburg mit seinen kritischen An- und Abflugverfahren, nicht mehr die gesamte Flughafenöffnungszeit personell besetzt sein.

In einem weiteren Projekt „Polaris“ ist geplant, den Flugwetterdienst mit seinen gesamten wichtigen Aufgaben (Flugberatungen, Flugwetter Beobachtung, Flugwettervorhersage, Flugwetterwarnungen, Blitz-Shut-Down Warnungen für den Flughafen,...) sensorgestützt für alle Bundesländerflughäfen, d.h. auch für die kritischen KAT C Flughäfen Salzburg und Innsbruck nur mehr von Wien aus zu betreiben.

Das Wetter über den Alpen, in Alpentälern und Alpenvorland ist mit einem lokalen Mikroklima vergleichbar. Wetter Erscheinungen u.a. wie Föhn, Wintergewitter, Staulagen, Nebel, Windscherungen und Turbulenzen verbunden mit schwierigen Instrumenten An-/Abflugverfahren -vor allem bei kritischen Flughäfen wie Salzburg und Innsbruck - bedürfen jedoch weiterhin eines erfahrenen und gut eingeschulten Meteorologen vor Ort.

Testläufe der vergangenen Monate haben gezeigt, dass die als Ersatz angedachten Sensoren nur punktuelle Messergebnisse abliefern und für Instrumenten An- /Abflugverfahren mit hohem Sichtflugteil wiederholt nicht brauchbar sind. Die Sensorwerte in Bezug auf Sicht, Wolken, Art des Niederschlags weichen von den tatsächlichen Werten oft weit ab, insbesondere bei kritischen Wetterlagen. Weiters beurteilt der „vor Ort“ MET Bedienstete das Gesamtbild am jeweiligen Flughafen und auch entlang der Flugwege der An- und Abflugverfahren. Hinlänglich bekannt ist, dass die Sensorik inklusive Kamerasysteme bei kritischen Wetterlagen massive Schwächen aufweist.

Ausfälle von Sensoren und aller anderen lokalen Messanlagen können nicht ausgeschlossen werden. Sogar interne Untersuchungen der ACG MET bestätigen, dass wichtige sicherheitsrelevant notwendige Klartextzusätze im Flugwetterbericht nicht mit ausreichender Qualität von einer weit entfernten Dienststelle („remote“) erstellt werden können.

Im Zuge des Klimawandels werden auch lokale, kurzfristige Extremwettergeschehnisse (starke Gewitter, die oft lange stationär bleiben) immer öfter beobachtet. Auch hier zählt die lokale Erfahrung des MET Bediensteten vor Ort, der die Lage unmittelbar schnell einschätzt und sowohl den Fluglotsen als auch den Piloten wertvolle, sicherheitsrelevante Hinweise für eine sichere, effiziente Flugdurchführung liefert.

Weder Sensoren noch Meteorologen im fernen Wien, welche die lokalen Gegebenheiten nicht kennen, können dies so beurteilen wie der Fachmann vor Ort.

Da mittlerweile vermehrt solche Wetterphänomene gleichzeitig an unterschiedlichen Orten auftreten, ist auch zu bezweifeln, dass sich ein MET Bediensteter, der mehrere Stationen gleichzeitig aus der Ferne betreuen muss, sich dann auf einen besonders kritischen Flugplatz konzentrieren wird können.

Die Flughäfen in den Bundesländern wurden seitens ACG MET und ACG GF unzureichend informiert. Gerade auf kritischen Airports wie Salzburg und Innsbruck (KAT C Flugplätze) ist eine genaue Flugwettervorhersage aber auch eine umfassende lokale Wetterbeobachtung von hoher Wichtigkeit. Die Airlines benötigen eine zuverlässige Wettervorhersage und eine aktuelle Beobachtung um Anflugverfahren, mitzuführende Treibstoffmenge, Einsatz bzw. Zulassung der Pilotencrews, etc. genau vorzuplanen. Davon hängt die Wirtschaftlichkeit eines jeden Fluges ab, ganz abgesehen von den Auswirkungen auf die Umwelt. (Warteschleifen, Fehlanflüge, Ausweichen auf andere Flugplätze verbunden mit Bustransfers).

Auch der Österreichische Aeroclub äußert sich kritisch, da für alle Luftsportteilnehmer die wertvolle Expertise vor Ort verloren geht.

Lokale Experten (MET, ATM Fluglotsen), die Betriebsräte - obwohl gemäß ArbVG zwingend vorgesehen - und die Stakeholder wie Arlines, Piloten und Flughäfen wurden im Projekt nie miteinbezogen. Nun aber vor vollendete Tatsachen gestellt. Jedoch liegen jetzt sehr kritische Stellungnahmen schriftlich vor.

MET Mitarbeiter vor Ort sollen mit „Golden Hand Shake“ Lösungen „abgefertigt“ werden. Bis 2024 werden MET Mitarbeiter von Salzburg nach Innsbruck reisen, um von dort Wettermeldungen für Salzburg zu erstellen! Ab 2024 (Projekt Polaris) werden die restlichen MET Mitarbeiter von Innsbruck und Salzburg nach Wien versetzt, um von dort aus Wettermeldungen für diese Flughäfen zu erstellen. Sollten diese verbleibenden Mitarbeiter einer Versetzung nicht zustimmen, werden sie gekündigt bzw. der Vertrag nicht mehr verlängert. Aktuell werden in Wien bereits 3 Meteorologen neu eingestellt.

In Wien werden also neue, zusätzliche Arbeitsplätze und Arbeitspositionen geschaffen, während z.B. in Salzburg auf dem modernsten Turm in Österreich alle erforderlichen technischen Einrichtungen vorhanden sind.

In Zeiten der Digitalisierung müsste es möglich sein, gewisse Aufgaben der ACG MET auf digitale Arbeitsplätze im Bundesland zu definieren, und damit zeitgleich aber auch Personal für die kritischen Flugplätze wie Salzburg und Innsbruck vor Ort weiter zu beschäftigen. Dies wäre ohne große zusätzliche Investitionen möglich.

Gemäß Luftfahrtgesetz §119 ff dient die Flugsicherung der sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Flugverkehrs. Die Flugsicherung umfasst auch den Flugwetterdienst. Zum Zwecke der Flugsicherung sind Außenstellen zu errichten.

Mit der Auflösung des Flugwetterdienstes an den Bundesländerflughäfen und der damit verbundenen Automatisierung können die erforderlichen Sicherheits- und Qualitätsstandards de facto nicht mehr eingehalten werden. Insbesondere die sehr schwierig anzufliegenden Flughäfen Innsbruck und Salzburg werden wirtschaftliche Nachteile zu erwarten haben.

Die Austro Control als sicherheitskritische Infrastruktureinrichtung unterliegt der Aufsicht des BMK.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie folgende

Anfrage

1.   Hohe technische Standards bieten zwar Sicherheit, jedoch können Störungen, Ausfälle und Fehlanzeigen nicht ausgeschlossen werden. Wie wollen Sie sicherstellen, dass es dadurch zu keinem Sicherheitsverlust kommt?

2.   Sind die oben genannten Einwände in einem Safety Assessment ausführlich behandelt worden? Wie lautet das Ergebnis bzw. welche Findings hat es ergeben?

3.   Wie sind die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Stakeholder (Flughäfen, Airlines) zu bewerten?

4.   Beobachtungen der Gewitter-Sensorik zeigen mehrmals im Jahr Fehlmeldungen von Blitzen, die es gar nicht gibt und zu unnötigen Einstellungen des Flughafenbetriebes führen würden. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die „Blitz-Shut-Down“ Phasen vor Ort zuverlässig und sicher abgewickelt werden und den jeweiligen Flughafen nicht unnötig lang stilllegen?

5.   Qualitätsverlust in der Luftfahrt bedeutet nicht nur wirtschaftlichen Verlust, sondern auch Verlust an Sicherheit. Wer übernimmt die Verantwortung, wenn auf Grund nicht korrekter oder fehlender Flugwettermeldungen ein sicherheitsrelevanter Vorfall entsteht oder sogar ein Flugunfall passiert? Wer übernimmt die Verantwortung und die Kosten, wenn auf Grund falscher und fehlender Wettermeldungen Luftfahrzeuge nicht landen können und dürfen und zum Ausweichflughafen fliegen müssen?

6.   Wie begründen Sie die Abschaffung “lokaler Wetterwarnungen“ in MET- Reports, obwohl diese seitens der Fluglotsen und Linienpiloten als Safety- relevanter wichtiger Zusatz für eine sichere Flugdurchführung erachtet wird?

7.   Wieso wurden kritische Anmerkungen zu diesem Projekt, sowohl von lokalen Experten aber auch den Stakeholdern (u.a. Fluglotsen, Linienpiloten, Aeroclub und Flughäfen) nicht anerkannt? Wieso wurde bei der Erarbeitung des Projektes POLARIS auf die Mitwirkung lokaler Experten und deren Expertisen verzichtet?

8.     Die Einschulung („rating Ausbildung“) der nicht ortansässigen MET Bediensteten auf einem Flughafen soll nur eine „Tages- Schnelleinweisung“ sein. Für eine fundierte Ausbildung ist die Kenntnis über den Jahreszyklus der lokalen Wettersituation jedoch unbedingt erforderlich. Ist dies der Obersten Zivilluftfahrtbehörde bekannt? Wenn ja, wie lautet deren Stellungnahme dazu? Gibt es bei ACG MET zertifizierte und genehmigte Ausbildungspläne ähnlich wie bei der Fluglotsenausbildung? Wenn ja, sind diese von der obersten Zivilluftfahrtbehörde zertifiziert und wo sind diese einsehbar?

9.     In einer MET Verfahrensanweisung ist angedacht, dass TWR Fluglotsen bei Anfrage Wetterbeobachtungen der entfernten „remote“ Stelle verifizieren sollen. Fluglotsen sind keine ausgebildeten zertifizierten Wetterbeobachter und nicht berechtigt dies zu tun. Auf welcher Basis basiert dann diese Anweisung?

10.   Wie beurteilt die Aufsichtsbehörde die Tatsache, dass insbesondere auch im Zuge des Klimawandels mit den immer häufiger auftretenden Wetterextremen auf kritischen und schwierig anzufliegenden Flughäfen wie Salzburg und Innsbruck in Zukunft kein zertifizierter Flugwetter Meteorologe vor Ort arbeitet?

11.   Ist so ein Projekt mit den gültigen EASA Bestimmungen vereinbar? Wenn ja, wie lauten diese Bestimmungen? Gibt es EASA Bestimmungen, vor allem in Bezug auf die kritischen Flughäfen (KAT C) wie Salzburg und Innsbruck?

12.   Auf jedem deutschen Verkehrsflughafen mit Instrumentenflug und kommerziellem Linien- und Charterflug ist die Anwesenheit eines zertifizierten Wetterbeobachters vorgeschrieben. Mit welcher Expertise traut sich Österreich darauf zu verzichten?

13.  Gibt es westeuropäische Beispiele, bei denen Verkehrsflughäfen mit etwa 2 Mio. Passagieren, 320 tägliche Flugbewegungen an Spitzentagen - ohne allgemeine Luftfahrt - topographisch alpinen Lagen und auch schneereichen Winterbetrieb in Verbindung mit schwierig zu fliegenden An- und Abflugverfahren nicht zuletzt auch auf Grund von Umweltauflagen, keinen zertifizierten Flugwetter Meteorologen mehr vor Ort haben?

Die Austro Control muss bei Projektplanungen neben Abwägung und Überprüfung

der Safety und Anforderungen der Stake Holder auch Kosten und Nutzen Analysen

erstellen:

14.  Gibt es genaue detaillierte Aufstellungen der Kosten des Projektes (technische Umrüstung, Sensoren redundant ja/nein, Kosten der Umgestaltung der MET in Wien, Schulung, Entschädigung von MET Mitarbeitern (Golden Hand Shake, Versetzungen, Dienstzuteilen, Neuaufnahmen in Wien mit Einschulung), Speicherung der Daten, etc.)? Wenn ja, welche Kosten wurden veranschlagt und wie sehen diese Berechnungen und Aufstellungen genau aus?

15.  Was passiert mit den vorhanden MET Räumlichkeiten? An vielen Flugsicherungsstellen können diese nicht weitervermietet werden, weil sich diese im Hoch-Sicherheits-Bereich des operativen Flugsicherungsbetriebes befinden (z.B. Salzburg mit dem modernsten Turmgebäude in Österreich mit redundanter, moderner, hochwertiger Ausstattung im MET Büro). Wie werden diese erst kürzlich errichteten Räumlichkeiten dann weiter sinnvoll verwendet?

16.  Es werden in Wien neue Räumlichkeiten für den Remote Betrieb geschaffen und zusätzliches neues Personal aufgenommen, während in den Bundesländerdienststellen qualifizierte Dienstposten aufgelöst und vorhandene Räumlichkeiten (inkl. technischer Einrichtung) nicht mehr genutzt werden und zu „Geisterbüros“ mutieren. Auch die Flughafenbetriebsgesellschaften haben hohe finanzielle Beiträge geleistet. Wer übernimmt die Verantwortung für diese Politik der Ressourcen- und Geldverschwendung?

17. Warum können nicht im digitalen Zeitalter noch zusätzliche Tätigkeiten der MET (GAFOR Erstellung, allgemeine Flugwetterprognosen, Statistiken, etc.) auch im Bundesland erledigt werden, um somit hochqualifizierte Arbeitsplätze zu erhalten und zugleich die erforderliche MET Betreuung vor Ort weiterhin zu gewährleisten?

Der Klimawandel und die Erfordernisse zu einem Wechsel zu einem klima freundlichen Verkehrswesen werden immer wichtiger. Jede Verkehrsschiene muss Ihren Beitrag leisten, auch die Luftfahrt im gesamten wird an vielen Stellschrauben drehen und an Verbesserungen arbeiten müssen. (z.B.: kürzere, direkte Flugstrecken „Free Route“, optimierte An-/.'Abflugverfahren, Continuous-descend Anflüge, Airspace Management - Verringerung von Holdings, Einsparung von Enteisungsmittel, CDM Verfahren auf Airports usw....).

Gerade der Flugwetterdienst spielt dabei eine große Rolle, wenn Piloten bei kritischen Flughäfen wie Salzburg und Innsbruck die verschiedenen An-/Abflugverfahren genau vorplanen können, um so Warteschleifen (u.a. warten auf bessere Wetterbedingungen), Fehlanflüge (Spritverbrauch, CO2 Belastung, Bodenlärm und Fluglärm über den Stadtkernen Salzburg und Innsbruck), Vermeidung von unnützen Ausweichlandungen (Bustransfer zu entfernten Flugplätzen) vermeiden zu können.

Eine dezentrale „Fernwetterprognose" basierend auf Kameras und Sensoren kann dies - wie oben erwähnt - nicht sicherstellen.

18.  Wie sind solche Projekte mit den dargestellten Bedenken mit der aktuellen Diskussion rund um dem Klimawandel vereinbar?