Entwurf
Erläuterungen
I. Allgemeiner Teil
Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:
Nach dem bisher dem Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) zu Grunde liegenden Nominalwertprinzip ist für die Einkommensbesteuerung nur der zahlenmäßige, nicht aber der tatsächliche Geldwert maßgebend. Bei Preissteigerungen entspricht ein nomineller Einkommenszuwachs jedoch nicht dem realen Einkommenszuwachs. Im Rahmen des progressiven Einkommensteuertarifs kommt es in diesen Fällen im zeitlichen Verlauf zum Effekt der so genannten „kalten Progression“, weil die Eckwerte des progressiven Steuertarifes nicht an die Preissteigerungsrate angepasst sind.
Mit der Änderung soll der Einkommensteuertarif an die Inflationsrate (Teuerungsrate) angepasst und so dem Effekt der „kalten Progression“ begegnet werden. Dabei sollen in § 33 Abs. 1 die anzupassenden Beträge definiert und in § 33a die Wirkweise der Inflationsanpassung umschrieben werden.
Kompetenzgrundlage:
Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 4 B-VG (Bundesfinanzen und Monopolwesen) und aus § 7 F-VG 1948.
II. Besonderer Teil
Zu Z 1 (§ 33 Abs. 1):
Abs. 1 soll um einen letzten Satz erweitert werden, der umschreibt, welche Elemente innerhalb des Steuertarifs von der Inflationsanpassung erfasst sind. Es sind dies:
- Die Grenzbeträge, die für die Anwendung der Steuersätze für Einkommensteile bis 1 Million Euro maßgebend sind,
- der Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag sowie der Unterhaltsabsetzbetrag (Abs. 4),
- der Verkehrsabsetzbetrag, der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag und der Zuschlag zum Verkehrsabsetzbetrag (Abs. 5 Z 1 bis 3),
- die Pensionistenabsetzbeträge (Abs. 6) und
- die Erstattung des Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrages sowie die SV-Rückerstattung und der SV-Bonus (Abs. 8).
Sämtliche in diesen Bestimmungen vorgesehenen Betragswerte sind im Rahmen der Inflationsanpassung nach Maßgabe des § 33a zu erhöhen. Betroffen sind jeweils (nur) Beträge, nicht Prozentwerte. Dementsprechend sind die Betragswerte für die
- verschiedenen Grenzsteuersätze unter dem Höchststeuersatz,
- Einkommensgrenzen für Partnereinkünfte beim Alleinverdienerabsetzbetrag oder beim erhöhten Pensionistenabsetzbetrag und für die
- Einschleifung des erhöhten Verkehrsabsetzbetrages, des Zuschlages zum Verkehrsabsetzbetrag und der Pensionistenabsetzbeträge
erfasst. Prozentwerte, wie sie bei der SV-Rückerstattung vorgesehen sind, unterliegen keiner Anpassung.
Der Kinderabsetzbetrag soll übereinstimmend mit der Familienbeihilfe den Regelungen des FLAG zur Inflationsanpassung unterliegen.
Zu Z 2 (§ 33a):
In § 33a sollen Umfang und Methodik der Inflationsanpassung umschrieben werden.
In Abs. 1 soll zunächst programmatisch zum Ausdruck gebracht werden, dass die steuerlichen Mehrbelastungen aus der kalten Progression im Rahmen der Einkommensbesteuerung bei den davon Betroffenen abzugelten sind; dabei sind die in den folgenden Abs. 2 bis 6 vorgesehenen Bestimmungen maßgebend.
In Abs. 2 erfolgt eine Legaldefinition der „kalten Progression“. Sie besteht im Mehraufkommen an Einkommensteuer, das sich aus dem Umstand ergibt, dass der Steuertarif bei Vorliegen von Inflation nicht inflationsangepasst ist. Dieses Mehraufkommen ergibt sich aus einer Differenzrechnung: Das gesamte Einkommensteueraufkommen bei nominal unverändertem Steuertarif ist dem gesamten Einkommensteueraufkommen bei einer Inflationsanpassung unter Berücksichtigung der (vollen) Inflationsrate nach Maßgabe des § 33 Abs. 1 letzter Satz gegenüber zu stellen.
In Abs. 3 soll die für die Inflationsanpassung maßgebende Inflationsrate definiert werden: Dabei soll auf die von der Bundesanstalt Statistik Austria veröffentlichten Jahresinflationsraten des Verbraucherpreisindexes abgestellt werden. Für die Ermittlung soll das auf das Zehntel eines Prozentpunkts gerundete arithmetische Mittel der für die Kalendermonate Juli des vorangegangenen Kalenderjahres bis Mai des laufenden Kalenderjahres sowie des vorläufigen Wertes für Juni des laufenden Kalenderjahres herangezogen werden. Ergibt sich danach eine positive Inflationsrate, ist diese maßgebend; ein allfälliger negativer Wert (Deflation) löst keine Anpassung aus.
Die Inflationsanpassung soll durch zwei sich ergänzende Maßnahmen umgesetzt werden, nämlich durch eine
- automatische Tarifanpassung auf Grundlage des § 33a Abs. 4 und einer
- zusätzlichen Abgeltung durch einen (zusätzlichen) Akt des Gesetzgebers (Abs. 5).
In Abs. 4 soll der Mechanismus der automatischen Inflationsanpassung verankert werden. Auf Grund dieser Bestimmung ergibt sich für jedes Kalenderjahr eine automatische Betragsanpassung in Bezug auf die in § 33 Abs. 1 letzter Satz genannten Elemente des Steuertarifs. Dabei sollen zwei Drittel der nach Maßgabe des Abs. 3 zu ermittelnden Inflationsrate herangezogen und für das jeweilige Folgejahr wirksam werden. Die so ermittelten Beträge sind auf volle Euro aufzurunden und vom Bundesminister für Finanzen jährlich bis 31. August mit Verordnung zu veröffentlichen. Da sich die Beträge aus den Bestimmungen des § 33 Abs. 1 letzter Satz sowie § 33a Abs. 3 und Abs. 4 bereits eindeutig ergeben, soll diese Verordnung lediglich deklarativen Charakter haben; daher sind die angepassten Betragswerte jedenfalls für das Folgejahr maßgebend.
Beispiel:
Die gemäß Abs. 3 ermittelte Inflationsrate für den Zeitraum Juli 2023 bis Juni 2024 beträgt 3,3%. Für das Kalenderjahr 2025 sind sämtliche Beträge der in § 33 Abs. 1 letzter Satz umschriebenen Tarifelemente um 2,2% zu erhöhen. Die Beträge sind auf volle Euro aufgerundet in einer Verordnung zu veröffentlichen. Für den Lohnsteuerabzug 2025 und die Einkommensteuerveranlagung 2025 sind die in der Verordnung veröffentlichten Werte maßgebend.
Für das nicht durch die automatische Tarifanpassung gemäß Abs. 4 erfasste Volumen der kalten Progression soll in Abs. 5 eine Grundlage geschaffen werden, die die Bundesregierung verpflichtet, jährlich bis 15. September hinsichtlich dieses Volumens einen Ministerratsbeschluss für Entlastungsmaßnahmen zu fassen.
Das budgetäre Volumen für diese Entlastungsmaßnahmen soll auf einer wirtschaftswissenschaftlich fundierten Grundlage ermittelt werden. Dazu hat der Bundesminister für Finanzen zwei unabhängige wirtschaftswissenschaftliche Forschungsinstitute mit der Erstellung eines Progressionsberichtes (Abs. 6) zu betrauen.
Im Progressionsbericht sind neben der Höhe der gemäß Abs. 3 ermittelten Inflationsrate jeweils für das Folgejahr darzustellen:
a) Das prognostizierte Einkommensteueraufkommen auf Grundlage von nicht nach § 33 Abs. 1 letzter Satz inflationsangepassten Beträgen.
b) Das prognostizierte Einkommensteueraufkommen bei einer Inflationsanpassung nach Maßgabe des § 33 Abs. 1 letzter Satz sowie bei Inflationsanpassung des für die Anwendung des Höchststeuersatzes maßgebenden Grenzbetrages unter Zugrundelegung einer positiven Inflationsrate gemäß Abs. 3.
c) Das prognostizierte Einkommensteueraufkommen unter Berücksichtigung der Inflationsanpassung gemäß Abs. 4.
Die Differenz zwischen dem Aufkommen gemäß lit. a und lit. b stellt das Gesamtausmaß der kalten Progression dar, der Wert gemäß lit. c das Gesamtausmaß der automatischen Progressionsanpassung. Die Differenz zwischen dem Gesamtausmaß der kalten Progression und dem Gesamtausmaß der nicht automatisch ausgeglichenen Progression stellt somit das Aufkommensvolumen dar, das für diskretionäre Maßnahmen zur Inflationsabgeltung im Rahmen des Ministerratsbeschlusses zur Verfügung steht. Es soll ausdrücklich verankert werden, dass der Ermittlung der obigen Werte für das prognostizierte Einkommensteueraufkommen eine wissenschaftlich fundierte geschätzte und simulierte Verteilung von Einkommen und relevanter sozioökonomischen Charakteristika (zB Kinderzahl in Abhängigkeit vom Einkommen) zu Grunde gelegt werden muss. Auf dieser Basis sollen nähere Regelungen für den Progressionsbericht sowie eine vorzunehmende Evaluierung mittels Verordnung festgelegt werden können.
Auf Grundlage des Ministerratsbeschlusses haben die zuständigen Bundesminister einen Gesetzesvorschlag für Entlastungsmaßnahmen im Ausmaß der noch nicht abgegoltenen kalten Progression vorzulegen. Die Maßnahmen sollen Bezieher von Einkünften erfassen. Es sind vor allem Maßnahmen im Bereich des EStG 1988 vorzusehen. Maßnahmen im Bereich der Einkommensteuer können zur Senkung der Abgabenquote beitragen. Es können auch andere Maßnahmen für Erwerbstätige, wie etwa solche im Bereich der Sozialversicherung, der Förderung der Mobilität von Erwerbstätigen mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder der Erleichterung von Erwerbstätigkeit sozial benachteiligter Personengruppen vorgesehen werden.
Der Progressionsbericht soll jedes Jahr bis 31. Juli vorgelegt werden. Er soll auch dem Nationalrat zugeleitet werden. Auf seiner Grundlage soll die Bundesregierung bis spätestens 15. September den Ministerratsbeschluss fassen, der die Grundlage für die Gesetzesvorschläge darstellt. Die darin vorgesehenen Entlastungsmaßnahmen sollen – wie die automatische Anpassung – ab dem nächsten Jahr wirksam werden.
Zu Z 3 (§ 124b Z 412):
Für die Inflationsanpassung für das Jahr 2023 sollen abweichende Regelungen gelten, damit sämtliche Maßnahmen und Betragswerte mit hinreichend Vorbereitungszeit für die Betroffenen, insbesondere in der Lohnverrechnung, beschlossen bzw. veröffentlicht werden können. Statt des Progressionsberichts soll eine bis 31. August vorzulegende Studie zweier unabhängiger wissenschaftlicher Wirtschaftsforschungsinstitute herangezogen werden können, die der Methodik des § 33a Abs. 6 zu entsprechen hat und der für das prognostizierte Einkommensteueraufkommen für das Jahr 2023 die Daten aus der Einkommensverteilung des Kalenderjahres 2018 zu Grunde zu legen sind.
Mit der Erarbeitung der Studie für 2023 wurden die beiden Forschungsinstitute WIFO und IHS betraut. Die dabei zur Anwendung gelangende Methodik und Datengrundlage wird von den beiden Instituten in einer Beschreibung bekannt gegeben, die allgemein zugänglich gemacht wird. Mit der Erarbeitung durch diese beiden allgemein anerkannten Institute soll eine breite Akzeptanz sichergestellt werden.