73/KOMM XXVII. GP

 

Kommuniqué

des Untersuchungsausschusses betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) (1/US XXVII.GP)

Veröffentlichung des wörtlichen Protokolls über die öffentliche Befragung der Auskunftsperson Dr.in Marie Luise Nittel in der 12. Sitzung vom 16. Juli 2020

Der Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) hat in seiner 20. Sitzung am 20. Oktober 2020 einstimmig gemäß § 20 Abs. 1 Ziffer 1 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO­UA) beschlossen, das in der Beilage enthaltene wörtliche Protokoll der öffentlichen Befragung der Auskunftsperson Dr.in Marie Luise Nittel zu veröffentlichen. Einwendungen oder Berichtigungen gemäß § 19 Abs. 3 VO-UA sind nicht eingelangt. Die Veröffentlichung erfolgt in sinngemäßer Anwendung von § 39 des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates als Kommuniqué im Internetangebot des Parlaments.

 

 

Wien, 2020 10 20

                           Mag. Klaus Fürlinger                                                     Mag. Andreas Hanger

                                     Schriftführer                                                               Vorsitzender-Stellvertreter


 

Untersuchungsausschuss

betreffend mutmaẞliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung
(Ibiza-Untersuchungsausschuss)


Stenographisches Protokoll

 

12. Sitzung/medienöffentlich

Donnerstag, 16. Juli 2020

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

Gesamtdauer der 12. Sitzung
9.08 Uhr – 17.40 Uhr

 

Lokal 7

Befragung der Auskunftsperson Leitende Staatsanwältin
Hofrätin Dr. Maria Luise Nittel

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ich komme nun zur Belehrung der Auskunftsperson beziehungsweise daran anschließend auch der Vertrauensperson.

Frau Dr. Maria Luise Nittel, Sie haben Ihre Generalien, Ihre Daten schon vor dieser Belehrung bekannt gegeben. Sie entsprechen der Wahrheit? (Die Auskunftsperson bestätigt dies.) – Jawohl.

Frau Dr. Nittel, Sie werden vor dem Untersuchungsausschuss zur mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung als Auskunftsperson zu den Themen Managemententscheidungen bei der Casinos Austria AG, Reform und Vollziehung bestimmter Teile des Glücksspielgesetzes, Begünstigung von Dritten, Neustrukturierung der Finanzaufsicht, Ermittlungen in der Ibiza-Affäre, Beteiligungsmanagement des Bundes, Personalpolitik und Verdacht des Gesetzeskaufs angehört.

Sie haben mit der Ladung eine schriftliche Belehrung über Ihre Rechte und Pflichten als Auskunftsperson erhalten; ich weise Sie auf diese schriftliche Belehrung hin. Sie sind verpflichtet, die an Sie gerichteten Fragen wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten. Eine vorsätzlich falsche Aussage vor dem Untersuchungsausschuss kann gemäß § 288 Abs. 3 StGB wie eine falsche Beweisaussage vor Gericht mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden.

Es besteht vor dem Untersuchungsausschuss kein generelles Recht zur Aussageverweigerung. Die Aussageverweigerungsgründe konnten Sie der mit der Ladung zugestellten schriftlichen Belehrung ebenfalls entnehmen. Die Gründe für eine Aussageverweigerung sind anzugeben und über Verlangen auch glaubhaft zu machen.

Auch weise ich Sie auf die bereits schriftlich mitgeteilte Geheimhaltungspflicht nach dem Informationsordnungsgesetz hinsichtlich klassifizierter Informationen hin. Dies gilt auch noch nach Beendigung der Befragung.

Dem Untersuchungsausschuss vorgelegte Akten und Unterlagen dürfen nicht veröffentlicht werden. Heute vorgelegte Unterlagen dürfen weder von Ihnen noch von der Vertrauensperson an sich genommen werden. Weder Sie noch Ihre Vertrauensperson dürfen davon Kopien, Notizen oder Auszüge anfertigen.

Sie selbst sind berechtigt, Beweisstücke vorzulegen, die Zulässigkeit an Sie gerichteter Fragen zu bestreiten und den Ausschluss der Öffentlichkeit jederzeit zu beantragen.

Damit komme ich im Sinne des Ersuchens der Frau Vorsitzenden auch zur Belehrung der Vertrauensperson; auch Sie, Frau Mag. Bussek, müssen sich dieses Vorlesen kurz gefallen lassen. Ich belehre auch Sie über die strafrechtlichen Folgen einer falschen Aussage. Auch eine allfällige Mittäterschaft an einer vorsätzlich falschen Aussage vor dem Untersuchungsausschuss kann gemäß § 288 Abs. 3 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden, und auch für Sie gilt das Informationsordnungsgesetz.

Die Auskunftsperson kann Sie als Vertrauensperson jederzeit um Rat fragen, Sie selbst sind jedoch nicht berechtigt, im Untersuchungsausschuss das Wort zu ergreifen; das ist wichtig, die Frau Vorsitzende hat Sie bereits auf diesen Umstand hingewiesen. Bei Verletzung der Verfahrensordnung oder Eingriffen in die Grund- und Persönlichkeitsrechte der Auskunftsperson steht es Ihnen frei, sich unmittelbar an mich als Verfahrensrichter oder auch an den neben Ihnen sitzenden Verfahrensanwalt zu wenden.

Frau Vorsitzende, ich bin damit mit meiner Belehrung fertig.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Vielen Dank, Herr Dr. Pöschl.

Ich frage Sie, Frau Dr.in Nittel, ob Sie eine einleitende Stellungnahme abgeben möchten; diese soll 20 Minuten nicht überschreiten. Wollen Sie von diesem Recht Gebrauch machen?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein, danke.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Dann kommen wir gleich zur Befragung.

Ich ersuche Herrn Dr. Pöschl mit der Durchführung der Erstbefragung zu starten.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Danke vielmals, Frau Vorsitzende.

Frau Dr. Nittel, Sie sind seit dem Jahr 2009 Leiterin der Staatsanwaltschaft Wien. Welche Verfahren sind in Bezug auf das hier anhängige Verfahren – kurz gesagt: Ibiza-Untersuchungsausschuss – bei der Staatsanwaltschaft Wien anhängig? Können Sie mir hier sagen, wie viele Verfahren anhängig sind und allenfalls auch seit wann?

Dr. Maria Luise Nittel: Also es ist einmal das Ibizastammverfahren, das auch vorgelegt wurde, anhängig, und dann gibt es noch ein paar weitere Verfahren, die sich daraus ergeben haben, die mit dem Untersuchungsaus- -, mit dem Gegenstand aber nichts zu tun haben. Anhängig sind sie? – Seit Juni voriges Jahr ist das Ibizastammverfahren anhängig.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Worum geht es bei dem Ibizastammverfahren?

Dr. Maria Luise Nittel: Das Ibizastammverfahren befasst sich mit der Herstellung, mit den Hintergründen der Herstellung und der Verbreitung – und allem, was damit zusammenhängt – des Ibizavideos.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Gut. – Das sogenannte Schredderverfahren ist auch bei Ihnen anhängig oder anhängig gewesen. Wissen Sie darüber etwas?

Dr. Maria Luise Nittel: Selbstverständlich.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Womit befasst sich das Schredderverfahren (Auskunftsperson Nittel: Womit sich das Schredderverfahren ...?) oder hat sich befasst? Ist das schon beendet?

Dr. Maria Luise Nittel: Das Schredderverfahren ist beendet und hat sich mit dem Sachverhalt befasst, dass jemand Festplatten aus dem Bundeskanzleramt vernichtet hat.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ist das bei der WKStA vorerst einmal anhängig gemacht worden und dann der Wiener Staatsanwaltschaft übertragen worden? Können Sie mir dazu etwas sagen? Warum ist es zu dieser Übertragung des Verfahrens gekommen?

Dr. Maria Luise Nittel: Das Schredderverfahren hat durch einen Hinweis, der an die WKStA gegangen ist, begonnen. Die WKStA hat dann ermittelt und hat aufgrund der zeitlichen Abfolge einen Konnex zum Ibizavideo vermutet. Dann gab es Ermittlungsergebnisse, und nach den Ermittlungsergebnissen hat sich dieser Verdacht nicht erhärtet, womit die Zuständigkeit der WKStA weggefallen ist, und dann hat sie das Verfahren an die Staatsanwaltschaft Wien abgetreten.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Und was hat die Staatsanwaltschaft Wien dann mit diesem Verfahren gemacht? Sind weitere Erhebungen gepflogen worden, Ermittlungen getätigt worden?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, es sind dann abschließende Ermittlungsschritte gesetzt worden, und dann ist ein Vorhabensbericht gemacht worden.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Mhm. – Und was ist in dem Vorhabensbericht dringestanden?

Dr. Maria Luise Nittel: Dass wir beabsichtigen, das Verfahren einzustellen.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: An wen ist der Vorhabensbericht gegangen?

Dr. Maria Luise Nittel: An die Oberstaatsanwaltschaft Wien.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Wissen Sie, ob diese den Bericht an das Ministerium weitergeleitet hat?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, das wird sie haben.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Mhm. – Also die Einstellung ist, bevor sie erfolgt ist, auch von höchster Stelle, vom Bundesministerium für Justiz, genehmigt worden, oder nicht?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Gut.

Sagen Sie – Fragen zur Abgrenzung –: Da ist ein Verfahren bei der WKStA angefallen und ist dann an die Wiener Staatsanwaltschaft abgetreten worden, es sind also zwei Staatsanwaltschaften mit einem Verfahren beschäftigt worden. – Ist das ökonomisch, ist das prozessökonomisch?

Dahinter steht generell die Frage der Abgrenzung zwischen dem Zuständigkeitsbereich der Wiener Staatsanwaltschaft und dem der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft; darauf zielt meine Frage ab.

Dr. Maria Luise Nittel: Die Zuständigkeit der WKStA ergibt sich aus dem Gesetz, nach den gesetzlichen Paragrafen gibt es einen eingeschränkten oder einen ganz bestimmten, konkret vom Gesetz definierten Zuständigkeitsbereich – und für alles andere sind die örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften zuständig.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Was sagen Sie als Leiterin zu dieser Kompetenzkompetenz der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft? Kann es da nicht zu Spannungen oder Friktionen oder Überschneidungen kommen? Sehen Sie diese im Gesetz befindliche Regelung und von Ihnen auch als solche apostrophierte Regelung als glücklich an, sind Sie damit zufrieden oder meinen Sie, dass eine andere Regelung vielleicht vorteilhafter wäre?

Dr. Maria Luise Nittel: Also es steht mir nicht zu, den Gesetzgeber zu kommentieren, was er damals gemacht hat, aber wenn Sie meine persönliche Meinung wissen wollen, hören wollen: Es macht schon ein bisschen Sinn. Die WKStA würde ja sonst überbordet werden, wenn sie alle Verfahren irgendwie nehmen müsste; also das, glaube ich, ist der Sinn dahinter. Aber wie gesagt, bitte: Der Gesetzgeber hat das gemacht.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Hat es in der Vergangenheit Spannungen zwischen diesen beiden Behörden gegeben oder ist Ihnen darüber nichts bekannt?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein, wenn die WKStA etwas abtritt, müssen wir das nehmen, da gibt es keine Diskussion; allenfalls gibt es einige Fälle, wo die Generalprokuratur über einen Kompetenzkonflikt entschieden hat, aber das sind ganz wenige.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Was ist, wenn der Fall bei Ihnen anfällt und der Leiter der Staatsanwaltschaft oder sonst ein Staatsanwalt meint, nicht die Staatsanwaltschaft, sondern vielmehr die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wäre zuständig; also der umgekehrte Fall als hier in der Praxis gespielt wurde?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, dann übermitteln wir den Akt der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft mit einer Stellungnahme, und die entscheidet, ob sie zuständig ist oder nicht. Wenn sie nicht zuständig ist, schickt sie uns den Akt wieder zurück; das wird in 90 Prozent der Fälle akzeptiert, und in ganz wenigen Fällen kann man sich an die Oberstaatsanwaltschaft und dann an die Generalprokuratur wenden, wenn ein Kollege bei mir der Meinung ist, es ist doch die WKStA zuständig – kommt aber selten vor.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Ah, kommt selten vor; nicht, dass die Akten von einer Staatsanwaltschaft zur anderen geschickt werden?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein; kommt selten vor.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Das kommt selten vor.

Noch eine andere Frage, Frau Dr. Nittel: Welche Wahrnehmungen haben Sie zur Sicherstellung des Ibizavideos? Wann haben Sie von dieser Sicherstellung erfahren, können Sie sich erinnern? Haben Sie davon erfahren, wann dieses Video sichergestellt worden ist?

Dr. Maria Luise Nittel: Also ich habe das auch schon in einer parlamentarischen Anfrage beantwortet: Ungefähr Ende April, um den 20., hat mein fallführender Staatsanwalt mir erzählt, es sei ein Datenträger im Zuge einer Hausdurchsuchung gefunden worden und die Soko Tape hält es für das Video, aber sicher ist noch gar nichts; es ist noch zu prüfen und anzuschauen, ob es vollständig ist oder nicht, und dann wird ein schriftlicher Bericht kommen.

Ein paar Tage später hat er dann gesagt, er hat ein Stück gesehen, aber es ist noch lange nicht alles angeschaut. Anfang Mai war er dann aus Anlass einer Vernehmung mit seinem Gruppenleiter bei der Soko Tape und hat auch dieselbe Sequenz gesehen; und dann haben wir auf einen schriftlichen Bericht gewartet.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Auf einen schriftlichen Bericht gewartet.

Sagen Sie, haben Sie Wahrnehmungen, ob die Wiener Staatsanwaltschaft oder ob die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft die Soko Tape beauftragt hat, dieses Video beizuschaffen?

Dr. Maria Luise Nittel: Wir hatten den Auftrag oder die Dings, die StA Wien, nicht, und was an die WKStA gegangen ist, das weiß ich nicht.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Das wissen Sie nicht.

Frau Vorsitzende, ich kann meine Erstbefragung damit abschließen. – Danke vielmals.

*****

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Vielen Dank, Herr Dr. Pöschl.

Ich weise darauf hin, dass nach dem medienöffentlichen Befragungsteil eine Befragung in vertraulicher Sitzung stattfinden kann, wir das aber im Anschluss machen.

Die Redezeitvereinbarung ist Ihnen allen bekannt; im Sinne der Redeordnung ist die Erste Frau Abgeordnete Krisper. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrte Frau Dr. Nittel, ich schließe mich von der Thematik her gleich der Fragestellung des Herrn Richters an und würde gerne weiterfragen: Wann haben Sie genau von der Sicherstellung des Videos erfahren?

Dr. Maria Luise Nittel: Es muss um den 20. April gewesen sein.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Am 21. wurde das Video sichergestellt – also ab dem 21.? War es vielleicht der 21.?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja - - Keine Ahnung, aber es war jedenfalls Ende April.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): 21. ist nicht so Ende, aber gut.

Wurden Sie von Herrn Holzer telefonisch davon informiert, oder wie kann ich mir das vorstellen?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein, ich wurde nicht - -, ich bin ja die Leiterin, ich bin nicht der fallführende Staatsanwalt. Der fallführende Staatsanwalt ist informiert worden, und der hat mir gesagt, da ist ein Datenträger gefunden worden, das könnte das Video sein; ob es vollständig ist und was drauf ist, weiß er noch nicht.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Das heißt, der fallführende Staatsanwalt hat dann Sie darüber informiert, dass die Sicherstellung stattgefunden hat?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Und wen haben Sie informiert?

Dr. Maria Luise Nittel: Niemanden.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Gestern wurde uns aber gesagt, von Herrn Fuchs zumindest, dass er am 27. von Ihnen davon erfahren hätte.

Dr. Maria Luise Nittel: Sie sprechen jetzt vom 27. Mai (Abg. Krisper: Ja!); ich dachte, wir sind noch im April. (Abg. Krisper: Nein, wann auch immer Sie wem von der Sicherstellung erzählt haben!) – Okay, ich war jetzt noch im April und habe gedacht, Sie wollen jetzt wissen, wen ich unmittelbar danach - -, wer davon erfahren habe.

Soll ich die Geschichte gleich weitererzählen (Abg. Krisper: Bitte!), um Ihre Fragen vielleicht vorwegzunehmen? (Abg. Krisper: Mhm!) Kann ich die Frage vielleicht gleich vorwegnehmen, warum ich die WKStA nicht informiert habe? Die wäre ja wohl auch gekommen. (Abg. Krisper – erheitert –: Gerne!)

Es ist nicht im Entferntesten unsere Aufgabe, Ermittlungsergebnisse der Kriminalpolizei einer anderen Dienststelle mitzuteilen; und ganz ehrlich: Ich bin nicht auf die Idee gekommen, dass die WKStA das nicht auch weiß; von dem sind wir eigentlich vollkommen ausgegangen, dass die WKStA selbstverständlich auch weiß (Abg. Krisper: Das verstehe ich!), was für beide - -, deswegen bin ich da nicht auf die Idee gekommen.

Die weitere Geschichte war: Das ist natürlich ein toller Ermittlungserfolg, wenn das Video gefunden wird, aber das Spannende für uns im Ermittlungsverfahren war: Was ist wirklich auf den Datenträgern drauf? Ist es vollständig, ist es für unser Strafverfahren von Bedeutung, was dort gefunden worden ist? Kann man das überhaupt verschriften? Hört man das? Wie schaut das aus? – Und deswegen haben wir auf einen schriftlichen Polizeibericht gewartet.

Dann kam der 25. Mai, an dem mich Herr Mag. Holzer von der Soko Tape angerufen und gemeint hat, die Soko Tape plant ein Hintergrundgespräch für den 27. Mai mit Journalisten, und dort möchte das Innenministerium gerne sagen, dass das Video gefunden worden ist.

Ganz ehrlich, wir alle, inklusive des fallführenden Staatsanwaltes, waren nicht begeistert davon, zu einem Zeitpunkt in die Medien zu gehen, wo unser Ermittlungsverfahren noch voll im Laufen ist, und das zu sagen. Die Frage von Mag. Holzer war, ob wir uns an diesem Hintergrundgespräch beteiligen wollen, also die Staatsanwaltschaft Wien. Es war nicht sicher, ob wir das tun sollen, und deshalb habe ich zuerst dem Leitenden Oberstaatsanwalt nur gesagt: Wenn es dir recht ist, spreche ich gleich mit dem Sektionschef selber. – Dann habe ich mit dem Herrn Sektionschef gesprochen und habe gemeint, ob es gscheit ist, wenn wir uns da beteiligen; da hätte ich gerne auch seine Meinung gehört, ob wir das tun sollen. Die Soko Tape möchte sagen, sie haben das Video zwischenzeitig aufgefunden. – Das habe ich am 25. Mag. Pilnacek gesagt.

Das Hintergrundgespräch hat dann letztlich nicht stattgefunden, sondern das Innenministerium hat dann am 27. Mai eine Presseaussendung gemacht.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Danke.

Ja, ich bin auch ganz Ihrer Meinung, dass es nicht der StA Wien obliegt, die WKStA zu informieren, sondern der Soko Tape selbst, auch nach § 113 Abs. 2 StPO, innerhalb von höchstens 2 Wochen.

Warum haben Sie nicht die Weisungskette hinauf berichtet, dass das Video sichergestellt wurde?

Dr. Maria Luise Nittel: Die Sicherstellung des Videos allein ist: Aha, fein, toll, Ermittlungserfolg! – Aber was ist drin, was ist drauf, was brauchen wir für das Ermittlungsverfahren? Wenn wir das nur mündlich über die Soko Tape bekommen, gibt es kein Substrat für einen schriftlichen Bericht, und deswegen haben wir auf den schriftlichen Bericht gewartet. Erst am 26. Mai ist uns dann erstmals schriftlich berichtet worden, ist von der Soko Tape eingelangt, dass das Video aufgefunden worden ist. Da gibt es einen Bericht der Kriminalpolizei, und dann haben wir natürlich sofort berichtet.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Ist das nicht relativ spät? Dass so ein Bericht wochenlang dauert?

Dr. Maria Luise Nittel: Ich glaube auch, dass die Soko Tape durch Corona eingeschränkten Betrieb hatte. Es war jedenfalls erst dann, es war nach dem Gespräch, ob wir an dem Hintergrundgespräch teilnehmen oder nicht. Es war einen Tag später, ich glaube, es war der 26. Mai, dass dann der erste Polizeibericht schriftlich eingelangt ist: Wir haben das Video, und es dürfte vollständig sein.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Dafür, für einen Bericht derartig kurzer Informationslage, kann man aber nicht Wochen brauchen.

Dr. Maria Luise Nittel: Bitte das Herrn Mag. Holzer zu fragen!

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Ich denke, wir haben.

Das heißt, Sie haben nur telefonisch Herrn Oberstaatsanwalt Fuchs und Herrn Sektionschef Pilnacek im Rahmen der Debatte um die PK von der Sicherstellung des Videos erzählt, weil es ja schließlich in der PK auch um das gegangen wäre?

Dr. Maria Luise Nittel: Ich glaube, ich habe Herrn Mag. Fuchs gar nicht gesagt, worum es geht – das Video (Abg. Krisper: Mhm!) –, sondern da wir sehr gut miteinander können, habe ich zu ihm gesagt: Ist es dir recht, wenn ich über dieses Hintergrundgespräch gleich mit dem Herrn Sektionschef konferiere, ob wir da teilnehmen sollen oder nicht? – Ich glaube nicht, dass ich ihm gesagt habe, da geht es auch um das Video, sondern ich habe Mag. Pilnacek gesagt, was Inhalt des Hintergrundgesprächs wäre. Das weiß ich sicher.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Mhm, danke.

Ich komme zurück zum Schreddern: Warum hat es, wenn es gesetzlich sowieso ganz klar ist, wo die Zuständigkeiten liegen – in welchem Fall bei der WKStA, in welchem Fall bei der Staatsanwaltschaft –, dann einer präventiven, bedingten, vom Weisungsrat nicht genehmigten Weisung des Herrn Oberstaatsanwalts Fuchs bedurft?

Dr. Maria Luise Nittel: Ich kann Ihnen nicht sagen, warum es der Weisung bedurft hat, weil die Weisung ja nicht von mir gekommen ist. Wir sehen im Ermittlungsakt, den wir dann bekommen haben, zwar die Weisung, aber wir sehen keine Vorgeschichten oder warum auch immer.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Verstehen Sie, warum der Weisungsrat da nicht eingebunden wurde?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein, aber es war eine Weisung der Oberstaatsanwaltschaft und nicht des Bundesministeriums.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Das bringt mich zu einer Frage: Ist es so, dass, wenn die Oberstaatsanwaltschaft dem Bundesministerium ein Vorhaben präsentiert, dass sie eine Weisung geben möchte, und das Justizministerium diese Weisung zustimmend zur Kenntnis nimmt, dann diese nicht als Weisung der Justiz gilt und die eigentliche Weisung der Oberstaatsanwaltschaft demnach in einem solchen Fall nicht in den Weisungsbericht des BMJ Einzug hält und daher nicht dem Parlament vorzulegen ist?

Dr. Maria Luise Nittel: Ich bitte um Verständnis, ich bin Leiterin in der ersten Instanz. Wie ganz genau der Weg und - - Wie das ist, steht im Staatsanwaltsgesetz. Wir legen immer an die Oberstaatsanwaltschaft vor, und wenn vom Bundesministerium etwas zurückkommt, steht auch immer drinnen: Der Weisungsrat war einverstanden. – Ich bitte aber die Zuständigen und auch Mag. Pilnacek genau nach den Vorgängen zu fragen, wann an den Weisungsrat vorzulegen ist.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Er hat in dem Fall gemeint, dass es keine Weisung war, sondern ein prozeduraler Zwischenschritt, und demnach nicht dem Weisungsrat vorzulegen war.

Dr. Maria Luise Nittel: Ich kann dem jetzt nichts hinzufügen, was er gesagt hat.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Zum Schredderfall an sich, der ja dann in Ihre Zuständigkeit fiel: Sie haben gemeint, Sie haben abschließende Ermittlungsschritte gesetzt. – Welche Schritte waren das?

Dr. Maria Luise Nittel: Eine Einvernahme.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Von wem?

Dr. Maria Luise Nittel: Vom Beschuldigten.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Das heißt von Arno Melicharek selbst?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Aber nicht vom Auftraggeber, Herrn Pichlmayer?

Dr. Maria Luise Nittel: Es gab ja bereits Ermittlungsergebnisse, es gab eine bestimmte Ordnungsnummer, wo Ermittlungsergebnisse, nämlich eine lange Fragenbeantwortung an die WKStA vom Bundeskanzleramt, gekommen sind. Dort war eigentlich alles drin.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Warum kamen Sie zu dieser anderen Einschätzung, dass nichts sicherzustellen ist – im Gegensatz zur WKStA, die ja eine Anordnung getroffen, also einmal geplant hatte, das Handy und die Laptops von Arno Melicharek sicherzustellen?

Dr. Maria Luise Nittel: Da muss ich jetzt etwas richtigstellen: Es ist das Ermittlungsergebnis vom Bundeskanzleramt bei der WKStA mit einem bestimmten Datum eingelangt, ich glaube, es war der 22. August. Der Entwurf der Anordnung der WKStA war auch vom 22. August, und dann findet sich ein Aktenvermerk, dass im Hinblick auf das Einlangen dieses Ermittlungsergebnisses und im Hinblick auf das Schreiben der Oberstaatsanwaltschaft Wien – Weisung oder was auch immer – das Verfahren jetzt an uns, an die StA Wien, abzutreten ist und die Anordnung widerrufen wird. (Abg. Krisper: Ja!) Die Anordnung ist jedenfalls auch aufgrund der genau am selben Tag eingelangten Ermittlungsergebnisse des Bundeskanzleramtes widerrufen worden. Dafür gab es auch eine sachliche Rechtfertigung.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): „Ermittlungsergebnisse des Bundeskanzleramtes“ ist ja ein interessanter Begriff.

Meine Frage war, warum die Staatsanwaltschaft Wien es nicht wie die WKStA als angebracht angesehen hat, das Handy und den Laptop von Arno Melicharek sicherstellen zu wollen.

Dr. Maria Luise Nittel: Weil es sachlich nicht mehr gerechtfertigt war. Dieses Ermittlungsergebnis – oder wie immer Sie es nennen wollen, das Schreiben – des Bundeskanzleramtes hat abschließend Fragen beantwortet und hat den Tatverdacht hinsichtlich mehrerer von der WKStA ursprünglich angenommener Delikte, die in Frage kommen, entkräftet.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Inwiefern?

Dr. Maria Luise Nittel: Zum Beispiel hat die WKStA ja Beweismittelfälschung angenommen, und dieses umfangreichere Konvolut des Bundeskanzleramtes hat entkräftet oder keine Hinweise dafür gegeben, dass es eine Beweismittelfälschung ist oder dass eine Sachbeschädigung begangen worden wäre. Das hätte man nicht mehr rechtfertigen können.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Es ist ja etwas anderes, ob man ein Schreiben bekommt oder jemanden einvernimmt – von der Wahrheitspflicht und dem Wahrheitsgehalt her. Demnach ist es - -

Dr. Maria Luise Nittel: Entschuldigen Sie, aber die Staatsanwaltschaft kann nicht davon ausgehen, dass das Bundeskanzleramt uns in einem Schreiben wahrheitswidrige Angaben macht. (Abg. Stögmüller: Ach so?!)

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Dennoch ist die Frage, warum von weiteren Einvernahmen abgesehen wurde.

Dr. Maria Luise Nittel: Wir haben ja dann einvernommen, wir haben den Beschuldigten einvernommen (Abg. Krisper: Den einen, ja!), weil nur der Betrug übrig geblieben ist. Ich kann ein Ermittlungsergebnis, das ich habe - - Das können wir nicht übergehen.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Ich komme noch zu den Ermittlungen zum Ibizavideo selbst. – Hat es dazu Dienstbesprechungen gegeben?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Gab es Kontakte mit den Oberbehörden, mit entsprechenden Aufträgen?

Dr. Maria Luise Nittel: Es gab Berichte von uns, die genehmigt worden sind. Es gab keine einzige Weisung – oder es gibt keine, es ist ja noch offen, bis jetzt.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Gab es mündliche Besprechungen mit den Oberbehörden?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Ich gebe weiter, danke.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Die nächste Fragestellerin ist Frau Abgeordnete Kaufmann.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Wunderschönen guten Morgen, Frau Dr. Nittel! Ich darf gleich bei der Schredderaffäre einhaken und Ihnen ein Dokument vorlegen, und zwar ON 7, Dokumentennummer 64136, die Seiten 6 bis 14. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.)

Dr. Maria Luise Nittel: Bitte, was ist Ihre Frage dazu?

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Ich warte nur, bis alle auch mitschauen können. (Auskunftsperson Nittel: Okay!)

Es ist Ihr erster Anlassbericht zur Schredderaffäre vom 6.11.2019, und auf Seite 6 schreiben Sie einleitend: „Der Tatverdacht gründet im Wesentlichen auf der Anzeige des Geschäftsführers der REISSWOLF Österreich GmbH, Siegfried SCHMEDLER, welcher den Sachverhalt am 17. Juli 2019 direkt bei der WKStA, Außenstelle Graz, zur Anzeige brachte.“

Herr Schmedler hat sich also direkt an die fallführende WKStA-Staatsanwältin Jilek gewandt. – Konnte eigentlich im Nachhinein aufgeklärt werden, weshalb der Reisswolf-Geschäftsführer direkt und persönlich mit Frau Jilek Kontakt aufgenommen hat?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Ist es nicht eigenartig, dass ein Geschäftsführer eines niederösterreichischen Betriebs mit einer Staatsanwältin in Graz direkt Kontakt aufnimmt – ausgerechnet mit jener Dame, die im Ibizaverfahren zuständig ist –, wenn es um einen Zahlungsverzug von 75 Euro geht?

Dr. Maria Luise Nittel: Also ein ganz gewöhnlicher Vorgang ist es sicher nicht. Aber was da dahintersteckt? – Bitte die Zuständigen zu fragen!

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Wurden bei Ihnen die Umstände, wie es zur Anzeige gekommen ist, nicht irgendwie näher hinterfragt?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Wieso wurde überhaupt ein Konnex zum Ibizavideo angenommen?

Dr. Maria Luise Nittel: Das weiß ich nicht. Ich nehme an aufgrund der zeitlichen Abfolge.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Frau Hofrätin, ich lege Ihnen das Dokument 35624 vor, daraus die Seiten 3 bis 9, 63 bis 68, 82 bis 90 sowie die Seite 198. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt. – Abg. Stögmüller: Welche Aktennummer?) – Dokumentennummer 35624.

Auf Seite 3 hält die Staatsanwältin Jilek im AB-Bogen fest, dass die Anzeige von Herrn Schmedler, also die erste Kontaktaufnahme mit der Staatsanwaltschaft, am 17. Juli 2019 um circa 13.40 Uhr war.

Auf Seite 198 ist ein E-Mail von „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk an das Bundeskanzleramt. Herr Klenk listet die Seriennummern der fünf Festplatten auf. Das Interessante dabei ist, dass dieses E-Mail am 17. Juli 2019 um 12.46 Uhr gesendet wurde. Klenks Auflistung der Seriennummern entspricht exakt der Auflistung im Anlieferungsschein, den Herr Melicharek bei Reisswolf im Mai ausgefüllt hat. Das findet sich auf Seite 64. Herr Klenk war offensichtlich zu diesem Zeitpunkt im Besitz der Kundenunterlagen der Firma Reisswolf.

Auf Seite 89 ist der „Falter“-Artikel vom 23. Juli, in dem dann das Foto der Überwachungskamera der Firma Reisswolf und Abbildungen der Besucherliste und des Anlieferungsscheins von Herrn Melicharek abgedruckt sind.

Ist bei Ihnen nicht der Eindruck entstanden, dass es sich hierbei um eine Inszenierung handeln könnte?

Dr. Maria Luise Nittel: Wir haben uns damit nicht befasst. Es ging um den Inhalt des Strafverfahrens.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Ich komme nun zu Seite 86: Es ist die Zeugeneinvernahme von Herrn Schmedler. Diese findet am 23. Juli, zum Erscheinungstermin des „Falter“, statt. Herr Schmedler erklärt auf den Seiten 86 und 87, dass er sich am 21. Juli dazu entschlossen hat, dem „Falter“ ein Interview zu geben, und dass er dafür am 22. Juli in die Redaktion des „Falter“ gefahren ist. Seine Zeugenaussage machte er dann, wie gesagt, erst am 23. Juli.

Aber es ging Herrn Schmedler bei der Anzeige um einen Betrugsverdacht?

Dr. Maria Luise Nittel: Jetzt verstehe ich die Frage nicht genau.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Na, es geht um die Inszenierung. Offensichtlich ist das „Falter“-Interview sozusagen wichtiger. – Ging es Herrn Schmedler Ihrer Meinung nach um den Betrugsverdacht oder ging es ihm um die Inszenierung?

Dr. Maria Luise Nittel: Das weiß ich nicht. Das kann ich Ihnen nicht beantworten.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Welches Interesse an der strafrechtlichen Aufklärung besteht bei solch einem Verlangen, bei so einem Betrugsverdacht – 75 Euro – im Normalfall?

Dr. Maria Luise Nittel: Bitte, wir können uns nicht aussuchen, woran wir Interesse haben, wir müssen alle Straftaten aufklären.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Zurück zum Dokument 64136: Ich möchte auf den Vorhabensbericht vom 6. November zurückkommen und es noch einmal zusammenfassen: Herr Schmedler von Reisswolf hat eigentlich ein Betrugsdelikt angezeigt, da ein Mann unter falschem Namen eine Rechnung nicht bezahlt hat.

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, eh.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Die Anzeige erfolgte interessanterweise direkt und persönlich bei der fallführenden Staatsanwältin für das Ibizagroßverfahren in der WKStA – Außenstelle Graz, wie wir wissen –, obwohl es eigentlich um eine nicht bezahlte 75-Euro-Rechnung in Niederösterreich ging. – Das ist richtig, oder?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Herr Schmedler zeigte einen Betrugsverdacht an, es ging um eine nicht bezahlte Rechnung unter Angabe einer falschen Identität. – Ist das richtig? (Auskunftsperson Nittel nickt.)

Der Konnex zum Ibizavideo und einer Beweismittelu- -

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Frau Dr.in Nittel, Sie müssen antworten, das ist für das Protokoll wichtig, das Nicken kann nicht protokolliert werden. – Danke.

Dr. Maria Luise Nittel: Ja.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Ich habe es gehört. (Heiterkeit der Fragestellerin.)

Der Konnex zum Ibizavideo und eine Beweismittelunterdrückung erfolgte dann erst über die mediale Berichterstattung?

Dr. Maria Luise Nittel: Bitte, das waren nicht wir, sondern das war die WKStA – die Annahme von möglichen strafbaren Handlungen.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Herr Schmedler gibt deshalb auch dem „Falter“ ein Interview, noch bevor er eine Zeugenaussage aufgrund seiner Anzeige macht; das haben wir gerade auch in den Dokumenten gesehen.

Die Staatsanwaltschaft Wien hat das Verfahren von der WKStA übernommen, da letztendlich kein Konnex zum Ibizavideo hergestellt werden konnte?

Dr. Maria Luise Nittel: Richtig.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Was war der konkrete Vorwurf gegenüber Herrn Melicharek?

Dr. Maria Luise Nittel: Betrug.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Es war also dann wieder nur der Betrugsverdacht wegen der Angaben der falschen Identität, also genau der Sachverhalt, den Herr Schmedler ursprünglich angezeigt hat?

Dr. Maria Luise Nittel: Richtig.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Wieso beabsichtigt die Staatsanwaltschaft Wien gleich in ihrem ersten Bericht, das Verfahren einzustellen?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja weil wir ihn gefragt haben, warum er die Rechnung nicht gezahlt hat, und da hat er gesagt, er hat vergessen. Und vergessen ist kein Vorsatz. Das haben wir ihm geglaubt.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Danke schön.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Nächste Fragestellerin: Frau Abgeordnete Yılmaz.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Dr. Nittel, Sie haben vom fallführenden Staatsanwalt gesprochen. – Ist das Herr Dr. Schneider?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Ich habe vergessen, ob diese Frage schon gestellt wurde: Gibt es bereits einen fertigen Bericht des Herrn Staatsanwalts Schneider an Sie?

Dr. Maria Luise Nittel: Das verstehe ich jetzt nicht. Also der fallführende Staatsanwalt berichtet an die Fachaufsicht, an die Oberstaatsanwaltschaft.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Okay.

Wie ist die Zusammenarbeit mit der Oberstaatsanwaltschaft?

Dr. Maria Luise Nittel: Gut; kann ich überhaupt nichts sagen.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Und die Zusammenarbeit mit der WKStA?

Dr. Maria Luise Nittel: Auch gut. Ich bin persönlich mit der Leiterin seit langen Jahren in kollegialer Freundschaft verbunden, und auch die fallführenden Staatsanwälte können gut miteinander.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Sind die auch irgendwie kommunizierende Gefäße?

Dr. Maria Luise Nittel: Nicht zwingend; da die Verfahren sehr, sehr unterschiedliche Sachverhalte betreffen – das ist wirklich ganz etwas anderes, es ist ja auch von Tatzeitpunkten und von den handelnden Personen und von den Beschuldigten sehr unterschiedlich –, gibt es nur dann Kommunikation, wenn irgendjemand das als notwendig erachtet, wenn wir Ermittlungsergebnisse von der WKStA brauchen und irgendwie umgekehrt.

Dann gibt es auch noch eine sogenannte Steuerungsgruppe, die besteht aus einer Gruppenleiterin von der Staatsanwaltschaft Wien, einem Gruppenleiter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und dem Herrn Mag. Holzer, und die trifft sich in regelmäßigen Abständen.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Aufgrund der Coronakrise haben diese Treffen nicht stattgefunden?

Dr. Maria Luise Nittel: Richtig, richtig. Ich habe gestern noch „ZIB 2“ gesehen, und da war die Rede von Zoom und sonst irgendetwas, dass sie sich hätten treffen können. Allerdings geht es schon um sehr heikle Verfahrensinhalte, also alles kann man vielleicht nicht über Zoom reden. Sie haben sich oder treffen sich immer noch in regelmäßigen Abständen, aber da war von Mitte März bis Ende April - - Ich glaube, es hat dann im Mai wieder ein Termin stattgefunden. Ich bin mir aber nicht sicher, da bin ich nicht in‑ ‑, das macht die Gruppenleiterin selbstständig.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Wissen Sie, dieser Fall Ibizastammverfahren ist ja nicht eine Kleinigkeit. Das hat ordentliche Wellen geschlagen, Neuwahlen, was den Staat sehr viel Geld gekostet hat, auch die wahlwerbenden Parteien. Das ist nicht so eine Geschichte, wie wenn eine Sponsorfirma 45 Eintrittskarten von den Salzburger Festspielen an irgendjemanden verschenkt, einen Politiker und so weiter. Die Dimension ist eine ganz andere. (Auskunftsperson Nittel: Ich - -!) Und trotzdem - - Bitte.

Dr. Maria Luise Nittel: Ich möchte das andere jetzt nicht abwerten.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Die Salzburger Festspiele?

Dr. Maria Luise Nittel: Die Salzburger Festspiele.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Ich auch nicht. Aber die Dimension wollte ich nur vergleichen. Es ist beides ungerecht und muss, natürlich, wenn es im Gesetz steht, behandelt werden. Jedoch bei einem Video, das die Republik derart beschäftigt, wo die handelnden Personen nicht Generaldirektor im mittleren Management einer Versicherung, Lebensversicherung, sondern Vize- - und so weiter zu dem Zeitpunkt waren, ist es für mich noch immer so unverständlich, dass der Fluss der Staatsanwaltschaften und der WKStA so fließt wie vor zehn Jahren und nicht doch eine Steuerungsgruppe sich auf eine Art und Weise trifft und sich das Ganze noch anschaut.

Dr. Maria Luise Nittel: Welche Frage kann ich Ihnen jetzt beantworten?

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Ich komme zur Schredderangelegenheit.

Wissen Sie, warum Herr Reith die Geräte des Herrn Melicharek nicht sichergestellt und keine Nachschau gehalten hat? – Ich lege Ihnen das Dokument 766, Seite 49 vor. (Die Auskunftsperson liest in dem ihr vorgelegten Schriftstück.)

Dr. Maria Luise Nittel: Das Dokument kenne ich nicht.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Dann wissen Sie auch nicht, warum Herr Reith die Geräte des Herrn Melicharek nicht sichergestellt hat.

Welche Kompetenzen hat eigentlich die Soko Tape in so einer Situation? Es war ja ein Nachschauen beim Herrn Melicharek, es war ja keine Hausdurchsuchung, er war freiwillig nachschauen.

Dr. Maria Luise Nittel: Zum freiwilligen Nachschauen möchte ich nur sagen, Herr Niko Reith war da nicht alleine, da waren andere Beamte auch noch mit. Soweit ich aus dem Akteninhalt weiß, war die Vorgangsweise akkordiert mit der zuständigen Oberstaatsanwältin. Das steht irgendwie drinnen, dass es abgesprochen war, soweit ich mich erinnere, möchte ich nur sagen. Aber sonst kann ich dazu natürlich nichts sagen; war WKStA.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Gut.

Ich lege Ihnen noch einen Akt vor, 35622, Seite 8. (Die Auskunftsperson liest in dem ihr vorgelegten Schriftstück.)

Aus dem Aktenstudium geht hervor, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt hat, weil keine Beweismittelunterdrückung mehr festgestellt werden kann, da die Beweismittel geschreddert sind. – Ist Beweismittelunterdrückung nicht strafbar?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, aber ich müsste ja feststellen, welches Beweismittel unterdrückt worden ist. Wenn ich nicht weiß, was geschreddert worden ist, geht das nicht.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Okay, danke. – Die restliche Zeit bitte in die nächste Runde.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Nächste Fragestellerin: Frau Abgeordnete Fürst.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Dr. Nittel, ich schließe gleich an, auch noch zur Schredderaffäre, und zwar lege ich Ihnen den Amtsvermerk vom Bundeskriminalamt über die freiwillige Nachschau bei Arno Melicharek, Nummer 35624, die Seiten 25 bis 27, vor. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.)

Ist Ihnen dieses Dokument bekannt?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, das gibt es im Akt.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Kamen Ihnen da Bedenken über den Ablauf dieser freiwilligen Nachschau? Finden Sie, dass das ermittlungstechnisch korrekt abgelaufen ist?

Dr. Maria Luise Nittel: Bitte, dazu kann ich nichts sagen, da haben wir nicht ermittelt. Ich muss auch dazusagen: Ich bin auch hier nicht fallführende Staatsanwältin. Ich habe 250 Mitarbeiter, davon 110 Staatsanwälte. Selbstverständlich hat der Kollege – der hat auch noch eine Gruppenleiterin – mit mir über den Akt gesprochen und darüber, was wir jetzt tun und wie der Vorhabensbericht ausschauen soll und was er machen möchte. Aber Details und den Aktenvermerk selber habe ich mir natürlich jetzt erst für den Untersuchungsausschuss angeschaut.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Das heißt, nach der Abtretung. Sie haben ja gesagt, Sie haben dann noch abschließend ermittelt und auch Herrn Arno M. noch einmal einvernommen. – Haben Sie ihn nicht dazu befragt, wie das abgelaufen ist? Oder haben Sie sich den Aktenvermerk hier nicht näher angesehen?

Dr. Maria Luise Nittel: Ich selber gar nicht. Ich bin keine fallführende Staatsanwältin. Der Kollege hat den Akt sicher genau gelesen, und was er ihn genau gefragt hat, das bitte ich auf den Akt - - Es gibt ja - -, er hat eine Stellungnahme gemacht, er war bei der Staatsanwaltschaft Wien als Zeuge, mit seiner Anwältin.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Ja, aber Sie haben dann die Einstellung vorgenommen. Also da gibt es ja die Einstellungsbegründung, und ich frage nur nach Ihrer Einschätzung oder Wahrnehmung.

Ist das nicht ungewöhnlich: Herr Arno M. gibt freiwillig sein Handy her, und der Beamte der Soko Tape gibt es wieder zurück, ohne eine Nachschau zu machen? Oder Herr Arno M. bietet auch freiwillig an, sozusagen: Der Laptop ist im Büro in der Lichtenfelsgasse!, und der Herr Beamte der Soko meint: Nein, da waren jetzt einige ÖVP-Mitarbeiter anwesend, das würde jetzt ohnehin keinen Sinn mehr machen, den Laptop zu suchen!, so quasi, der wird eh schon weg sein. – Ist das nicht ungewöhnlich?

Dr. Maria Luise Nittel: Ich möchte auf einen Passus hinweisen, der da auch steht: „Angemerkt wird, dass das gesamte Einschreiten aufgrund der Brisanz [...]“ und so weiter. „Sämtliche Ermittlungsschritte erfolgten vorab in Absprache mit der WKSta, Frau Mag. Jilek.“

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Ist Ihnen bekannt, dass sich aber dann die Vorgesetzte – kann man, glaube ich, sagen – von Frau Mag. Jilek, die Leiterin der WKStA, Frau Vrabl-Sanda, über das Vorgehen von Niko Reith bei dieser freiwilligen Nachschau beschwert hat?

Dr. Maria Luise Nittel: Bitte, davon weiß ich nichts.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Das ist Ihnen nie untergekommen? Und überhaupt, was ist Ihre Wahrnehmung zur generellen Befangenheitsdiskussion über die Soko Tape?

Dr. Maria Luise Nittel: Dazu können wir überhaupt nichts sagen. Der fallführende Staatsanwalt hat mir auf meine Nachfrage ausdrücklich gesagt, es gibt auch einen Aktenvermerk im Tagebuch dazu, dass ihm nicht aufgefallen oder er nicht bemerkt hätte oder es keinen Anlass gegeben hätte, zu bemerken, dass irgendwelche Ermittlungsschritte, die von der Soko gesetzt worden wären, nicht korrekt oder nicht sachgerecht gewesen wären. Da gibt es einen extra Aktenvermerk darüber.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Hätten Sie nach der Abtretung noch ergänzende Ermittlungen anordnen können? Wenn Sie sagen: Da hätten wir Dr. Pichlmayer noch befragen müssen, da hätten wir doch das Handy noch anschauen müssen! – hätten Sie das veranlassen können?

Dr. Maria Luise Nittel: Natürlich hätten wir können, aber nach dem umfangreichen - - Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat eine ganz umfangreiche Fragenliste erstellt, und die Fragen sind ausführlich beantwortet worden, damit waren die abschließend beantwortet. Wir hätten jetzt - - Das war abgeschlossen mit dem Konvolut.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Sie meinen die Fragenbeantwortungen durch das Bundeskanzleramt?

Dr. Maria Luise Nittel: Richtig.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Aber die damalige Bundeskanzlerin Bierlein, die hat ja jetzt nicht das Handy oder den Laptop vom Herrn Melicharek filzen können. Also da hätte es ja einer Ermittlung durch Beamte bedurft, das konnte ja das Bundeskanzleramt nicht durch die Mitarbeiter machen.

Dr. Maria Luise Nittel: Nein, aber das Bundeskanzleramt hat die Fragen der WKStA umfangreich beantwortet. Wie das Schreddern zustande gekommen ist und wer da verantwortlich ist, wer die Personen waren, das war alles abschließend beantwortet.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Okay, aber ohne die Durchführung der Ermittlungen war es ja klar, dass das Bundeskanzleramt keinen Konnex feststellen konnte. Ohne das Handy oder den Laptop, wo eventuelle Rückschlüsse auf Auftraggeber zu ziehen gewesen wären, ohne diese fehlenden Ermittlungen konnte ja das Bundeskanzleramt auch nicht weiterkommen sozusagen in der Aufklärung der Sache.

Dr. Maria Luise Nittel: Soweit ich im Kopf habe, hat aber Herr Arno M. die Sache, wie es dazu gekommen ist und wie es war, geschildert, und das hat übereingestimmt mit dem, was in dem Konvolut vom Bundeskanzleramt kam.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Das heißt, man hat sich dann einfach begnügt mit der Aussage von Arno M.?

Dr. Maria Luise Nittel: Es gab keinen Grund für uns, an den Ergebnissen, die das Bundeskanzleramt geschickt hat, in irgendeiner Weise zu zweifeln, dass es so gewesen wäre. Wir können als Staatsanwaltschaft bitte nicht davon ausgehen, dass Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes, die uns eine Fragenliste an die WKStA schicken - -, dass das nicht stimmt.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Nein, natürlich nicht. Ich denke mir nur, wenn einfach Ermittlungsschritte, die geboten wären, nicht gesetzt worden sind, dann hätten diese ergänzend angeordnet werden müssen (Auskunftsperson Nittel: Ja, aber der springende - -!); Ermittlungsschritte, die durch das Bundeskanzleramt nicht gesetzt werden konnten.

Dr. Maria Luise Nittel: Der springende Punkt ist ja: Welche Ermittlungsschritte waren geboten? Welche habe ich schon und welche sind weiter - -?

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Die Einvernahme von Dr. Pichlmayer, noch einmal Herrn Arno M. befragen, ob er sein Handy und sein Laptop hergibt, und noch einmal darauf hinzuweisen: Er hat auch ausgesagt, dass er den falschen Namen verwendet hat beim Unternehmen Reisswolf, um keine Rückschlüsse auf das Kabinett Blümel oder die Regierung Kurz zuzulassen. – Also da bieten sich meiner Ansicht nach schon ergänzende Ermittlungen an.

Was meint er mit dieser Aussage? – Das legt ja nahe, dass er da eventuell doch Auftraggeber gehabt hat. Wie kommt er sonst auf die Idee, oder warum ist er unter falschem Namen gegangen?

Dr. Maria Luise Nittel: Aber das erklärt er in seiner Einvernahme: dass er eben nicht wollte, dass Rückschlüsse gezogen werden.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Gut, und damit begnügte man sich.

Frau Dr. Nittel, Sie sind als Leiterin der Staatsanwaltschaft Wien auch mit der Aufklärung des Ibizavideos, mit der Falle, mit dem Fallenstellen sozusagen, befasst. Da gibt es ja eine Reihe von Hintermännern. Man hat immer wieder auch schon von Verhaftungen gehört.

Was weiß man jetzt von diesem Ganzen? Kann man das als kriminelles Netzwerk bezeichnen? Es ist immer die Rede von Drogen, Erpressung, was da schon abgelaufen ist. Gegen wie viele Hintermänner wird da ermittelt? Können Sie uns etwas dazu sagen?

Dr. Maria Luise Nittel: Es wird gegen etliche Personen ermittelt. Es sind – ich müsste jetzt nachschauen, wie viele es genau sind und welche schon - - Wir sind ja noch im Ermittlungsverfahren. Es ist der Verdacht, dass die gemeinsam gearbeitet haben.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Einer der Drahtzieher dürfte ja dieser Detektiv Julian Hessenthaler sein. – Wie ist da der Ermittlungsstand? Warum ist dieser Herr noch nicht aufgefunden worden?

Dr. Maria Luise Nittel: Ich möchte dazu bitte nichts sagen. Wir sind in laufenden Ermittlungen.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Und zur Fahndung der Oligarchennichte, wo ja die Fotos, ich weiß nicht, von der Soko Tape veröffentlicht worden sind, gibt es da schon Hinweise darauf, dass die Dame gefunden wurde?

Dr. Maria Luise Nittel: Ich bitte um Entschuldigung, dass ich dazu nichts sagen kann.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Ja, danke. – Ich lasse es vorerst so und nehme die Zeit mit.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Nächster Fragesteller: Herr Abgeordneter Stögmüller. – Bitte.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Grüß Gott, willkommen hier im Untersuchungsausschuss. Ich möchte nur ganz kurz noch auf diese Schredderaffäre eingehen. Sie wurde von der WKStA, die ja für Amts- und Korruptionsdelikte zuständig ist, sozusagen an Sie weitergegeben, per Weisung.

Was mich ein bisschen verwundert in der ganzen Sache: Das Ganze ist ja ein Amtsdelikt, unklar, wie schwer, aber es ist ein Amtsdelikt. Es wurde dann wegen Betrug ermittelt, aber es war unklar – und das möchte ich von Ihnen hören –, welche Festplatten das überhaupt waren. Oder wurde das geklärt?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein, aber wo ist ein Amtsdelikt?

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Na ja, dass es ja irgendwelche Akten sein können. Sie vertrauen hier den - - Also warum wurde denn das BAK nicht einberufen, warum wurde nicht das BAK für zuständig erklärt?

Dr. Maria Luise Nittel: Bitte, das kann ich Ihnen nicht sagen.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Warum nicht?

Dr. Maria Luise Nittel: Weil das ja die WKStA war.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Aber wäre nicht das BAK zuständig?

Dr. Maria Luise Nittel: Das BAK wäre zuständig, wenn es ein Amtsdelikt wäre, aber die WKStA hat keine Amtsdelikte angenommen.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Obwohl es unklar ist, welche Akten und Daten da drinnen sozusagen vernichtet worden sind, und eventuell auch ein Amtsmissbrauch innerhalb des Bundeskanzleramtes passieren könnte? Das waren alles Vermutungen, die in diesem Fall im Raum standen.

Dr. Maria Luise Nittel: Bitte das die WKStA zu fragen.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Gut, die kommt eh heute auch noch, dann werden wir gerne diese Fragen auch dann stellen. Aber die einzelnen Ermittlungsergebnisse, die Sie gehabt haben, war das Bundeskanzleramt sozusagen, dieses E-Mail von denen?

Dr. Maria Luise Nittel: Und die Einvernahme des Beschuldigten, ja.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Ist das nicht ein bisschen wenig? Warum hat man denn nicht die IT-Techniker im Bundeskanzleramt auch dazu gefragt?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, die haben die Fragen beantwortet, das Bundeskanzleramt, in der schriftlichen Stellungnahme.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Die vorher durch das Bundeskanzleramtskabinett gehen musste. – Ist korrekt, oder?

Dr. Maria Luise Nittel: Das weiß ich nicht.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Von wem haben Sie das E-Mail dann bekommen, vom Kabinett oder direkt von IT-Technikern?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein, das war eine Fragenliste der WKStA, die das Bundeskanzleramt beantwortet hat.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Das heißt, es wurde nicht von den IT-Technikern, die die Inhalte vielleicht von Festplatten kennen und das auch wirklich beantworten könnten, sondern es wurde vorher politisch auch beurteilt?

Dr. Maria Luise Nittel: Das weiß ich nicht.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Gut.

Gehen wir vielleicht weiter: Wie befangen - -, oder haben Sie Verdachtslage oder können Sie sich dazu äußern, wie politisch beeinflusst die Ermittler der Soko Tape sind?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein, dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Ich habe vorher schon beantwortet, dass der fallführende Staatsanwalt extra einen Amtsvermerk ins Tagebuch gemacht hat, dass er keinerlei Wahrnehmungen darüber gemacht hat, dass irgendwelche Ermittler der Soko Tape, die ja im Übrigen aus vielen Beamten besteht, irgendwie unkorrekt, befangen oder sonst wie agiert hätten.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Okay, danke.

Und es waren - - Holzer hat in seiner Aussage gesagt, in der Frage wegen des intensiven SMS-Tausches von Niko Reith und H.-C. Strache, dass das alles in Absprache mit der Staatsanwaltschaft passierte. Er hat gesagt, mit Ihnen als Staatsanwaltschaft hat dieser gesamte SMS-Austausch stattgefunden. – Haben Sie dazu eine Wahrnehmung?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Haben Sie keine Wahrnehmung dazu?

Dr. Maria Luise Nittel: Ich habe keine Wahrnehmung dazu.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Das heißt, Sie wissen nicht, ob Niko Reith mit der Staatsanwaltschaft, mit H.-C. Strache kommuniziert hat. Die Staatsanwaltschaft war nicht involviert? Oder haben Sie einfach keine Wahrnehmung?

Dr. Maria Luise Nittel: Ich habe keine Wahrnehmung.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Das heißt, ich müsste den - - Das heißt, Sie als Leiterin haben keine Wahrnehmung. Es wird seit Wochen über dieses SMS von Niko Reith mit H.-C. Strache diskutiert, das ist der „Rücktritt vom Rücktritt“, und Holzer hat gesagt, mit der Staatsanwaltschaft war das abgesprochen.

Sie haben nie nachgefragt bei Ihren Staatsanwälten, ob das mit der Staatsanwaltschaft abgesprochen war?

Dr. Maria Luise Nittel: Ich glaube, Sie sind im falschen Verfahren, nicht im Ibizastammverfahren. Das betrifft gar nicht die Staatsanwaltschaft Wien. Bei uns ist der Herr Strache Opfer. (Heiterkeit.)

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Aber Reith war ja ein Beamter, und Holzer hat gesagt, mit der Staatsanwaltschaft wurde es abgesprochen.

Dr. Maria Luise Nittel: Aber es gibt ja zwei Staatsanwaltschaften.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Wissen Sie, wer Herr S. K. ist?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Wer ist das?

Dr. Maria Luise Nittel: Ein Beschuldigter.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Ein Beschuldigter. – Was hat der mit dem Video zu tun?

Dr. Maria Luise Nittel: Soll ich jetzt das Ermittlungsverfahren ausbreiten? Das möchte ich jetzt da nicht.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Sie können mir sagen, was er mit dem Video zu tun hat. Das können Sie ja in zwei Sätzen sagen.

Dr. Maria Luise Nittel: Er ist Beschuldigter im Zuge unseres Verfahrens, was um Herstellung, Verbreitung, Vorgeschichte und was nachher passiert ist.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Ich lege das Dokument 65271 vor. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.)

Dr. Maria Luise Nittel: Das Schreiben geht an die Staatsanwaltschaft St. Pölten?

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Das ist richtig, und Sie kennen trotzdem Herrn S. K., M. D., Kriminalbeamter der LKA Salzburg, hat offenbar in Erfahrung gebracht, dass Herr S. K. im Februar oder im März 2018 seinem VP-Führer P. S., also seinem Verbindungsperson-Führer P. S., der ebenfalls Kriminalbeamter ist, von diesem Video erzählt habe. P. S. habe auch einen Vermerk gemacht.

Wissen Sie etwas von diesen Vorgängen in Salzburg?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Haben Sie noch nicht gehört, auch nicht irgendetwas angefordert oder sonst etwas?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): P. S. kennen Sie?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Kennen Sie auch nicht.

Gut, ich nehme die Fragezeit mit.

*****

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Somit kommen wir zur zweiten Fragerunde. Frau Abgeordnete Krisper, bitte.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrte Frau Staatsanwältin! Frau Dr. Nittel, ich möchte das Dokument 64137 vorlegen, eine E-Mail-Korrespondenz zwischen Niko Reith und Christina Jilek vom 25. Juli 2019, aus der klar hervorgeht, dass anscheinend schon beabsichtigt war, zwei Zeugen aus dem Bundeskanzleramt einzuvernehmen, nämlich Herrn Albrechtowitz, Leiter der IT-Abteilung, und Herrn Dr. Pichlmayer, der den Auftrag an Arno Melicharek zum Schreddern gab. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.)

Hier schreibt Niko Reith an Jilek: „Das Amtshilfeersuchen wird am 29.7.2019 dem BKA übergeben.“ – Also diese Fragenliste. – „Mit den beiden Zeugen (Hr. Albrechtowitz u. Dr. Pichlmayer) ist beabsichtigt, dass die Vernehmungen erst dann stattfinden, wenn durch das BKA alle Fragen beantwortet sind [...].“

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, was ist die Frage?

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Ist das für Sie nachvollziehbar, dass man hier auf die Antwort wartet, da ja schließlich diese insbesondere nur die Zuständigkeit betroffen hätte und nicht so sehr den Inhalt und schon anscheinend vonseiten der WKStA Ende Juli das Interesse da war, die beiden einzuvernehmen?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, dann hätte die WKStA das ja auch machen können. Wir haben das Verfahren Ende August abgetreten bekommen.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Aber hier lesen wir auch die Position des Herrn Reith heraus, dass die Zeugeneinvernahmen erst nach der Antwort des BKA stattfinden. Dann kam es ja zur Weisung von Oberstaatsanwalt Fuchs, die ja nicht nur, wie bis jetzt bekannt, die Anordnung zur Sicherstellung von Laptop und Mobiltelefon stoppte, sondern auch eine andere Anordnung, die die WKStA schon getroffen hatte – ich lege Dokument 35624 vor (der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt) –, wo die WKStA noch einen anderen Ermittlungsschritt vorgehabt hätte, nämlich die Einvernahme von Brandstätter und Futschek-Posch, zwei Mitarbeitern der Firma Reisswolf, soweit ich das sehe, aber eben auch von Pichlmayer und Albrechtowitz. – Das heißt, diese Einvernahme wurde hiermit auch gestoppt und von Ihnen als Staatsanwaltschaft nicht nachgeholt.

Dr. Maria Luise Nittel: Ich möchte jetzt noch einmal klarstellen, was ich zuerst schon gesagt habe: Es findet sich auf der Sicherstellungsanordnung ein Aktenvermerk vom später fallführenden Staatsanwalt der WKStA, der auch in Hinblick auf das Ermittlungsergebnis, also auf das Schreiben, das Konvolut vom Bundeskanzleramt, und in Hinblick auf die Weisung gesagt hat, die Sicherstellungsanordnung wird zurückgenommen.

Dann möchte ich noch etwas zur Weisung sagen. Es findet sich auch ein Aktenvermerk im Akt, dass die Weisung, die ja nur sagt: WKStA, wenn du keinen Konnex zu Ibiza findest, bist du nicht zuständig, und schau, berichte, ob es einen Konnex zu Ibiza gibt!, dass diese Rechtsansicht der Oberstaatsanwaltschaft auch mit der WKStA übereingestimmt hat. Das schreibt Mag. Jilek. Also es war ja keine inhaltliche Weisung, sondern nur: Wie begründet ihr eure Zuständigkeit, wenn kein Konnex zu Ibiza gefunden wird?

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Richtig. Und inhaltlich aufgrund der Aktenlage, die wir haben, weiter nicht nachvollziehbar, warum da diese Ermittlungsschritte nicht auch von der Staatsanwaltschaft Wien gesetzt wurden.

Dr. Maria Luise Nittel: Ich sage es gerne noch einmal: weil mit der umfangreichen Fragebeantwortung von den Verdachtsmomenten einer Beweismittelfälschung, einer Datenvernichtung, einer Sachbeschädigung, die auch außer dem Betrug im Raum gestanden sind - - Die haben sich durch das Beweismittel nicht erhärtet.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Ich möchte gern den Sachstandsbericht der Soko Tape vorlegen, Nummer 123, weil hier nicht differenziert ausgeführt wird, welche Ermittlungshandlungen für die WKStA und die Staatsanwaltschaft Wien gesetzt wurden. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.) Das heißt, die Zahlen sind teilweise sehr beachtlich.

Ich wollte Sie nur gern fragen: Wenn Sie die Seite 3 ansehen, da geht es um die Berichte an die Staatsanwaltschaften, da wird ausgeführt, dass bis 13. Dezember 2019 94 Berichte an die zuständigen Staatsanwaltschaften übermittelt wurden. Hier sieht man anscheinend, dass man für mehrere zuständig ist, auch für die WKStA, was bei der Information über das Video nicht so im Bewusstsein war. – Wie viele Berichte davon gingen an Sie? Wissen Sie das?

Dr. Maria Luise Nittel: Bitte, der Akt hat über 700 Ordnungsnummern, das kann ich Ihnen jetzt nicht auswendig sagen.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Aber Sie waren generell zufrieden mit der Berichtslegung durch die Soko Tape und sind es?

Dr. Maria Luise Nittel: Da verstehe ich jetzt die Frage nicht, denn die Kriminalpolizei legt Berichte an uns, wenn es Ermittlungsergebnisse gibt.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Ob Sie zufrieden in der Zusammenarbeit sind?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, ja, der fallführende Staatsanwalt kann mit der Soko Tape gut.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Die Hausdurchsuchungen – der zweite Punkt –: Wissen Sie, welche da für Sie und welche für die WKStA vorgenommen wurden?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein. Ich weiß, dass wir welche gemacht haben, aber wie viele und wie viele für die WKStA waren, da bin ich überfragt.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Mhm. Gut, nächste Runde bitte.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Frau Abgeordnete Kaufmann, bitte.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Frau Hofrätin, im Normalfall habe ich mit Staatsanwältinnen oder Staatsanwälten nichts zu tun, daher erlaube ich mir ein paar grundsätzliche Fragen. Sie haben gesagt, Sie haben 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und 110 Staatsanwälte. – Wie viele Gruppenleiter gibt es und wie groß sind da so die Teams?

Dr. Maria Luise Nittel: Wir sind etwa 25 Revisionsgruppen oder genau 25 Revisionsgruppen. Es gibt die Leitungsebene – das sind meine Stellvertreter, die Ersten Staatsanwälte, und ich –, und dann gibt es eben die Zwischenebene, das sind Gruppenleiter. Dann gibt es etwa 110 an handelnden Personen – weil ja auch Halbausgelastete sind Staatsanwälte –, dann gibt es noch rund 50 Bezirksanwälte, also rund 160 Entscheidungsorgane, und der Rest sind Backofficemitarbeiter.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Wie groß sind da die Teams? Gibt es da größere und kleinere?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, es gibt größere und kleinere. Das hängt auch ein bisschen von der Sache ab. Zum Beispiel hat der Gruppenleiter, der Verbotsgesetz und Verhetzung hat, vier Staatsanwälte und dann noch jemanden. Also es hängt von der Auslastung ab. Es gibt auch Gruppenleiter, die teilausgelastet sind, die haben natürlich nicht so eine große Gruppe. Es gibt alles bei uns.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Wie viele Verfahren hat die Staatsanwaltschaft Wien abzuwickeln? Von wie vielen reden wir da?

Dr. Maria Luise Nittel: Im Jahr 20 000; bekannte Täter, da sind UT nicht dabei, bekannte Täter.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Wie lange dauert so ein Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Wien durchschnittlich?

Dr. Maria Luise Nittel: Das kommt sehr darauf an, wie umfangreich es ist, ob Sachverständigengutachten notwendig sind, ob nur Einvernahmen notwendig sind, ob die Staatsanwälte selber Einvernahmen machen, wie viele Beschuldigte, ob Rechtshilfeersuchen notwendig sind. Das kommt sehr, sehr darauf an.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Wie viele solche Verfahren enden dann auch in einer Anklage?

Dr. Maria Luise Nittel: Ich würde sagen etwa ein Drittel.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Wie hoch ist bei den Ermittlungsverfahren der Anteil an anonymen Anzeigen?

Dr. Maria Luise Nittel: Die gibt es schon, ist aber eher gering. Also der Regelfall ist, dass wir Polizeiberichte bekommen.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Frau Dr. Nittel, ist es richtig, dass die Staatsanwaltschaft Wien eine eigene Wirtschaftsabteilung beziehungsweise ein Referat für Organisierte Kriminalität hat?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Worin besteht da der Unterschied zu den Aufgaben der WKStA?

Dr. Maria Luise Nittel: Die Aufgaben der WKStA sind in § 20a und § 20b gesetzlich genau definiert. Das heißt, Verfahren, die wegen Vermögensdelikten geführt werden und deren Schaden unter der Wertgrenze für die WKStA ist, werden dann bei uns in der Wirtschaftsgruppe geführt, oder auch Finanzstrafverfahren.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Gibt es in den Bereichen Wirtschaft und Organisierte Kriminalität eine Zusammenarbeit mit der WKStA und wenn ja, wie ist das Verhältnis zueinander?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein, es gibt im Grunde keine Zusammenarbeit. Es gibt gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen, aber jeder hat seine Akten.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Also ist sozusagen die WKStA in diesem Bereich mit mehr Kompetenz ausgestattet, als das die StA ist?

Dr. Maria Luise Nittel: Wie meinen Sie, mehr Kompetenz? Sie hat einfach Verfahren, wo die Wertgrenze höher ist. Ja, mehr Kompetenz? Es steht im Gesetz.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Wie schaut es da aus mit der Qualität der Mitarbeiter? Ist da sozusagen mehr Ausbildung bei den Staatsanwälten der WKStA als bei jenen der StA?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, um zur WKStA zu kommen, sollten Sie, wenn nicht eine Ausnahmebestimmung ist, fünf Jahre dabei sein und sozusagen revisionsfrei gestellt sein und eine Ausbildung in Wirtschaftssachen haben, einen LL.M. oder was auch immer. Bei uns ist das nicht notwendig; aber von irgendwoher müssen ja die Kollegen lernen, bevor sie zur WKStA gehen.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Eine Besonderheit der WKStA ist ja die sogenannte Opt-in-Möglichkeit, die WKStA kann also Verfahren an sich ziehen. – Wie oft prüft die WKStA Opt-in-Verfahren von der Staatsanwaltschaft Wien?

Dr. Maria Luise Nittel: Das funktioniert so: Wenn eine andere Staatsanwaltschaft in ganz Österreich der Meinung ist, der Fall könnte von der WKStA übernommen werden, schickt sie einen Bericht an die WKStA und bietet es der WKStA an. Die entscheidet dann, ob sie das Verfahren übernimmt, nach § 20b, wenn sie nicht originär nach § 20a StPO zuständig ist. Die WKStA entscheidet, ja oder nein; in den Fällen des § 20b.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Wie oft passiert so etwas?

Dr. Maria Luise Nittel: Das passiert so und so. Also sie nehmen auch interessante Fälle, manchmal nicht. Manchmal sagen sie, da ist kein besonderes Wirtschaftswissen notwendig oder: keine Person oder kein Fall von öffentlichem Interesse. Also es gibt beides.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Was bedeutet das dann für das Verfahren? Kommt es dann zu Verzögerungen?

Dr. Maria Luise Nittel: Na ja, solange die WKStA – wenn der Akt übermittelt wird –prüft, ob sie es übernimmt, sind Ermittlungsstillstände; kurzzeitig, aber meistens dauert das nicht lange.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Was kann ich mir unter „nicht lange“ vorstellen – eine Woche, ein Monat, drei Monate?

Dr. Maria Luise Nittel: Je nachdem, wie umfangreich der Akt ist. Wenn er nicht allzu umfangreich ist, geht das sicher innerhalb von ein, zwei Monaten oder auch nur eines Monats. Es kommt darauf an. Sie können einen solchen Akt (die Höhe eines Aktenstapels mit den Händen andeutend) oder Sie können einen Zehnbänder hinschicken.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Schadet es aus Ihrer Sicht auch der Staatsanwaltschaft Wien in ihrer Ermittlungsarbeit, wenn das durch die Opt-in-Variante sozusagen geprüft wird?

Dr. Maria Luise Nittel: „Schadet“, würde ich sagen, nicht. Es steht halt im Gesetz, dass wir das so machen sollen. (Heiterkeit der Fragestellerin.)

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Der Ibizakomplex, um den es uns ja geht, ist ja insofern auch besonders, weil ja zwei Staatsanwaltschaften in diesem Zusammenhang ermitteln. Mich würde deshalb die Zusammenarbeit in den Ermittlungen interessieren: Sie sind ja seit 2009 Leiterin der Staatsanwaltschaft Wien. Zu dieser Zeit wurde damals auch die WKStA eingerichtet, unter der Leitung von Walter Geyer. – Wie war damals in Ihrer Wahrnehmung die Zusammenarbeit mit der WKStA?

Dr. Maria Luise Nittel: Also da gab es ja zuerst nur eine KStA, eine Korruptionsstaatsanwaltschaft. Zur WKStA wurde sie erst später, 2011, aber die Zusammenarbeit war immer gut.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Hat es sich dann verändert –auch die Zusammenarbeit –, als 2012 Frau Mag. Vrabl-Sanda Leiterin wurde?

Dr. Maria Luise Nittel: Ich bin mit Frau Mag. Vrabl-Sanda befreundet. Was soll sich da geändert haben?

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Das weiß ich ja nicht, deswegen frage ich Sie das.

Ich würde gerne zum Themenbereich der Befangenheit weitergehen, Frau Hofrätin, und lege Ihnen daher das Dokument 330 vor. Es ist ein Fragenkatalog der WKStA an die Soko vom 7. August 2019. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.)

Die WKStA bezieht sich auf ein anonymes E-Mail, das behauptet, drei Mitglieder der Soko seien Mitglieder einer Partei. Die Staatsanwältin der WKStA fordert die Soko daraufhin zur Stellungnahme auf. Ich zitiere:

„2. Hinsichtlich jedes einzelnen Beamten möge mitgeteilt werden,

- ob er/sie Mitglied einer politischen Partei oder einer parteinahen Organisation ist oder (wenn ja in welchem Zeitraum) war;

- [...]

- „ob sonst Gründe vorliegen, die geeignet sind, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel“ zu ziehen.

Dann folgen noch Fragen zu namentlich genannten Personen und welche Beziehung sie zueinander haben.

Kennen Sie dieses Schreiben?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): War die Staatsanwaltschaft Wien in dieser Anfrage an die Soko in irgendeiner Art und Weise eingebunden?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Hat die WKStA die Staatsanwaltschaft Wien jemals über ihre Bedenken hinsichtlich der Soko informiert?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Können Sie das Vorgehen der WKStA nachvollziehen?

Dr. Maria Luise Nittel: Das möchte ich jetzt nicht kommentieren; eine andere Staatsanwaltschaft.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Sie haben noch Zeit für ein, zwei Fragen.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Würden Sie so eine schriftliche Anfrage an die Soko stellen?

Dr. Maria Luise Nittel: Das kann ich jetzt weder bestätigen noch ausschließen. Das kommt darauf an, auf den Fall. Das möchte ich jetzt nicht kommentieren.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Können Sie sich erinnern, dass das in einem anderen Fall von Ihrer Staatsanwaltschaft aus jemals gemacht wurde?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Also ist so eine Anfrage eigentlich unüblich?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Nächste Fragestellerin: Frau Abgeordnete Yılmaz.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Dr. Nittel, zum einjährigen Jubiläum der Soko Tape sollte eigentlich dieses PK- oder Hintergrundgespräch stattfinden, von dem Sie ja nicht besonders, wie soll man sagen - -

Dr. Maria Luise Nittel: Wir waren nicht begeistert, ja.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Sie waren nicht begeistert, sehr schön.

Jetzt ist es so, dass die Soko ein Ersuchen um Anordnung von Maßnahmen an die fallführende Staatsanwaltschaft schickt. – Ist es normal, dass Kriminalbeamte Vorschläge für Ermittlungsmethoden machen?

Dr. Maria Luise Nittel: Durchaus.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Ja? Eigentlich ist aber der Staatsanwalt der Zuständige für die Ermittlungen?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, schon, aber die Kriminalpolizei schlägt natürlich vor: Das und das könnten wir tun.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Am nächsten Tag, nämlich am 19.5., schickt Dr. Schneider genau diese Anordnung, nämlich der Fahndung durch Lichtbildveröffentlichung der Aljona Makarowa.

Ich lege Ihnen das Dokument mit der Nummer 36151 vor (der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt), in dem das Innenministerium an die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Wien eine Anfrage stellt. In den letzten zwei Absätzen steht:

„Aufgrund der ha. Ermittlungen ist bekannt, dass MakaroV Igor bemüht ist, die Identität der ‚falschen Nichte‘ auszuforschen.

Es wird um Mitteilung ersucht, ob bzw. welche Schutzmaßnahmen bezüglich Hessenthaler Julian in Deutschland eingeleitet wurden.“

Unter der gleichen Gefahr ist, würde ich meinen, auch die Frau Aljona Makarowa. – Wurden hier irgendwelche Schutzmaßnahmen in Österreich eingeleitet?

Dr. Maria Luise Nittel: Wie kann man Schutzmaßnahmen gegen jemanden einleiten, den man nicht kennt?

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Aber wenn man jemanden zur Fahndung freigibt, muss man schon damit rechnen, dass diese Person auch gefährdet ist. – Gibt es dafür irgendwelche Maßnahmen?

Dr. Maria Luise Nittel: Also von einer konkreten Gefährdung sowohl des Herrn H. als auch von ihr wissen wir meines Wissens nichts. Das hat auch Deutschland nicht beantwortet, es wären irgendwelche konkreten Gefährdungen hier vorhanden. Und: Entweder sollen wir sie suchen und den Fall aufklären oder nicht. Und bei der Herstellung des Videos war sie auch dabei.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Okay. – Danke; in die nächste Runde.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Frau Abgeordnete Fürst wäre jetzt eigentlich dran. – Bitte, Herr Abgeordneter Hafenecker.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Sie haben vorhin von Kollegen Stögmüller bereits den Akt mit der Nummer 65271 vorgelegt bekommen, und ich darf daraus zitieren. – Vielleicht nur zur Erklärung: Es geht darum, dass bereits im Frühjahr 2018 bekannt war, dass es ein Video gibt, das offenbar die FPÖ oder Heinz-Christian Strache in Bedrängnis bringt. Das war das Ergebnis eines Informantengesprächs mit einem geführten Informanten des Bundeskriminalamtes, und ich verlese da jetzt einen Absatz aus dem Akt:

„S. K. teilte zudem mit, dass er bereits im Februar oder März 2018 seinem VP-Führer P. S. von diesem Video erzählt habe. Dieser habe diesbezüglich auch einen entsprechenden Vermerk darüber verfasst (Anmerkung: Seitens des LKA-Leiter der LPD-Salzburg, Obst. Christian Voggenberger wurde mir mittlerweile mitgeteilt, dass dieser im Dezember 2019 von P. S. erfahren habe, dass dieser von S. K. bereits im Frühjahr 2018 Informationen zum besagten ‚Ibiza-Video‘ erhalten habe. P. S. hätte diese Informationen in einem sogenannten ‚Treffbericht‘ festgehalten, welcher an das Büro 5.3. des BK“ – Bundeskriminalamtes – „weitergeleitet wurde und auch von der STA-Wien angefordert worden wäre. Somit war zumindest das Büro 5.3. bereits Frühjahr 2018 vom besagten Video und den Zusammenhängen in Kenntnis).“

Die Frage, die sich für mich jetzt stellt, ist: Wurde dieser Treffbericht von Ihnen angefordert?

Dr. Maria Luise Nittel: Also dass im Frühjahr 2018 das Innenministerium das Video gehabt hätte oder so etwas, davon ergibt sich im Akt irgendwie ja gar nichts, ergeben sich ja gar keine Hinweise.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Entschuldigung, ich muss noch einmal konkretisieren, Sie haben mich vielleicht falsch verstanden: Ich habe gesagt, es ist eine Information durch einen Informanten an das Bundeskriminalamt ergangen, dass es ein Video gibt, nicht, dass das Video schon vorhanden wäre. Und genau diesen Akt mit diesem Treffbericht, wo das veraktet ist, dass der Informant das gegenüber dem Führungsbeamten aus dem Bundeskriminalamt gesagt hätte, genau dieser Akt wäre von der StA Wien einverlangt worden.

Dr. Maria Luise Nittel: Das weiß ich nicht, aber wenn das das Schriftstück ist, das ging an die Staatsanwaltschaft St. Pölten; wenn das das ist (Abg. Hafenecker: Nein, nein!), welches Sie meinen.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Das ist dann in einem weiteren Akt, da geht es um einen Strafakt gegenüber einen anderen Polizisten, da ist das mit Aktenbestandteil. Aber rein diesen Treffbericht – den Akt hat die StA Wien angefordert, das ist diesem Protokoll zu entnehmen und das sagt der Polizist auch aus.

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, kann sein. Ich bin nicht der fallführende Staatsanwalt, der Akt hat 700 Ordnungsnummern, das kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten, ob wir das haben oder nicht; wahrscheinlich.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Frau Staatsanwältin, ich habe das gestern auch schon Sektionschef Pilnacek gefragt. Also ich würde jetzt einmal sagen, dass die Information darüber, dass zumindest im Innenministerium und dann in weiterer Folge in der Staatsanwaltschaft Wien die Existenz dieses Videos schon bekannt war, und das im Frühjahr 2018, doch kein unwesentlicher Punkt ist.

Dr. Maria Luise Nittel: Nein, im Frühjahr 2018 hat es ja das Ermittlungsverfahren noch gar nicht gegeben. Das kann ja nur jetzt im Zuge des Ermittlungsverfahrens sein, wir ermitteln ja erst seit Juni 2019.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Dann stelle ich mir aber umso mehr die Frage, warum man, wenn so eine Information bereits 2018 in der Staatsanwaltschaft Wien aufgeschlagen ist, nicht zu ermitteln begonnen hat.

Dr. Maria Luise Nittel: Die ist nicht aufgeschlagen.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Es ist ja beantragt worden, dass dieser Akt an die Staatsanwaltschaft - -

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, jetzt vielleicht, jetzt, nachträglich im Stammverfahren, ob es etwas gegeben hätte, aber nicht 2018.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Das muss schon wesentlich früher gewesen sein.

Dr. Maria Luise Nittel: Nein, das stimmt nicht.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Das sagt aber dieser Polizist aus. Das heißt, er sagt, dass dieser Akt - -

Dr. Maria Luise Nittel: Nein, nein, das stimmt nicht. Das können höchstens Gerüchte gewesen sein, aber wir haben 2018 ja noch gar nichts damit zu tun gehabt.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Das ist interessant. Jedenfalls: Ist dieser Treffbericht offiziell bei Ihnen schon eingelangt?

Dr. Maria Luise Nittel: Ich weiß es nicht.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Sie wissen das nicht; gut. Das ist interessant. Wen kann man dazu fragen, ob dieser Bericht jemals bei Ihnen aufgeschlagen ist? Schön langsam ist es nämlich interessant, es weiß keiner von diesem Bericht was, und ich halte ihn trotzdem für wesentlich.

Dr. Maria Luise Nittel: Wenn der Bericht nachträglich jetzt im Verfahren da irgendwie eingegangen ist, dann ist es ja nachträglich, aber 2018 ist das nicht irgendwie an uns - - Das kann ja nur jetzt – wenn das so drinnen steht –, das kann ja nur - -, dass wir das jetzt im Zuge des Verfahrens, wenn es überhaupt - - (Abg. Hafenecker: Mhm!) Der fallführende Staatsanwalt hat gemeint, das war damals ein Gerücht, und wir haben vor 2018 überhaupt nichts gehabt. Wir ermitteln ja erst seit 2019. Wir, die Staatsanwaltschaft, haben ja vorher von einem Video überhaupt nichts gewusst.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Ich bin aber verwundert darüber, dass es so lange dauert.

Vielleicht noch eine Frage dazu: Sie haben vorher über die Qualifikationen gesprochen, die man braucht, um Staatsanwalt zu werden. Ich würde Sie jetzt nur um Ihre Einschätzung bitten, da Sie schon sehr lange in diesem Bereich tätig sind: Wie sehen Sie die Bestellung der jetzigen Bundesministerin Edtstadler zur Staatsanwältin in der WKStA? Hat sie da aus Ihrer Sicht die erforderlichen Vorqualifikationen mitgebracht?

Dr. Maria Luise Nittel: Bitte, erstens, glaube ich, ist das hier nicht Beweisthema, und zweitens einmal - -

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Na ja, würde ich schon sagen, denn es geht immerhin auch um Postenschacher in der türkis-blauen Regierung. Da drängt sich für mich schon die Frage auf, ob sich da vielleicht eines Dienstpostens bemächtigt wurde, der vielleicht objektiv nicht so vergeben worden wäre.

Dr. Maria Luise Nittel: Ich sage Ihnen dazu nur, dass ich überhaupt nichts weiß darüber, weder involviert war noch irgendetwas. Ich bin Leiterin einer Staatsanwaltschaft in erster Instanz, hatte damit nichts zu tun und konnte dazu nichts sagen; abgesehen davon halte ich es nicht für vom Beweisthema umfasst.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Gut, dann frage ich noch etwas anderes, noch einmal aus Ihrer langjährigen Erfahrung diesbezüglich: Ist es in der Staatsanwaltschaft Wien in weiterer Folge dann möglich, dass man von einem Staatsanwaltsposten auf einen Oberstaatsanwaltsposten befördert wird, ohne dort auch nur einen einzigen Tag gearbeitet zu haben? Ist das auch bei Ihnen gängige Praxis? – Im Fall der Kollegin Edtstadler war es nämlich so.

Dr. Maria Luise Nittel: Ich sage noch einmal, dass ich da überhaupt nicht involviert war und gar nichts darüber weiß. Die Staatsanwältin Edt- - Da fragt man ja mich nicht bei so etwas, sozusagen. (Heiterkeit der Auskunftsperson.) Ich kann dazu wirklich überhaupt nichts sagen.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Ich wollte nur wissen, ob Sie ähnlich gelagerte Fälle kennen, aber ich vermute schon, dass das nicht übliche Praxis ist. – Danke. Die Zeit nehme ich in die nächste Runde mit.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Danke vielmals. – Herr Abgeordneter Stögmüller.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Herr Hafenecker hat jetzt schon einige Fragen vorweggenommen, die ich auch sehr spannend gefunden hätte; auch das mit der Staatsanwaltschaft in St. Pölten.

Ich lege Ihnen das Dokument 65187 vor, nämlich das Protokoll von Herrn Holzer. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.) Dabei geht es noch einmal um Niko Reith. Sie sagen, in dem Verfahren ist Strache Opfer, auch ein Opfer kann bei einer Befragung ein - -

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Entschuldigung, ich würde ersuchen – die Nummer, das haben wir alles –, das Dokument auch an den Herrn Verfahrensrichter, an den Herrn Verfahrensanwalt, an mich und an die Stenografen zur Verteilung zu bringen.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Wir haben es nur einmal.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Einmal ist zu wenig.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Ich kann es auch vorlesen, darum geht es ja nicht, ich wollte es nur der - -anwältin - -

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Oder wir kopieren es ganz schnell. Dürfen wir das Dokument kurz haben? (Auskunftsperson Nittel: Ja natürlich!) – Bitte. (Abg. Kaufmann: Wir hätten es da, wir können gerne aushelfen! – Das Schriftstück wird verteilt.) – Gut, es ist im Aktenbestand, es ist das Protokoll.

Herr Abgeordneter, Sie können fortfahren.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Hier geht es darum, und das Zitat ist auf die Frage, ob er wusste, dass Doppler und Niko Reith intensiven SMS-Austausch gemeinsam mit Strache hatten, dass er sagt: „Ob intensiv, weiß ich nicht. Ich weiß, dass es Kontakt gegeben hat, und zwar in Absprache mit der zuständigen Staatsanwaltschaft und teilweise sogar im Beisein des zuständigen Staatsanwaltes.“

Jetzt würde mich interessieren – Sie haben zuerst gesagt, Sie haben dazu keine Wahrnehmung; Herr Holzer sagt jetzt, der Staatsanwalt war dabei –: Waren Sie als Staatsanwaltschaft jetzt dabei oder waren Sie nicht dabei? Die WKStA habe ich diesbezüglich schon gefragt.

Dr. Maria Luise Nittel: Das kann ich Ihnen nicht beantworten.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Warum nicht?

Dr. Maria Luise Nittel: Mir sagt das gar nichts, überhaupt nichts. Ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang die Aussage gemacht wurde, und ich bin auch nicht der fallführende Staatsanwalt.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Das heißt, Sie wissen es einfach nicht?

Dr. Maria Luise Nittel: Richtig.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Das heißt, Sie wissen nicht - - Seit Wochen ist im Untersuchungsausschuss das SMS, das Niko Reith an Strache geschrieben hat: Ich wünsche einen baldigen „Rücktritt vom Rücktritt“ – ich glaube, das war das Zitat –, oder: Ich wünsche dir einen „Rücktritt vom Rücktritt“.

Sie haben nie nachgefragt, was da dahintersteckt?

Dr. Maria Luise Nittel: Das ist nicht in unserem Akt, das betrifft unseren Akt nicht. Sie sind falsch bei mir.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Warum soll ich bei Ihnen falsch sein? Die Staatsanwaltschaft ist doch für die Ibiza- -, auch bei der Opferbefragung. Da geht es ja auch um die Befangenheit. Niko Reith hat Strache befragt, Niko Reith war der Beamte, der das Opfer in Ihrem Fall befragt hat. Und dieser Mitarbeiter schreibt: Ich wünsche dir einen „Rücktritt vom Rücktritt“! – und Sie sagen, ich bin im falschen Akt?! Da bin ich eher im falschen Film, wenn Sie das jetzt sagen.

Sind Sie als Staatsanwaltschaft dem nie nachgegangen, ob der Mitarbeiter, der das Opfer befragt hat, wo es auch eine Befangenheit gibt, befangen ist oder nicht befangen ist, als Staatsanwaltschaft?

Dr. Maria Luise Nittel: Ich verstehe jetzt nicht, worauf Sie hinaus wollen, bitte. Erklären Sie mir das jetzt, was Sie irgendwie dem fallführenden Staatsanwalt vorwerfen!

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Nein, dass er nicht nachgegangen ist. Ich werfe ihm gar nichts vor, aber mir ist es unklar, warum er dann nicht nachgegangen ist, ob Niko Reith befangen war oder nicht befangen war.

Dr. Maria Luise Nittel: Also ich sage noch einmal, er hätte nie irgendwie bemerkt, dass irgendwelche Ermittlungshandlungen von der Soko Tape gesetzt worden wären, die auf eine Befangenheit hätten schließen lassen, auf eine Unkorrektheit hätten schließen lassen. Und er war ja nicht der einzige Beamte, der wird auch nicht alleine bei der Vernehmung oder so dabei gewesen sein.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Das weiß ich jetzt nicht mehr, wie viele Beamte jetzt dabei waren oder wer jetzt dabei war, aber Niko Reith ist ja nicht nur der Einzige. Wissen Sie überhaupt - -

Dr. Maria Luise Nittel: Der fallführende Staatsanwalt war wahrscheinlich auch dabei.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Das weiß ich nicht. Wissen Sie jetzt hier, ob Holzer die Unwahrheit sagt oder nicht? War SMS-Verkehr mit Strache und Niko Reith mit Absprache mit der Staatsanwaltschaft oder nicht mit der Staatsanwaltschaft?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein, ich kann Ihnen das nicht beantworten.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Gut. – Danke.

*****

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Dritte Fragerunde: Frau Abgeordnete Krisper.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrte Frau Staatsanwältin! Ich wollte nur, weil das medial vielleicht wegen meiner Geschwindigkeit bei allen nicht ganz richtig ankam, wiederholen, dass die WKStA den IT-Abteilungsleiter des Bundeskanzleramtes und den Auftraggeber von Arno M., den Herrn Dr. Pichlmayer, einvernehmen wollte, was vielleicht auch deswegen nicht früher geschah, weil laut dem Dokument mit der Nummer 64137, Seite 20, das Ihnen vorliegt, Pichlmayer im Juli in den USA auf Urlaub war und sich vielleicht auch deswegen das Ganze verschob.

Ich darf Ihnen einen Artikel vom „Standard“ mit einem Interview mit Ihnen vom 4. August 2009 vorlegen; weit draußen, aber darum geht es nicht, sondern um Fragen zur Weisungsstruktur, die ich an Sie habe; auch losgelöst vom Artikel, aber für Sie als Erinnerung.

Ich durfte dadurch Ihre Position ein wenig kennenlernen, nämlich dass Sie der Meinung sind, wie sich im Artikel als Ihre Aussage hier findet, dass das Ministerium Weisungen transparent machen muss. – Was sehen Sie für einen Verbesserungsbedarf in der Weisungskultur und ‑struktur des Justizministeriums?

Dr. Maria Luise Nittel: Das wird immer wieder diskutiert werden; auch jetzt erst eine Arbeitsgruppe über Transparenz und Begründungen und Weisungen. Das wird immer wieder neu gemacht. Weisungen sind ja auch transparent, die kommen in den Ermittlungsakt und müssen begründet sein.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Das heißt, Sie sehen keinen Verbesserungsbedarf?

Dr. Maria Luise Nittel: Wir haben erst vor Kurzem in einer Arbeitsgruppe über Formulierungen und Weisungen geredet; das haben wir erst vor ganz Kurzem gemacht. Unter dem Vorsitz des Herrn Generalprokurators haben wir in einer Arbeitsgruppe neue Ideen über Transparenz und über ganz klare Formulierungen - -, damit sich junge Staatsanwälte genau auskennen, was jetzt Übergeordnete wollen. Wir arbeiten ständig an möglichen Verbesserungen.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Im Rahmen des Ibizavideos kam es, haben Sie gemeint, zu keiner Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien an Ihre Behörde?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Danke. – Nächste Runde bitte.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Frau Abgeordnete Kaufmann.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Frau Hofrätin, ich lege Ihnen das Dokument 680 vor. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.) Das ist ein E-Mail von der fallführenden WKStA-Staatsanwältin Jilek an ihre Kollegen in der WKStA.

Frau Jilek schrieb am 7.8.2019: „Liebes Ibiza-Team! Aus aktuellem Anlass (es geht um die Soko) muss ich der Vorsicht halber erklären, ob ihr Mitglied einer politischen Partei oder einer parteinahen Organisation seid oder ward.“

Gab es in Ihrem Ibizaermittlerteam auch eine Umfrage zur politischen Gesinnung?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Wie gehen Sie innerhalb Ihrer Staatsanwaltschaft Wien mit der politischen Gesinnung von Staatsanwälten um, spielt das überhaupt eine Rolle?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Ist Ihnen so eine Umfrage unter Kollegen schon jemals untergekommen?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Wie gehen Sie in der Staatsanwaltschaft mit dem Thema politische Gesinnung grundsätzlich um?

Dr. Maria Luise Nittel: Also ich glaube, mindestens 95 Prozent der Staatsanwälte, wenn nicht alle, sind meines Wissens nicht in irgendeiner politischen Partei oder sonst irgendwie involviert – das ist schon fast selbstverständlich bei uns, das gehört irgendwie zur Ethik dazu –, und wenn, würde es mir ein Kollege sagen. Und wenn sich sonst irgendeine Befangenheit auftut, dann sagt er mir das. Die Kollegen sind sehr bedacht auf Einhaltung des Anscheins der Befangenheit, und wenn da irgendetwas wäre, dass entweder Verwandtschaft oder sonst irgendetwas besteht, würde er mir das sofort sagen.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Frau Dr. Nittel, immer wieder werden Ermittlungsbehörden auch mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie in politischen Netzwerken wären; auch wir hier herinnen haben das Thema immer wieder. Sie selbst waren auch schon einmal davon betroffen. Ihnen wurde unterstellt, dass Sie Teil eines roten Netzwerks in der Justiz sind. Jetzt sind Sie seit über einem Jahrzehnt die Leiterin der größten Staatsanwaltschaft. – Haben Sie Wahrnehmungen zu politisch motivierten Netzwerken in der Justiz?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein, ich gehöre selber auch keinem an, um das endlich einmal auch hier klarzustellen, und ich habe deshalb zweimal geklagt, und ich bin auch bei keiner Partei.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Können Sie den Vorwurf parteipolitischer Netzwerke überhaupt nachvollziehen?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Ist es für Sie vorstellbar, dass sich Entscheidungsträger in der Justiz parteipolitisch beeinflussen lassen?

Dr. Maria Luise Nittel: Na ja, vorstellbar – ich denke nicht, nein. Ich hoffe das nicht, dass das in der Gesamtjustiz so ist.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Haben Sie diesbezüglich Wahrnehmungen, dass das irgendwo vorgekommen wäre in der Justiz?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Frau Hofrätin, auf Seite 4 des Dokuments ist eine Besprechung zwischen WKStA, Oberstaatsanwaltschaft, Sektionschef Pilnacek und dem Justizminister Jabloner festgehalten. Diese fand am 19. August statt. Deswegen lege ich Ihnen auch das Dokument mit der Dokumentennummer 760, und da eben die Seite 4, vor. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.)

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Frau Abgeordnete, Sie haben noch 20 Sekunden Fragezeit.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Das Thema Befangenheit ist ein großes Thema zu dem Zeitpunkt. – Haben Sie jemals eine ausdrückliche Weisung vom Justizminister angefordert?

Dr. Maria Luise Nittel: In welchem Zusammenhang? – Aber nein.

Das Dokument ist interessant, aber das geht mich gar nichts an.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Wenn es ums Thema Befangenheit geht: ob Sie da jemals sozusagen eine Weisung vom Justizminister angefordert haben.

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Frau Abgeordnete Yılmaz, bitte.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Ich lege Ihnen Fotos vor, wir haben sie für alle kopiert, die sind aus den sozialen Netzwerken. (Der Auskunftsperson werden Kopien von Fotos vorgelegt.)

Frau Dr. Nittel, erkennen Sie die Personen auf dem Bild?

Dr. Maria Luise Nittel: Natürlich, teilweise.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Spielen in Ihren Ermittlungen diese Fotos und diese, ja, Netzwerke auch eine Rolle?

Dr. Maria Luise Nittel: Da bin ich überfragt.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Wer ist auf diesen Fotos drauf, auf dem ersten, wo drei Frauen und zwei Männer zu sehen sind?

Dr. Maria Luise Nittel: Bitte, welche Frage wollen Sie mir konkret stellen?

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Erkennen Sie die Personen auf dem ersten Bild, auf dem fünf Personen abgebildet sind? Sie haben gesagt, teilweise. Welche Personen erkennen Sie namentlich auf diesem Bild?

Dr. Maria Luise Nittel: Den Herrn Finanzminister Blümel.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Und?

Dr. Maria Luise Nittel: Sonst niemanden.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Und auf dem zweiten Foto, wo ein Mann und eine Frau zu sehen sind, wen erkennen Sie hier?

Dr. Maria Luise Nittel: Auch den Herrn Finanzminister.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Der Schelling heißt. – Und die zweite Person, die Frau?

Dr. Maria Luise Nittel: Kenne ich nicht.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Okay. – Danke.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Nächste Fragestellerin: Frau Abgeordnete Fürst, bitte.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Hofrätin, zur Medienberichterstattung über die Causa Ibiza. Sie haben sich hier ja auch zu Wort gemeldet, vor allem in einem Schreiben vom 24. Juni 2019 an die OStA, in dem Sie auch beklagt haben, dass das öffentliche Bekanntwerden der bisherigen Ermittlungsergebnisse und Ermittlungsmaßnahmen Ihrer Ansicht nach den weiteren Verlauf des Strafverfahrens und das Ergebnis der Ermittlungen beeinflussen würden.

Können Sie sich an dieses Schreiben erinnern?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein. – War das ein Bericht oder - -

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Wir haben ein Schreiben hier im Akt. Moment! Es geht mir jetzt aber gar nicht darum, Sie da irgendwo festzunageln.

Haben Sie sich schon einmal Gedanken gemacht über diese Medienberichterstattung im Zuge von Ibiza und darüber, ob hier Ermittlungsergebnisse gefährdet werden?

Dr. Maria Luise Nittel: Natürlich.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Und inwiefern? Können Sie das ein bisschen ausführen?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein, weil da müsste ich etwas über die Ermittlungen sagen.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Aber was halten Sie von dieser Berichterstattung oder was halten Sie davon, was ist Ihre Wahrnehmung, wenn da einfach Chatverläufe von Beschuldigten schon während laufender Ermittlungen in den Medien landen oder hier Aktenbestandteile hinausgespielt werden?

Dr. Maria Luise Nittel: Das kann uns nicht gefallen.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Zum Teil wird ja das schon hinausgespielt, bevor überhaupt die Beschuldigten Akteneinsicht haben. Daher kann es nicht an den Beschuldigten liegen, dass das rausgeht, und da ist es ja dann naheliegend, dass das von einer Behörde rausgespielt wird. – Gibt es dazu Ermittlungen zum Beispiel jetzt innerhalb Ihrer Zuständigkeit?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, ich glaube, es gibt mehrere Verfahren wegen 310. Die gibt es schon. Aber sobald Akteneinsicht war, kommen auch andere Personen als Amtspersonen infrage.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Natürlich, aber vorher sind es nur Amtspersonen.

Was meinen Sie mit mehreren Verfahren nach § 310? Können Sie das erklären?

Dr. Maria Luise Nittel: 310 ist die Verletzung des Amtsgeheimnisses. Es wird uns immer wieder von irgendjemandem - - Von verschiedenen Seiten bekommen wir Anzeigen, oder wir legen auch selbst Verfahren an, wenn wir der Meinung sind, das wäre ein Verdacht nach 310.

Diese Verfahren gibt es, ja, und wir versuchen, wenn der Verdacht gegeben ist, aufzuklären, woher es kommt.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Das heißt, Sie ermitteln hier. Behördenintern sozusagen wird das Problem Ihrer Meinung nach ernst genommen?

Dr. Maria Luise Nittel: Na behördenintern - - Wenn uns der Verdacht selber betrifft, dann müssen wir das Verfahren natürlich der Oberstaatsanwaltschaft vorlegen, dass sie eine andere Staatsanwaltschaft bestimmt, die das Verfahren führt.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Haben Sie auch Wahrnehmungen zu Journalisten, die sehr offensiv versuchen, an die Staatsanwaltschaft zum Beispiel heranzutreten oder Informationen zu bekommen?

Dr. Maria Luise Nittel: Wahrnehmungen habe ich keine, nein.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Und Sie wissen davon auch nichts?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Gut. – Danke, das war es einmal.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Herr Abgeordneter Stögmüller, bitte.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Ich habe noch zwei Fragen, vielleicht können Sie mir da helfen.

In der Staatsanwaltschaft ist ja der Akt von Strache im 711 St 1/19v, glaube ich, ist der Akt - - Jetzt würde es mich wundern, da wurde ja eine neue - - Das war der erste Akt in der Abteilung.

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, das ist der Stammakt, das Aktenzeichen vom Stammakt.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Genau, und da wurde eine neue Abteilung sozusagen gegründet.

Dr. Maria Luise Nittel: Wieso neue Abteilung?

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Weil 1 ist, St 1, erster Akt.

Dr. Maria Luise Nittel: Der erste Akt im Jahr 2019, aber der Staatsanwalt kann viele Akten aus 2018 gehabt haben.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Okay, also so wurde das - - Es hat uns nur gerade gewundert, dass das sozusagen der erste Akt 2019 ist.

Dr. Maria Luise Nittel: Ach so, Sie meinen, weil es Juni war oder irgendwie Mitte des Jahres? Ja, da hat er aus 2018 noch viele Akten gehabt.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Deswegen. Aber es wurde keine neue Abteilung oder sonst irgendetwas gegründet diesbezüglich?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Okay.

Es gibt Indizien, dass Niko Reith H.-C. Strache bei der Beschaffung des Ibizavideos unterstützte. Es gibt dazu auch einen Sachverhalt, dass Herr Doppler – das ist ein Bundesheeroffizier aus Salzburg, ein FPÖler – über den Niko Reith dem BK eine Tonbandaufnahme zur Verfügung gestellt hat und illegale Aufnahmen – durch den Herrn Strache – auch dementsprechend zugesteckt hat.

Wissen Sie über dieses Dreiecksverhältnis irgendetwas?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Gar nix. Ich lege Ihnen jetzt das Protokoll von Purkart, Seite 76, vor; das ist das Dokument 65160. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.)

Und jetzt würde mich Folgendes interessieren: Da geht es ja nicht um irgendwelche Korruptionsvorwürfe, was die WKStA betrifft. Ich meine, bei Niko Reith weiß man ja nicht, wo er jetzt wirklich ermittelt, ob er jetzt für die WKStA oder für die Staatsanwaltschaft ermittelt, obwohl uns der Holzer immer erklärt hat, dass es hier zwei unterschiedliche Gruppen von Ermittlern gibt. Beim Niko Reith war das nicht so, weil wir ja nachweisen können, dass er sowohl als auch ermittelt hat.

Jetzt würde mich interessieren: Hat die Staatsanwaltschaft oder haben Sie als Leiterin eine Ahnung oder auch eine Wahrnehmung, dass es hier ein Dreiecksverhältnis zwischen Herrn Doppler, Herrn Reith und so weiter gegeben hat, so wie beschrieben, um diese Tonbandaufnahme zu erhalten? Haben Sie dazu eine Wahrnehmung?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Keine Wahrnehmung, oder wissen Sie nichts darüber?

Dr. Maria Luise Nittel: Keine Wahrnehmungen.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Ist so etwas ein üblicher Vorgang, dass ein Polizist, der in der Soko ermittelt, ein freundschaftliches Verhältnis mit einem der Opfer hat, sozusagen versucht, über einen Dritten illegal aufgenommenes Videomaterial herbeizuschaffen?

Dr. Maria Luise Nittel: Ich kann dazu überhaupt nichts sagen.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Entschuldigung, Korrektur: Tonbandaufnahmen herbeizuschaffen, nicht Videomaterial.

Dr. Maria Luise Nittel: Ich kann dazu überhaupt nichts sagen.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Okay, gut. – Danke. Keine weiteren Fragen.

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Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Danke vielmals.

Damit kommen wir zur vierten Runde.

Ich frage nach den Fraktionen: Frau Abgeordnete Krisper? – Nein. Frau Abgeordnete Kaufmann, haben Sie noch Fragen? – Bitte.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Frau Hofrätin, ich lege Ihnen das Dokument 288 vor. Es ist ein Informationsbericht der WKStA und der OStA Wien. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.)

Inhalt des Berichts sind detaillierte Erhebungen zum Soko-Beamten Reith. Auf Seite 1 schreibt die WKStA, dass eine „massive Befangenheit“ des Soko-Mitglieds Niko Reith naheliegt. Trotz der klärenden Unterredung zwischen Peschorn und Jabloner vom 16. August, trotz Besprechung der WKStA mit der Oberbehörde und der Ressortleitung und trotz einer einzigartigen schriftlichen Weisung befasst sich die WKStA weiterhin intensiv mit dem Soko-Ermittler Reith.

Dem Bericht vom 4. September ist auf Seite 9 eine Abbildung der Homepage der Angehörigen des Beamten angeschlossen. Auf Seite 23 findet sich sogar ein Firmenbuchauszug vom Bruder des Ermittlers. Auf Seite 30 ist dann ein Foto des Beamten zu sehen.

Welche Grundlage hat solch ein Vorgehen? Haben Sie da als Leitende Staatsanwältin irgendwelche Wahrnehmungen?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein. Mir ist auch der Vorhabensbericht nicht bekannt. Das weiß ich alles nicht.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Ist so ein Vorgang üblich? Machen Staatsanwaltschaften so etwas?

Dr. Maria Luise Nittel: Das weiß ich auch nicht, ob andere Staatsanwaltschaften so etwas machen; wir sind 17. Also bei uns wüsste ich jetzt nicht.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Hat Sie die WKStA darüber informiert, dass sie detaillierte Erhebungen zu einem Soko-Beamten macht?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Hat die WKStA bezüglich dieses Chatverlaufs, der auch bei uns immer wieder Thema ist, mit der Staatsanwaltschaft Wien Kontakt aufgenommen?

Dr. Maria Luise Nittel: Also ob jetzt der Fallführende irgendetwas darüber weiß, das kann ich jetzt nicht sagen.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Können Sie grundsätzlich beschreiben, wie die Zusammenarbeit mit dem Herrn Reith war?

Dr. Maria Luise Nittel: Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. Ich kann sagen, dass die Zusammenarbeit zwischen dem fallführenden Staatsanwalt und der Soko generell sehr gut ist. Wie das jetzt zu einzelnen Beamten ist und ob das überhaupt Thema ist - - Er hat natürlich Kontakt sowohl mit Mag. Holzer als auch mit Dieter Csefan, mit dem hat er am meisten zu tun, aber wie weit er jetzt mit einzelnen Beamten überhaupt Kontakt hatte oder die Ansprechpartner für ihn waren, das kann ich nicht sagen.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Der Soko-Leiter Holzer äußerte sich hier bei uns folgendermaßen zu Herrn Reith:

„Das war unser bester Mann in der Soko oder einer unserer besten Männer in der Soko. Leider Gottes hat er sie aus privaten Gründen verlassen. [...] Vielleicht nur zur Ergänzung darf ich anführen, dass auch der zuständige Staatsanwalt nach dem freiwilligen Abgang des betreffenden Beamten festgestellt hat, das wäre, wie wenn auf einer Baustelle der Polier die Baustelle verlässt. – So wichtig war er auch für die Ermittlungen.“

Wie hat die Staatsanwaltschaft Wien den Abgang von Reith bewertet?

Dr. Maria Luise Nittel: Das möchte ich jetzt nicht kommentieren. Wenn das der Fallführende gesagt hat, dann war er wichtig. Dazu kann ich nichts sagen bitte.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Eine Frage noch, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Sind Ihnen nähere Hintergründe zum Abgang des Beamten bekannt?

Dr. Maria Luise Nittel: Nein.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Danke schön. Man hat als Bürgerin einen sehr guten Eindruck von der wichtigen Arbeit der Staatsanwaltschaft gewinnen können. – Danke.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Nächste FragestellerIn? – Keine Frage? Sozialdemokraten? Freiheitliche? – Bitte, Herr Abgeordneter Hafenecker.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Frau Dr. Nittel, ich habe noch abschließend eine kurze Frage. Sie haben vorher gesagt, dass es eben diesen Akt gibt, der dann schlussendlich von der Staatsanwaltschaft Wien angefordert worden ist, dieses sogenannte Treffprotokoll. Ich wollte da noch einmal umreißen, welche Personen da umfasst sind.

Der Name des Herrn Hessenthaler ist heute hier herinnen schon gefallen, als Miturheber des Videos, und dann gibt es auch noch den Herrn S. K.. Das war genau der Informant, der in diesem Treffprotokoll erwähnt hat, dass es das Video gibt. Es wird vermutet, dass auch er über die Konsic GmbH – das ist diese ehemalige Detektei in München, die der Herr Hessenthaler geführt hat – mit an der Produktion des Videos beteiligt war.

Jetzt gehe ich davon aus, dass das zwei Personen sind, gegen die jedenfalls im Zusammenhang mit der Erstellung des Ibizavideos ermittelt wird, aber worauf ich hinaus will: Wussten Sie, dass beide Personen schon sehr, sehr lange Informanten des Bundeskriminalamts sind, das heißt, eigentlich in engem Kontakt zu den österreichischen Behörden gestanden sind? Ist das auch Teil Ihrer Ermittlungen?

Dr. Maria Luise Nittel: Wusste ich nicht, nein, und Teil der Ermittlungen ist es auch nicht.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Ja, es ist nämlich spannend, es gibt zwei verdeckte Operationen. Das eine ist die Operation Mezzo und das andere ist die Operation Daviscup – es ist interessant, wer sich diese Namen immer einfallen lässt. Das sind beides getrennt voneinander durchgeführte Operationen, bei denen es um Fälschungen von Zigaretten gegangen ist, wo genau diese beiden Herren als Informanten mit involviert waren.

Ich glaube, es wäre doch interessant, hier einmal die Zusammenhänge zu erforschen, denn im Prinzip suchen Sie ja jetzt genau diese Leute, den Herrn Hessenthaler zum Beispiel, die jahrelang eigentlich das Bundeskriminalamt mit Informationen versorgt haben. Und mich wundert es wirklich, warum dieser Zusammenhang, nachdem er sogar für uns aktenmäßig offensichtlich geworden ist, in der Staatsanwaltschaft noch nicht hergestellt worden ist beziehungsweise nicht Teil von Ermittlungen ist.

Dr. Maria Luise Nittel: Ich kann Ihnen dazu jetzt einfach nichts sagen.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Ja, dann hoffen wir, dass die Ermittlungen doch auch einmal in diese Richtung gehen, denn wenn man die Leute vor der eigenen Tür hat, dann braucht man nicht unbedingt irgendwelche Videos aus Steckdosen herauskramen.

Aber jetzt noch eine andere Frage: Sie haben gesagt, es gibt diesen 400-Seiten-Bericht, von dem wir ja gerüchteweise auch schon öfter gehört haben. Gesehen haben wir ihn leider noch nicht. Mich würde interessieren, ob diesem Bericht diesbezüglich etwas zu entnehmen ist, weil auch das bisher im Unklaren geblieben ist: Es gibt ja immer wieder auch Gerüchte, dass bei diesem Steckdosenfund nicht nur Videos enthalten sein sollen, die genau an diesem Abend mit H.-C. Strache und Johann Gudenus gedreht worden sind, sondern auch andere Videos.

Ist Ihnen aus dem 400-Seiten-Bericht bekannt, dass es Videos gibt, die auch an anderen Orten hergestellt worden sind?

Dr. Maria Luise Nittel: Ja, ich glaube, da gibt es auch andere Teile, die irgendwie vorher entstanden sind, aber im Detail weiß ich es nicht. Ich habe die 400 Seiten natürlich nicht gelesen.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Gibt es auch Videos, auf denen andere Personen drauf sind als außer die auf Ibiza?

Dr. Maria Luise Nittel: Das weiß ich jetzt nicht. Das kann ich Ihnen nicht sagen.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Aber wir können festhalten, dass es zumindest nicht nur den Teil Ibiza gibt, sondern dass es auch an anderen Orten gedrehte Videos gibt?

Dr. Maria Luise Nittel: Die aber mit dem Ibizavideo zu tun haben.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Eine Frage noch, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Danke, das wäre es so weit.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Ich frage die grüne Fraktion: Haben Sie noch Fragen? – Nein.

Dann frage ich den Herrn Verfahrensrichter, ob er noch ergänzend abschließende Fragen an die Auskunftsperson hat.

Verfahrensrichter Dr. Wolfgang Pöschl: Keine Frage an die Auskunftsperson.

Vorsitzender-Vertreterin Doris Bures: Gut, dann bedanke ich mich vielmals bei Ihnen, Frau Dr.in Maria Luise Nittel, und auch bei Ihrer Vertrauensperson, dass Sie dem Ausschuss zur Verfügung gestanden sind. Ich bedanke mich für Ihr Erscheinen und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. – Vielen Dank.

Dr. Maria Luise Nittel: Vielen Dank.

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