996/J XXVII. GP

Eingelangt am 21.02.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Sabine Schatz, GenossInnen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend provokative Geste aus dem Fenster der deutschnationalen Burschenschaft Gothia

 

An 24.1.2019 ist ein Zug der „Donnerstagsdemonstration“ unter anderem auch vor das Lokal der deutschnationalen Burschenschaft Gothia (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen katholischen Studentenverbindung) gezogen, um dort laut Parolen zu rufen.

Die Burschenschaft Gothia ehrt auf ihrer Website unter der Rubrik „Berühmte Gothen“ bekannte Nationalsozialisten und Antisemiten wie den Begründer des modernen Antisemitismus, Georg Schönerer.[1] Die Burschenschaft hing zudem die Flagge der Bundesrepublik Deutschland mit dem Bundesadler vor einem Fenster der Bude im ersten Stock aus, möglicherweise um die Demonstrierenden zu provozieren.

Eine weitere Provokation erfolgte durch den jetzigen[2] Burschenschafter Frederick R., der ein Fenster im zweiten Stock öffnete und den Demonstrierenden Gesten zeigte, die von jenen, die sie sahen, aber auch von vielen, die über ein Foto davon informiert wurden, als Hitlergruß interpretiert wurden. In einer „persönlichen Erklärung“, die Frederick R. am 25.1.19 nachmittags über sein Facebook-Konto, aber auch gegenüber der APA öffentlich machte, bestritt der Burschenschafter einen Hitler-Gruß: „Ich habe keinen ,Hitlergruß‘ gezeigt. Das Foto entstand, als ich - durch die Schmähungen und Angriffe auf das Haus der Burschenschaft provoziert - den Demonstranten zugewunken habe.[3]

In der Folge kam es offensichtlich zu Meldungen an die Polizei bzw. die Staatsanwaltschaft Wien, die zu Ermittlungen wegen des Verdachts der Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz führten, die dann aber im Mai 2019 eingestellt wurden, weil dieser Verdacht in den Ermittlungen anscheinend nicht nachgewiesen werden konnte.

Der Burschenschafter Frederick R. brachte in der Folge Klagen nach dem Mediengesetz gegen einige Personen und auch Medien ein, die sich mit der Geste am Fenster beschäftigt hatten[4]. Vor wenigen Wochen wurden über den Anwalt des Betroffenen auch zahlreiche (mehr als zwanzig) gleichlautende Abmahnschreiben versandt – mit der Aufforderung, einen Schadenersatzbetrag an Frederick R. und eine Aufwandsentschädigung an den Anwalt zu bezahlen, andernfalls es zu zivil- und strafrechtlichen (§ 111 StGB) Klagen kommen würde, die – „in letzter Konsequenz“ – „Prozesskosten in fünfstelliger Höhe“ nach sich ziehen würden.

Der Anwalt verwendet in seinen Schreiben dabei die Argumentation, dass sich „mehrere Strafrichter in den vergangenen Monaten mit ähnlichen Beiträgen zu befassen [hatten], die in ‚Sozialen Medien’ mit Bezug auf meinen Mandanten kursieren, und gelangten dabei (in unabhängig voneinander geführten Verfahren) jeweils zu der Überzeugung, dass derartige Veröffentlichungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen“.

Diesbezüglich handelt es sich um eine äußerst selektive Interpretation der bisher von ihm geführten medienrechtlichen Klagen, von denen zumindest zwei in erster Instanz abgewiesen wurden, aber auch um eine Falschinformation, weil zumindest in einem weiteren medienrechtlichen Verfahren (zu S. Z. in Korneuburg am 15.10.19) die Klage zu § 6 MedienG (üble Nachrede) rechtskräftig abgewiesen wurde und die Beklagte nur zu 300 Euro Entschädigung wegen Verletzung des § 7a MedienG verpflichtet wurde.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Die Medien haben kurz nach dem Vorfall am 24.1.2019 darüber berichtet, dass das Landesamt für Verfassungsschutz Wien sofort, d.h. noch vor der öffentlichen Erklärung des Frederick R., Ermittlungen aufgenommen und eine Anzeige wegen des Verdachts der Wiederbetätigung gegen Frederick R. bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht habe. Ist in Ihrem Ressort bekannt, ob es auch Anzeigen/Sachverhaltsdarstellungen von privater Seite gegeben hat?

a.    Wenn ja, wie viele?

b.    Wenn ja, wann wurden diese eingebracht?

2)    Wann hat das LVT Wien der Staatsanwaltschaft Wien erstmals den Verdacht der Wiederbetätigung gegen Frederick R. angezeigt?

3)    Wann hat die Staatsanwaltschaft Wien Ermittlungen wegen des Verdachts der Wiederbetätigung aufgenommen und wen hat sie mit den Ermittlungen betraut?

4)    Der Staatsanwaltschaft Wien wurde offensichtlich schon mit 30. Jänner 2019 ein erster Zwischenbericht des LVT Wien übermittelt. Welche Anregungen bzw. Empfehlungen für die weitere Vorgangsweise wurden in diesem Zwischenbericht gegeben?

a.    Welche Oberbehörden wurden mit der Causa Frederick R (AZ 504 St18/19x) befasst und wie lauteten deren Stellungnahmen?

b.    Wurden in dieser Causa auch noch andere Personen als der Fotograf befragt, der das Foto mit der Geste (und auch andere) gemacht hat?

c.    Wurden Zeugen aus der Menge der Demonstrierenden, von denen einige die Geste gesehen haben, befragt?

                                          i.    Wenn ja, wie viele Personen wurden befragt?

                                         ii.    Wenn nein, warum nicht?

                                        iii.    Wurden die Frauen aus dem Nachbarhaus, die sich während der Gesten von Frederick R. zu diesem hinüberbeugten, befragt? Wenn nein, warum nicht?

5)    Die Staatsanwaltschaft Wien hat die Ermittlungen gegen Frederick R. mit 6. Mai 2019 anscheinend zunächst mit einer falschen Begründung eingestellt. Wie lautete die irrtümliche Begründung?

a.    Wie lautete dann die korrigierte Begründung im Detail?

6)    Wurden von der Staatsanwaltschaft Wien Verwaltungsbehörden kontaktiert, um zu prüfen, ob wegen einer Verwaltungsübertretung nach EGVG ermittelt wurde?

a.    Wenn ja, wann?

7)    Wurde von den Ermittlungsbehörden geprüft, ob die Burschenschaft Gothia durch die provokative Verwendung der deutschen Flagge eine Verletzung von gesetzlichen Bestimmungen begangen hat bzw. gab es diesbezüglich Anzeigen?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?

8)    Standen Zeuginnen und Zeugen, die in einem medienrechtlichen Verfahren vor Gericht in besagter Sache befragt werden, unter Wahrheitspflicht?

9)    Sind Ihnen die Schreiben des Anwalts von Frederick R. bekannt und gibt es Anhaltspunkte, dass durch diese Vorgangsweise standesrechtliche oder andere Regeln durch die Anzahl der Abmahnschreiben, deren Fristenlauf, der Höhe der geforderten Entschädigungszahlung für den Klienten/die Klientin bzw. der Aufwandsentschädigung für den Anwalt/die Anwältin, der die – in diesem Fall gleichlautenden, mehr als 20 – Abmahnschreiben verfasst hat, verletzt wurden? (Bitte um Ausführung)

10) Im gegenständlichen Fall hat der Anwalt von Frederick R. sehr deutlich mit Prozesskosten in fünfstelliger Höhe gedroht, wenn die gegnerische Seite nicht innerhalb von nicht einmal sieben Tagen die im Abmahnschreiben gestellten Bedingungen (Schadenersatz von 500 bis 1.500 Euro für seinen Klienten, Aufwandsentschädigung von jeweils 1.478,34 Euro) erfüllen würde: „Jede denkmögliche Rechtfertigung ist haltlos“, obwohl die von ihm inkriminierten Postings und Tweets sehr unterschiedlich waren, etwa nur die Bemerkungen „Ernsthaft?“ oder „Hiermit sei der Verdacht der Behörde zur Kenntnis gebracht“ unter einem Foto mit der Geste von Frederick R. enthielten. Gab es in der Vergangenheit Fälle, in denen derartige Abmahnschreiben mit einem allgemein gehaltenen Text, der mit keinem Wort das eigentlich Inkriminierte darstellt und begründet (das vermeintliche Delikt wurde nur in einem Anhang als Screenshot beigefügt), die von Anwälten verschickt wurden, zu Disziplinarmaßnahmen durch die Rechtsanwaltskammer oder andere Stellen führten?

11) Der Anwalt von Frederick R. hat in seinem Abmahnschreiben erwähnt, dass sich in mehreren medienrechtlichen Verfahren „bereits mehrere Strafrichter in den vergangenen Monaten mit ähnlichen Beiträgen“ zu befassen hatten und dabei „jeweils zu der Überzeugung (gelangten), dass derartige Veröffentlichungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen“. Diese Behauptung des Anwalts ist augenscheinlich jedenfalls unvollständig, wenn zumindest ein medienrechtliches Verfahren – vor dem LG Korneuburg –rechtskräftig ohne eine Verurteilung wegen übler Nachrede abgeschlossen und bei zwei weiteren medienrechtlichen Verfahren (LG Wien) in erster Instanz die Klagen von Frederick R. abgewiesen wurden. Die in den Abmahnschreiben geschilderte Erfolgsbilanz des Anwalts entspricht also nicht den Fakten. Wie viele straf- oder zivilrechtliche Verfahren sind Ihnen bekannt, auf die der Anwalt von Frederick R. referenzieren könnte, wie ist deren Verfahrensstand und wo wurden sie jeweils geführt?

12)  Bei den uns bekannten mehr als 20 Abmahnschreiben ist es teilweise zu Vergleichen gekommen, in denen die jeweiligen Schadenersätze für Frederick R., noch mehr aber die Aufwandsentschädigungen für den Anwalt stark differieren oder gar nicht getrennt ausgewiesen wurden. Ist Ihnen bekannt, ob gegen den Anwalt von Frederik R. auf Grund des Verdachts der Nötigung, Erpressung sowie anderer Straftatbestände bzw. auf Grund disziplinarrechtlicher Bestimmungen ermittelt wird?

13)  Welche und wie viele medienrechtliche Verfahren wurden von Frederick R. bislang angestrengt und wie sind die Verfahrensstände? (Bitte um Auflistung anonymisierter Form)



[1] Vgl. http://www.gothia.at/?sid=item&iid=12, sowie zum Hintergrund https://www.stopptdierechten.at/2019/09/20/die-geste-am-fenster/ und https://apps.derstandard.at/privacywall/story/2000097024496/verfassungsschutz-prueft-moeglichen-hitler-gruss-von-burschenschafter, abgerufen am 17.2.2020

[2] https://www.krone.at/1999350, abgerufen 17.2.2020

[3] https://futter.kleinezeitung.at/moeglicher-hitler-gruss-bei-donnerstags-demo-kein-handlungsbedarf-fuer-fpoe/, abgerufen am 17.2.2020

[4] https://www.krone.at/1999350, abgerufen am 17.2.2020