Urh-Nov 2021 Vorblatt und WFA

 

Vereinfachte wirkungsorientierte Folgenabschätzung

 

Einbringende Stelle:

BMJ

Vorhabensart:

Bundesgesetz

Laufendes Finanzjahr:

2021

 

Inkrafttreten/

Wirksamwerden:

2021

 

Vorblatt

 

Problemanalyse

1. Die Richtlinie (EU) 2019/790 vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG (idFk "Richtlinie 2019/790") wurde am 17.5.2019 im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. L 130/92) veröffentlicht. Sie modernisiert das Europäische Urheberrecht, um es fit für den digitalen Binnenmarkt zu machen. Zu diesem Zweck passt sie Ausnahmen und Beschränkungen an das digitale und grenzüberschreitende Umfeld an (Titel II), verbessert die Lizenzierungspraxis und gewährleistet einen breiteren Zugang zu Inhalten (Titel III) und schafft einen funktionsfähigen Markt für den Urheberrechtsschutz (Titel IV).

Art. 12 der Richtlinie 2019/790 stellt es den Mitgliedstaaten frei, eine erweiterte kollektive Rechtewahrnehmung auch für Außenseiter vorzusehen. Art. 16 dieser Richtlinie überlässt es den Mitgliedstaaten, von der Möglichkeit der Stärkung der Rechtsgrundlagen für die Verlegerbeteiligung an gesetzlichen Vergütungsansprüchen Gebrauch zu machen. Ohne erweiterte kollektive Rechtewahrnehmung könnten Pauschallizenzen nicht erteilt werden, die auch Werke von Urhebern erfassen, die nicht Wahrnehmungsberechtigte der lizensierenden Verwertungsgesellschaft sind. Ohne die Bestimmung für die Verlegerbeteiligung könnte eine gewisse Rechtsunsicherheit bestehen, ob Verwertungsgesellschaften weiterhin Vergütungen zwischen Urhebern und ihren Verlegern teilen können.

Bei der Umsetzung des Art. 17 der Richtlinie 2019/790 schlägt der Entwurf im Sinn der Richtlinie auch Regelungen gegen von den Anbietern großer Online-Plattformen ergriffene, aber überbordende Schutzmaßnahmen vor, die insbesondere dem Ziel des Schutzes der Meinungsäußerungsfreiheit dienen. Die Einhaltung der betreffenden Verpflichtungen von Anbietern großer Online-Plattformen soll im Wege eines abgestuften Systems, das auch – ähnlich den Regelungen des KoPl-G – eine dem Aufsichtsverfahren vorgelagerte Beschwerdestelle vorsieht, durch Aufsicht der Kommunikationsbehörde Austria sichergestellt werden. Ohne solche Maßnahmen wäre die Anordnung der Richtlinie unzureichend umgesetzt, wonach die Maßnahmen zum Schutz der Rechteinhaber erlaubte Nutzungen nicht beeinträchtigen dürfen.

Auch für die Aufsicht darüber, dass Anbieter großer Online-Plattformen wirksame und zügige Beschwerdemechanismen einrichten, schlägt der Entwurf die Kommunikationsbehörde Austria als zuständige Behörde und die RTR GmbH als Beschwerdestelle vor, die bereits nach dem KoPl-G annähernd vergleichbare Aufgaben wahrnehmen.

2. Die Richtlinie (EU) 2019/789 vom 17. April 2019 mit Vorschriften für die Ausübung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten in Bezug auf bestimmte Online-Übertragungen und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen und zur Änderung der Richtlinie 93/83/EWG (idFk "Richtlinie 2019/790") wurde am selben Tag im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. L 130/82) veröffentlicht. Diese Richtlinie soll die grenzüberschreitende Verfügbarkeit europäischer Hörfunk- und Rundfunksendungen fördern.

Die Richtlinie 2019/789 stellt es den Mitgliedstaaten frei, eine Verwertungsgesellschaftenpflicht für die Verbreitung direkteingespeister Programme durch Signalverteiler vorzusehen. Ohne eine solche Verwertungsgesellschaftenpflicht müssten die Signalverteiler die Rechte an den weitergeleiteten Programmen aufwändig klären.

3. Überdies stellt das Regierungsprogramm 2020 – 2024 ein modernes Urheberrecht in Aussicht, das unfaire Knebelverträge verhindert und die Künstlerinnen und Künstler gegenüber den Produktions- und Vertriebsgesellschaften stärkt. Ohne die über die urhebervertragsrechtlichen Bestimmungen der Richtlinie 2019/790 hinausgehenden urhebervertragsrechtlichen Bestimmungen würde der Entwurf die Vorgaben des Regierungsprogramms 2020 – 2024 für die Modernisierung des Urhebervertragsrechts nicht umsetzen. Außerdem würden Regeln fehlen, die den durch die Richtlinie 2019/790 vorgegebenen Grundsatz des angemessenen Entgelts ausführen.

4. Die in § 17 Abs. 3 UrhG geregelten Ausnahmen für die Übermittlung von Rundfunksendungen über bestimmte Antennenanlagen vom Senderecht werden seit längerem als richtlinien- und konventionswidrig kritisiert; neuere Entscheidungen des EuGH und des OGH scheinen die Bedenken zu bestätigen. Ohne die Aufhebung dieser Ausnahmen vom Senderecht könnten Vertragsverletzungsverfahren wegen unrichtiger Richtlinienumsetzung drohen.

Ziel(e)

Anpassung freier Werknutzungen an das digitale und grenzüberschreitende Umfeld

Verbesserung der Lizenzierungspraxis und Gewährleistung eines breiteren Zugangs zu Inhalten

Beitrag zu einem funktionsfähigen Markt für den Urheberrechtsschutz

Förderung der grenzüberschreitenden Verfügbarkeit europäischer Hörfunk- und Rundfunksendungen

Beitrag zu einem modernen Urhebervertragsrecht, das unfaire Knebelverträge verhindert und die Künstlerinnen und Künstler gegenüber den Produktions- und Vertriebsgesellschaften stärkt.

Inhalt

Das Vorhaben umfasst hauptsächlich folgende Maßnahme(n):

Einführung freier Werknutzungen zugunsten des Text- und Datamining (§ 42h UrhG), Ausbau des § 42g UrhG zu einer freien Werknutzung für digitale Nutzungen in Unterricht und Lehre, Stärkung der Sicherungsarchivierung über einen eigenen Tatbestand der Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch von Kulturerbeeinrichtungen (§ 42 Abs. 7 UrhG), Beschränkung des Schutzes gemeinfreier Werke der bildenden Kunst durch eine Einschränkung des verwandten Schutzrechts des Lichtbildherstellers in § 74 Abs. 1 UrhG, Erweiterung der freien Werknutzung für das Zitat um Nutzungen zum Zweck von Karikaturen, Parodien oder Pastiches auf Online-Plattformen (§ 42f Abs. 2 UrhG)

Erleichterung der Nutzung "vergriffener" bzw. "nicht verfügbarer" Werke durch Kulturerbeeinrichtungen mit Hilfe der „erweiterten kollektiven Rechtewahrnehmung" (§ 25a VerwGesG 2016), Einführung des Instruments der erweiterten kollektiven Rechtewahrnehmung (Wahrnehmung von Rechten durch Verwertungsgesellschaften auch für Außenseiter) auch über den Einsatz für vergriffene/nicht verfügbare Werke hinaus (§ 25b VerwGesG 2016), Förderung der Verfügbarkeit audiovisueller Werke auf Video-on-Demand-Plattformen durch Vertragshilfe des Schlichtungsausschusses (§ 24b UrhG)

Einführung eines Leistungsschutzrechts der Hersteller von Presseveröffentlichungen (§ 76f UrhG), Stärkung der Rechtsgrundlagen für die Verlegerbeteiligung an gesetzlichen Vergütungsansprüchen (§ 57a UrhG), Klärung der urheberrechtlichen Verantwortung großer Plattformen für den Upload geschützter Werke durch ihre Nutzer (§ 18c, § 24a, § 87b Abs. 5, §§ 89a, 89b, 89c UrhG), Umsetzung des EU-weit harmonisierten Urhebervertragsrechts durch Einführung eines Grundsatzes der angemessenen und verhältnismäßigen Vergütung, eines Vertragsanpassungsmechanismus bei unerwartetem Erfolg und Auskunftsansprüchen (§§ 37b bis 37g UrhG)

Stärkung der Verhandlungsposition des Urhebers bzw. ausübenden Künstlers durch Einführung des Zweckübertragungsgrundsatzes (§ 24c Abs. 1), von Regelungen über Rechte an unbekannten Verwertungsarten (§ 24c Abs. 2), und des Rechts zur anderweitigen Verwertung bei langer Vertragsdauer (§ 31a)

Ausdehnung des Ursprungslandsprinzip auf bestimmte sendungsbegleitende Online-Dienste (§ 18b UrhG), Verwertungsgesellschaftenpflicht für alle Formen der Weitersendung (§§ 59a und § 59b), Regelung der "Direkteinspeisung" (§ 17 Abs. 4)

Aufhebung der Ausnahmen für die Übermittlung über bestimmte Empfangsanlagen vom Senderecht nach § 17 Abs. 3 UrhG

Beitrag zu Wirkungsziel oder Maßnahme im Bundesvoranschlag

Das Vorhaben trägt dem Wirkungsziel "Gewährleistung der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens, insbesondere durch Vorschläge zur Anpassung und Weiterentwicklung des Rechtssystems im Hinblick auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedürfnisse" der Untergliederung 13 Justiz im Bundesvoranschlag des Jahres 2021 bei.

Finanzielle Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und andere öffentliche Haushalte:

Eine gewisse Mehrbelastung des Bundes ergibt sich aus den für

- die Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften vorgesehenen Aufgaben (Feststellung der Repräsentativität nach § 37b Abs. 5 UrhG, Förderung des Dialogs zwischen Interessensvertretungen über die Nutzungsbewilligungen an nicht verfügbaren Werken gem. § 25a Abs. 5 VerwGesG 2016 sowie laufende Kontrolle der aus §§ 25a VerwGesG 2016 resultierenden Pflichten im Rahmen der Wahrnehmung von Rechten an nicht verfügbaren Werken sowie die Erteilung von Genehmigungen – bzw. deren Widerruf bei Wegfall der Erteilungsvoraussetzungen – für die kollektive Wahrnehmung von Rechten für Außenseiter gem. § 25b Abs. 2 VerwGesG 2016)

- den Schlichtungsausschuss nach § 82 VerwGesG 2016 vorgesehenen Aufgaben (Vertragshilfe für die Zugänglichmachung audiovisueller Werke über Videoabrufdienste gem. § 24b UrhG, Vertragshilfe für gemeinsame Vergütungsregeln gem. § 37b UrhG, Vermittlung in urhebervertragsrechtlichen Streitigkeiten gem. § 37e UrhG)

- die KommAustria (als Aufsichtsbehörde) und die RTR GmbH (als Beschwerdestelle) hinzutretenden Aufgaben wie zB zur Kontrolle von durch Anbieter großer Online-Plattformen einzurichtenden Beschwerdemechanismen (§ 89c Abs. 5 UrhG) oder die Aufgabe der Aufsicht gegen überbordende Schutzmaßnahmen von Anbietern großer Online-Plattformen, für die RTR-GmbH zusätzlich auch durch die Vermittlung in Streitigkeiten der Anwendung von Maßnahmen von Anbietern großer Online-Plattformen gem. § 89a Abs. 1 UrhG. Aufgrund bestehender Zuständigkeiten und Vorerfahrungen im Bereich von Schlichtungsverfahren (RTR-GmbH) sowie im Bereich von Beschwerdeverfahren (RTR-GmbH als Beschwerdestelle und KommAustria als Aufsichtsbehörde gemäß KoPl-G) können teilweise fachliche und technische Synergien für die Vollziehung der neuen im UrhG verankerten Anforderungen genutzt werden.

Anträge auf Genehmigungen für die kollektive Wahrnehmung von Rechten für Außenseiter gem. § 25b Abs. 2 VerwGesG 2016 werden in Einzelfällen gestellt werden; auch die Förderung des Dialogs über nicht verfügbare Werke sollte im Rahmen der laufenden Arbeiten der Aufsichtsbehörde wahrgenommen werden können. Sollte die Ausweitung der bestehenden Aufgaben zu einem erhöhten Personalbedarf bei der Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften, der KommAustria und der RTR-GmbH führen, wird dieser Mehraufwand anlässlich der Umsetzung der im Regierungsprogramm vorgesehenen „Stärkung der Aufsichtsbehörde“ zu berücksichtigen sein. Dazu wird flankierend in der Finanzierungsbestimmung im KommAustria-Gesetz für den Aufwand der KommAustria und der RTR-GmbH eine Evaluierung angeordnet, um die Grundlage für eine spätere allfällige Neubemessung des Bundeszuschusses in § 35 KOG zu schaffen. Der bisher relativ selten in Anspruch genommene Schlichtungsausschuss wird ad hoc konstituiert. Kosten für diesen entstehen daher nur im Anlassfall und werden über Gebührenregelungen gedeckt.

Derzeit dürfte es große Online-Plattformen mit Niederlassung in Österreich, für die Österreich die Durchsetzung des Beschwerdemechanismus sicherstellen müsste, nicht geben. Der Aufwand der KommAustria bzw. der RTR GmbH aus dem Gesetz würde aber jedenfalls zunächst darin bestehen, Informationsarbeit (Ergänzung der Website) über die neue Rechtslage zu leisten, die Grundlagen für die Abwicklung der Beschwerdeverfahren vor der Beschwerdestelle (auch durch Online-Tools) und der Aufsichtsbehörde zu schaffen und die erforderlich werdende Expertise durch begleitend zum laufenden Betrieb mögliche Fortbildungsmaßnahmen für die zuständigen Sachbearbeiter*Innen sicherzustellen. Aus diesem Grund sieht § 35 Abs. 1a KOG ergänzend eine Evaluierung der Aufwandsentwicklung vor, um die sachliche Grundlage für die Überlegungen zur Sachgerechtigkeit des derzeit in § 35 Abs. 1 KOG geregelten Bundeszuschusses bereitzustellen.

Anderen Gebietskörperschaften entstehen durch das In-Kraft-Treten dieses Entwurfs keine finanziellen Mehrbelastungen. Wie weit die geringfügige Erweiterung vergütungspflichtiger Nutzungsmöglichkeiten im Bereich des Unterrichts und der Lehre wahrgenommen wird und welche Vergütungen dafür ausgehandelt werden, steht im Ermessen der jeweiligen Gebietskörperschaft.

Anmerkungen zu sonstigen, nicht wesentlichen Auswirkungen:

Der Entwurf formuliert für Vertragspartner von Urhebern und ausübenden Künstlern Auskunftspflichten über die Verwertung ihrer Werke und Darbietungen. Da aber Verwerter Urheber und ausübende Künstler häufig schon aufgrund vertraglicher Vereinbarungen über die Verwertung ihrer Werke und Darbietungen informieren, insb. durch regelmäßige Honorarabrechnungen, wird nach den Erfahrungen in Deutschland ein gesetzlicher Abrechnungsanspruch Auswirkungen haben, die die Wesentlichkeitsgrenze nicht übersteigen.

Darüber hinaus sollen Anbietern großer Online-Plattformen Informationspflichten gegenüber Rechteinhabern und Nutzern auferlegt werden. Derzeit dürfte es aber keine solche Anbieter mit Sitz oder Niederlassung in Österreich geben. Aus diesem Grund haben auch die weiteren Verpflichtungen, die solchen Plattformen in Umsetzung des Art. 17 der Richtlinie 2019/790 aufzuerlegen sind, keine wesentlichen Auswirkungen.

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union

Der Entwurf dient der Umsetzung von Unionsrecht. Er geht über eine verpflichtende Umsetzung zwingender Vorschriften des Unionsrechtes hinaus; dies ist aus den oben ausgeführten Gründen erforderlich.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens

Keine

Datenschutz-Folgenabschätzung gem. Art 35 EU-Datenschutz-Grundverordnung

Der Entwurf sieht keine Verarbeitungen personenbezogener Daten vor.

 

Diese Folgenabschätzung wurde mit der Version 5.8 des WFA – Tools erstellt (Hash-ID: 1283279915).