20/JPR XXVII. GP

Eingelangt am 30.10.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Andreas Koltross und Christian Drobits, Genossinnen und Genossen
an den Präsidenten des Nationalrates

betreffend Das Recht auf parlamentarische Kontrolle - Verfassungswidrige Anfragebeantwortungen

Als Präsident des Nationalrates, sind Sie oberster Hüter des Parlamentarismus sowie der Rechte von Abgeordneten und dabei ausschließlich der Verfassung verpflichtet. Das Recht von Abgeordneten und natürlich auch deren Aufgabe, ist die Kontrolle der Bundesregierung. Unter anderem gibt es dazu das Instrument der parlamentarischen Anfrage an Regierungsmitglieder. Wie Ihnen bekannt ist, gibt es immer wieder Beantwortungen aus Ministerien, die völlig ungenügend beantwortet werden und damit jeglicher verfassungsmäßigen Grundlage entbehren. Vor allem das Finanzministerium liefert oftmals lückenhafte Auskünfte oder verweigert die Antwort gänzlich.

Beispielhaft ist hier auf die Anfragebeantwortung 2909/AB des Finanzministers vom 21. September 2020 aufmerksam zu machen. Konkret auf die Fragen 1 und 2, sowie deren Beantwortung. Hier wird das Interpellationsrecht der Abgeordneten massiv verletzt. Auf die Frage, welche Gemeinden bereits Geldmittel aus dem Kommunalen Investitionsgesetzes erhalten haben, beruft sich der Finanzminister auf den § 1 DSG. Solch eine Antwort ist bizarr, wenn man beachtet, dass Voranschläge, Rechnungsabschlüsse, Gemeinderatssitzungen, sowie Gemeinderatsprotokolle in den Gemeinden öffentlich sind. Finanzmittel der öffentlichen Hand, Kommunen sind dies ebenso, deshalb nicht veröffentlichen zu wollen, weil man der Meinung ist gegen das Datenschutzgesetz zu verstoßen, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht und vor allem auch aus Sicht von Transparenz und Rechtsstaatlichkeit unhaltbar.

Ein weiterer Affront zeigt sich in der Beantwortung der Frage 11. Hier vertritt der Finanzminister die Meinung, aufgrund der Verwaltungsökonomie auf die Beantwortung verzichten zu können. Dies ist eine billige Ausrede und ein weiterer respektloser Umgang mit dem österreichischen Parlamentarismus.

Als Präsident des Nationalrates müssen Sie dafür sorgen, dass seitens der Regierung das Interpellationsrecht im Interesse des Parlamentarismus und der Verfassung beachtet wird und die Anfragen vollständig beantwortet werden. Sie sind gefordert gegen diese verfassungs- und gesetzwidrige Art der Nichtauskunft gegenüber dem Parlament und damit der gesamten Öffentlichkeit mit aller Vehemenz aufzutreten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Präsidenten des Nationalrates folgende

ANFRAGE

1.       Nimmt das Interpellationsrecht in ihrem Amtsverständnis im Verhältnis des Gewaltenausgleichs zwischen Parlament und Regierung, sowie im österreichischen Parlamentarismus generell eine bedeutende Rolle ein?

2.       Welche Maßnahmen setzen Sie, um das Interpellationsrecht des Nationalrates vor ungenügenden und damit verfassungswidrigen Beantwortungen zu verteidigen?

3.       Sehen Sie das Interpellationsrecht des Nationalrates seit ihrem Amtsantritt ausreichend gewahrt?

4.       Erkennen Sie eine Verschlechterung in der Qualität der Anfragebeantwortungen seit der 26. Gesetzgebungsperiode?

a. Wenn ja, woran machen Sie diese fest?

5.       Haben Sie schon eine wissenschaftlich unabhängige Untersuchung über die Achtung des Interpellationsrechtes durch die Mitglieder der Bundesregierung in Auftrag gegeben und welches Ergebnis brachte diese?

a. Wenn nein, warum nicht?

6.       Werden Sie eine solche Untersuchung veranlassen und das Ergebnis in Hinblick auf die Informationsfreiheit veröffentlichen?

a. Wenn nein, warum nicht?

7.       Sollte das Parlament in Hinblick auf Transparenz und offene Prozesse eine Vorreiterrolle spielen?

a.       Wenn ja, welche Maßnahmen planen Sie dafür?

b.       Wenn ja, welchen Zeitplan haben Sie für konkrete Vorhaben?

8.       Sehen Sie die Notwendigkeit das Interpellationsrecht zu reformieren?

a.       Wenn ja, welche Aspekte und Paragrafen würde dies beinhalten?

b.       Welche Probleme sehen Sie konkret im Bereich der Ausgliederungen?

c.     Welche Probleme sehen Sie im Bereich der öffentlichen Unternehmungen generell?

d.       Welche Rechtsmeinung vertreten Sie im Hinblick auf das Verhältnis Amtsverschwiegenheit und Interpellationsrecht des Nationalrates und welche Konsequenzen ziehen Sie als Präsident des Nationalrates aus dieser für das Verhältnis Regierung/Nationalrat bedeutsamen Frage?

9.       Wie sehen Sie die praktische Ausübung des Interpellationsrechts in Österreich im Vergleich zu den Fragerechten im Vereinigten Königreich oder in Deutschland?

a. Erkennen Sie einen qualitativen Unterschied in der jeweiligen nationalen Beantwortungspraxis?

i.      Wenn ja, wo sehen Sie qualitative Unterschiede in der Beantwortungspraxis?

ii.      Wie beurteilen Sie als Präsident des Nationalrates das deutsche Instrument, über die Verfassungsmäßigkeit von Anfragebeantwortungen ein Organstreitverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof anstrengen zu können?

iii.    Könnte ein solches Instrument in Österreich die Qualität der Anfragebeantwortungen positiv beeinflussen?