35/JPR XXVII. GP

Eingelangt am 31.05.2021
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch

und weiterer Abgeordneter

an den Präsidenten des Nationalrates

betreffend „Seepferdchen-Runde“ in der Göttweihergasse

 

Spätestens seit dem Regierungsantritt der schwarz-grünen Koalition unter Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler gilt in der österreichischen Innenpolitik und im Rechtsstaat, dass alle gleich, aber manche „gleicher“ sind. Vor allem die unverhältnismäßigen und unsachlichen Covid-19-Maßnahmen haben hier eine „Mehrklassengesellschaft“ geschaffen. Während die breite Masse der Bevölkerung sich an Maskenpflicht und Testungen halten soll, gibt es „gewisse Kreise“, die sich an nichts oder fast nichts halten. Und das stößt sogar eigenen ÖVP-Parteifreunden auf, die das mitansehen müssen, etwa bei hohen und höchsten Funktionären aus Regierung, Parlament und Justizverwaltung, wenn es darum geht, Betretungsverbote von Lokalen in der Wiener Innenstadt während nächtlicher Ausgangssperren einfach konsequent und mehrfach zu missachten, weil man sich als „unverwundbar“ sieht. Aktuell sorgen unter Wiener Innenstadtgastronomen Geschichten über die sogenannte „Seepferdchen-Runde“ für Interesse. In einem Lokal in der Göttweihergasse bzw. dazu gehörenden Räumlichkeiten sollen sich seit Wochen und Monaten, und das oft mehrmals, ausgewählte Spitzenfunktionäre aus dem Dunstkreis der ÖVP zu Speis und Trank zur nächtlichen Stunde treffen.

„Gewöhnlich gut informierte Kreise“ sollen bei diesen Zusammenkünften bzw. beim Betreten und Verlassen der einschlägigen Räumlichkeiten unter anderem ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka gemeinsam mit einer seiner engsten Mitarbeiterinnen, ÖVP-Innenminister Karl Nehammer und sogar den hochrangigen ÖVP-nahen Spitzenbeamten Sektionschef Christian Pilnacek gesehen haben. Am 5. Mai Abends soll sogar eine kurzfristig angesetzte „Geburtstagsfeier“ in Anwesenheit von Sektionschef Christian Pilnacek stattgefunden haben.

Jetzt stellt sich die Frage, unter welchem besonderen Schutz diese „Seepferdchen-Runde“ steht, während andere Gastronomen und deren Gäste seit mehr als sieben Monaten keine wiederholten Bacchanalien feiern können. Es fehlt ihnen schlicht und einfach der Prominenten-Bonus und damit offensichtlich der Schutz durch die Obrigkeit. Anonyme Hinweise an das Gesundheitsministerium, und das noch zu Zeiten des vormaligen Gesundheitsministers Rudolf Anschober, scheinen dort auf wundersame Weise nicht behandelt oder sogar verschwunden sein. Es erhebt sich der Verdacht, dass hier aus Rücksicht auf den Koalitionspartner nichts unternommen worden ist.

 

 

 

 

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Präsidenten des Nationalrates folgende

 

 

Anfrage

 

1)    Kennen Sie die Vorgänge rund um die „Seepferdchen-Runde“ in der Göttweihergasse, die seit Wochen und Monaten stattfinden?

2)    Haben Sie bei Amtsantritt bzw. nach Amtsantritt Kenntnis von den Vorgängen rund um die „Seepferdchen-Runde“ in der Göttweihergasse erlangt?

3)    Können Sie ausschließen, dass anonyme Hinweise zu den Vorgängen rund um die „Seepferdchen-Runde“ in der Göttweihergasse vom damaligen Justizminister Werner Kogler (in Vertretung von Alma Zadic) und dem damaligen Gesundheitsminister Rudolf Anschober nicht ernst genommen bzw. nicht weiterverfolgt worden sind?

4)    Wie bewerten Sie den Hinweis, dass Sie selbst als Nationalratspräsident nach der Covid-19-Ausgangssperre hier angetroffen worden sein sollen?

5)    Können Sie für Ihre Person ausschließen, dass Sie zu irgendeinem Zeitpunkt in der Zeit des Lockdown am besagten Ort in der Göttweihergasse anwesend gewesen sind?

6)    Wie verhält es sich im Zusammenhang mit der „Seepferdchen-Runde“ und der von Ihnen politisch immer wieder bemühten Relativierung der Wahrheitspflicht in rechtsstaatlichen Verfahren und der politischen Verantwortung in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen?