Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Allgemeines:

A. 1. Am 1. Jänner 1975 traten das Strafgesetzbuch und mit ihm die so genannte Zweispurigkeit des Sanktionensystems (zu den Strafen kamen die vorbeugenden Maßnahmen) in Kraft. An freiheitsentziehenden vorbeugenden Maßnahmen brachte die Strafrechtsreform die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (nach § 21 Abs. 1 StGB für zurechnungsunfähige geistig abnorme Rechtsbrecher und nach § 21 Abs. 2 StGB für zurechnungsfähige geistig abnorme Rechtsbrecher), die Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher (nach § 22 StGB) sowie die Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter (nach § 23 StGB). Vollzogen werden sollten diese Maßnahmen grundsätzlich in eigenen Anstalten. Das Strafvollzugsanpassungsgesetz 1974 sah jedoch für die Unterbringung in Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher Übergangsregelungen vor, denen zufolge bis zur Aufnahme des Betriebes der erforderlichen Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher Unterbringungen nach § 21 Abs. 1 StGB in öffentlichen Krankenanstalten für Geisteskranke und Unterbringungen nach § 21 Abs. 2 StGB in Sonderanstalten oder in besonderen Abteilungen Strafvollzugsanstalten vollzogen werden sollten. Diese Übergansregelungen sollten ursprünglich längstens bis zum 31. Dezember 1984 dauern. In der Folge wurden sie zunächst noch bis 31. Dezember 1986 verlängert (BGBl. Nr. 455/1984) und dann noch einmal bis 31. Dezember 1987 (BGBl. Nr. 545/1986), bevor sie das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 zum im Wesentlichen bis heute geltenden Dauerrechtszustand machte.

Der Rechtsrahmen für den Vollzug der Unterbringung im Maßnahmenvollzug war und ist im Strafvollzugsgesetz geregelt.

Als Zweck der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gibt § 164 Abs. 1 StVG vor, dass „die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher die Untergebrachten davon abhalten (soll), unter dem Einfluss ihrer geistigen oder seelischen Abartigkeit mit Strafe bedrohte Handlungen zu begehen. Die Unterbringung soll den Zustand der Untergebrachten soweit bessern, dass von ihnen die Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen nicht mehr zu erwarten ist, und den Untergebrachten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen.“

Diese Bestimmung gilt unverändert bis heute.

An besonderen Behandlungsbestimmungen sieht § 165 Abs. 1 Z 1 StVG für den Vollzug der Maßnahme nach § 21 Abs. 1 StGB vor, dass die Untergebrachten unter Berücksichtigung ihres Zustandes zur Erreichung der Vollzugszwecke und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten so zu behandeln seien, wie es den Grundsätzen und anerkannten Methoden der Psychiatrie, Psychologie und Pädagogik entspricht. Ähnlich bestimmt § 166 StVG für den Vollzug der Maßnahme nach § 21 Abs. 2 StGB vor, dass die Untergebrachten zur Erreichung der Vollzugszwecke entsprechend ihrem Zustand ärztlich, insbesondere psychotherapeutisch, psychohygienisch und erzieherisch zu betreuen seien. Im Übrigen verweist § 167 StVG unter der Überschrift „ergänzende Bestimmungen“ großflächig auf das StVG, wobei von den Vorgaben des StVG in dem für die Behandlung und Betreuung erforderlichen Maß abgewichen werden darf; soweit das StVG den Strafgefangenen Rechte einräumt, dürfen diese bei Untergebrachten jedoch nur insoweit beschränkt werden, als dies zur Erreichung der vorgenannten Zwecke unerlässlich ist.

Auch dieses Unterbringungsregime gilt im Wesentlichen bis heute unverändert.

A. 2. Auch wenn das Maßnahmenvollzugsrecht in seinem Kernbestand seit nunmehr fast 50 Jahren unverändert geblieben ist, gab es in der Vergangenheit doch auch einige nicht unwesentliche Modifikationen:

–      So wurde mit dem StRÄG 1987 das Institut der Unterbrechung der Unterbringung für therapeutische Zwecke und zur Vorbereitung auf das Leben in Freiheit geschaffen (§ 166 StVG), überdies eine Rechtsgrundlage für eine Kostenübernahme durch den Bund im Falle von Therapieweisungen (§ 179a Abs. 2 StVG).

–      Mit der Strafvollzugsnovelle 1993 wurde für jene Untergebrachten, die in einer psychiatrischen Krankenanstalt angehalten werden, ein Verweis auf die §§ 33 bis 38 UbG aufgenommen (§ 167a Abs. 2 StVG), sodass insofern schon damals wenigstens zum Teil eine Gleichbehandlung von zivilrechtlich und strafrechtlich in psychiatrischen Krankenanstalten Untergebrachten hergestellt wurde.

–      Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2001, BGBl. I Nr. 13072001, wurde die Möglichkeit der bedingten Nachsicht der Unterbringung nach § 21 StGB geschaffen, ebenso aber die Möglichkeit, die Probezeit mehrfach, unter Umständen bis zum Lebensende einer entlassenen Person, zu verlängern (§ 54 Abs. 3 StGB).

–      Mit dem 2. Gewaltschutzgesetz 2009, BGBl. I Nr. 40/2009, wurde einerseits die Möglichkeit der Kostenübernahme durch den Bund bei Therapieweisungen auch im Falle der bedingten Nachsicht der Unterbringung nach § 21 StGB geschaffen (§ 51 Abs. 5 StGB). Außerdem wurde die Kostendeckungsmöglichkeit des Bundes auf Therapieweisungen in Bezug auf sozialtherapeutische Wohneinrichtungen ausgedehnt.

–      Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 11/2010, wurden Vermögensdelikte als Anlasstaten für Unterbringungen nach § 21 StGB ausgeschlossen, es sei denn, sie wurden unter Anwendung von Gewalt gegen eine Person oder unter Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) begangen.

–      Mit der Novelle BGBl. I Nr. 2/2013 wurde eine Rechtsgrundlage für die Anhaltung von nach § 21 Abs. 1 StGB Untergebrachten in dafür besonders bestimmten Außenstellen der Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen geschaffen.

A. 3. Neben diesen Reformschritten in Österreich ging die Rechtsentwicklung aber sowohl international als auch im benachbarten Ausland weiter.

A. 3. 1. Im Jahr 2008 hat Österreich die 2006 angenommene VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert (BGBl. III Nr. 155/2008). Art. 14 dieser Konvention normiert unter dem Titel „Freiheit und Sicherheit der Person“ unter anderem, dass „das Vorliegen einer Behinderung in keinem Fall eine Freiheitsentziehung rechtfertigt“ (Abs. 1 lit. b letzter Halbsatz). Menschen mit psychischen Störungen im Sinne der strafrechtlichen (und zivilrechtlichen) Unterbringung gelten zwar als Menschen mit Behinderungen und fallen daher grundsätzlich in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung. Nach herrschender österreichischer Auffassung sind jedoch sowohl die zivilrechtliche als auch die strafrechtliche Unterbringung grundsätzlich mit Art. 14 Abs. 1 lit. b letzter Halbsatz CRPD vereinbar. Zur Interpretation dieser Bestimmung gibt es verschiedene Ansichten, u.a. auch jene, dass eine Anhaltung in einer psychiatrischen Einrichtung immer die Zustimmung der betroffenen Person voraussetzt, dass also Zwangsunterbringungen immer unzulässig sind. Diese Interpretation, die auch vom Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen nach Art. 34 ff der Konvention vertreten wird, ist jedoch in Österreich nicht herrschend. Vielmehr wird die Bestimmung in Übereinstimmung mit dem Standard des Europäischen Menschenrechtsschutzes (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. e EMRK, der Freiheitsentziehung aufgrund psychischer Krankheit zulässt) so verstanden, dass eine Freiheitsbeschränkung zwar nicht alleine aufgrund der Behinderung, sehr wohl jedoch zulässig ist, wenn eine (Selbst- oder Fremd-)Gefährdung hinzutritt (siehe Ganner, Zur Notwendigkeit der Neuregelung des Maßnahmenvollzugs, iFamZ 2015, 213 (214) mwN; im Ergebnis wohl auch Birklbauer, Die UN-Behindertenrechtskonvention und das österreichische Maßnahmenrecht: Ein (un)lösbares Dilemma, Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Volume 22, 2015 (3), 208 (216 f); aA offenbar Committee on the Rights of Persons with Disabilities, Statement on article 14 of the Convention on the Rights of Persons with Disabilities, adopted in September 2014 (see CRPD/C/12/2, Anhang IV); Guidelines on article 14 of the Convention on the Rights of Persons with Disabilities, The right to liberty and security of persons with disabilities, adopted during the Committee’s 14th session, held in September 2015, Anhang zum Bericht A/72/55).

Unabhängig von der Frage der Vereinbarkeit des Maßnahmenvollzugs mit der konkreten Bestimmung des Art. 14 Abs. 1 lit. b letzter Halbsatz des Übereinkommens gebietet die Mitgliedschaft bei diesem Übereinkommen jedenfalls insgesamt eine besondere Bedachtnahme auf die Grund- und Freiheitsrechte von Menschen mit Behinderungen, einschließlich solcher, die im Zusammenhang mit einer psychischen Störung ein deliktisches Verhalten gesetzt haben.

A. 3. 2. Nach wiederholten Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (vgl. Urteile des EGMR vom 17.12.2009 bzw. 13.1.2011in den Fällen M gegen Deutschland, Bsw 19359/04, sowie Haidn gegen Deutschland, Bsw 6587/04, hat das deutsche Bundesverfassungsgericht in einer Grundsatzentscheidung vom 4.5.2011, 2 BvR 2365/09, das so genannte „Abstandsgebot“ vorgegeben. Die genannten Entscheidungen betrafen allesamt Fragen im Zusammenhang mit der deutschen Sicherheitsverwahrung, die für sich genommen wegen unterschiedlicher Rechtslage nicht unmittelbar für Österreich relevant waren. Das Ergebnis lässt sich aber mutatis mutandis sehr wohl auch auf den österreichischen Maßnahmenvollzug übertragen. Das Abstandsgebot bezeichnet das Erfordernis eines deutlichen Unterschiedes zwischen der Ausgestaltung des Freiheitsentzugs im Rahmen des Maßnahmenvollzugs und dem Strafvollzug. Während es sich bei der Unterbringung im Maßnahmenvollzug grundsätzlich um eine vorbeugende Maßnahme handelt, stellt die Freiheitsstrafe grundsätzlich eine Sanktion für vergangene Straftaten dar. Das Abstandsgebot manifestiert sich in mehreren Unterprinzipien bzw. –geboten, nämlich dem Ultima-Ratio-Prinzip, dem Individualisierungsgebot, dem Intensivierungsgebot, dem Motivierungsgebot, dem Trennungsgebot, dem Minimierungsgebot, dem Rechtsschutz- und Unterstützungsgebot sowie dem Kontrollgebot (vgl. Tschachler, Der österreichische Maßnahmenvollzug im Lichte der EMRK (2020), 108 ff.).

Der deutsche Gesetzgeber reagierte auf die Entscheidung des BVerfG mit dem Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5.12.2012, dBGBl I, 2425, von dem an dieser Stelle nur der auch in den gegenständlichen Entwurf eingeflossene § 66c dStGB genannt sei (vgl. § 3 Abs. 5 sowie insbesondere § 18 MVG).

Der EGMR hat nun seinerseits wiederum auf die (von ihm ausgelöste) legislative Entwicklung in Deutschland (positiv) reagiert und nunmehr auch bereits zum wiederholten Male die neue Rechtslage in Deutschland, namentlich auch § 66c dStGB, anerkannt (vgl. Urteile des EGMR vom 7.1.2016 bzw. 4.12.2018 in den Fällen Bergmann gegen Deutschland, Bsw 23.279/14, sowie Ilnseher gegen Deutschland, Bsw 10211/12 und 27505/14). Außer der Gutheißung der aktuellen deutschen Rechtslage können aus den diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Fallschilderungen auch Anhaltspunkte für so etwas wie einen „Unterbringungs-Standard“ des EGMR (betreffend etwa Betreuungsschlüssel, räumliche Trennung, Wohnraumgröße udgl.) gewonnen werden.

Neben diesen deutschen Fällen sind aus jüngerer Zeit für Österreich insbesondere die gegen Österreich ergangenen Entscheidungen des EGMR vom 16.7.2015 bzw. 20.7.2017 in den Fällen Kuttner gegen Österreich, Bsw 7997/08, sowie Lorenz gegen Österreich, Bsw 11537/11, von Relevanz. Aus dem Fall Kuttner gegen Österreich kann man ein Menschenrecht darauf, nicht länger als notwendig bzw. nur möglichst kurz im Maßnahmenvollzug angehalten zu werden, herauslesen, und zwar wie eben konkret auch in diesem Fall selbst dann, wenn nach Beendigung der Unterbringung nicht die Entlassung in die Freiheit winkt, sondern lediglich die Überstellung in den Strafvollzug. Dem Fall Lorenz gegen Österreich kann man demgegenüber (im Zusammenhalt mit dem Fall Kuttner sowie dem vorstehend erwähnten Fall Bergmann gegen Deutschland) insbesondere Indizien für die Grenzen der Zulässigkeit des Vollzugs der Unterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB in besonderen Abteilungen des Strafvollzuges gewinnen.

A. 4. Die Entwicklung der letzten Jahre in Österreich war vom Streben nach Verbesserungen innerhalb des vorgegebenen Rahmens durch die Maßnahmenvollzugsverwaltung, begleitet von immer wieder aufkeimenden, aber dann doch wieder verworfenen legislativen Reformbemühungen, nicht zuletzt aber einem Ringen mit den im Wesentlichen kontinuierlich und stark, zuletzt sogar dramatisch gestiegenen Unterbringungszahlen geprägt:

 

Zahl der Untergebrachten zu Jahresbeginn

Jahr

Vorläufig Angehaltene nach § 429 Abs. 4 StPO

Untergebrachte nach § 21 Abs. 1 StGB

§ 429 Abs. 4 StPO und § 21 Abs. 1 StGB kumuliert

Untergebrachte nach § 21 Abs. 2 StGB

Gesamt

1.1.2001

24

245

269

226

495

1.1.2005

39

312

351

318

669

1.1.2010

40

370

410

413

823

1.1.2015

60

375

435

404

839

1.1.2020

87

610

697

452

1149

21.1.2021

110

710

820

510

1330

10.3.2021

 

 

841

524

1365

Nachdem bereits in den 1990er Jahren steigende Unterbringungszahlen zu verzeichnen waren (so stieg die Zahl der nach § 21 Abs. 1 StGB und § 21 Abs. 2 StGB Untergebrachten zwischen 1990 und 2000 von 252 auf 437), ist – wie sich aus der vorstehenden Tabelle ergibt – die Gesamtzahl der nach § 429 Abs. 4 StPO vorläufig Angehaltenen sowie der nach § 21 Abs. 1 StGB und § 21 Abs. 2 StGB Untergebrachten allein in den letzten 20 Jahren von 495 auf 1365 Personen gestiegen. Damit sind derzeit 2,8-mal so viele Personen vorläufig angehalten bzw. definitiv untergebracht als vor zwanzig Jahren. Dieser Anstieg steht in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zur Zahl der ermittelten Tatverdächtigen oder der Verurteilten.

In seinem Wahrnehmungsbericht vom 11. November 2019 hat der damalige Justizminister Univ. Prof. DDr. Clemens Jabloner dementsprechend folgende Warnung ausgesprochen: „Eine Entlastung des Maßnahmenvollzuges ist dringend erforderlich und unumgänglich. In wenigen Monaten ist nicht einmal mehr ein ausreichender Notbetrieb ohne gröbere Qualitätsverluste möglich. (….) Insgesamt ist festzuhalten, dass ein Zusammenbruch des Systems Maßnahmenvollzug droht, wenn nicht zeitnah gegengesteuert wird!“

Seither hat sich die Situation weiter verschärft.

A. 5. Bereits im Juni 2014 hatte der damalige Bundesminister für Justiz Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter eine Arbeitsgruppe eingesetzt, der – im Plenum und in erweiterten Fachgruppen – mehr als 40 Expert*innen aus den verschiedenen Bereichen des Straf- und Maßnahmenvollzugs (insbesondere Psychiater, Psychologen, Juristen, Vertreter des Bundesministeriums für Justiz, Richter, Rechts- und Sozialwissenschaftler, Sozialarbeiter, sonstige Praktiker des Strafvollzuges und des Maßnahmenvollzuges) angehörten. Aufgabe dieser Arbeitsgruppe war es, den Zustand des Maßnahmenvollzugs gemäß § 21 StGB zu evaluieren, die bestehenden Problemfelder zu identifizieren und den Reformbedarf in fachlicher, organisatorischer und legislativer Hinsicht zu erheben und zu konkretisieren.

Aufgrund des im Jahr 2015 vorgelegten Schlussberichts der Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug (https://www.justiz.gv.at/web2013/file/2c94848a4b074c31014b3ad6caea0a71.de.0/bericht%20ag%20ma %C3%9Fnahmenvollzug.pdf) erarbeitete das Bundesministerium für Justiz im Jahr 2016 einen ersten Gesetzesentwurf, der die meisten der von der Arbeitsgruppe ausgesprochenen Empfehlungen umzusetzen trachtete.

Der Entwurf des BMJ wurde in der Folge vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien (Univ. Prof. Dr. Helmut Fuchs, Univ. Prof. DDr. Peter Lewisch) – unter Einbeziehung weiterer Praktiker des Maßnahmenrechts und Maßnahmenvollzugs – überarbeitet und im Sinne geänderter Verhältnisse aktualisiert. Als Ergebnis der Diskussionen schlug der Entwurf eine grundlegende Neuregelung des Rechts der strafrechtlichen Unterbringung vor. Der Entwurf wurde zum einen im Sommer 2017 im Rahmen einer Enquete der Öffentlichkeit präsentiert – und auch auf der Website des BMJ veröffentlicht – und darüber hinaus einem – wegen der vorgezogenen Neuwahlen nur mehr informell möglichen – Begutachtungsverfahren unterzogen.

A. 6. Das Regierungsprogramm der folgenden Legislaturperiode hob beim Stichwort „Reform des Maßnahmenvollzugs – Sicherheit der Allgemeinheit erhöhen“ als „vorrangige Zwecke der Unterbringung die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und die erforderliche medizinische Behandlung“ hervor. Der Entwurf des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien wurde in dieser Legislaturperiode im Lichte des dazu abgeführten (informellen) Begutachtungsverfahrens einerseits und des damaligen Regierungsprogramms andererseits neuerlich überarbeitet, konnte jedoch wegen des vorzeitigen Endes dieser Legislaturperioden keiner Begutachtung mehr zugeführt werden.

A. 7. Das aktuelle Regierungsprogramm betont, dass Zweck der Unterbringung einerseits die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und andererseits die erforderliche medizinische Behandlung sowie die Resozialisierung sind. Das Regierungsprogramm sieht (daher) die „Überarbeitung der derzeit geltenden Rechtsgrundlagen hin zu einem modernen Maßnahmenvollzugsgesetz unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des EGMR, insbesondere zum Rechtsschutzsystem“ vor, wobei folgende Punkte ausdrücklich erwähnt werden, die allerdings nur zum Teil legislativen Charakter haben und zum Teil auch Not- bzw. Übergangsmaßnahmen darstellen:

–      Berücksichtigung der Empfehlungen der Evaluierungen zu erhöhten Einweisungszahlen;

–      Enthaftung von untergebrachten Rechtsbrecherinnen und Rechtsbrechern, ausschließlich wenn durch Gutachten angenommen wird, dass keine weitere gleichartige Straftat begangen wird;

–      Verbesserung des Prozesses des Entlassungsmanagements inner- und außerhalb von Anstalten;

–      Berücksichtigung der Kosten des Maßnahmenvollzugs gem. § 21 Abs. 1 StGB im Rahmen des Finanzausgleichs;

–      Errichtung einer weiteren Sonderanstalt bzw. eines Forensisch-therapeutischen Zentrums für den Bereich des Maßnahmenvollzugs gemäß § 21 Abs. 1 StGB in Fortführung der sogenannten „Insourcing-Strategie“;

–      Umwidmung von bestehenden Abteilungen unter Einhaltung des Trennungsgebots und höchstmögliche interne Erweiterung der Kapazitäten zur Bewältigung der Anstiege der Anzahl an Untergebrachten nach § 21 Abs. 1 und 2 StGB;

–      Errichtung baulich getrennter Departments für nach § 21 Abs. 2 StGB Untergebrachte möglichst auf dem Areal einer bestehenden Justizanstalt auf Grund steigender Anzahl Untergebrachter (JA Graz-Karlau, Stein, Garsten);

–      Verhandlung neuer Verträge zur Behandlung der Insassen in Krankenanstalten;

–      Überprüfung des Einweisungserfordernisses Anlasstat;

–      Maßnahmen zur Reduktion der Rückfallsgefahr während der Probezeit.

Der gegenständliche Entwurf unternimmt eine Neuorientierung der bisherigen Vorarbeiten am aktuellen Regierungsprogramm, wobei auch auf den Ministerratsvortrag 37/27 vom 11.11.2020, der u.a. den Punkt „Schaffung einer EMRK-konformen Möglichkeit der Unterbringung terroristischer Straftäter im Maßnahmenvollzug“ vorsieht, Bedacht genommen werden soll.

Allerdings sollen aus Gründen der Dringlichkeit die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich des StGB, der StPO und des JGG vorgezogen und das MVG zu einem späteren Zeitpunkt nachgezogen werden. Lediglich die als Ersatz für die bedingte Nachsicht der Maßnahme nach § 21 StGB vorgesehen gewesenen Regelungen betreffend das vorläufige Absehen vom Vollzug der Maßnahme sollen mitvorgezogen und vorläufig im StVG geregelt werden.

B. Im Bereich StGB umfasst der Entwurf im Wesentlichen folgende Punkte:

1.     „Strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum“ statt „Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher“;

2.     „schwerwiegende und nachhaltige psychiatrische Störung“ statt „geistige oder seelische Abartigkeit höheren Grades“;

3.     im Sinne der Empfehlungen des Abschlussberichts der Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug Engerführung der Kriterien für die Kausalität zwischen Störung und Anlasstat bzw. Störung und Prognosetat sowie Festschreibung des Kriteriums der „hohen Wahrscheinlichkeit“ der Prognosetat im Sinne der Rechtsprechung des OGH (§ 21 Abs. 1 und 2 StGB);

4.     generelle Anhebung der Schwelle der Anlasstat;

5.     Erweiterung des § 23 StGB um die Unterbringung gefährlicher terroristischer Straftäter im Lichte des MRV vom 11.11.2020;

6.     Entscheidung über Notwendigkeit der weiteren Anhaltung binnen Jahresfrist seit der letzten Entscheidung (statt bisher [Beginn der] Überprüfung binnen dieser Frist);

7.     Ersetzung der bedingten Nachsicht der Maßnahme durch vorläufiges Absehen vom Vollzug; gerichtliche Aufsicht auch schon beim vorläufigen Absehen vom Vollzug; Möglichkeit zur „Krisenintervention“ beim vorläufigen Absehen (vorläufig im StVG geregelt).

C. Im Bereich der StPO beinhaltet der vorliegende Entwurf eine übersichtliche und zeitgemäße Regelung der Verfahrensregelungen zur Unterbringung eines Betroffenen (§ 48 Abs. 2 StPO) in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 StGB (sohin sowohl nach § 21 Abs. 1 als auch Abs. 2 StGB) im 1. Abschnitt des 21. Hauptstücks. Folgende Hauptgesichtspunkte sind hervorzuheben

1.     Anpassung an die neue Terminologie des StGB;

2.     Neuregelung der Voraussetzungen der vorläufigen Unterbringung, spezifisches gelinderes Mittel bei ausreichender Behandlung und Betreuung auch außerhalb einer vorläufigen Unterbringung sowie ausdrückliche Regelungen zu Ort und Vollzug der vorläufigen Unterbringung;

3.     Festlegung der Zuständigkeit des großen Schöffengerichts (§ 32 Abs. 1a StPO) zur Entscheidung über einen Antrag auf Unterbringung (sofern nicht das Geschworenengericht zuständig ist);

4.     Ausdrückliche Regelungen zur Gleichwertigkeit von Anklageschrift und Antrag auf Unterbringung;

5.     Umfassende und klare Regelung der Besonderheiten der Hauptverhandlung in Verfahren zur Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 StGB, darunter

–      Klarstellung, dass ein Sachverständiger der Psychiatrie während der gesamten Dauer der Hauptverhandlung anwesend sein muss;

–      Klärung des Vorgehens bei gleichzeitiger Entscheidung über mehrere Taten bzw. zeitlich aufeinander folgender mehrfacher Entscheidung über Anlasstaten;

–      Festschreibung des Grundsatzes, dass eine Unterbringung nur einmal angeordnet werden kann.

6.     Festschreibung der verfahrensrechtlichen Regelungen für das vorläufige Absehen vom Vollzug der Unterbringung nach § 157a StVG, darunter

–      Festschreibung einer amtswegigen Prüfpflicht des Gerichts;

–      gesetzliche Anordnung der Einbeziehung von Stellungnahmen des Sachverständigen, des Bewährungshelfers und der behandelten Einrichtung in die Entscheidung;

–      Aufnahme einer Verständigungspflicht gegenüber dem Opfer bei Berührung dessen Interessen durch die Festlegung von Bedingungen für das vorläufige Absehen.

7.     Vornahme der notwendigen Anpassungen an die nunmehr gemeinsame Regelung der Unterbringung nach § 21 Abs. 1 und 2 StGB im 1. Abschnitt des 21. Hauptstücks;

8.     zeitgemäße und den legistischen Richtlinien entsprechende Gliederungdes 21. Hauptstücks.

D. Im Bereich des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) behandelt der vorliegende Entwurf folgende Themen:

1.     Schaffung von Sonderbestimmungen für Jugendliche und junge Erwachsene betreffend Verhängung und Vollzug von Maßnahmen nach § 21 StGB und § 23 StGB im Jugendgerichtsgesetz (JGG).

2.     Verbesserte Bekämpfung der Verbreitung von nationalsozialistischem Gedankengut.

3.     Nachschärfung betreffend die Vernehmung junger erwachsener Beschuldigter.

Ad 1.)

Eine Diagnostik und Behandlung psychiatrischer Erkrankungen ist bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen deutlich schwieriger als bei Erwachsenen. Dem soll durch besondere Bestimmungen im JGG Rechnung getragen werden.

Die Hauptgesichtspunkte des Entwurfs sind:

-       eigene Regelungen zur Anlasstat, zur Höchstdauer einer Unterbringung und zur Beiziehung von kinder- und jugendpsychiatrischen Sachverständigen,

-       die Aufnahme von Sonderregelungen für den Maßnahmenvollzug Jugendlicher in das JGG.

Ad 2.)

Im Fall, dass ein gerichtliches Verfahren wegen des Verbotsgesetzes ohne Schuldspruch endet, schließt das JGG bisher aus, dass die in Art. III Abs. 4 EGVG grundsätzlich vorgesehene Verständigung der Verwaltungsbehörde erfolgt. Die Verständigung soll nun ausdrücklich vorgesehen werden.

Ad 3.)

Das JGG wurde zur Umsetzung der RL Jugendstrafverfahren durch das Strafrechtliche EU-Anpassungsgesetz (StrEU-AG 2020) geändert. Um Unschärfen betreffend die Vernehmung junger erwachsener Beschuldigter zu vermeiden, bedarf es einer Anpassung der Bestimmungen für diese Altersgruppe.

                E. Im Strafvollzugsgesetz sollen die erforderlichen Anpassungen vorgenommen werden.

                F. Im Strafregistergesetz sollen zur effektiven Terrorbekämpfung Regelungen aufgenommen werden, wonach Verurteilungen wegen terroristischer Strafsachen sowie in deren Zusammenhang erteilte Anordnungen gerichtlicher Aufsicht oder Weisungen zum Zwecke der Beauskunftung gesondert gekennzeichnet werden. Der Umfang der derzeit vorgesehenen Beauskunftungen im Wege von Strafregisterauskünften und Strafregisterbescheinigungen soll um diese Daten ergänzt werden.

Auswirkungen auf die Beschäftigungslage und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Angelegenheiten des Zivil- und des Strafrechtswesens sowie der Justizpflege).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des StGB):

Zu Z 1 (§ 21 StGB):

Vor dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches konnten Personen, bei denen anzunehmen war, dass sie infolge einer psychischen Krankheit ihre oder die Sicherheit anderer Personen gefährden, nach dem seinerzeitigen § 49 KAG nur in Krankenanstalten für Geisteskrankheiten zwangsweise angehalten werden. Mit dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches wurden jene psychisch Kranken, die in den Anwendungsbereich des § 21 StGB fielen, aus dem Anwendungsbereich des KAG und damit aus dem Gesundheitssystem der Justiz übertragen. Mit dem Unterbringungsgesetz wurden zu Beginn der 90er Jahre die Kriterien für die zwangsweise Anhaltung der im Zuständigkeitsbereich des Gesundheitssystems verbliebenen Gruppe von fremdgefährlichen Menschen dahingehend konkretisiert, dass sie seither eine „ernstliche und erhebliche“ Gefahr darstellen müssen, um zwangsweise angehalten werden zu können (§ 3 UbG), was sich längerfristig (auch) in steigenden Einweisungszahlen im Bereich der strafrechtlichen Unterbringung niederschlug. Im Übrigen ließ das Unterbringungsgesetz die strafrechtliche Unterbringung unberührt (§ 46 Z 2 und 3 UbG).

Es gab jedoch seither immer wieder Bestrebungen, die Verantwortung für die Behandlung und Betreuung auch im Bereich der forensischen Fälle psychisch Kranker wieder ganz oder teilweise an das Gesundheitssystem rückzuübertragen (vgl. Antrag der Abgeordneten Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde, vom 29.1.1992, 278/A XVIII. GP; Entschließungsantrag des Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde, vom 24.3.2010, 1022/A(E) XXIV. GP; Nowak/Krisper, EuGRZ 2013, Der österreichische Maßnahmenvollzug und das Recht auf persönliche Freiheit, EuGRZ, 645 (660); Wintersberger/Marlovits, Vorbeugende Maßnahmen - umfassend reformbedürftig oder entbehrliche Fremdkörper im österreichischen Strafrecht? Ein Plädoyer für die Abschaffung der §§ 21 bis 23 StGB, iFamZ 2015, 218; insbesondere Empfehlungen 5.6., 5.8. und 6.3. des Abschlussberichts der Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug, 2015, s. im Übrigen ebendort auch S 7, 47, 58, 59, 76, 79, 81 und 86).

An Überlegungen zu einer generellen (Rück)Übertragung von Zuständigkeiten aus dem Strafrechts- auf den Gesundheits- und Sozialbereich wurde zum Teil auch Kritik geübt (vgl. etwa Kopetzki, Maßnahmenvollzug und Grundrechte, iFamZ 2015, 193, demzufolge das bis 1975 etabliert gewesene System den Krankenanstalten einen Sicherheitsstandard aufgezwungen habe, der für die Gesundheitseinrichtungen unnötig und kontraproduktiv erschienen sei).

Der Entwurf nimmt demgegenüber ausgehend vom aktuellen Regierungsprogramm, wonach einerseits die Empfehlungen der Evaluierungen zu erhöhten Einweisungszahlen berücksichtigt werden sollen und andererseits das Einweisungserfordernis der Anlasstat zu überprüfen ist, eine vermittelnde Position ein. Er behält in diesem Sinn zwar das bestehende Grundkonzept betreffend die Einweisung in den Maßnahmenvollzug bei, will aber zum einen die Voraussetzungen im Einzelnen präzisieren, um die Treffsicherheit der Maßnahme zu verbessern, wobei der Entwurf einen Ausgleich zwischen dem Ziel des wirksamen Schutzes der strafrechtlich geschützten Rechtsgüter einerseits und dem krankheitsbezogenen Behandlungsbedürfnis andererseits anstrebt („So viel Schutz wie nötig, so viel Behandlung wie möglich“). Zum anderen soll nicht zuletzt angesichts der dramatisch angestiegenen Zahlen im Bereich der strafrechtlichen Unterbringung eine angemessene und notwendige Nachjustierung bei der gemeinsamen Verantwortung von zivilrechtlicher und strafrechtlicher Unterbringung für die Behandlung und Betreuung fremdgefährlicher Kranker im Wege einer moderaten Entlastung der strafrechtlichen Unterbringung vorgenommen werden

Zu § 21 Abs. 1 und 2 StGB:

1. In Anlehnung an § 3 UbG soll auch für die strafrechtliche Unterbringung die Ermächtigungsformulierung („darf nur untergebracht werden“) verwendet werden. Gleichwohl besteht eine Unterbringungsverpflichtung bei Vorliegen der Voraussetzungen (vgl. für die zivilrechtliche Unterbringung § 22 Abs. 4 KAKuG; Halmich, UbG, 71; Kopetzki, Grundriss3, Rz 196 ff, 1 Ob 109/13f mwN).

2. Die Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug hat eine Anpassung der Einweisungsvoraussetzungen dahin empfohlen, dass neben dem Vorliegen einer ausgeprägten schweren psychischen Störung oder Erkrankung eine unmittelbare, für die Störung spezifische Kausalbeziehung zur Anlasstat verlangt werden soll (Empfehlung 4b).

Empfehlung 23 verlangt, dass die „Gefährlichkeit durch eine schwerwiegende psychische Störung bedingt“ sein muss, Empfehlung 24 verlangt eine „engere Fassung“ der Einweisungsparameter und Empfehlung 40 schlägt statt der Wendung „unter dem Einfluss“ die Wendung „als Folge“ vor.

Ähnliches wurde zuvor schon von Nowak/Krisper, Der österreichische Maßnahmenvollzug und das Recht auf persönliche Freiheit, EuGRZ 2013, 645 (661) sowie von Grafl et al, Kriminalpolitische Initiative: Mehr Sicherheit durch weniger Haft! (Kurzfassungen unter http://members.aon.at/wolfganggratz/KI%20Kurzfassungen.pdf,Langfassung JRP 2004, 61 ff.) vertreten, zumal bei einem Großteil der Gefangenen eine Persönlichkeitsstörung feststellbar sei, weshalb für Einweisungen vorauszusetzen sei, dass die festgestellte Störung die Tat unmittelbar und konkret verursacht habe. Pasierbek & Eher, Die Einweisung von nicht zurechnungsunfähigen Straftätern in die Maßnahme nach § 21 Abs. 2 öStGB – eine kritische Betrachtung anhand von Interviews mit Richtern und Sachverständigen, Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Volume 22, 2015 (3), 219 - 236 (225) bezeichnen in diesem Sinn die Diagnose einer „kombinierten Persönlichkeitsstörung“ im Hinblick auf die Festlegung als „einweisungstaugliche“ Diagnose problematisch; es handle sich dabei vielfach um eine wenig aussagekräftige (Verlegenheits-) Diagnose. Auch wäre sie allen befragten Gutachtern zufolge nicht eindeutig mit bestimmten Anlasstaten in Zusammenhang zu bringen, was die Feststellung der Kausalität zwischen Diagnose und Tat naturgemäß erheblich erschweren bzw. verunmöglichen würde; wichtig sei aus gutachterlicher Perspektive das Erfordernis, die Anlasstat in einen noch klareren Zusammenhang mit der Diagnose zu setzen (aaO (226). Zuletzt haben Eher/Lindemann/Birklbauer/Müller, Der Gefährlichkeitsbegriff als Voraussetzung für die Verhängung vorbeugender freiheitsentziehender Maßnahmen – eine kritische Betrachtung und Vorschläge de lege ferenda, R & P (2016) 34: 96 – 106, das Abverlangen eines eindeutigen kausalen Zusammenhangs zwischen der psychischen Erkrankung und dem Anlassdelikt in Abgrenzung zu allenfalls vorliegenden nicht krankheitsspezifischen kriminogenen Einflüssen an die Spitze ihrer Empfehlungen an den Gesetzgeber gestellt.

Im geltenden Recht wird nach herrschender Meinung und Judikatur aus den Formulierungen, dass der Betroffene die Tat „unter dem Einfluss“ eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen haben muss, der seinerseits auf der psychischen Störung des Täters „beruht“ haben muss bzw., dass auch die künftig zu befürchtenden Taten „unter dem Einfluss“ der psychischen Störung begangen werden müssten, geschlossen, dass lediglich das Vorliegen einer (Mit)Kausalität erforderlich ist (vgl. Ratz in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 21 Rz 11 f, 24; Nimmervoll in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer SbgK StGB § 21 Rz 49), wobei hinzugefügt wird, dass es nur kausal oder nicht kausal gebe, hingegen nicht mehr oder weniger kausal (Ratz in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 21 Rz 11; zustimmend Nimmervoll aaO). Ein Kausalzusammenhang ist danach schon dann gegeben, wenn die psychische Störung bei objektiver Ex-post-Betrachtung eine Bedingung für die Tatbegehung war (bzw. für die künftig zu befürchtenden Taten ist) bzw. die psychische Störung – sofern nicht ein Fall der alternativen Kausalität vorliegt – nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass zugleich die Tatbegehung entfiele (vgl. Fuchs, Strafrecht Allgemeiner Teil I9 13/4 f und 13/13 f).

In der Judikatur wurde zwar zu 12 Os 25/84 ausgesprochen, dass die psychische Störung die Tatbegehung „maßgeblich“ beeinflusst haben muss. Auch in den nach dieser Entscheidung begründeten Rechtssatz RIS-Justiz RS0090542 fand diese Aussage Eingang. Sie ist jedoch vor dem Hintergrund zu sehen, dass damit dem Rechtsstandpunkt des dortigen Rechtsmittelwerbers entgegengetreten wurde, dass die psychische Störung die einzige Ursache der Tatverübung sein müsse. Dies verneinte der Oberste Gerichtshof und führte aus, dass es eben genüge, wenn sie die Begehung der Tat maßgeblich beeinflusst habe. Soweit überblickbar findet sich jedoch das Maßgeblichkeitskriterium schon nicht einmal unter den weiteren diesem Rechtssatz zugeordneten Entscheidungen.

Demgegenüber wird zu § 3 UbG, der für die Gefährlichkeitsprognose dem Wortlaut nach lediglich einen „Zusammenhang“ mit der psychischen Erkrankung verlangt, ausgehend von den Gesetzesmaterialen vertreten, dass mittelbare und komplexe Ursachen-Wirkungsbeziehungen, bei denen die Gefährdung nicht unmittelbar Ausdruck der psychischen Krankheit ist, sondern ihre Ursache in sozialen oder sonstigen Begleitfaktoren hat, nicht berücksichtigt werden sollten (Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts3 Rz 121). Auch die ständige Rechtsprechung verlangt, dass die Schädigung „direkt“ aus der Krankheit drohen muss (RIS-Justiz RS0076091, zuletzt 7 Ob 157/14k).

Mit der vorgeschlagenen Formulierung, dass die Tat als unmittelbare Folge der psychischen Störung begangen worden sein muss (und dass dies auch für die Gefährlichkeitsprognose gilt) sowie dass die Zurechnungsunfähigkeit wegen der psychischen Störung bestanden haben muss, soll dem eingangs wiedergegebenen Anliegen der Arbeitsgruppe Rechnung getragen werden und der Fokus in Richtung der zum UbG vertretenen Meinung verschoben werden, die psychische Störung sohin zumindest maßgebliche Ursache sein.

3. Der Begriff „geistige oder seelische Abartigkeit von höherem Grad“ soll durch eine neutralere, weniger stigmatisierende Formulierung ersetzt werden, die überdies durch die Betonung des Begriffs „Störung“ den Fokus auf den „Krankheitsbegriff“ und nicht auf allfällige andere Aspekte der Normabweichung legt (vgl. Empfehlung 3). Im Übrigen soll der Kreis der Betroffenen unverändert bleiben, also insbesondere weiterhin – die entsprechende Schwere und daraus resultierende Gefährlichkeit vorausgesetzt – sowohl psychisch Kranke als auch Menschen mit Intelligenzminderung umfassen.

4. Anknüpfungspunkte für die Gefährlichkeitsprognose sollen weiterhin die Person des Täters, sein Zustand sowie die Art der Tat in Richtung der Beurteilung des psychiatrischen Begriffs des „Handlungsstils“ sein.

Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit künftiger Delinquenz verlangt das geltende Recht die Befürchtung einer weiteren strafbaren Handlung mit schweren Folgen. Diese Befürchtung verlangt nach der Judikatur ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit (RIS-Justiz RS0089988), zumindest eine nicht bloß geringgradige Wahrscheinlichkeit (10 Os 78/80). So hat der Oberste Gerichtshof entschieden, dass der bloße Hinweis des Gerichtes auf das Gutachten mit dem Schluss, es sei demnach „in concreto vermutlich“ mit Sexualdelikten, schweren Körperverletzungen und Brandstiftungen zu rechnen, die Notwendigkeit von Feststellungen für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt gemäß § 21 StGB, die nach dem Gesetz ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit zur Voraussetzung habe, nicht zu ersetzen vermöge (11 Os 91/09f) und dass die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes nicht ausreiche, um die hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung von - näher zu beschreibenden - Prognosetaten zum Ausdruck zu bringen (12 Os 32/12s). Es genügt also für die Gefährlichkeitsprognose schon de lege lata die bloß hypothetisch-abstrakte Besorgnis einer (wenn auch durch die psychische Störung des Betroffenen bedingten) Tatwiederholung nicht; eine solche Besorgnis muss vielmehr zu einer real-konkreten Befürchtung verdichtet sein, also mit so hoher Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass bei realistischer Betrachtung mit ihrer Aktualität als naheliegend zu rechnen ist (RIS-Justiz RS0090401). Auch im Schrifttum wird diese Auffassung geteilt (vgl. Ratz in Höpfel/Ratz, WK2 StGB Vor §§ 21–25, Rz 4 sowie Nimmervoll in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer SbgK StGB § 21 Rz 94).

Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass auch § 3 UbG für die zivilrechtliche Unterbringung eine „ernstliche Gefährdung“ verlangt, worunter nach der Judikatur (RIS-Justiz RS0075921) eine hohe Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes zu verstehen ist.

Durch die ausdrückliche Erwähnung der hohen Wahrscheinlichkeit im Gesetzestext soll dieser Aspekt der Gefährlichkeitsprognose verdeutlicht werden. Zugleich soll auch in zeitlicher Hinsicht ein gewisser Bezugsrahmen ausdrücklich festgelegt werden, wobei unter absehbarer Zukunft im Sinne der OGH-Judikatur wohl eine naheliegende Aktualität verlangt werden muss.

Beim UbG wird der zeitliche Horizont mit einem absehbaren Zeitraum von einigen Wochen bis wenigen Monaten angenommen (vgl. Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts3 Rz 124/1 mwN). Bei der Frage, inwieweit sich daraus Anhaltspunkte für die Konkretisierung des zeitlichen Bezugsrahmens bei der strafrechtlichen Unterbringung gewinnen lassen, ist einerseits zu bedenken, dass eine Unterbringung ohne Verlangen bei Fremdgefährdung nach dem UbG nur dann in Betracht kommt, wenn der Betroffene entweder überhaupt noch keine krankheitsbedingte Tat begangen hat oder eine solche Tat unter der Schwelle für die Anlasstat für eine strafrechtliche Unterbringung geblieben ist, während bei der strafrechtlichen Unterbringung bereits eine Anlasstat vorliegen muss. Andererseits verlangt das UbG eine „erhebliche“ Gefahr für Leib oder Leben einer anderen Person. Erheblichkeit der Gefährdung ist anzunehmen, wenn gesundheitliche Nachteile im Ausmaß einer schweren Körperverletzung iSd § 84 StGB zu befürchten sind (Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts3 Rz 104 f; ständige Rspr, zuletzt LGZ Wien 44 R 88/12k = EFSlg 135.058). Demgegenüber kann es für eine strafrechtliche Unterbringung ausreichen, wenn eine beträchtliche Verletzung zu befürchten ist (Nimmervoll, in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer SbgK StGB § 21 Rz 77; 11 Os 46/79). Die „schweren Folgen“ des StGB können also weniger schwer wiegen als die „erheblichen“ Folgen des UbG. Allerdings räumt auch die Judikatur zum UbG ein, dass bei besonders schwerwiegenden Folgen bereits eine geringere Wahrscheinlichkeit genügt (7 Ob 202/13a). In diesem Sinn wird die geforderte zeitliche Aktualität bei der strafrechtlichen Unterbringung in jenen Fällen großzügiger gesehen werden können, in denen die befürchteten schweren Folgen erhebliche Folgen iSv § 3 UbG darstellen oder über dieser Schwelle liegen, während in jenen Fällen, in denen die befürchteten schweren Folgen die Erheblichkeitsschwelle des § 3 UbG nicht erreichen der zeitliche Bezugsrahmen nicht länger sein wird können als nach dem UbG.

5. Hinsichtlich der Schwelle für die Prognosetat soll es bei der geltenden Rechtslage bleiben. Allerdings soll auch hinsichtlich des Konnexes zwischen psychischer Störung und allfälligen weiteren zu befürchtenden mit Strafe bedrohten Handlungen ein engerer Kausalbezug verlangt werden, als dies nach geltendem Recht der Fall ist.

6. Nach geltendem Recht ist jemand in die Maßnahme nach § 21 StGB einzuweisen, wenn nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat zu befürchten ist, dass er „sonst“ unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde. Das Wort „sonst“ wird jedoch nach nunmehr einhelligem Schrifttum und nunmehr einhelliger Judikatur nicht dahin verstanden, dass die Maßnahme ultima ratio sein müsse (vgl. zum geltenden Recht Ratz in Höpfel/Ratz, WK2 StGB Vor §§ 21–25, Rz 7 mwN sowie Nimmervoll in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer SbgK StGB Vor § 21 Rz 21 und § 21 Rz 90, gleichfalls jeweils mwN). In der Vergangenheit sind Ratz, ÖJZ 1986, 682, 685 f und Triffterer, in der Vorauflage des SbgK Vorbem §§ 21–25 Rz 21, sowie der OGH in SSt 48/40 von einer ultima-ratio-Funktion der Maßnahme ausgegangen. Ratz ist davon im WK ausdrücklich abgegangen, Nimmervoll ist in der aktuellen Auflage des SbgK Triffterer nicht gefolgt, und die zitierte Entscheidung des OGH ist vereinzelt geblieben.

Demgegenüber verlangt der Bericht der Arbeitsgruppe an mehreren Stellen, dass die Einweisung ultima ratio sein soll (Empfehlungen 13, 15, 23 und 51).

7. Was beibehalten werden soll, ist die Unterscheidung von zurechnungsunfähigen und zurechnungsfähigen Täterinnen und Tätern, wobei es sich weiterhin um eine rechtliche Zuordnung ausgehend von einem bestimmten psychopathologischen Zustand zum Tatzeitpunkt handeln soll (Empfehlung 5b). Die Beibehaltung der Unterscheidung ist nach Auffassung der Arbeitsgruppe auch im Hinblick auf die im Fall der Unterbringung zu ergreifenden Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen sinnvoll.

Zu § 21 Abs. 3 StGB:

Die Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug hat eine Anpassung der Einweisungsvoraussetzungen durch Anhebung der erforderlichen Strafdrohung als Schwelle für die Einweisung gemäß § 21 StGB auf mehr als drei Jahre und den Ausschluss einzelner Gruppen von strafbaren Handlungen (durch Beibehaltung von § 21 Abs. 3 StGB idgF, der Eigentumsdelikte ohne Gewalt gegenüber Personen ausnimmt) empfohlen; als Anlasstaten sollten nur solche in Betracht kommen, die Verbrechen darstellen (ausgenommen: Eigentumsdelikte ohne Gewalt gegenüber Personen; Empfehlung 4a). Zuvor war die Anhebung auf die Verbrechensgrenze zuletzt von Nowak/Krisper, Der österreichische Maßnahmenvollzug und das Recht auf persönliche Freiheit, EuGRZ 2013, 645 (661) – basierend auf noch älteren Vorschlägen von anderer Seite – gefordert worden. Schroll, Thesen aus richterlicher Sicht, Vorbeugende Maßnahmen und Sicherheit durch Strafverfahren, JSt 2012, 8 (10) hatte ähnlich die Beschränkung der Unterbringung nach § 21 (Abs. 1 und Abs. 2) StGB auf Delikte gegen Leib und Leben, gegen die sexuelle Integrität und auf Brandstiftung ("Hands-on-Delikte") vorgeschlagen, hilfsweise auch eine Anhebung der Mindeststrafdrohung. Die Forderung nach Beschränkung auf Hands-on-Delikte findet sich auch bereits bei Grafl et al, Kriminalpolitische Initiative: Mehr Sicherheit durch weniger Haft! (Kurzfassungen unter http://members.aon.at/wolfganggratz/KI%20Kurzfassungen.pdf, Langfassung JRP 2004, 61 ff.).

Zuletzt hat im Schrifttum Tschachler, Der österreichische Maßnahmenvollzug im Lichte der EMRK (2020), 71 – nach eingehender Auseinandersetzung mit der Thematik der Anlasstat insgesamt (aaO 27 ff) – die Adaptierung des § 21 Abs. 1 und 2 StGB dahin, dass nur mehr Delikte, die mit einer Strafdrohung von über drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, empfohlen.

Allerdings sind auch die gleichfalls nur beschränkten Möglichkeiten der allgemeinen Psychiatrie, die damit einhergehende Verschiebung von der strafrechtlichen zur zivilrechtlichen Unterbringung zu berücksichtigen. Der Entwurf trifft insoweit im Lichte des Regierungsprogramms eine kompromisshafte Regelung. Er belässt es zwar dabei, dass Anlass für eine strafrechtliche Unterbringung grundsätzlich alle Taten sein können, die mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind, sieht aber eine zusätzliche Hürde vor: Beträgt die angedrohte Freiheitsstrafe nicht mehr als drei Jahre, so kann die Tat nur dann Anlass für eine strafrechtliche Unterbringung sein, wenn sie – insbesondere durch die Art und Weise ihrer Begehung – die Umstände der Tatbegehung eine besonders hohe Gefährlichkeit des Täters für die Rechtsgüter Leib und Leben oder sexuelle Integrität und Selbstbestimmung konkret nahelegt.

Die Schwelle bei der Prognosetat soll unverändert bleiben.

Zu § 21 Abs. 4 StGB:

Der Ausschluss der reinen Vermögensdelikte im Sinne des bestehenden § 21 Abs. 3 StGB soll nach den Empfehlungen der Arbeitsgruppe beibehalten werden.

Zu Z 2, 5 und 6 (§§ 22 Abs. 2 und 23 Abs. 2 und 3 StGB):

Bei den vorgeschlagenen Änderungen handelt es sich lediglich um technische Folgeänderungen der Neuregelung der Maßnahme nach § 21 StGB ohne inhaltliche Änderungen im Bereich der §§ 22 und 23 StGB.

Zu Z 3 und 4 (Überschrift des § 23 StGB sowie § 23 Abs. 1a StGB):

Der Ministerratsvortrag 37/27 vom 11. 11. 2020 sieht unter dem Titel „Mehr Effektivität bei der Kontrolle von Gefährdern“ u.a. den Punkt „Schaffung einer EMRK-konformen Möglichkeit der Unterbringung terroristischer Straftäter im Maßnahmenvollzug“ vor.

Indem der Ministerratsvortrag auf EMRK-Konformität abstellt, bedeutet das zunächst, dass der Freiheitsentzug auf einen der Tatbestände des Art. 5 Abs. 1 EMRK gestützt werden können muss. Im vorliegenden Zusammenhang sind insbesondere Art. 5 Abs. 1 lit. a) sowie lit. e) relevant. Danach darf jemandem die Freiheit entzogen werden, wenn er rechtmäßig nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht in Haft gehalten wird (lit. a) bzw. wenn er sich in rechtmäßiger Haft befindet, weil er eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten bildet, oder weil er geisteskrank, Alkoholiker, rauschgiftsüchtig oder Landstreicher ist (lit. e).

Im vorliegenden Zusammenhang kommen – abgesehen von der Strafhaft – teils auf Art. 5 Abs. 1 lit. a) gestützte Maßnahmenvollzüge, nämlich die Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter nach § 23 StGB sowie zum Teil auch die strafrechtliche Unterbringung in forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs. 2 StGB, das heißt, wenn es sich um zurechnungsfähige Rechtsbrecher, die aufgrund ihrer psychischen Störung delinquieren, handelt, in Betracht, teils auf Art. 5 Abs. 1 lit. e) gestützte Maßnahmenvollzüge, und hier vor allem die strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum, und zwar sowohl von zurechnungsunfähigen (§ 21 Abs. 1 StGB) als auch von zurechnungsfähigen Betroffenen (§ 21 Abs. 2 StGB).Während von der strafrechtlichen Unterbringung nach § 21 StGB lediglich Vermögensdelikte, die nicht unter Anwendung von Gewalt gegen eine Person oder unter Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben begangen worden sind, ausgeschlossen sind, terroristische Straftäter*innen, die aufgrund einer psychischen Störung delinquieren, daher – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – schon nach geltendem Recht ohne Weiteres nach dieser Bestimmung untergebracht werden können, ist die Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter nach § 23 StGB aktuell auf Verurteilungen, die ausschließlich oder überwiegend wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit, gegen fremdes Vermögen unter Anwendung oder Androhung von Gewalt gegen eine Person, gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, nach § 28a des Suchtmittelgesetzes oder wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher gemeingefährlicher strafbarer Handlungen erfolgen, beschränkt. Im Sinne des Ministerratsvortrages vom 11. 11. 2020 soll die Unterbringung nach § 23 StGB daher auch auf terroristische Straftäter*innen anwendbar gemacht werden.

Allerdings scheint der Kriterienkatalog des § 23 Abs. 1 StGB, der von Terrorist*innen ausgehenden Gefährlichkeit nicht gerecht zu werden, weshalb die Voraussetzungen bei dieser Tätergruppe für die Unterbringung in einer Anstalt nach § 23 StGB im Ergebnis weiter gefasst werden sollen, als für sonstige in Betracht kommende Straftäter*innen.

Zum einen braucht es in den übrigen Fällen bei der Anlasstat eine Verurteilung zu einer mindestens zweijährigen Freiheitsstrafe, während hier eine Verurteilung zu einer mindestens achtzehnmonatigen Freiheitsstrafe erforderlich sein soll. Weiters braucht es in den sonstigen Fällen zwei Vorverurteilungen, während hier eine Verurteilung genügen soll. Diese eine Verurteilung muss zwar zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als zwölf Monaten erfolgen, während für die anderen Fälle nach geltendem Recht ein Mindestmaß von nur mehr als sechs Monaten genügt. Da der Täter in den übrigen Fällen jedoch insgesamt mindestens achtzehn Monate verbüßt haben muss, erweist sich die geltende Regelung auch hier im Ergebnis als strenger, zumal bei Terrorist*innen überhaupt kein Mindestmaß an verbüßter Haft erforderlich sein soll. Schließlich sieht der neu vorgeschlagene Abs. 1a für gefährliche terroristische Straftäter*innen deutlich niedrigere Altersgrenzen vor. Es soll genügen, wenn die Vortat nach Vollendung des 16. Lebensjahres begangen wurde und der Täter wegen der Anlasstat nach Vollendung des 18. Lebensjahres verurteilt wird. Demgegenüber muss der Täter in den nicht-terroristischen Fällen wegen der Anlasstat nach Vollendung des 24. Lebensjahres verurteilt werden und muss dem die nach Vollendung des 19. Lebensjahres verbüßte Vorhaft vorangehen.

Als Vortaten kommen sowohl terroristische Straftaten in der Art der Z 1 als auch vorsätzliche Tötungs- oder schwere Körperverletzungsdelikte oder vorsätzliche gemeingefährliche Handlungen in Betracht, während die Anlasstat und die Prognosetat zumindest auch terroristische Straftaten nach den § 278b bis 278f StGB sein müssen.

Zu Z 7 (§§ 24 und § 25 StGB):

Diese Bestimmungen sollen zum einen der neuen Terminologie des § 21 StGB angepasst werden.

Die strafrechtliche Unterbringung Erwachsener nach § 21 StGB soll weiterhin wie im geltenden Recht auf unbestimmte Dauer erfolgen. Auch die Höchstdauer einer Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter*innen soll unverändert bleiben und auch für die neu vorgesehen Unterbringung von gefährlichen terroristischen Straftäter*innen gelten. Hingegen soll die strafrechtliche Unterbringung nach § 21 StGB wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangenen Tat nicht länger als fünfzehn Jahre dauern, die Unterbringung eines gefährlichen terroristischen Straftäters in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangenen Tat nicht länger als fünf Jahre, wenn in diesem Fall überdies die Unterbringung vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres erfolgte (vgl. den neu vorgeschlagenen § 17b Abs. 1 sowie § 19 Abs. 2 JGG 1988).

Zugleich soll klargestellt werden, dass im Falle des Vikariierens (also bei § 21 und § 22 StGB) der Vollzug der Maßnahme auf alle Strafen anzurechnen ist, auch auf solche, die nicht gemäß § 21 Abs. 2 oder § 22 StGB zugleich mit der Anordnung der Unterbringung verhängt worden sind. Außerdem soll klargestellt werden, dass über die weitere Notwendigkeit der Anhaltung mindestens einmal jährlich (bzw. alle sechs Monate) auch tatsächlich zu entscheiden ist. Im Falle der Unterbringung wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangenen Tat soll die Frist auch in den Fällen der Unterbringung nach den §§ 21 und 23 StGB sechs Monate betragen (vgl. den neu vorgeschlagenen § 17 Abs. 2 sowie § 19 Abs. 2 JGG 1988). Die Fristen sind ab der letzten Entscheidung erster Instanz zu rechnen.

Zu Z 8 bis 14 (§§ 45, 47, 48, 50, 51, 54 und 59 StGB):

Nach geltendem Recht kann auch die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher bedingt nachgesehen werden. Die Regelung wurde 2002 in das StGB eingefügt und ist der bedingten Strafnachsicht nachgebildet. Bei Täter*innen mit psychischen Störungen geht es allerdings nicht darum, ihnen „etwas nachzusehen“ oder sie durch die Androhung einer Maßnahme (entsprechend der Androhung des Strafvollzugs) von weiteren Taten abzuhalten, die sie aufgrund ihrer psychischen Störungen begehen könnten. Vielmehr ist der Vollzug der ausgesprochenen Maßnahme insoweit verzichtbar, als sich ihre Grundlage – nämlich insbesondere die Gefährlichkeit des Täters – durch begleitende Maßnahmen (insbes. Behandlungen und Anordnungen) so weit reduzieren lässt, dass die ursprünglich vorhandene Gefährlichkeit des Täters wegfällt.

Der Entwurf ersetzt daher die Bestimmungen über die bedingte Nachsicht der Unterbringung von Rechtsbrecher*innen mit psychischen Störungen durch eine Regelung, wonach bei diesen Rechtsbrecher*innen an die Stelle der Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt ambulante Maßnahmen der Behandlung, Betreuung und Kontrolle (z. B. die Unterbringung in einer entsprechend überwachten sozial-therapeutischen Wohneinrichtung) treten, wenn dadurch der Gefährlichkeit der Rechtsbrecher*innen mit hinreichender Wirksamkeit begegnet werden kann (Vorläufiges Absehen vom Vollzug bei alternativen Maßnahmen).

Dieses vorläufige Absehen vom Vollzug, das – entsprechend den Entwicklungen der modernen Psychiatrie – grundsätzlich als „ambulanter Vollzug“ verstanden werden soll, sollte im Maßnahmenvollzugsgesetz (MVG) geregelt werden. Im Hinblick auf dessen vorläufige Zurückstellung soll das vorläufige Absehen nunmehr als §§ 157a ff StVG geregelt werden.

Die Bestimmungen des StGB über die bedingte Nachsicht einer Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher sind daher aufzuheben.

Das materielle Recht der bedingten Entlassung sollte künftig gleichfalls im MVG geregelt werden. In diesem Bereich soll dessen vorläufige Zurückstellung zur vorläufigen Weitergeltung des StGB führen.

Im Übrigen handelt es sich bei den vorgeschlagenen Änderungen lediglich um technische Folgeänderungen der Neuregelung der Maßnahme nach § 21 StGB ohne inhaltliche Änderungen im Bereich der §§ 22 und 23 StGB.Zu Artikel 2 (Änderung der Strafprozeßordnung 1975)

Allgemeines

Der Entwurf soll die Verfahrensregelungen zur Unterbringung eines Betroffenen (§ 48 Abs. 2 StPO) in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 StGB, sohin sowohl nach § 21 Abs. 1 als auch Abs. 2, übersichtlich und zeitgemäß neu gestalten bzw. strukturieren. Er unterscheidet im Verfahrensablauf nicht mehr grundsätzlich zwischen der Unterbringung nach § 21 Abs. 1 und jener nach § 21 Abs. 2 StGB; vielmehr sollen die verfahrensrechtlichen Besonderheiten dieser beider Arten der Unterbringung nunmehr im 1. Abschnitt des 21. Hauptstücks geregelt werden. Nachdem in beiden Fällen eine Rechtsfolge angeordnet wird, die zu einer lebenslangen Anhaltung führen kann, scheint es geboten, dass die gleichen Verfahrensgarantien gelten. Häufig stellt sich auch erst am Schluss des Verfahrens heraus, ob der Täter bei der Begehung der Anlasstat schuldhaft gehandelt hat oder nicht, sodass erst dann über die Zuordnung der Unterbringung zu einem der beiden Absätze des § 21 StGB entschieden werden kann. Dazu kommt, dass schon während des laufenden Verfahrens jedenfalls eine entsprechende medizinische Betreuung und Behandlung erfolgen soll.

Zu Z 1, 4, 6, 16 und 17 (Einträge zum 21. Hauptstück im Inhaltsverzeichnis der StPO, Abschnittsbezeichnungen und Abschnittsüberschriften im 21. Hauptstück der StPO):

Die Gelegenheit der Überarbeitung des 21. Hauptstücks soll genutzt werden, dieses zeitgemäß und den legistischen Richtlinien entsprechend zu gliedern und insoweit Gleichklang mit dem 1. bis 3. Teil der StPO herzustellen. Gleiches soll mit dem Inhaltsverzeichnis erfolgen.

Zu Z 2 und 3 (§ 48 Abs. 2, § 61 Abs. 1 Z 2 StPO):

In § 48 Abs. 2 und § 61 Abs. 1 Z 2 StPO soll zum einen eine terminologische Anpassung (Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum) erfolgen. Zum anderen wird durch den Verweis auf § 21 StGB festgelegt, dass sowohl Fälle des Abs. 1 als auch des Abs. 2 erfasst sind.

Zu Z 5 (§§ 429 bis 434g StPO samt Überschriften):

In dem entsprechend der neuen Terminologie unter dem Titel „Verfahren zur Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 StGB“ enthaltenen 1. Abschnitt des 21. Hauptstücks sollen die Verfahrensregelungen zur Unterbringung eines Betroffenen (§ 48 Abs. 2 StPO) in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 StGB, sohin sowohl nach § 21 Abs. 1 als auch Abs. 2 StGB, übersichtlich und zeitgemäß geregelt werden.

Zu § 429 StPO:

Die vorgeschlagene Bestimmung legt programmatisch für das Verfahren zur Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 StGB fest, dass dafür die Bestimmungen über das Strafverfahren sinngemäß gelten, soweit sich nicht aus den §§ 429 ff StPO verfahrensrechtliche Besonderheiten ergeben.

Zu § 430 StPO:

Die verfahrensrechtlichen Besonderheiten gelten bereits im Ermittlungsverfahren, und zwar ab dem Zeitpunkt, ab dem aufgrund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass die Voraussetzungen für die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum vorliegen.

Entsprechend dem bisherigen § 429 Abs. 2 Z 1 StPO soll der Verteidiger auch weiterhin berechtigt sein, zugunsten des Betroffenen auch gegen dessen Willen Anträge zu stellen (§ 430 Abs. 1 Z 1).

§ 429 Abs. 2 Z 2 StPO idgF regelt, dass der Betroffene mindestens durch einen Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie zu untersuchen ist. Empfehlung 50 der Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug sah die vermehrte Hinzuziehung von klinisch-psychologischen Gutachter*innen vor, ohne jedoch festzulegen, in welchen Fällen dies geschehen sollte. Zu Anregungen im Rahmen des informellen Begutachtungsverfahrens zu einem Vorentwurf zwingend sowohl einen psychiatrischen als auch einen klinisch-psychologischen Sachverständigen beizuziehen, ist festzuhalten, dass aufgrund des Krankheitsbildes der „psychiatrischen Störung“ eine ärztliche Expertise stets unerlässlich ist, während die Zweckmäßigkeit der (zusätzlichen) Bestellung klinisch-psychologischer Gutachter*innen im Einzelfall zu beurteilen ist; darüber hinaus ist auch die Situation in der Praxis zu berücksichtigen, dass nur wenige Sachverständige mit dieser Expertise zur Verfügung stehen und in zahlreichen Verfahren daher nur schwer Sachverständige gefunden werden können; im Falle einer angeordneten Beiziehung mehrerer Sachverständiger in Strafverfahren würde diese Problematik weiter verstärkt werden und zu einem Spannungsverhältnis zur gebotenen beschleunigten Verfahrensführung führen. In § 430 Abs. 1 Z 2 StPO soll daher die zwingende Bestellung (nur) eines Sachverständigen für Psychiatrie beibehalten werden. Es scheint jedoch sachgerecht festzulegen, dass als Sachverständiger der Psychiatrie vorzugsweise ein solcher zu bestellen ist, der auch für das Fachgebiet psychiatrische Kriminalprognostik eingetragen ist. Ausdrücklich soll ferner festgelegt werden, dass sich das Gutachten auch darauf zu erstrecken hat, ob es alternative Behandlungs- oder Betreuungsmaßnahmen gibt, die ein vorläufiges Absehen vom Vollzug einer Unterbringung ermöglichen könnten (§ 157a StVG).

Nach § 430 Abs. 1 Z 3 StPO sollen jeder Vernehmung des Betroffenen „ein oder mehrere“ (anstatt bisher „ein oder zwei“) Sachverständige beigezogen werden können. Auch weiterhin soll es sich dabei um eine Ermessensentscheidung handeln (arg „kann“; vgl. Murschetz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 429 (Stand 1.11.2019, rdb.at) Rz 13 mwN).

In § 430 Abs. 1 Z 4 StPO soll ausdrücklich normiert werden, dass Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft unzulässig sind, sobald aufgrund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass die Voraussetzungen für die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum vorliegen. Der Betroffene ist vielmehr – bei Vorliegen der Voraussetzungen – in einem forensisch-therapeutischen Zentrum (oder in einer psychiatrischen Krankenanstalt) vorläufig unterzubringen (vgl. § 431 StPO). Dadurch soll insbesondere sichergestellt werden, dass bereits während des Strafverfahrens mit der Behandlung des Betroffenen begonnen wird (s. dazu § 433 Abs. 2 StPO). Befindet sich der Betroffene bereits in Untersuchungshaft, so hat das Gericht von Amts wegen über die vorläufige Unterbringung zu entscheiden (§ 431 StPO). Der Ausschluss von Privatbeteiligtenanschlüssen im Verfahren zur Unterbringung nach § 21 StGB soll beibehalten werden (§ 430 Abs. 1 Z 5 StPO).

Demgegenüber sollen die bisher in § 429 Abs. 2 Z 4 und Z 5 StPO vorgesehenen verfahrensrechtlichen Besonderheiten ersatzlos entfallen: Da eine Hauptverhandlung in Abwesenheit des Betroffenen nicht mehr zulässig sein soll, bedarf es keiner § 429 Abs. 2 Z 4 StPO entsprechenden Regelung. Der Entfall der Möglichkeit, von einer Vernehmung des Betroffenen Abstand zu nehmen, geht auf Anregungen im informellen Begutachtungsverfahren zu einem Vorentwurf zurück.

Zur Verständigungspflicht des Pflegschaftsgerichts (§ 109 JN) wird bereits aktuell vertreten, dass diese dazu dient, erforderlichenfalls die rasche Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters für den Betroffenen zu ermöglichen (Murschetz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 429 (Stand 1.11.2019, rdb.at) Rz 16). In § 430 Abs. 2 StPO soll dies nun ausdrücklich im Gesetzestext verankert werden.

Zu § 431 StPO:

Das der Untersuchungshaft entsprechende Sicherungsmittel im Falle des § 21 Abs. 1 StGB (vgl. Murschetz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 429 (Stand 1.11.2019, rdb.at) Rz 17) soll künftig als „vorläufige Unterbringung“ (bisher „vorläufige Anhaltung“) bezeichnet werden. Grundvoraussetzung für eine vorläufige Unterbringung ist der dringende Verdacht, dass der Betroffene die Anlasstat begangen hat (das entspricht dem dringenden Tatverdacht bei der Untersuchungshaft). Des Weiteren muss aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen sein, dass der Betroffene die Tat als unmittelbare Folge einer schwerwiegenden psychischen Störung begangen hat und nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat in absehbarer Zukunft wiederum eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen als unmittelbare Folge seiner psychischen Störung begehen wird.

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der vorläufigen Anhaltung sind im geltenden Recht nicht ausdrücklich angeführt. § 429 Abs. 4 StPO nennt nur die konkreten Anhaltungsgründe, und zwar die Haftgründe gemäß § 173 Abs. 2 und 6 StPO, die Selbst- oder Fremdgefährdung, sowie die Erforderlichkeit der ärztlichen Beobachtung, die untereinander alternativ vorliegen können (13 Os 176/03, 177/03), nicht aber sonstige Bedingungen. Es ergibt sich vielmehr aus dem generellen Verweis auf die Regeln des allgemeinen Strafverfahrens in § 429 Abs. 1 StPO und dem konkreten Verweis auf die Regeln der Untersuchungshaft in § 429 Abs. 5 StPO sowie mangels einer ausdrücklichen abweichenden Anordnung, dass auch die vorläufige Anhaltung einen dringenden Tatverdacht nach § 173 Abs. 1 StPO voraussetzt (vgl. Murschetz in Fuchs/Ratz, WK StPO, § 429 StPO Rz 19; Venier in Bertel/Venier, StPO § 429 StPO Rz 4). Dringender Tatverdacht bedeutet hohe Wahrscheinlichkeit (vgl. Kirchbacher/Rami in Fuchs/Ratz, WK StPO § 173 StPO Rz 2).

Aus dem Verweis in § 429 Abs. 1 StPO, der sich pauschal auf die Voraussetzungen der Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB bezieht, ergibt sich aber schon de lege lata, dass auch die sonstigen anlasstatbezogenen Voraussetzungen angenommen werden können müssen, mangels Einschränkungen auf die Anlasstat schließlich aber auch die Gefährlichkeitsprognose (vgl. Murschetz in Fuchs/Ratz, WK StPO, § 429 StPO Rz 19; Venier in Bertel/Venier, StPO § 429 StPO Rz 4; vgl. auch 12 Os 116/14x). Zwar steht die konkrete Prognose der Gefährlichkeit grundsätzlich dem erkennenden Gericht zu und wird diese zumeist nur auf der Grundlage (zumindest) eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens möglich sein, welches im Zeitpunkt der Anordnung der vorläufigen Anhaltung regelmäßig noch nicht vorliegt, doch steht auch die Beurteilung der Zurechnungsunfähigkeit konkret erst dem entscheidenden Gericht zu und muss auch diese im Rahmen der Verdachtsprüfung bereits zum Zeitpunkt der Anordnung der vorläufigen Anhaltung ohne entsprechende sachverständige Evaluation beantwortet werden.

Sowohl nach Ratz in Höpfel/Ratz WK StGB2 § 21 StGB Rz 27 als auch nach Kirchbacher/Rami in Fuchs/Ratz, WK StPO § 173 StPO Rz 43 sind die schweren Folgen, die § 21 StGB für die Prognosetat verlangt, und die schweren Folgen, auf die der Haftgrund nach § 173 Abs. 2 Z 3 lit. a StPO abstellt, ident. Geht man mit dem OGH weiters von Rechtsgutidentität zwischen Anlasstat und Gefährlichkeitsprognose aus (15 Os 20/04; RIS-Justiz RS0090108; aA Nimmervoll in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer SbgK StGB § 21 Rz 72, 101), liegt in jedem Fall der Annahme der Voraussetzungen für die strafrechtliche Unterbringung (einschließlich der verdachtsweisen Annahme der Gefährlichkeitsprognose) eo ipso auch der Haftgrund des § 173 Abs. 2 Z 3 lit. a StPO vor. Die nach geltendem Recht vorgesehenen weiteren Alternativen für die Begründung einer vorläufigen Anhaltung (sonstige Haftgründe nach § 173 Abs. 2 StPO, Haftgrund nach § 173 Abs. 6 StPO, Selbst- oder Fremdgefährlichkeit des Betroffenen, Notwendigkeit seiner stationären ärztlichen Beobachtung) erweisen sich daher als überflüssig und können schon aus diesem Grund entfallen.

Die letzten beiden Sätze des § 431 Abs. 1 schreiben für die Fälle des § 21 Abs. 2 StGB (vorläufig) die Weitergeltung der Regelung des § 438 StPO vor: Liegen hinreichende Gründe für die Annahme vor, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB gegeben seien, und Haftgründe (§ 173 Abs. 2 und 6) vor, kann der Beschuldigte aber nicht ohne Schwierigkeiten in einer Justizanstalt eines Landesgerichts angehalten werden, so ist mit Beschluss anzuordnen, daß die Untersuchungshaft durch vorläufige Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum zu vollziehen ist. Auf den Vollzug der Untersuchungshaft sind in diesem Fall die Bestimmungen über den Vollzug der vorläufigen Unterbringung dem Sinne nach anzuwenden. Eine vorläufige Unterbringung statt Untersuchungshaft in allen Fällen des § 21 Abs. 2 StGB kommt aktuell schon mangels adäquater Unterbringungsmöglichkeiten nicht in Betracht.

Gemäß § 431 Abs. 2 erster Satz StPO entscheidet über die Anordnung der vorläufigen Unterbringung das Gericht, wobei Anordnung und Fortsetzung der vorläufigen Unterbringung nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nur dann zulässig sind, wenn die Voraussetzungen nach Abs. 1 vorliegen und der Betroffene zu diesen vernommen worden ist. Ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhängung der Untersuchungshaft gilt jedoch auch für die vorläufige Unterbringung. Bei Vorliegen der Voraussetzungen hat das Gericht von Amts wegen die Untersuchungshaft in eine vorläufige Unterbringung umzuwandeln (vgl. § 430 Abs. 1 Z 4 StPO). § 431 Abs. 2 zweiter Satz StPO ordnet die sinngemäße Geltung der § 173 Abs. 5, §§ 174 bis 178 und § 181a StPO an. Wie die Untersuchungshaft darf die vorläufige Unterbringung nicht erfolgen, wenn gelindere Mittel ausreichen. § 173 Abs. 5 StPO ist grundsätzlich anwendbar, sofern das gelindere Mittel trotz des psychischen Zustandes des Betroffenen als ausreichend anzusehen ist, um weiteren Straftaten entgegen zu wirken und auch sonst die Unterbringungszwecke zu gewährleisten.

§ 431 Abs. 3 StPO legt – an § 173 Abs. 4 StPO angelehnt – fest, dass die vorläufige Unterbringung nicht angeordnet, aufrechterhalten oder fortgesetzt werden darf, wenn ihr Zweck durch den gleichzeitigen Vollzug einer Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum oder im Falle des § 21 Abs. 2 StGB durch den gleichzeitigen Vollzug einer Strafhaft erreicht werden kann.

Ein spezifisches gelinderes Mittel nennt § 431 Abs. 4 StPO: Die vorläufige Unterbringung des Betroffenen ist unzulässig, wenn er auch ambulant ausreichend behandelt und betreut werden kann. Dazu verweist das Gesetz auf die entsprechende Regelung über das vorläufige Absehen vom Vollzug bei alternativen Maßnahmen (§§ 157a bis 157e StVG). So hat das Gericht insbesondere bereits während des Ermittlungsverfahrens an Stelle einer Unterbringung dem Betroffenen aufzutragen, an einem bestimmten Ort, bei einer bestimmten Familie, in einem bestimmten Heim oder in einer sozial-therapeutischen Wohneinrichtung zu wohnen (vgl. § 157c Abs. 2 Z 1 StVG), wenn dies ausreicht, um der Gefahr weiterer Straftaten entgegenzuwirken. Auch kann das Gericht, wenn es ein solches gelinderes Mittel anstelle der Unterbringung anordnet, sich der Unterstützung der Bewährungshilfe bedienen, um die Einhaltung der festgelegten Bedingungen zu überwachen (§ 431 Abs. 4 letzter Satz StPO).

Das Gericht kann mit der Aufbereitung – entsprechend den dafür erforderlichen fachlichen Voraussetzungen bzw. um nicht den Eindruck einer Präjudizierung des Gerichts zu erwecken nicht mit der Klärung –, ob ein solches gelinderes Mittel möglich ist und ausreicht, die Bewährungshilfe beauftragen (§ 431 Abs. 5 StPO). Einer weiteren Anregung aus dem informellen Begutachtungsverfahren zu einem Vorentwurf und Erfahrungen aus der Praxis in anderen Bereichen folgend soll klargestellt werden, dass der Leiter der Geschäftsstelle sowohl mit der Bestellung eines Bewährungshelfers als auch mit der Durchführung einer Sozialnetzkonferenz beauftragt werden kann. Soweit möglich hat der Leiter der Geschäftsstelle dem Gericht einen Plan für die Anwendung alternativer Maßnahmen vorzulegen (§ 431 Abs. 5 letzter Satz StPO).

Erweisen sich die gelinderen Mittel in der Folge als unzureichend (insbesondere um der Gefahr einer Tatbegehung entgegenzuwirken), hat das Gericht jederzeit die vorläufige Unterbringung anzuordnen, ebenso dann, wenn die festgesetzten Bedingungen (§§ 157a bis 157e StVG) nicht eingehalten werden.

Zu § 432 StPO:

§ 432 StPO regelt den Ort der vorläufigen Unterbringung des Betroffenen in den Fällen des § 21 Abs. 1 StGB: Die vorläufige Unterbringung kann nach Abs. 1 entweder in einem forensisch-therapeutischen Zentrum oder auch in einer öffentlichen Krankenanstalt (Abteilung) für Psychiatrie erfolgen, wenn dies zweckmäßig ist und der Betroffene dort angemessen behandelt und betreut werden kann. Die Krankenanstalten für Psychiatrie sind wie schon nach geltendem Recht (vgl. § 429 Abs. 4 StPO) verpflichtet, den Betroffenen aufzunehmen und für die erforderliche Sicherung seiner Person zu sorgen, wobei in Abs. 1 erster Satz klargestellt wird, dass vorläufig Untergebrachte nicht in Gemeinschaft mit rechtskräftig Untergebrachten angehalten werden sollen. Zumal die vorläufige Sicherung der Unterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB weiterhin nur in Form von Untersuchungshaft oder vorläufiger Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum, hingegen nicht in einer öffentlichen Krankenanstalt oder Abteilung für Psyhiatrie möglich sein soll, erwachsen den Krankenanstatlen keine zusätzlichen Aufnahmeverpflichtungen.

Der bisher in § 429 Abs. 4 letzter Satz StPO enthaltene Verweis auf § 71 Abs. 2 StVG soll in die neue Bestimmung übernommen werden. Dabei soll der Verweis auf die in diesem Zusammenhang ausschließlich relevante Regelung in § 71 Abs. 2 dritter Satz StVG konkretisiert werden.

. Nicht aufgenommen wurde die Möglichkeit, eine vorläufige Unterbringung – und sei es auch mit Zustimmung des Betroffenen – in einem gerichtlichen Gefangenenhaus zu vollziehen. Dies gilt sowohl in Fällen des § 21 Abs. 1 als auch des Abs. 2 StGB (siehe jedoch die Übergangsvorschrift des § 516 Abs. 11 StPO [Z 23]).

Von allen in Betracht kommenden Unterbringungsmöglichkeiten ist jene zu wählen, die dem verfahrensführenden Gericht am nächsten liegt (§ 432 Abs. 2 StPO). Näheres bestimmt die Bundesministerin für Justiz generell durch Verordnung (§ 432 Abs. 2 erster Satz StPO). Sie kann nach § 432 Abs. 2 zweiter Satz StPO jedoch im Einzelfall davon abweichen und den Vollzug in einem anderen forensisch-therapeutischen Zentrum oder in einer anderen psychiatrischen Krankenanstalt anordnen (§ 432 Abs. 2 zweiter Satz StPO), wenn dies im Interesse des Betroffenen oder zur Erreichung des Unterbringungszwecks geboten, also notwendig oder zweckmäßig, ist. „Anordnen“ ist umfassend zu verstehen, beinhaltet also sowohl die Festlegung des ursprünglichen Unterbringungsortes als auch dessen Änderung, wenn diese aus den genannten Gründen geboten ist. Die Anordnung ergeht ohne besondere Form. Entsprechend dem Rechtsmittelsystem des StVG kann gegen die Entscheidung der Bundesministerin für Justiz Beschwerde nach § 16a Abs. 1 Z 2 StVG an das OLG Wien erhoben werden. Der Rechtsschutz des Betroffenen ist darüber hinaus dadurch gewährleistet, dass er jederzeit einen Antrag auf Änderung des Unterbringungsortes stellen kann. Mit Zustimmung des Betroffenen kann eine solche Anordnung auch zur Vermeidung eines Überbelags getroffen werden. Beantragt der Betroffene eine Änderung des Unterbringungsortes, so hat das Bundesministerium für Justiz darüber binnen vier Wochen zu entscheiden (§ 432 Abs. 2 dritter und vierter Satz StPO); gegen die Verletzung dieser Entscheidungspflicht steht dem Betroffenen die Beschwerde an das OLG Wien zu (§ 16a Abs. 1 Z 3 StPO). Jedenfalls sind gemäß § 432 Abs. 4 StPO der Betroffene und dessen gesetzlicher Vertreter, die Staatsanwaltschaft und das Gericht vor einer Änderung des Unterbringungsortes zu hören. Nach erfolgter Überstellung sind die Staatsanwaltschaft, das Gericht und der Verteidiger durch das nunmehr zuständige forensisch-therapeutische Zentrum unverzüglich zu verständigen.

Zu § 433 StPO:

Für den Vollzug der vorläufigen Unterbringung gelten die Bestimmungen über den Vollzug der Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum (§§ 164 ff. StVG) sinngemäß. § 433 Abs. 2 StPO ordnet zudem die sinngemäße Geltung der § 188 und § 189 StPO für den Verkehr des Betroffenen mit der Außenwelt (also insbesondere Besuche, Schriftverkehr und Telefonate) an.

Während der vorläufigen Unterbringung ist der Betroffene nach den Regeln des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug der Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum zu behandeln und zu betreuen (§ 433 Abs. 1 StPO). Im Idealfall kann bereits durch die Behandlung und Betreuung während des Strafverfahrens die Gefährlichkeit soweit reduziert werden, dass eine Unterbringung ganz entfallen kann (§ 433 Abs. 3 erster Satz StPO). Jedenfalls anzustreben ist jedoch, dass der Betroffene durch die Behandlung während der vorläufigen Unterbringung bis zur Hauptverhandlung bereits so weit stabilisiert werden kann, dass das erkennende Gericht nach § 434g StPO und § 157a StVG vom Vollzug der Unterbringung vorläufig absehen und stattdessen ambulante Maßnahmen anordnen kann (§ 433 Abs. 3 erster Satz StPO). Nach § 433 Abs. 3 zweiter Satz StPO soll das forensisch-therapeutische Zentrum den Behandlungsplan und die entsprechende Umsetzungsdokumentation der Staatsanwaltschaft, nach Einbringung des Antrags auf Unterbringung oder der Anklageschrift, dem Gericht, übermitteln und über den bisherigen Behandlungserfolg berichten.

§ 432 Abs. 4 StPO normiert das Vorgehen, wenn auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass vom Vollzug einer Unterbringung vorläufig abgesehen werden könnte (§ 434g, § 157a StVG): In diesem Fall hat das Gericht auch während der vorläufigen Unterbringung vorläufige Bewährungshilfe (§ 179 StPO) anzuordnen. Weiters hat es den Leiter des forensisch-therapeutischen Zentrums, in dem der Betroffene vorläufig untergebracht ist, zu beauftragen, die Voraussetzungen für ein vorläufiges Absehen zu erarbeiten und dem Gericht zu berichten; gegebenenfalls kann dies unter Ausrichtung einer Sozialnetzkonferenz (§ 29e BewHG) erfolgen. Die Anordnung der vorläufigen Bewährungshilfe erfolgt auf Antrag des Betroffenen oder der Staatsanwaltschaft, auf Anregung des Leiters des forensisch-therapeutischen Zentrums oder von Amts wegen. Wird die Möglichkeit eines vorläufigen Absehens bejaht, so ist für die Hauptverhandlung ein Plan für die Anwendung alternativer Maßnahmen (§§ 157a bis 157f StVG) vorzulegen.

Soweit dies zur Beurteilung von Alternativen zur Unterbringung erforderlich ist, sollen die Staatsanwaltschaft und das Gericht Äußerungen psychiatrischer Einrichtungen sowie von anderen Betreuungseinrichtungen, in denen der Betroffene zuletzt behandelt oder betreut wurde, einzuholen haben (§ 433 Abs. 5 StPO).

§ 433 Abs. 6 StPO soll – entsprechend einer Anrechnung der Untersuchungshaft – die Anrechnung der vorläufigen Unterbringung auf eine Freiheits- oder Geldstrafe regeln (vgl. die bisherige Reglung des § 429 Abs. 6 StPO). Die Bestimmung ergänzt § 24 StGB, der die Anrechnung der Unterbringung nach dem Urteil regelt.

Zu § 434 StPO:

§ 434 regelt den durch die Staatsanwaltschaft einzubringen Antrag auf Unterbringung. Gemäß Abs. 1 soll im Fall des § 21 Abs. 2 StGB die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum in der Anklageschrift zu beantragen sein. Liegen dagegen hinreichende Gründe für die Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB vor, so soll die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Unterbringung zu stellen haben. Für diesen Antrag gelten die Bestimmungen über die Anklageschrift (§§ 210 bis 215 StPO) sinngemäß.

Abs. 2 und Abs. 3 normieren die Zuständigkeit des Gerichts und die Gerichtsbesetzung: Über den Antrag auf Unterbringung entscheidet das Landesgericht, das für die Tat (§ 21 Abs. 3 und 4 StGB) zuständig ist oder zuständig wäre. Anstelle des Einzelrichters des Landesgerichts entscheidet jedoch stets das Landesgericht als Schöffengericht, und zwar in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen (§ 32 Abs. 1a StPO). Eine Unterbringung – sei es nach § 21 Abs. 1 oder Abs. 2 – soll, sofern nicht das Geschworenengericht zuständig ist, somit immer nur von einem großen Schöffengericht angeordnet werden dürfen.

Zu § 434a StPO:

Dass das Gericht mit Urteil über die Unterbringung entscheiden soll, entspricht § 430 Abs. 2 StPO idgF.

Zu § 434b StPO:

§ 434b Abs. 1 und 2 StPO ordnen (wie nach geltendem Recht; vgl. § 434 StPO, Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 434 (Stand 1.10.2020, rdb.at) Rz 2) die Gleichwertigkeit von Anklage und Unterbringungsantrag an, solange sie dieselbe Tat (Straftat als Grundlage der Bestrafung oder Anlasstat) betreffen. Das Gericht kann daher auf Grund einer Anklage die angeklagte Tat zum Anlass nehmen, eine Unterbringung (sowohl nach Abs. 1 als auch nach Abs. 2 des § 21 StGB) anzuordnen, aber auch umgekehrt auf Grund eines Unterbringungsantrages wegen der Anlasstat verurteilen, wenn es den Betroffenen für schuldfähig erachtet. Der Einzelrichter und das kleine Schöffengericht haben jedoch mit Unzuständigkeitsurteil vorzugehen, weil eine Unterbringung nur von einem großen Schöffengericht (bzw. einem Geschworenengericht) angeordnet werden darf (vgl. § 434 Abs. 2 StPO). Eine Unterbringung darf nicht ausgesprochen werden, wenn in der Hauptverhandlung kein Verteidiger anwesend war oder nicht während der gesamten Dauer ein Sachverständiger beigezogen war. In diesen Fällen ist die Hauptverhandlung zu vertagen und zu wiederholen (§ 276a zweiter Satz StPO).

Zu § 434c StPO:

§ 434c StPO entspricht weitestgehend § 431 StPO idgF und regelt in Abs. 1 und 2 zusammengefasst die Rechte des gesetzlichen Vertreters (sofern ein solcher bestellt ist). Diese Rechte kommen in den in Abs. 3 genannten Fällen dem Verteidiger zu.

Zu § 434d StPO:

Die vorgeschlagenen Regelungen der Abs. 1 und 2 entsprechen den bisherigen § 430 Abs. 3 und 4 StPO. Abs. 2 soll zusätzlich klarstellen, dass der Sachverständige der Hauptverhandlung für die gesamte Dauer beizuziehen ist und dass dieser – im Anschluss an die vorgeschlagene Regelung des § 430 Abs. 1 Z 2 StPO – vorzugsweise ein solcher sein soll, der auch für das Fachgebiet psychiatrische Kriminalprognostik eingetragen ist. Die erstgenannte Klarstellung soll der Beseitigung von Unsicherheiten dienen, die zur bisherigen Formulierung in § 430 Abs. 4 StPO bestanden haben: Strittig war hier, ob die Formulierung die Beiziehung des Sachverständigen zur ganzen Hauptverhandlung oder nur zur Vernehmung des Betroffenen in der Hauptverhandlung ansprach (Murschetz in Fuchs/Ratz, WK-StPO § 430 Rz 8).

Abs. 3 soll klarstellen, dass die Hauptverhandlung im Verfahren zur Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB nicht in Abwesenheit des Verteidigers oder des Sachverständigen abgeführt werden darf. Ist eine der beiden Personen in der Hauptverhandlung nicht anwesend, so ist die Hauptverhandlung zu vertagen und in Anwesenheit beider zu wiederholen. Für die Vertagung und die Wiederholung der Hauptverhandlung gelten die Bestimmungen der § 276 und § 276a StPO. Ein Verzicht auf die Wiederholung der Hauptverhandlung soll in diesem Zusammenhang nicht möglich sein; dies würde Sinn und Zweck der Bestimmung widersprechen.

Abs. 4 soll die Vorgehensweise in jenen Fällen, in denen über mehrere Taten gleichzeitig erkannt und – hinsichtlich aller Taten oder hinsichtlich lediglich einzelner von ihnen – eine Unterbringung angeordnet wird, klarstellen. Wird über mehrere Taten gleichzeitig erkannt und die Unterbringung angeordnet, so ist im Urteil auszusprechen, welche Taten Anlass für die Unterbringung waren. Damit soll zum einen eine klare Abfassung von Urteilen bewirkt werden, die insbesondere dem Betroffenen eindeutig aufzeigen soll, welche Taten zu seiner Unterbringung geführt haben, aber auch die Überprüfbarkeit von Entscheidungen (insbesondere des Erkenntnisses selbst, aber auch des Beschlusses über die Voraussetzungen und Bedingungen für das vorläufige Absehen vom Vollzug der Unterbringung nach § 157a Abs. 4 StVG, dessen Grundlage unter anderem Art und Schwere der Anlasstat sind) und künftige Prognoseentscheidungen (insbesondere jene über die bedingte Entlassung aus der Unterbringung gemäß § 47 StGB) erleichtert bzw. ermöglicht werden. Zum anderen soll auch für jene Fälle, in denen es nachträglich zu einer Aufhebung von Entscheidungen in Bezug auf lediglich einzelne der abgeurteilten Taten kommt, Sorge getragen werden: Hält ein Urteil nämlich fest, dass eine Unterbringung nach § 21 Abs. 1 oder 2 StGB nur hinsichtlich bestimmter Taten angeordnet wird, während es hinsichtlich anderer Taten zu einer (bloßen) Bestrafung kommt (etwa weil sie unabhängig von der psychischen Störung des Betroffenen im Zustand der Zurechnungsfähigkeit gesetzt wurden), so verhindert die exakte Festlegung der Taten, die Anlass für die Unterbringung waren, eine spätere Aufhebung des gesamten Urteils bzw. Sanktionsausspruchs. Dies ist aber freilich nur in der hier dargestellten Konstellation der Fall. Lagen der Anordnung der Unterbringung mehrere Taten zu Grunde und wird in weiterer Folge die Verurteilung hinsichtlich einer dieser Taten aufgehoben, so ist zwingend der gesamte Sanktionsausspruch aufzuheben, weil nicht auszuschließen ist, dass gerade der von der Aufhebung betroffene Teil des Erkenntnisses für die dem erkennenden Gericht vorbehaltene Ermessensentscheidung der Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose entscheidend war (vgl. dazu 14 Os 94/20k, RS0120576, RS0090390 sowie Ratz in Fuchs/Ratz, WK-StPO § 289 Rz 7, Lendl in WK-StPO § 260 Rz 34 und 35). Dies gilt selbst dann, wenn die Anlasstat mehreren ideell konkurrierenden rechtlichen Kategorien subsumiert wird, von denen nur eine der Aufhebung zum Opfer fällt (14 Os 94/20k).

Abs. 4 hält zudem fest, dass die Unterbringung stets nur einmal angeordnet werden kann. Damit wird klargestellt, dass die gleichzeitige Anordnung einer Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB und einer solchen nach § 21 Abs. 2 StGB nicht möglich ist. Für die Entscheidung, welche der beiden Unterbringungsarten bei gleichzeitiger Entscheidung über mehrere Taten angeordnet werden soll, sollen dabei die Umstände der am kürzesten zurückliegenden Tat, also insbesondere die Frage, ob der Betroffene bei dieser zurechnungsfähig oder zurechnungsunfähig war, den Ausschlag geben. Wird auf dieser Grundlage auf eine Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB erkannt, während eine frühere Tat die Voraussetzungen der Unterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB erfüllen würde, so ist für die frühere Tat eine Strafe zu verhängen, jedoch keine zusätzliche Unterbringung anzuordnen. Würde jedoch die frühere Tat eine Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB erfordern, die spätere hingegen eine solche nach § 21 Abs. 2 StGB, ist der Betroffene nach § 21 Abs. 2 StGB unterzubringen und gleichzeitig eine Strafe für die spätere Tat anzuordnen, während hinsichtlich der früheren Tat keine gesonderte Sanktion angeordnet werden soll.

Zu § 434e StPO:

§ 434e StPO entspricht im Wesentlichen dem bisherigen § 432 StPO. Es sollen jedoch zwei Klarstellungen ergänzt werden, und zwar zum einen jene, dass eine Zusatzfrage nach der Zurechnungsunfähigkeit nur dann zu stellen ist, wenn dies indiziert ist. Dies entspricht den Vorgaben des § 313 StPO, soll jedoch hier für die im vorliegenden Abschnitt geregelte besondere Verfahrensart zusätzlich hervorgehoben werden. Die Klarstellung betrifft dabei nur Verfahren, in denen sich die Indikation der Zurechnungsunfähigkeit nicht bereits aus dem Unterbringungsantrag ableiten lässt, sondern gegen eine Person eine Anklage erhoben wird, auf deren Basis sich sodann die Notwendigkeit einer Anordnung einer Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB ergibt (vgl. dazu § 434b StPO). Handelt es sich um ein Verfahren, dem ein Unterbringungsantrag zu Grunde liegt, so ist die Zusatzfrage ohnehin zwingend zu stellen; der Unterbringungsantrag legt hier den Prozessgegenstand dergestalt fest, dass die Zurechnungsunfähigkeit bereits aus dem einleitenden Antrag indiziert wird und daher aus diesem Grund in Form einer Zusatzfrage nach ihr zu fragen ist.

Zum anderen soll § 434e StPO auch klarstellen, dass nicht nur die Entscheidung über die Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB vom Schwurgerichtshof zu treffen ist, sondern auch jene nach § 21 Abs. 2 StGB. Dies entspricht ebenfalls der bereits geltenden Rechtslage (vgl. dazu Swiderski in Fuchs/Ratz, WK-StPO § 338 Rz 2), soll nunmehr jedoch systemkonform im Abschnitt über die Unterbringung nach § 21 StGB klargestellt werden.

Zu § 434f StPO:

Die vorgeschlagene Bestimmung entspricht der bisherigen Regelung in § 433 StPO, die Anfechtungsbefugnis der Angehörigen des Betroffenen soll jedoch entfallen. Diese erscheint angesichts der umfassenden Rechtsmittelbefugnis des gesetzlichen Vertreters des Betroffenen, die nunmehr in § 434c Abs. 2 StPO festgelegt werden soll, entbehrlich. Durch den Verweis auf § 282 Abs. 1 StPO war die Bestimmung zudem bereits überarbeitungsbedürftig: Der Angehörigenbegriff in § 282 Abs. 1 StPO wurde mit dem KorrStrÄG (BGBl I Nr. 98/2009) entfernt, § 433 StPO verwies daher auf eine nicht mehr in Geltung stehende Regelung (vgl. dazu Murschetz in Fuchs/Ratz, WK-StPO § 433 Rz 2).

Zu § 434g StPO:

Die bedingte Nachsicht der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher war bisher in § 45 Abs. 1 StGB geregelt, der nunmehr gestrichen und das vorläufige Absehen vom Vollzug der Unterbringung in § 157a StVG geregelt werden soll. § 157b StVG sieht hierzu ergänzend die Festlegung von Bedingungen und die Anordnung der Bewährungshilfe vor. Aus verfahrensrechtlicher Sicht soll § 434g StPO für das vorläufige Absehen vom Vollzug und die dem Betroffenen ergänzend aufzuerlegenden Bedingungen Vorsorge treffen: gemäß Abs. 1 soll das Gericht bei jeder Entscheidung über eine Unterbringung nach § 21 StGB von Amts wegen zu prüfen haben, ob ein vorläufiges Absehen vom Vollzug der Unterbringung unter gleichzeitiger Festlegung von Bedingungen bzw. der Anordnung der Bewährungshilfe möglich ist. Einer besonderen Antragstellung bedarf es daher nicht; insofern entspricht die Regelung den Vorgaben für die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe bzw. den bisher geltenden Regeln für die bedingte Nachsicht einer vorbeugenden Maßnahme.

Nach Abs. 2 soll sich der gemäß § 434d Abs. 2 StPO der Hauptverhandlung zwingend beizuziehende Sachverständige auch zur Möglichkeit des Absehens vom Vollzug zu äußern haben. Hierzu ist er vom Gericht aufzufordern. Da das Gericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 157a StVG und die Anordnung von Bedingungen und der Bewährungshilfe nach § 157b StVG von Amts wegen zu prüfen hat (§ 434g Abs. 1 StPO), wird der Sachverständige in Verfahren nach § 21 Abs. 1 StGB durchwegs auch eine Äußerung zu diesen Maßnahmen abzugeben haben. In Verfahren, in denen über eine Unterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB erkannt werden soll, wird eine solche Äußerung ebenfalls in der Regel erforderlich sein; eine Ausnahme stellt hier lediglich der Fall dar, in dem die gleichzeitig verhängte Strafe nicht gänzlich bedingt nachgesehen wird (§ 157a Abs. 1 letzter Satz StVG). In diesem Fall ist das vorläufige Absehen vom Vollzug nämlich jedenfalls unzulässig (vgl. dazu auch schon zur bisherigen Rechtslage RS0119998), daher ist eine Äußerung des Sachverständigen zum Vorliegen der in seine fachliche Kompetenz fallenden Voraussetzungen desselben nicht erforderlich.

Darüber hinaus legt der zweite Satz fest, dass die Bewährungshilfe spätestens bis zum Beginn der Hauptverhandlung einen Bericht vorzulegen hat und der Bewährungshelfer in der Hauptverhandlung zu hören ist. Der Bericht soll dabei in Schriftform vorgelegt werden, wie sich bereits aus der Formulierung der Bestimmung ergibt (arg. „vorlegen“). Die Verpflichtung zur Anhörung des Bewährungshelfers entspricht jener des § 494a Abs. 3 StPO, durch die gleichzeitige Anordnung der Vorlage eines Berichts bis zum Beginn der Hauptverhandlung und die Anhörung des Bewährungshelfers geht § 434g Abs. 2 StPO jedoch über diese hinaus. Ein Ersatz der Anhörung des Bewährungshelfers durch die bloße Vorlage eines Berichts desselben, wie dies bei § 494a Abs. 3 StPO möglich ist (Jerabek in Fuchs/Ratz, WK-StPO § 494a Rz 8 mwN), ist hiedurch ausgeschlossen. Die Einbeziehung des Bewährungshelfers ist in diesem Zusammenhang nur dann vorgesehen, wenn es sich um einen Fall der vorläufigen Bewährungshilfe nach § 433 Abs. 4 StPO handelt; ein nach andern Bestimmungen allenfalls bestellter Bewährungshelfer ist hingegen nicht erfasst.

Ist der Betroffene vorläufig untergebracht, so hat das Gericht für die Hauptverhandlung eine Stellungnahme der Einrichtung, in der der Betroffene untergebracht ist, einzuholen (Abs. 2 dritter Satz). Das Gericht hat dabei nach § 433 Abs. 4 StPO vorzugehen: Es ist daher der Leiter des forensisch-therapeutischen Zentrums, in der der Betroffene vorläufig untergebracht ist, zu beauftragen, die Voraussetzungen für ein vorläufiges Absehen vom Vollzug zu erarbeiten und dem Gericht zu berichten. Gegebenenfalls ist eine Sozialnetzkonferenz auszurichten. Für die Hauptverhandlung ist zudem ein Plan für die Anwendung alternativer Maßnahmen nach §§ 157a bis 157f StVG vorzulegen.

Ist der Betroffene nicht vorläufig untergebracht, so ist die behandelnde Stelle, bei der er sonst wegen seiner psychischen Störung behandelt wird, um eine Stellungnahme im Sinne des § 433 Abs. 4 StPO zu ersuchen. Befindet sich der Betroffene nicht in Behandlung, so steht keine geeignete Einrichtung zur Abgabe einer derartigen Einschätzung zur Verfügung, die in Abs. 2 dritter Satz vorgesehene Einschätzung kann daher nicht in die Hauptverhandlung einfließen.

Abs. 3 sieht die Möglichkeit vor, die Hauptverhandlung mit Zustimmung des Betroffenen für eine Dauer von maximal zwei Monaten zu vertagen, wenn hinreichende Gründe dafür vorliegen, dass vom Vollzug vorläufig abgesehen werden kann, die Voraussetzungen hierfür aber noch näher geklärt werden müssen. In diesem Zeitraum kann das Gericht etwa weitere Erhebungen zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des vorläufigen Absehens vom Vollzug anstellen oder der Betroffene kann noch nicht vorliegende Belege erbringen.

Die Frist von zwei Monaten ist nicht verlängerbar und steht unter dem stets zu beachtenden Gebot der Beschleunigung (§ 9 StPO).

Das vorläufige Absehen vom Vollzug der Unterbringung ist Teil des Ausspruchs über die Unterbringung und kann zugunsten oder zum Nachteil des Betroffenen mit Berufung angefochten werden (Abs. 4). Die gleichzeitig vom Gericht festzulegenden Voraussetzungen und Bedingungen für das Absehen vom Vollzug (§ 157a Abs. 4 StVG) sind beschlussmäßig auszusprechen und können gesondert mit Beschwerde nach § 87 StPO angefochten werden (Abs. 5).

Werden in einem Beschluss nach Abs. 5 Bedingungen festgelegt, die das Opfer unmittelbar in seinen Interessen berühren, so ist das Opfer über deren Inhalt und Bedeutung zu verständigen (Abs. 6). Dabei ist etwa an die Aufträge nach § 157c Abs. 2 Z 1 oder 3 StVG zu denken, wonach dem Betroffenen aufgetragen werden kann, an einem bestimmten Ort, bei einer bestimmten Familie, in einem bestimmten Heim oder einer sozialtherapeutischen Wohneinrichtung zu wohnen (Z 1) oder eine bestimmte Wohnung, bestimmte Orte oder einen bestimmten Umgang, insbesondere den Kontakt zu gefährdeten Personen, zu meiden. Während nicht davon auszugehen ist, dass dem Betroffenen das Wohnen bei dem Opfer gerichtlich aufgetragen wird, kann die Anordnung einer Maßnahme nach Z 3 den Charakter eines Betretungsverbotes entfalten, das die Interessen des Opfers sehr wohl berühren kann.

Zu Z 7 und 9 bis 11, 14 und 15, 18 bis 21 (§ 435 Abs. 1, § 437, § 438 erster Satz, § 439 Abs. 1, § 441 Abs. 1 und 2, § 492 Abs. 1 StPO, § 494a Abs. 2, § 495 Abs. 1 und § 497 Abs. 1 StPO):

Die vorgeschlagenen Änderungen stellen lediglich redaktionelle Anpassungen an die nunmehr eigenständige Regelung des Verfahrens zur Unterbringung nach § 21 StGB dar (Entfall der Verweise auf Fälle des § 21 Abs. 2 StGB, die nunmehr im 1. Abschnitt des 21. Hauptstücks mitgeregelt werden).

Zu Z 8 (§ 436 StPO):

Durch die Neuregelung des Verfahrens zur Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 StGB im 1. Abschnitt des 21. Hauptstücks, die auch das Verfahren zur Unterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB erfasst, ist § 436 StPO entbehrlich geworden.

Zu Z 12 (§ 439 Abs. 2 StPO):

Die Änderung des § 439 Abs. 2 StPO dient der redaktionellen Anpassung an die nunmehrige Regelung des Verfahrens zur Unterbringung nach § 21 StGB. Daneben wird die Person des Sachverständigen wie im Verfahren nach § 21 StGB mit einer solchen aus dem Fachbereich der Psychiatrie, vorzugsweise einer solchen, die auch für den Fachbereich psychiatrische Kriminalprognostik eingetragen ist, auch für den Bereich des Verfahrens zur Unterbringung nach § 22 und § 23 StGB festgelegt.

Zu Z 13 (§ 440 StPO):

In Anpassung an das neugestaltete Verfahren zur Unterbringung nach § 21 StGB im 1. Abschnitt des 21. Hauptstücks soll die Bezugnahme auf § 21 Abs. 2 StGB entfallen und nunmehr auf § 434c StPO verwiesen werden.

Zu Z 20 und 21 (§ 495 Abs. 1 und § 497 Abs. 1 StPO):

Die vorgeschlagenen Änderungen stellen lediglich redaktionelle Anpassungen an die nunmehr eigenständige Regelung des Verfahrens zur Unterbringung nach § 21 StGB dar.

Zu Z 22 (§ 514 Abs. 47 StPO):

Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten.

Zu Artikel 3 (Änderung des Strafvollzugsgesetzes)

Im ursprünglichen Entwurf waren noch Änderungen des Strafvollzugsgesetzes vorgesehen, die unabhängig von der Reform des Maßnahmenvollzuges angestanden sind. Diese – und weitere Änderungen im Bereich des StVG – sind Gegenstand eines parallel stattfindenden Gesetzesprojekts und wurden daher hier nicht mehr aufgenommen (wie umgekehrt die hier vorgeschlagenen Änderungen dort noch nicht aufgenommen wurden). Eine Harmonisierung der beiden Entwürfe erscheint erst sinnvoll, wenn jeweils abschätzbar ist, was letztlich legislativ verwirklicht werden kann.

Der überarbeitete Entwurf sollte grundsätzlich nur mehr die technischen Anpassungen enthalten, die notwendig sind, um den Vollzug der Maßnahme nach § 21 StGB aus dem Strafvollzugsgesetz herauszulösen, damit er einer eigenständigen gesetzlichen Regelung in Form eines eigenen Maßnahmenvollzugsgesetzes zugeführt werden kann.Im Hinblick auf dessen vorläufige Zurückstellung soll jedoch vorläufig weiterhin das Maßnahmenrecht des StVG zur Anwendung gelangen.

Auch der Vollzug der Maßnahmen nach den §§ 22 und 23 StGB soll – inhaltlich vorläufig unverändert – bis auf Weiteres im StVG geregelt bleiben, zumal sich die Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug seinerzeit damit inhaltlich nicht beschäftigt hat und sinnvollerweise abzuwarten ist, was von den vorgeschlagenen Änderungen im Bereich der Maßnahme nach § 21 StGB (und im Parallelprojekt der StVG-Novelle) Bestand hat, um danach prüfen zu können, ob und gegebenenfalls was davon auf den Vollzug der Maßnahmen nach § 22 und/oder 23 StGB übertragen werden kann bzw. soll.

Bei den nunmehr vorgeschlagenen Änderungen im Bereich des StVG handelt es sich sohin – mit Ausnahme der aus technischen Gründen hier einzufügenden Regelungen betreffend das vorläufige Absehen vom Vollzug der Maßnahme nach § 21 StGB (§§ 157a ff) – iW lediglich um terminologische Folgeanpassungen („forensisch-therapeutische Zentren“ statt „Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher“).

Zu § 157a StVG:

Derzeit sieht das Strafgesetzbuch vor, dass das erkennende Gericht die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher bedingt nachzusehen hat, wenn „anzunehmen ist, dass die bloße Androhung der Unterbringung … ausreichen werde, um die Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, hintanzuhalten“ (§ 45 Abs. 1 StGB). Diese Regelung ist der bedingten Nachsicht einer Strafe nachgebildet und passt dementsprechend eher für Straftäter*innen, die durch die Androhung einer Strafe motiviert werden sollen.

Der Entwurf soll demgegenüber dem Umstand, dass es sich hier um Menschen mit einer psychischen Störung handelt, bei denen es nicht um die Androhung einer Strafe gehen kann, bereits in der Bezeichnung des betreffenden Rechtsinstituts Rechnung tragen: An die Stelle der bedingten Nachsicht tritt das vorläufige Absehen vom Vollzug der Unterbringung gegen Anordnung alternativer Maßnahmen. Entscheidend ist, dass außerhalb eines forensisch-therapeutischen Zentrums oder außerhalb der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Krankenanstalt eine ausreichende Behandlung und Betreuung möglich ist und mit den angeordneten alternativen Maßnahmen der Gefahr, dass Betroffene unter der Einwirkung ihrer schweren psychischen Störung weitere Straftaten begehen werden, in hinreichendem Maß entgegengewirkt werden kann.

Die alternativen Maßnahmen, die in Betracht kommen und das Wesentliche an dieser Vollzugsform sind, sind vom Gericht festzulegen. Die §§ 157c bis 157e StVG enthalten (demonstrativ) eine umfangreiche Liste diesbezüglicher Möglichkeiten. Das Gesetz nennt insbesondere die Fälle, dass angeordnet wird, dass der Betroffene in einer bestimmten sozial-therapeutischen Wohneinrichtung zu wohnen hat, dass er sich sonst einer bestimmten Betreuungsform unterziehen muss oder dass er sich einer bestimmten medizinischen Behandlung (z. B. Medikamentendepot) zu unterziehen hat (§ 157c Abs. 3 StVG). Alle diese Maßnahmen sind nicht als Weisungen formuliert, weil es nicht darauf ankommt, ob den Betroffenen ein Verschulden trifft, wenn diese Bedingungen nicht eingehalten werden. Sie sind schlicht Voraussetzungen für den „ambulanten Vollzug“ und als solche vom Gericht festzulegen. Das Gericht kann diese Festlegungen jederzeit auch nachträglich ändern, ergänzen oder aufheben, wobei der einzige Maßstab ist, ob dies geboten ist, um der bestehenden Gefahr ausreichend entgegenzuwirken (§ 157b Abs. 3, § 157c Abs. 5 StVG).

Die Bedingungen, unter denen vom Vollzug der Unterbringung vorläufig abgesehen wird, werden beim ersten Mal zugleich mit der Anordnung der Unterbringung vom erkennenden Gericht festgelegt (§ 434g StPO). Die Durchführung der ambulanten Maßnahmen ist jedoch eine besondere Form des Vollzuges („ambulanter Vollzug“), weshalb das vorläufige Absehen vom Vollzug im Maßnahmenvollzugsgesetz geregelt ist. Für die Überwachung der Durchführung und insbesondere für eine allfällige Abänderung der Bedingungen und Voraussetzungen sowie für einen allfälligen Widerruf des vorläufigen Absehens (und damit der Anordnung des Vollzugs in der geschlossenen Anstalt) soll jedoch im Lichte der Ergebnisse des informellen Begutachtungsverfahrens wie derzeit im Falle der bedingten Nachsicht (weiterhin) das erkennende Gericht zuständig sein.

Die Festlegung von Voraussetzungen und Bedingungen bedarf nicht der vorausgehenden ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen. Es genügt die berechtigte Erwartung, dass der Betroffene – mit entsprechender Unterstützung, insbesondere der Bewährungshilfe – diese Bedingungen einhalten wird.

Anders ist es, wenn eine medizinische, eine psychotherapeutische oder eine sozial-therapeutische Be-handlung oder eine Entwöhnungsbehandlung zur Voraussetzung des vorläufigen Absehens vom Vollzug der Unterbringung gemacht werden soll: In diesen Fällen bedarf die Anordnung wegen des besonderen Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte der Zustimmung des Betroffenen oder, wenn der Betroffene selbst die Bedeutung der Behandlung und die zu erwartenden Beeinträchtigungen nicht einsehen oder nicht beurteilen kann, der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters.

Der gesetzliche Vertreter ist bei seiner Entscheidung allein den Interessen des Betroffenen verpflichtet.

Operative Eingriffe dürfen auch mit Einwilligung des Betroffenen nicht angeordnet werden.

Zu § 157b StVG:

Nach § 157b Abs. 1 StVG soll das Gericht im Falle des vorläufigen Absehens von der vorläufigen Unterbringung jene Bedingungen für das Absehen festzulegen haben, die notwendig oder zweckmäßig sind, um die Gefahr hintanzuhalten, derentwegen die strafrechtliche Unterbringung angeordnet wurde.

Nach § b157 Abs. 2 StVG soll Bewährungshilfe anzuordnen sein, soweit sie nicht aus besonderen Gründen entbehrlich ist. Es spricht sohin zwar eine gewisse Vermutung für die Anordnung von Bewährungshilfe. Anders als in den Fällen der gerichtlichen Aufsicht (siehe dazu bei § 157f StVG), soll jedoch nicht in allen Fällen zwingend Bewährungshilfe anzuordnen sein.

Die Bedingungen sowie die Anordnung der Bewährungshilfe gelten nach § 157b Abs. 3 StVG für die Dauer des vom Gericht bestimmten Zeitraums, höchstens bis zum Ende der Probezeit, soweit sie nicht vorher aufgehoben oder gegenstandslos werden. Die Bedingungen können von Amts wegen oder auf Antrag des Betroffenen oder der Staatsanwaltschaft jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Sie sind zu ändern, wenn es erforderlich ist, um der Gefahr einer Tatbegehung entgegenzuwirken; sie sind aufzuheben, wenn sie entbehrlich werden (§ 157c Abs. 6 StVG).

Zu § 157c StVG:

In dieser Bestimmung sollen in Form einer demonstrativen Aufzählung die Voraussetzungen und Bedingungen, unter denen ein vorläufiges Absehen vom Vollzug der Unterbringung nach § 21 StGB in Betracht kommt, geregelt werden.

Im informellen Begutachtungsverfahren zu einem Vorentwurf wurde zur darin vorgesehenen umfassenden Berichtspflicht des Bewährungshelfers einschließlich in Bezug auf gesundheitliche Aspekte seines Klienten eingewandt, dass diese umfassende Berichtspflicht des Bewährungshelfers unter Umständen auch Fragestellungen umfasst, deren Beantwortung weniger sozialarbeiterische als vielmehr medizinische Kompetenz erfordert. § 157c StVG soll daher um die ursprünglich (nur) für den Bewährungshelfer vorgesehene Berichtspflicht für die zur Behandlung oder Betreuung Berufenen angereichert werden.

Zu § 157d StVG:

Wird dem Betroffenen aufgetragen, sich einer Entwöhnungsbehandlung, einer medizinischen oder einer therapeutischen Behandlung zu unterziehen, in einer geeigneten sozialtherapeutischen Wohneinrichtung oder einem geeigneten Heim zu wohnen oder sich einer sonstigen Betreuungsform zu unterziehen oder sich sonst in einer Tagesstruktur betreuen zu lassen, so soll für die allfällige Kostentragung durch den Bund im Hinblick auf die vorläufige Zurückstellung des MVG wie bisher (vgl. § 51 Abs. 5 StGB) vorläufig weiterhin § 179a StVG sinngemäß gelten.

Zu § 157e StVG:

Beim ambulanten Vollzug ist grundsätzlich Bewährungshilfe anzuordnen (§ 157b Abs. 2 StVG). Der Bewährungshelfer nimmt im gesamten System des Maßnahmenvollzuges eine zentrale Stellung ein: Er hat von Anfang an während der vorläufigen Unterbringung darauf hinzuwirken, dass das erkennende Gericht nach Möglichkeit vom Vollzug absehen kann oder doch möglichst bald eine Entlassung erfolgen kann.

Nach einem Vorentwurf sollte der Bewährungshelfer insbesondere zu berichten haben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass der Betroffene auf Grund seines psychischen Zustandes eine schwere Straftat begehen werde, sei es deshalb, weil sich sein Gesundheitszustand verschlechtert hat oder aber, weil die Bedingungen für die Betreuung nicht eingehalten werden. In allen diesen Fällen wird der Bewährungshelfer zu denjenigen gehören, die im Rahmen ihrer Betreuung die Veränderung und die Notwendigkeit eines Einschreitens als erste wahrnehmen können. Die hier relevanten Fragestellungen sind jedoch zum Teil gesundheitsbezogen und damit grundsätzlich außerhalb der Fachkompetenz des Bewährungshelfers. Abweichend vom Entwurf soll die Berichtspflicht des Bewährungshelfers gegenüber dem Gericht daher insofern relativiert werden, dass auf die Erkennbarkeit der Umstände für den Bewährungshelfer abgestellt werden soll (§ 157e Abs. 3 StVG): stattdessen soll sich die Berichtspflicht vielmehr auf die unmittelbar mit der Behandlung und Betreuung des Betroffenen befassten Personen oder Einrichtungen fokussieren.

Zu § 157f StVG:

Die Unterbringung soll zu vollziehen sein, wenn die ambulante Behandlung und Betreuung nicht (mehr) ausreichen, um der Gefahr der Begehung einer schweren Straftat durch den Täter auf Grund seiner psychischen Störung entgegenzuwirken. Dies ist die notwendige, aber auch die hinreichende Bedingung dafür, nunmehr die Unterbringung im forensisch-therapeutischen Zentrum zu vollziehen. Weiterer Voraussetzungen bedarf es nicht.

Allerdings ist der Widerruf immer das letzte Mittel, so dass zuvor die Möglichkeit in Betracht gezogen werden muss, die Bedingungen entsprechend zu ändern oder neue Bedingungen festzulegen. Auch wird dem Widerruf in der Regel eine Krisenintervention voranzugehen haben (vgl. zu §§ 157g und 157h StVG).

Einer förmlichen Mahnung des Betroffenen bedarf es nicht. Das Gericht kann also rasch handeln, wenn beispielsweise ein Depotmedikament nicht verabreicht werden kann, das als Voraussetzung für den ambulanten Vollzug festgesetzt wurde. Wenn allerdings keine unmittelbare Gefahr besteht und anzunehmen ist, dass die Ermahnung, sich strikter an die Bedingungen zu halten, der Gefahr einer zukünftigen Tatbegehung hinreichend entgegenwirken kann, dann ist dieses Mittel vorrangig zu wählen.

Zu § 157g und § 157h StVG:

Wird das vorläufige Absehen vom Vollzug widerrufen, so hat dies zur Folge, dass der Betroffene in die geschlossene Maßnahme kommt und von dort nur unter den Voraussetzungen einer bedingten Entlassung entlassen wird. Dies wäre nicht sachgerecht, wenn anzunehmen ist, dass bloß eine akute Krise vorliegt, die durch eine vorübergehende stationäre Behandlung behoben werden kann, in deren Zuge sich der psychische Zustand des Betroffenen wieder stabilisieren lässt.

§ 157g StVG ordnet daher an, dass das Gericht an Stelle des Widerrufs (dessen Voraussetzungen aber erfüllt sein müssen) das vorläufige Absehen vom Vollzug für höchstens drei Monate auszusetzen hat, wenn eine solche kurzfristige Behandlung Erfolg verspricht ist. Die Behandlung soll sinnvollerweise in jener Anstalt geschehen, in der der Betroffene bereits behandelt wurde (insbesondere dadurch, dass er dort vorläufig untergebracht war) und wo auch zu einem wesentlichen Teil die Bedingungen und Voraussetzungen für den ambulanten Vollzug erarbeitet worden sind.

Insgesamt kann die Krisenintervention bis zu sechs Monaten dauern. Sie endet mit Ablauf der vom Gericht festgelegten Frist oder, wenn ihr Zweck früher erreicht ist, durch gerichtlichen Beschluss. Erweist sich die Krisenintervention als nicht erfolgreich, so hat das erkennende Gericht das vorläufige Absehen vom Vollzug zu widerrufen und die Unterbringung vollziehen zu lassen.

Zu § 157i StVG:

Die Begehung einer neuerlichen Straftat ist für sich allein kein zwingender Grund, das vorläufige Absehen vom Vollzug zu widerrufen und die Unterbringung in Vollzug zu setzen. Ebenso wie es umgekehrt nicht einer Verurteilung bedarf, um einen Widerruf zu rechtfertigen. Entscheidend ist in allen Fällen, ob die neuen oder neu entdeckten Ereignisse es erforderlich machen, die festgesetzten Voraussetzungen und Bedingungen anzupassen (also beispielsweise die Betreuung des Betroffenen engmaschiger zu gestalten) oder aber eine Krisenintervention zu veranlassen oder doch die Unterbringung in Vollzug zu setzen.

Darüber entscheidet das erkennende Gericht nach Prüfung aller Umstände. Es ist daher bereits von der Einleitung eines Verfahrens zu verständigen.

Zu § 157j StVG:

In allen Fällen entscheidet das erkennende Gericht in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss.

Zu § 157k StVG:

Ist rasches Handeln geboten, so kann das Gericht die Festnahme des Betroffenen, bei dem vom Vollzug der Unterbringung vorläufig abgesehen wurde, und die Überstellung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum zur Krisenintervention anordnen. Die Anordnung wirkt längstens einen Monat; innerhalb dieser Frist hat das Gericht erforderlichenfalls darüber zu entscheiden, ob eine (weitere) Krisenintervention notwendig ist oder aber ob das Absehen vom Vollzug widerrufen werden muss. Der Betroffene kann auch jederzeit kurzfristig eine Entscheidung des Gerichts über die (weitere) Zulässigkeit dieser vorläufigen Maßnahme verlangen.

Zu Artikel 4 (Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988)

Zu Z 1, 2, 3, 8, 9 und 10 (§ 5 Z 6b, § 17b, § 32 Abs. 5, §§ 52, 57 und 57a JGG)

1. Das JGG enthält neben Sonderregeln für Jugendliche und junge Erwachsene zu den allgemeinen Strafgesetzen und den allgemeinen Vorschriften für das Strafverfahren in seinem Siebenten Abschnitt auch Sonderregeln für Jugendliche über den Strafvollzug, die als leges speciales den Bestimmungen des StVG vorgehen (vgl. § 2 StVG und § 51 JGG). An besonderen Bestimmungen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen gibt es jedoch nur wenige zu deren Vollzug (§§ 57, 58 Abs. 10 JGG).

Die umfassende Neuregelung der Maßnahmen nach § 21 StGB soll zum Anlass genommen werden, zu diesen die Sonderbestimmungen für Jugendliche auszubauen. Es werden Bestimmungen nicht nur zum Vollzug (§ 57a JGG), sondern auch zur Höchstdauer der Maßnahme (§ 17b JGG) und zu den Taten, die Anlass einer Unterbringung sein können (§ 5 Z 6b JGG), vorgeschlagen.

2. Grundlage der vorgeschlagenen Sonderbestimmungen ist, dass nach dem Erkenntnisstand der Kinder- und Jugendpsychiatrie das jugendliche Gehirn bis etwa zum 25. Lebensjahr biologische Veränderungen durchmacht. Somit ist bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in aller Regel das Gehirn noch nicht ausgewachsen – und eine Einordnung eines aus der Norm fallenden Verhaltens in die psychiatrischen Erkrankungen wie bei Erwachsenen, wenn überhaupt, nur sehr schwer möglich.

3. Im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der Diagnose von psychiatrischen Erkrankungen bei Jugendlichen sollen zunächst die Einweisungskriterien für Jugendliche strenger gefasst werden, als bei Erwachsenen: Eine Unterbringung wegen einer Jugendstraftat soll nur möglich sein, wenn diese mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens zehn Jahren bedroht ist (§ 5 Z 6b JGG); diese Bestimmung versteht sich als lex specialis zu § 21 Abs. 3 und 4 StGB.

4. Im Hinblick auf das wie einleitend bemerkt noch bis etwa zum 25. Lebensjahr in Entwicklung befindliche Gehirn soll eine Unterbringung nur für eine Dauer von maximal fünfzehn Jahren erfolgen können (§ 17b Abs. 1 JGG). Die Unterbringung eines gefährlichen terroristischen Straftäters in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter nach § 23 Abs. 1a StGB wegen einer Jugendstraftat soll nicht länger als fünf Jahre dauern dürfen, wenn die Unterbringung vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres erfolgte. Dabei handelt es sich um Sonderbestimmungen gegenüber § 25 Abs. 1 StGB.

Aufgrund der möglichen biologischen Veränderungen im Gehirn soll zudem halbjährlich überprüft werden müssen, ob die Einweisungskriterien noch vorliegen (§ 17b Abs. 2 JGG); dabei handelt es sich um eine Sonderbestimmung zu § 25 Abs. 3 StGB.

5. In der Praxis werden in Unterbringungsverfahren gegen Jugendliche häufig Sachverständigengutachten sowohl aus dem Gebiet der Psychiatrie als auch der Psychologie eingeholt. Diese Vorgehensweise soll weiterhin gewählt werden können; das ermöglichen bereits die allgemeinen Bestimmungen in § 430 Abs. 1 Z 2 StPO („jedenfalls“ – vorgeschlagene Fassung); wobei diese Sachverständigen vorzugsweise auch im Fachgebiet der psychiatrischen Kriminalprognostik eingetragen sein sollen.

Weil aus oben genannten Überlegungen psychiatrische Erkrankungen bei Jugendlichen wesentlich schwerer als bei Erwachsenen diagnostiziert werden können, und gerade weil die Symptome jenen „normaler“ Entwicklungsstörungen sehr ähnlich sind, wird vorgeschlagen, dass zwingend Fachärzt*innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie beizuziehen sind, wobei auch diese vorzugsweise auch im Fachgebiet der psychiatrischen Kriminalprognostik eingetragen sein sollen. Dies soll sowohl im Verfahren zur Unterbringung Jugendlicher (§ 32 Abs. 5 JGG; lex specialis zu §§ 429 – 434g StPO) als auch bei der Entscheidung gelten, ob die Unterbringung nach § 21 noch notwendig ist (§ 17b Abs. 2 JGG).

6. Analog zur einleitend dargestellten Systematik (StVG – JGG) sollen auch die den Vollzug einer Maßnahme nach § 21 StGB betreffenden Sonderbestimmungen für Jugendliche nicht in das MVG, sondern in das JGG aufgenommen werden, und zwar in § 57a JGG.

Inhaltlich orientieren sich die Bestimmungen zum Teil an jenen, die bereits in § 57 JGG enthalten sind, gehen teils aber darüber hinaus.

Was die Auswahl der Anstalt oder Abteilung anlangt, in der die Maßnahme vollzogen werden soll, soll das bewährte Konzept des § 57 JGG beibehalten werden, dass sowohl ein forensisch-therapeutisches Zentrum (§ 21 StGB) als auch eine Jugendvollzugsanstalt (also Gerasdorf) und eine Jugendabteilung einer Justizanstalt in Betracht kommt, wobei in letzterem Fall der Vollzug in gesonderten Bereichen zu erfolgen hat (§ 57a Abs. 1 JGG). Die Auswahl soll wie bisher Aufgabe der Bundesministerin für Justiz sein.

Findet die Unterbringung Jugendlicher in einem gesonderten Bereich einer für den Strafvollzug an Jugendlichen bestimmten Anstalt oder Abteilung statt, so sind die Untergebrachten von den von Strafgefangenen zu trennen (§ 57a Abs. 2 JGG), jedenfalls für den Bereich der Haft- und Wohnräume sowie bei der Therapie. Es soll jedoch vorgesehen werden können, dass die Untergebrachten Einrichtungen des Strafvollzugs gemeinsam mit Strafgefangenen benützen können – allerdings darf dadurch weder ein Nachteil für die Untergebrachten noch für die Strafgefangenen zu befürchten sein.

Jugendlichen Maßnahmeninsass*innen soll möglichst ein Alltag geboten werden, der dem Leben in Freiheit nahe kommt. Insbesondere sollen ihnen auch Entwicklungsanreize geboten werden. Bei der Behandlung und Betreuung Jugendlicher sollen zur faktischen Umsetzung und Einhaltung dieser Vorgaben Fachärzt*innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie beizuziehen sein (§ 57a Abs. 3).

Soweit die Unterbringung Jugendlicher in einem forensisch-therapeutischen Zentrum stattfindet, soll der Grundsatz der Trennung von Jugendlichen und Erwachsenen gelten; dazu genügt es, auf die Bestimmungen in § 55 Abs. 2 bis 6 JGG zu verweisen (§ 57a Abs. 4 JGG). Mit diesem Verweis ist auch die Möglichkeit eröffnet, erwachsen gewordene Personen im Bereich der Jugendlichen zu belassen, maximal bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres.

Aus der Bestimmung in § 58 Abs. 10 JGG – die unverändert bleiben kann – ergibt sich, dass die in § 58 Abs. 1 bis 9 JGG enthaltenen Sonderbestimmungen für die Behandlung jugendlicher Strafgefangener auch für nach § 21 jugendliche Untergebrachte gelten.

7. Die Schaffung einer gesonderten Bestimmung für den Vollzug einer Maßnahme nach § 21 StGB – nämlich § 57a JGG – macht es erforderlich, den Anwendungsbereich von § 57 JGG entsprechend einzuschränken. Vorgeschlagen wird, dass die Bestimmung nur noch für die freiheitsentziehende Maßnahme nach § 22 StGB (Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher) gelten soll, zumal die Verhängung einer freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 23 StGB über einen Jugendlichen ausgeschlossen ist (vgl. § 23 Abs. 1 StGB: „nach Vollendung des vierundzwanzigsten Lebensjahres … verurteilt“ bzw. § 23 Abs. 1a StGB: „nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres … verurteilt“).

8. Die vorgeschlagenen Änderungen des § 52 JGG sollen nicht den Inhalt der Bestimmung ändern, sondern lediglich den Verweis auf ein anderes Bundesgesetz – das StVG – an die Vorgaben der Legistischen Richtlinien anpassen (Regel 132).

Zu Z 4 (§ 19 Abs. 2 JGG):

Zufolge der Aufnahme eines Verweises auf § 17b JGG in den Katalog der Bestimmungen des § 19 Abs. 2 JGG soll § 17b JGG auch für als junge Erwachsene begangene Taten gelten, allerdings in Bezug auf die Unterbringung gefährlicher terroristischer Straftäter nur mit der Maßgabe, dass nicht nur die Tatbegehung, sondern auch die Unterbringung (gleichfalls) noch vor Vollendung des 21. Lebensjahres erfolgt.

Zu Z 5 (§ 33 Abs. 6 JGG)

1. Im Jugendstrafrecht sind Verständigungen, die nicht Zwecken der Strafverfolgung dienen, weitgehend beschränkt, um Jugendliche vor Nachteilen (Entlassung aus der Schule oder vom Arbeitsplatz etc.) zu bewahren (§ 33 Abs. 5 und 6 JGG).

Die Verbreitung von nationalsozialistischem Gedankengut stellt nach Art. III Abs. 1 Z 4 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 (EGVG) eine Verwaltungsübertretung dar, die subsidiär zu den gerichtlichen Straftatbestandes des Verbotsgesetzes ist. Art. III Abs. 4 EGVG sieht vor, dass wenn ein gerichtliches Strafverfahren, das wegen der Verbreitung von nationalsozialistischem Gedankengut geführt worden ist, anders als durch Schuldspruch oder Diversion beendet wird, die Staatsanwaltschaft oder das Gericht die Verwaltungsbehörde zu verständigen hat, damit diese die Gelegenheit erhält, wegen der Tat eine Verwaltungsstrafe auszusprechen.

Diese Verständigung ist jedoch nach § 33 Abs. 5 und 6 JGG in Jugendstrafverfahren unzulässig.

Um das Ziel einer nachhaltigen Bekämpfung der Verbreitung von nationalsozialistischem Gedankengut auch für Jugendliche zu verwirklichen, soll Art. III Abs. 4 EGVG in die – in § 33 Abs. 6 JGG enthaltene – Liste jener Verständigungen aufgenommen werden, die auch in Jugendstrafsachen zulässig sind.

2. In eben dieser Liste ist bisher auch § 24 SMG angeführt. Die früher den Gerichten und Staatsanwaltschaften aufgetragenen Verständigungen des Gesundheitsressorts bzw. des Suchtmittelregisters sind jedoch durch (die Änderungen des SMG durch) das BudgetbegleitG 2016, BGBl. I Nr. 2015/144, gestrichen worden (vgl. Schroll in WK-StGB, JGG § 33 Rz 14/1). Der Verweis auf § 24 SMG ist also obsolet und kann daher entfallen.

Zu Z 6 und 7 (§ 46a Abs. 2 und 3 JGG)

Schwerpunkt der mit dem Strafrechtlichen EU-Anpassungsgesetz 2020 (StrEU-AG 2020), BGBl. I Nr. 20/2020, vorgenommenen Änderungen des JGG war die Umsetzung der RL Jugendstrafverfahren und damit Regelungen für die Altersgruppe der Jugendlichen. Unter anderem wurden die Bestimmungen über die Beiziehung eines Verteidigers und einer Vertrauensperson tiefgreifend umgestaltet (§ 37, aber auch §§ 36a und 39 JGG).

Für junge Erwachsene wurde allerdings die bisher geltende Regelung, namentlich der Verweis in § 46a Abs. 2 JGG auf § 37 JGG, unverändert gelassen; damit wäre auch der (neue) erste Satz des § 37 Abs. 1 JGG auf junge Erwachsene anzuwenden. Dadurch würde es – wie sich bei den Vorbereitungen auf die Anwendung gezeigt hat – zu Unschärfen kommen: Die prozessuale Fürsorgepflicht, die auch sicherstellt, dass der jugendliche Beschuldigte in einem Strafverfahren grundsätzlich nie alleine einer Vernehmungssituation ausgesetzt ist, wird beim voll geschäftsfähigen jungen Erwachsenen grundsätzlich nicht mehr schlagend; bei jungen Erwachsenen kann die Verpflichtung zur Beiziehung eines Verteidigers nicht gegen deren Willen durchgesetzt werden. Das Zusammenspiel der beiden ersten Sätze von § 37 Abs. 1 JGG in der neuen Fassung (vgl. „In den übrigen Fällen …“) kann daher bei jungen Erwachsenen nicht funktionieren, sodass – wenn der junge erwachsene Beschuldigte sowohl die Benennung eines Wahlverteidigers oder die Beiziehung eines Verteidigers in Bereitschaft, als auch die Beiziehung einer Vertrauensperson verweigert – die Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft eine Aufzeichnung in Bild und Ton (wie sie in § 36a Abs. 2 bis 4 JGG geregelt ist) vorzunehmen hätte. Abgesehen davon, dass die Altersgruppe der jungen Erwachsenen stark kriminalitätsbelastet ist, diese Gruppe daher auch bei den durchzuführenden Vernehmungen einen großen Anteil ausmachen würde und es überaus fraglich scheint, ob in der Praxis die – ohnehin auch für Jugendliche erst aufzubauenden – Kapazitäten für die Aufzeichnungen ausreichen würden, begegnet dieses Ergebnis zunächst dem Problem, dass § 46a Abs. 2 JGG auf § 36a JGG gerade nicht verweist; vor allem aber scheint es auch rechtspolitisch kein ausgewogenes Ergebnis zu sein, wenn nun gerade für die Gruppe der jungen Erwachsenen in überproportional vielen Fällen von Vernehmungen eine Aufzeichnung in Bild und Ton stattfinden müsste.

Bisher galten, wie erwähnt, für junge Erwachsenen die Regelungen des (gesamten) § 37 JGG (durch den Verweis in § 46a Abs. 2 JGG). Es wird nun vorgeschlagen, die bisher (für Jugendliche wie für junge Erwachsene geltende) Rechtslage für junge Erwachsene beizubehalten, indem die Regelungen der bis zum 31.5.2020 in Kraft befindlichen Fassung des § 37 Abs. 1 JGG (nur für junge Erwachsene) in einen neuen, an § 46a anzufügenden dritten Absatz übernommen werden. Der Verweis im letzten Satz – auf § 164 Abs. 2 StPO – ist dabei an die nunmehrige Fassung dieser Bestimmung (seit BGBl. I Nr. 26/2016) anzupassen (es ist nun auf den fünften statt früher auf den dritten Satz zu verweisen).

Zu Artikel 5 (Änderung des Strafregistergesetzes 1968):

Zu Z 1 bis 4 (§ 2 Abs. 1 Z 7a und Abs. 1b, § 3 Abs. 2a, § 4 Abs. 5 StRegG):

Durch die Einfügung der neuen Z 7a in § 2 Abs. 1 StRegG soll sichergestellt werden, dass künftig auch die Anordnung der gerichtlichen Aufsicht nach § 52b StGB sowie Weisungen gemäß § 51 oder § 52b Abs 4 StGB, die einem wegen einer terroristischen Strafsache Verurteilten erteilt wurden, in das Strafregister Eingang finden. Die Übermittlung dieser Daten an die Landespolizeidirektion Wien soll den ordentlichen Gerichten obliegen. Zum Begriff der „terroristischen Strafsachen“ zählen Verurteilungen wegen terroristischer Vereinigung (§ 278b StGB), terroristischer Straftaten (§ 278c StGB), Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) sowie solche nach den §§ 278e bis 278g StGB (Ausbildung für terroristische Zwecke, Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat, Reisen für terroristische Zwecke) oder § 282a StGB (Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung terroristischer Straftaten).

Vergleichbar den Verurteilungen wegen einer strafbaren Handlung gegen die sexuelle Intergrität und Selbstbestimmung sollen auch in das Strafregister aufzunehmende Verurteilungen wegen terrorostischer Strafsachen für Zwecke der Beauskunftung nach dem vorgeschlagenen § 9d StRegG gesondert zu kennzeichnen sein und wie nach § 2 Abs. 1a StRegG gekennzeichnete Verurteilungen einer regelmäßigen amtswegigen Überprüfungspflicht im Hinblick auf Wohnort bzw. Anschrift unterliegen.

Zu Z 5 bis 10 (§ 9d, § 10 Abs. 1, 1e und 1f, § 11 Abs. 1, 2 und 4b StRegG):

Der Umfang der derzeit vorgesehenen Beauskunftungen im Wege von Strafregisterauskünften und Strafregisterbescheinigungen soll um Daten gemäß § 2 Abs. 1 Z 7a und Abs. 1b StRegG ergänzt werden:

Auf der einen Seite soll § 9d Abs. 1 StRegG künftig – vergleichbar der Sonderauskunft zu Sexualstraftätern - eine Sonderauskunft zu den dort genannten weitestgehend § 9a Abs. 1 StRegG entsprechenden Zwecken vorsehen. Zusätzlich soll die Beauskunftung auch gegenüber den zur Beurteilung der Untersagung oder Auflösung eines Vereins, der Untersagung oder Auflösung einer Versammlung, der Erteilung oder Entziehung von Pyrotechnik-Ausweisen, der Erteilung von Bewilligungen nach dem Pyrotechnikgesetz oder Sprengmittelgesetz oder des Ausspruchs eines Waffenverbots zuständigen Behörden zulässig sein.

Auf der anderen Seite sollen diese Daten nach dem vorgeschlagenen § 9d Abs. 2 StRegG nach Maßgabe besonderer (landes-)gesetzlicher Regelungen auch Personalstellen der Gebietskörperschaften im Zusammenhang mit der Anstellung von Personen sowie Arbeitgebern im Bereich der kritischen Infrastruktur (§ 74 Abs. 1 Z 11 StGB) oder des Sicherheitsgewerbes (§ 129 Gewerbeordnung 1994) über entsprechende Anforderung mitzuteilen sein.

Für bestimmte berufliche Tätigkeiten abseits des § 9d Abs. 2 StRegG ist die Kenntnis des Arbeitgebers um vorhandene Verurteilungen nach § 2 Abs. 1b StRegG oder Daten gemäß § 2 Abs. 1 Z 7a StRegG wichtig. Dies betrifft Tätigkeiten im Bereich der kritischen Infrastruktur (§ 74 Abs. 1 Z 11 StGB), der Herstellung, der Verarbeitung oder des Handels von oder mit Schieß- und Sprengmitteln (§ 13 und § 19 Sprengmittelgesetz 2010 - SprG, § 10 Chemikaliengesetz 1996 – ChemG 1996) oder von Ausgangsstoffen für Explosivstoffe (§ 10 Chemikaliengesetz 1996) sowie Beschäftigungen in Sprengungsunternehmen (§ 132 GewO 1994) oder Pyrotechnikunternehmen (§ 107 GewO 1994) sowie im Waffengewerbe (§ 139 GewO 1994). Strafregisterbescheinigungen beinhalten jedoch keine Daten nach § 2 Abs. 1 Z 7a StRegG, einschlägige Verurteilungen könnten ferner auch gegebenenfalls unter die Auskunftsbeschränkungen des § 6 TilG fallen, womit sie ebenfalls keinen Eingang in die Strafregisterbescheinigung finden. Mit Ausnahme der in § 9d Abs. 2 StRegG genannten Stellen besteht für Arbeitgeber nach geltendem Recht daher keine Möglichkeit, sich im Wege des Verlangens der Vorlage einer Strafregisterbescheinigung durch die betroffene Person selbst umfassende Kenntnis von einschlägigen Verurteilungen sowie bestehenden Aufsichten bzw. Weisungen zu verschaffen. Aus diesem Grund soll jede Person im Hinblick auf die Prüfung deren Eignung zur Ausübung einer der eingangs genannten beruflichen Tätigkeiten ausdrücklich beantragen können, dass ihr eine gesonderte Strafregisterbescheinigung („Strafregisterbescheinigung terroristische Strafsachen“) über sämtliche gemäß § 2 Abs. 1b StRegG gekennzeichneten Verurteilungen wegen terroristischer Strafsachen sowie sie betreffende Daten gemäß § 2 Abs. 1 Z 7a StRegG oder darüber, dass sich im Strafregister keine solche Verurteilungen oder Einträge finden, ausgestellt wird. Für diese Strafregisterbescheinigung sollen die Auskunftsbeschränkungen des § 6 TilG nicht gelten. Unabdingbare Voraussetzung der Ausstellung einer Bescheinigung nach § 10 Abs. 1e StRegG ist – wie auch bei den vergleichbaren Regelungen über die „Strafregisterbescheinigung Kinder- und Jugendfürsorge“ (§ 10 Abs. 1a und 1b StRegG) und „Strafregisterbescheinigung Pflege und Betreuung“ (§ 10 Abs. 1d und 1e StRegG) - die Vorlage einer an den Antragsteller ergangenen schriftlichen Aufforderung, in der der Aussteller [in aller Regel der (potentielle) Arbeitgeber] bestätigt, dass die Bescheinigung für die Prüfung der Eignung zur Ausübung einer der genannten beruflichen Tätigkeiten benötigt wird. Wenngleich das Sicherheitsgewerbe in § 9d Abs. 2 StRegG ausdrücklich erwähnt wird, soll die Möglichkeit zur Erlangung einer „Strafregisterbescheinigung terroristische Strafsachen“ auch dem einzelnen in diesem Bereich Arbeit Suchenden zukommen, um es den potentiellen Arbeitgebern in die Hand zu geben, eine solche Vorlage durch die betroffene Person selbst anstelle eines direkten Vorgehens nach § 9d Abs. 2 StRegG zu erhalten.

Zu Z 11 (§ 13a Abs. 1 StRegG):

Die Zulässigkeit der Übermittlung im Strafregister enthaltener Daten an Hochschulen und Bundesministerien zur Auswertung bei nicht personenbezogenen wissenschaftlichen Arbeiten soll künftig auch über die Bestimmung des § 9b StRegG hinausreichen.

Zu Z 12 (§ 14 Abs. 16 StRegG):

Die Bestimmung regelt das Inkrafttreten.