Parlamentarische Materialien

994/J XXVII. GP

Eingelangt am 21.02.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Sabine Schatz, GenossInnen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend die Aktivitäten von Staatsverweigerern 2019

Sowohl der Tätigkeitsbericht der Bundesstelle für Sektenfragen als auch der aktuelle Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) beschäftigen sich mit dem Phänomen der staatsfeindlichen Umtriebe in Österreich. Zu den „Staatsverweigerern“ gehören „Souveräne“, „Souveränisten“, „Freeman on the Land“, „Selbstverwalter“, „Reichsbürger“ und andere „staatsfeindliche Verbindungen und Bewegungen“[1]. Der „Staatenbund Österreich“ galt als die bisher größte „Staatsverweigerer“-Gruppierung in Österreich[2], gegen deren „Präsidentin“ und einige ihrer MitstreiterInnen am 15.10.2018 am Landesgericht für Strafsachen in Graz ein Prozess unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer staatsfeindlichen Verbindung, versuchte Bestimmung zum Hochverrat, gefährliche Drohung, versuchte Bestimmung zum Missbrauch der Amtsgewalt sowie versuchte Nötigung begonnen hatte.

Obwohl der Prozess laut BVT ein „ein schwerer Schlag gegen die Staatsverweigerer-Szene“[3] gewesen sei, war „die Wirkung der bereits umgesetzten Hausdurchsuchungen und Festnahmen nicht ausreichend, um Aktivitäten aus dem Umfeld des „Staatenbundes Österreich“ nachhaltig zu verhindern“[4]. Auch gegen AktivistInnen des „International Common Law Court of Justice Vienna“ (ICCJV) wurde 2018 juristisch vorgegangen[5].

Im Verfassungsschutzbericht des Jahres 2018 heißt es abschließend: „Die bisherigen Erfahrungen und der derzeitige Erkenntnisstand der Staatsschutzbehörden weisen darauf hin, dass das Phänomen „Staatsfeindliche Verbindungen“ sowohl in den bereits bekannten Formen als auch mit neuen Namen und differenziert begründetem Auftreten, auch in Zukunft ein wesentliches Aufgabengebiet der Verfassungsschutz-behörden darstellen wird.“[6]

Die Kronen Zeitung vom 17. Februar 2020 berichtete im Zusammenhang mit „Staatsverweigerern“ in Deutschland: „Die Stuttgarter Staatsschützer hatten die Rechtsextremisten seit fünf Monaten im Visier. Die ausgehobene Terrorzelle war offensichtlich brandgefährlich. Im Visier standen unliebsame Politiker, Asylwerber und Muslime. Dabei sollte auch ein Moschee-Massaker nach dem irren Vorbild des erschütternden Christchurch-Anschlags in Neuseeland verübt werden.“[7] Weiter heißt es: „Von namentlich 1300 bekannten heimischen Staatsverweigerern hatten 2017 bereits 130, also jeder Zehnte, Waffen zu Hause!“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende Anfrage:

Staatsverweigerer allgemein

1. Wie viele Personen, die zur Szene der Staatsverweigerer im breitesten Sinn gehören, sind dem BVT mit Stand 1.1.2020 namentlich bekannt?

a. Gegen wie viele Personen, die dieser Szene zugerechnet werden können, besteht ein aufrechtes Waffenverbot?

b. Ist in Ihrem Ressort bekannt, wie viele der in Ihrem Ressort namentlich bekannten Staatsverweigerer in Österreich über eine Waffenbesitzkarte verfügen?

c. Gegen wie viele der namentlich bekannten Staatsverweigerer wurde in den Jahren 2015 bis 2020 wegen Verdachts auf Verstoß gegen das Verbotsgesetz ermittelt?

d. Wurde seitens der Finanzpolizei um Amtshilfe Ihres Ressorts angesucht, um gegen einen oder mehrere namentlich bekannte/n Staatsverweigerer zu ermitteln?

i. Wenn ja, in wie vielen Fällen?

ii. Wenn ja, wegen des Verstoßes gegen welche Rechtsnorm?

iii. Wenn ja, wann?

2. Laut Verfassungsschutzbericht 2018 war der Prozess gegen die 14 Mitglieder des Staatenbundes „ein schwerer Schlag gegen die Staatsverweigerer-Szene“[8]. Trifft dies, dem Ermittlungsstand ihres Ressorts und seiner nachgeordneten Stellen für das Jahr 2019 zu?

3. Kam es im Zuge des genannten „Schlages gegen die Staatsverweigerer-Szene“ in den Jahren 2017, 2018 oder 2019 zu Vereinsauflösungen?

a. Wenn ja, ist in Ihrem Ressort bekannt, was mit dem Vereinsvermögen passiert ist?

4. Welche nominellen Auswirkungen hatte der Prozess auf die Szene der Staatsverweigerer in Österreich im Jahr 2019?

5. Welche zentralen Aktivitäten der Staatsverweigerer-Szene sind in Ihrem Ressort für 2019 bekannt?

a. Ist in Ihrem Ressort bekannt, wie die Szene der Staatsverweigerer ihre Aktivitäten in Österreich finanziert?

b. Wie viele dieser Aktivitäten fanden in der zweiten Jahreshälfte 2019 statt?

6. Im Verfassungsschutzbericht 2018 heißt es, dass auch nach dem genannten Prozess gegen führende Kader „sowohl Aktivistinnen und Aktivisten des „Staatenbundes Österreich“ als auch Gruppierungen […] die abgebrochenen Aktivitäten dieser Verbindung, teilweise unter neuen Bezeichnungen, weiterfuhren wollten und wollen“[9]. Welche Aktivitäten sind hier für 2019 bekannt?

a. Wie viele und welche dieser Aktivitäten fanden in der zweiten Jahreshälfte 2019 statt?

7. Die Entstehung welcher neuen Gruppierungen seit dem genannten Prozess der Staatsverweigerer-Szene sind in Ihrem Ressort für das Jahr 2019 bekannt?

8. Ist in Ihrem Ressort bekannt, ob der „International Common Law Court of Justice Vienna“ (ICCJV) personell durch den genannten Prozess gestärkt wurde?

9. Ist in Ihrem Ressort bekannt, wie die Aktivtäten des ICCJV in Österreich finanziert werden?

10. Im Kurier vom 4.12.2019 wird über einen Gerichtsprozess gegen einen Staatsverweigerer in Linz berichtet. In dem Bericht ist zu lesen: „Für das Gericht stand fest, dass der Angeklagte beim "Staatenbund Österreich" und beim "International Common Law Court of Justice Vienna" (ICCJV) "kein kleiner Fisch" war"[10].“ Ist in Ihrem Ressort bekannt, wie stark die personelle Überschneidung zwischen (ICCJV) und dem Umfeld des „Staatenbundes“ im Jahr 2019 war?

11. Welche Aktivitäten des „International Common Law Court of Justice Vienna“ im Jahr 2019 sind in Ihrem Ressort bekannt?

a. Welche und wie viele davon fanden in der zweiten Jahreshälfte 2019 statt?

12. Kam es seit dem 1.7.2019 zu Hausdurchsuchungen/Razzien bei Personen, die der Reichsbürger-Szene zuzuordnen sind?

a. Wenn ja, wann? (Bitte um Auflistung)

b. Wie viele BeamtInnen waren bei den jeweils Hausdurchsuchungen insgesamt vor Ort?

c. Was wurde bei den Hausdurchsuchungen konkret beschlagnahmt?

13. Bilden russische Vereine, Medien oder Organisationen für die Szene der Staatsverweigerer grundsätzlich einen wichtigen Bezugspunkt?

14. Sind Verbindungen zwischen Staatsverweigerern im breitesten Sinn und russischen Rechtsextremen bekannt?

i. Wenn ja, welche?

15. Ist in Ihrem Ressort bekannt, ob es seitens russischer Organisationen finanzielle Zuwendungen an die Reichsbürger-Szene im breitesten Sinn kommt?

a. Wenn ja, von wem konkret?

b. Wenn ja, seit wann?

c. Wenn ja, gibt es in Ihrem Ressort Erkenntnisse über die Höhe dieser Zuwendungen?

16. In der Anfragebeantwortung 4144/AB vom 18.11.2019 zu 4172/J (XXVI. GP) des damaligen Innenministers heißt es: „Es ist bekannt, dass einige Vertreter der Szene der Staatsverweigerer zu russischen Organisationen bzw. Personen in Kontakt stehen.“ Zu welchen russischen Organisationen konkret? (Bitte um Ausführung)

17. Laut Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2018 „war die Wirkung der bereits umgesetzten Hausdurchsuchungen und Festnahmen nicht ausreichend, um Aktivitäten aus dem Umfeld des „Staatenbundes Österreich“ nachhaltig zu verhindern“[11]. Welche Aktivitäten aus dem Umfeld des „Staatenbundes Österreich“ sind in Ihrem Ressort für 2019 bekannt?

a. Wie viele Aktivisten und Aktivistinnen zählt das Umfeld des „Staatenbundes Österreich“ aktuell?

b. Welche und wie viele dieser Aktivitäten fanden in der zweiten Jahreshälfte 2019 statt?

Verbindungen der Staatsverweigerer zur rechtsextremen Szene in der zweiten Jahreshälfte 2019

18. In der Anfragebeantwortung 4144/AB vom 18.11.2019 zu 4172/J (XXVI. GP) des damaligen Innenministers heißt es: „Österreichische Vertreter der Szene der Staatsverweigerer wurden auch seitens der „deutschen Reichsbürger“ zu „Rechtssachverständigen“ ausgebildet bzw. indoktriniert. Ein Teil dieser kostenpflichtigen Ausbildung bzw. Indoktrinierung beinhaltete auch die Vermittlung von nationalsozialistischem Gedankengut.“ In wie vielen Fällen ist solch eine Vermittlung von nationalsozialistischem Gedankengut in Ihrem Ressort bekannt?

a. Durch welche Organisationen passierte eine solche Vermittlung nationalsozialistischer Ideologie?

b. Steht Ihr Ressort diesbezüglich mit den deutschen Sicherheitsbehörden in Austausch?

i. Wenn ja, seit wann?

19. Gibt in Ihrem Ressort Ermittlungserkenntnisse/Informationen darüber, ob es Medien/Plattformen/Zeitschriften (offline wie online) gibt, die sowohl von Staatsverweigerern als auch von Rechtsextremen betrieben werden?

a. Wenn ja, welche?

20. Gibt in Ihrem Ressort Ermittlungserkenntnisse/Informationen darüber, ob es Medien/Plattformen/Zeitschriften (offline wie online) gibt, die sowohl von Staatsverweigerern als auch von Rechtsextremen gelesen werden?

a. Wenn ja, welche?

21. Welche konkreten Verbindungen bestehen zwischen der rechtsextremen Szene in Österreich und den Staatsverweigerern?

22. Welche konkreten Verbindungen bestehen zwischen Neonazis und den Staatsverweigerern?

23. Welche konkreten Verbindungen bestehen zwischen den Staatsverweigerern und öffentlichen MandatsträgerInnen oder parlamentarischen Parteien?

Die Arbeit des BVT im Bereich „Staatsverweigerer 2019

24. Im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2018 heißt es: „Die Aufarbeitung der bisher vorliegenden Daten bestätigte, dass alle relevanten Gruppen in der Staatsverweigerer-Szene nicht nur auf nationaler Ebene aktiv und vernetzt sind. Sie besitzen und betreuen in der Regel auch Kontakte zu Gruppen im Ausland.“ Gab es diesbezüglich Austausch und Zusammenarbeit auf europäischer Ebene seit 1.7.2019?

a. Wenn ja, welchen?

b. Ist Ihr Ressort insbesondere mit dem deutschen und dem Schweizer Verfassungsschutz in regelmäßigem Austausch die Szene der Staatsverweigerer betreffend?

25. Im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2018 heißt es: „Die bisherigen Erfahrungen und der derzeitige Erkenntnisstand der Staatsschutzbehörden weisen darauf hin, dass das Phänomen „Staatsfeindliche Verbindungen“ sowohl in den bereits bekannten Formen als auch mit neuen Namen und differenziert begründetem Auftreten, auch in Zukunft ein wesentliches Aufgabengebiet der Verfassungsschutz-behörden darstellen wird.“[12] Verfügt das BVT über ausreichend personelle Ressourcen, um diese Aufgabe im notwendigen Maße zu erfüllen?

a. Wenn nein, wie viele Planstellen müssten geschaffen werden, um diese Aufgabe noch besser zu erfüllen?

26. In der Anfragebeantwortung 4144/AB vom 18.11.2019 zu 4172/J (XXVI. GP) des damaligen Innenministers heißt es: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfolgt eine Evaluierung des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Diese Evaluierung umfasst auch eine detaillierte Analyse aller Aufgabenbereiche sowie deren ressourcenmäßige Ausstattung. Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse werden entsprechende organisatorische und ressourcentechnische Maßnahmen gesetzt werden“ Wann ist mit dem Abschluss dieser Evaluation zu rechnen?

a. Wann wird es zu einer Veröffentlichung der Ergebnisse dieser Evaluation kommen?

„Reichsbürger“ in Österreich

27. Welche Informationen und Ermittlungsergebnisse liegen in Ihrem Ressort zur Größe der Szene der „Reichsbürger“ in Österreich im Jahr 2019 vor?

28. Ist in Ihrem Ressort bekannt, wie politische Aktivitäten der Reichsbürger-Szene in Österreich finanziert werden? (Bitte um Ausführung)

29. Welche Informationen und Ermittlungsergebnisse liegen in Ihrem Ressort zum Verhältnis zwischen „Reichsbürgern“ und „Staatsverweigerern“ im Jahr 2019 vor?

a. Welche speziellen Entwicklungen konnte ihr Ressort in der zweiten Hälfte des Jahres 2019 feststellen?

30. Welche Informationen und Ermittlungsergebnisse liegen in Ihrem Ressort zur Relevanz der Reichsbürger-Szene in Österreich im Jahr 2019 vor?

a. Welche speziellen Entwicklungen konnte ihr Ressort in der zweiten Hälfte des Jahres 2019 feststellen?

31. Welche Verbindungen zwischen „Reichsbürgern“ und öffentlichen Mandatsträgern oder im Parlament vertretenen Parteien sind in Ihrem Ressort für 2019 bekannt?