9956/J XXVII. GP
Eingelangt am 24.02.2022
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Anfrage
des Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger
und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend Postenschacher und rechtswidrige Botschafterbestellungen der schwarz-grünen Bundesregierung
In der Anfragebeantwortung betreffend „die Bestellung des ehemaligen Außenministers Dr. Michael Linhart zum Botschafter in Berlin“ (8887/AB) führt Außenminister Mag. Alexander Schallenberg aus, dass sein Amtsvorgänger Dr. Michael Linhart zum Botschafter in Berlin bestellt wurde, ohne sich jemals dafür beworben zu haben. 14 als geeignet beurteilte Kandidaten, welche sich fristgerecht beworben hatten, wurden einfach übergangen.
Schallenberg versuchte dieses Vorgehen in der Anfragebeantwortung noch zu rechtfertigen, ruderte aber wenige Tage später in der ZIB 2 am 20. Februar 2022 zurück:
„Wir haben uns jetzt die Rechtslage angeschaut noch einmal genauer und ich muss ganz offen sagen das war ein Fehler, den ich wahnsinnig bedaure und das ist nicht konform. Diese Formulierung der Ausschreibung ist eine, die aus einem alten Rechtsbestand übrig geblieben ist und sie stimmt nicht heute mit dem Ausschreibungsgesetz überein. Das heißt, wir werden morgen selbstverständlich eine neue Ausschreibung in die Wege leiten. […] Ich erwarte auch, dass er [Linhart] sich bewerben wird für Berlin, aber wir werden jetzt eine völlig neue, richtige Bewerbung machen und Ausschreibung machen, weil das muss natürlich alles seine Richtigkeit haben.“
Die Bestellung von Dr. Linhart zum Botschafter in Berlin war demnach offenkundig rechtswidrig und Teil der mehrere Bundesministerien durchziehenden ÖVP-Seilschaften und des tiefschwarzen Postenschacherns. Erwähnenswert ist, dass Schallenberg selbst nur aufgrund von Ministerrochaden, welche die Folge von schweren Korruptionsvorwürfen gegen die ÖVP waren, wieder Außenminister wurde und deswegen Linhart seinen Posten verlor.
Es stellt sich nunmehr die Frage, ob es sich bei diesem Fall des ÖVP-Postenschacherns um einen Einzelfall unter den von dieser Regierung getätigten Benennungen von Botschaftern handelte oder vielmehr derartig rechtswidrige Bestellungen zum Alltag eines von der ÖVP geführten Ressorts gehören.
Ein am 15. Dezember in der APA unter dem Titel „Mehrere enge Kurz-Mitarbeiter und Linhart erhalten Botschafterposten“ erschienener Artikel lässt Schlimmes befürchten: „Kurz' europapolitische Beraterin Barbara Kaudel-Jensen wird Missionschefin in Paris, sein langjähriger Pressesprecher Etienne Berchtold geht nach Abu Dhabi. Kurzzeit-Außenminister Michael Linhart (ÖVP) wechselt nach Berlin. Der frühere Kabinettschef von Kurz im Außenministerium, Christian Ebner, wechselt von Madrid nach Belgrad. Der dortige Botschafter Nikolaus Lutterotti, der früher ebenfalls für Kurz als außenpolitischer Berater tätig war, übernimmt den prestigereichen Posten in Tel Aviv.“
Darüber hinaus ist äußerst irritierend, dass Schallenberg jetzt nicht einen der 14 als geeignet befundenen Bewerber dem Ministerrat als neuen Botschafter in Berlin vorschlägt, sondern eine Neuausschreibung – wohl mit dem ausschließlichen Ziel, dass Linhart sich nun bewirbt und bestellt wird – veranstaltet.
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten folgende
Anfrage
1. Wie viele Botschafter wurden von der aktuellen schwarz-grünen Bundesregierung bestellt?
2. Wie viele davon wurden nach dem Rechtsverständnis von Minister Schallenberg – also vorbei an einer Ausschreibung und ohne Bewerbung – ins Amt gesetzt?
3. Um welche Botschafterposten handelt es sich hierbei?
4. Gab es jeweils im Vorfeld dieser rechtswidrigen Bestellungen ein Ausschreibungsverfahren?
5. Wenn ja, wie viele Personen hatten sich fristgerecht für die jeweiligen Botschafterposten beworben?
6. Wenn ja, wie viele Personen wurden im Rahmen dieser Bewerbungsverfahren jeweils als geeignet eingestuft?
7. Wer traf jeweils die Entscheidung, dass eine Person – auch ohne Bewerbung – zum Botschafter ernannt werden soll?
8. Wie lief der Entscheidungsprozess jeweils im Detail ab?
9. Wer schlug dem Ministerrat diese Bestellungen vor?
10. Informierten Sie den Ministerrat im Vorfeld darüber, dass Sie Personen vorschlagen, welche sich nicht für den Posten des Botschafters beworben haben und dies obwohl ein Ausschreibungsverfahren stattgefunden hat?
11. Wenn nein, warum verschwiegen Sie dem Ministerrat diese entscheidenden Mängel der Bestellungen?
12. Informierten Sie den Ministerrat im Vorfeld darüber, dass diese Personen rechtswidrig ernannt werden?
13. Handelt es sich bei diesen Postenbesetzungen vorbei am Bewerbungsverfahren – entsprechend Ihren Aussagen in der ZIB 2 – um Verstöße gegen das Ausschreibungsgesetz?
14. Wenn ja, welche Schritte werden Sie nun setzen, um diese rechtswidrigen Bestellungen zurückzunehmen?
15. Werden Sie die betroffenen Botschafter zurückberufen und an deren Stelle Personen mit der Funktion des Botschafters betreuen, welche sich beworben haben und als geeignet qualifiziert wurden?
16. Wenn nein, warum nicht?
17. Wurden bei diesen Bestellungen sämtliche weitere Vorgaben zu Bestellungen eingehalten, bspw. die Vorgabe, dienstjüngere Bedienstete mit Leitungsfunktionen dann zu betrauen, wenn keine Bewerbungen qualifizierter ranghöherer Bewerber vorliegen?
18. Bei der Bestellung von welchen Botschaftern, welche ohne Bewerbung ernannt wurden, gab es zugleich Bewerbungen qualifizierter ranghöherer Bewerber?
19. Wann werden Sie die Konsequenz aus diesen ungeheuerlichen Bestellungsvorgängen ziehen und zurücktreten?