Erläuterungen
Allgemeiner Teil
Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:
Der vorliegende Entwurf für ein Bundesgesetz über Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (Barrierefreiheitsgesetz – BaFG) dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen, ABl. Nr. L 151 vom 7.6.2019 S. 70 (European Accessibility Act – EAA).
Mit dem vorliegenden Entwurf werden auch die notwendigen Anpassungen im Bundesgesetz, mit dem ein Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen errichtet wird (Sozialministeriumservicegesetz – SMSG), vorgenommen.
Mit dem EAA verfolgt der europäische Gesetzgeber den Zweck, durch Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen einen Beitrag zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes zu leisten, indem insbesondere durch unterschiedliche Barrierefreiheitsanforderungen in den Mitgliedstaaten bedingte Hindernisse für den freien Verkehr bestimmter barrierefreier Produkte und Dienstleistungen beseitigt werden bzw. das Zustandekommen derartiger Hindernisse verhindert wird. Dadurch sollen sich die Verfügbarkeit barrierefreier Produkte und Dienstleistungen auf dem Binnenmarkt erhöhen und die Barrierefreiheit von einschlägigen Informationen verbessern. Dies trägt auch dem Prinzip des universellen Designs bzw. Designs für Alle Rechnung, indem Produkte und Dienstleistungen in der Weise gestaltet werden, dass sie von allen Menschen möglichst weitgehend ohne eine Anpassung oder ein spezielles Design genutzt werden können.
Der Bedarf an barrierefreien Produkten und Dienstleistungen ist groß, und die Zahl der Menschen mit Behinderungen wird voraussichtlich noch deutlich steigen. Ein Umfeld mit barrierefreien Produkten und Dienstleistungen ist eine wesentliche Voraussetzung für eine inklusive Gesellschaft, die niemanden vom beruflichen und sozialen Leben ausschließt. Ein barrierefreies Umfeld erleichtert Menschen mit Behinderungen maßgeblich ein unabhängiges Leben.
Nach der Richtlinie (EU) 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen, ABl. Nr. L 327 vom 2.12.2016 S. 1, ist der EAA ein umfassender EU-Rechtsakt zur Harmonisierung von Vorgaben an die Barrierefreiheit. Die Richtlinie (EU) 2016/2102 wurde in Österreich auf Bundesebene mit dem Web-Zugänglichkeits-Gesetz, BGBl. I Nr. 59/2019, und auf Länderebene in entsprechenden Landesgesetzen umgesetzt. Bestimmte Tätigkeiten, die über Webseiten und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen erfolgen, wie Personenverkehrsdienste oder Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr, sollen zusätzlich zu den geltenden Barrierefreiheitsanforderungen der Richtlinie (EU) 2016/2102 zukünftig auch jenen des EAA entsprechen. Damit soll gewährleistet sein, dass der Online-Verkauf von Produkten und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen barrierefrei zugänglich ist, unabhängig davon, ob durch öffentliche oder private Wirtschaftsakteure.
Das neue BaFG trägt zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention – UN-BRK) bei, insbesondere der zentralen Verpflichtung zur Barrierefreiheit gemäß Art. 9.
Der EAA folgt der Tendenz auf EU-Ebene, auch Richtlinien immer präziser zu determinieren. Dementsprechend ist der Handlungsspielraum für den nationalen Gesetzgeber weitgehend eingeschränkt.
Der Europäischen Kommission kommt laut EAA zudem die Befugnis zu, gemäß Art. 4 Abs. 9 der Richtlinie einen delegierten Rechtsakt zur Präzisierung von Barrierefreiheitsanforderungen, gemäß Art. 12 Abs. 3 einen delegierten Rechtsakt zur Änderung des Zeitraums für die Dokumentation der Informationen zur Identifizierung der Wirtschaftsakteur:innen, gemäß Art. Art. 14 Abs. 7 einen delegierten Rechtsakt zur Präzisierung der Kriterien zur Beurteilung einer unverhältnismäßigen Belastung sowie gemäß Art. 15 Abs. 3 einen Durchführungsrechtsakt zur Festlegung technischer Spezifikationen zu erlassen.
Der Aufbau des Gesetzes folgt im Wesentlichen jenem des EAA, wobei insbesondere der 6. Abschnitt betreffend Marktüberwachung notwendige Konkretisierungen des Richtlinieninhaltes enthält.
Frist für die Umsetzung und Zeitpunkt des Inkrafttretens:
Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 in innerstaatliches österreichisches Recht endete am 28. Juni 2022. Inkraftretenszeitpunkt des BaFG ist der 28. Juni 2025. Dieser entspricht damit dem in Art. 31 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/882 vorgegebenen Zeitpunkt zur Anwendung der Vorschriften durch die Mitgliedstaaten.
Kompetenzgrundlage:
Die Zuständigkeit des Bundes zur Umsetzung der Richtlinie gründet sich auf verschiedene Kompetenzbestimmungen, insbesondere auf Art. 10 Abs. 1 Z 2 („Warenverkehr mit dem Ausland; Zollwesen;“), Art. 10 Abs. 1 Z 5 („Geld-, Kredit-, Börse- und Bankwesen“), Art. 10 Abs. 1 Z 6 („Zivilrechtswesen; Urheberrecht“), Art. 10 Abs. 1 Z 8 („Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie; Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs“), Art. 10 Abs. 1 Z 9 („Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen und der Luftfahrt sowie der Schifffahrt, soweit diese nicht unter Art. 11 fällt; … Post- und Fernmeldewesen“) und Art. 10 Abs. 1 Z 16 („Einrichtung der Bundesbehörden und sonstigen Bundesämter“) des Bundes-Verfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/1930.
Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:
Keine.
Wesentlicher Inhalt:
Das BaFG beinhaltet im Wesentlichen folgende rechtliche Regelungen:
Taxative Aufzählung von Produkten und Dienstleistungen, die in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen
Grundlegende Verpflichtung der Wirtschaftsakteure (Hersteller, Importeure, Händler und Dienstleistungserbringer), Barrierefreiheitsanforderungen für die vom Gesetz erfassten Produkte und Dienstleistungen einzuhalten
Detaillierte Darstellung der funktionalen Barrierefreiheitsanforderungen in einer eigenen Anlage, d. h. mittels allgemeiner Grundsätze, die auf dem Design-für-Alle-Konzept beruhen, und nicht mittels detaillierter technischer Bestimmungen
Ausnahme für Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen anbieten, und Erleichterungen für Kleinstunternehmen, die mit Produkten befasst sind
Festlegung umfassender Pflichten für Wirtschaftsakteure in Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen und der Bereitstellung der Produkte sowie in Zusammenhang mit dem Angebot und der Erbringung der Dienstleistungen
Möglichkeit für Wirtschaftsakteure, eine Beurteilung durchzuführen, ob und inwieweit die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen eine grundlegende Veränderung von Produkten oder Dienstleistungen oder eine unverhältnismäßige Belastung darstellt
Regelungen zur EU-Konformitätserklärung und CE-Kennzeichnung
Einrichtung einer Marktüberwachung für die Produkte und Dienstleistungen und Vollziehung durch das Sozialministeriumservice in unmittelbarer Bundesverwaltung sowie Festlegung der Aufgaben, Betretungsrechte, Befugnisse, Vorgehensweise und Maßnahmen der Behörde unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben der Verordnung (EU) 2019/1020 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten sowie zur Änderung der Richtlinie 2004/42/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 765/2008 und (EU) Nr. 305/2011, ABl. Nr. L 169 vom 25.6.2019 S. 1.
Bezugnahme auf relevante vergaberechtlichen Bestimmungen und damit Hinweis auf die Bedeutung des öffentlichen Auftragswesens für das Barrierefreiheitsrecht
Rechtsdurchsetzung für Verbraucher und Verbraucherinnen und ausgewählte Organisationen durch niederschwellige Möglichkeit, sich an das Sozialministeriumservice zu wenden und auf konkrete Mängel hinzuweisen
Möglichkeit der Verhängung von Verwaltungsstrafen durch das Sozialministeriumservice bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorgaben
Die Änderung des Sozialministeriumservicegesetzes beinhaltet im Wesentlichen folgende rechtliche Regelungen:
Betrauung des Sozialministeriumservice mit den Agenden des BaFG
Befugnis des Sozialministeriumservice für organisatorische und personelle Vorkehrungen in Zusammenhang mit der Einführung der Marktüberwachung
Gendergerechter Sprachgebrauch
Um unsachliche Differenzierungen zwischen Frauen und Männern zu vermeiden, wird bei personenbezogenen Begriffen die weibliche und männliche Form vollständig erwähnt. Dies betrifft beispielsweise Verbraucher und Verbraucherinnen. Bei den vom BaFG umfassten Wirtschaftsakteuren handelt es sich in den überwiegenden Fällen um Unternehmen (beispielsweise Banken oder Verkehrsunternehmen), die keiner Differenzierung bedürfen.
Besonderer Teil
Zu Art. 1: Bundesgesetz über Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen
Zum 1. Abschnitt:
Zu § 1 (Gesetzesziel):
Die verpflichtenden Barrierefreiheitsanforderungen für die umfassten Produkte und Dienstleistungen tragen zur Harmonisierung des Binnenmarktes bei. Insbesondere Menschen mit Behinderungen wird dadurch auch die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft und eine selbstbestimmte Lebensführung durch die Verbesserung des Zugangs zu zeitgemäßen Produkten und Dienstleistungen erleichtert.
Zu § 2 (Geltungsbereich):
Mit dieser Bestimmung wird Art. 2 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Abs. 1 enthält eine taxative Aufzählung der in den Geltungsbereich fallenden Produkte und Abs. 2 eine taxative Aufzählung der in den Geltungsbereich fallenden Dienstleistungen. Die Auswahl der Produkte und Dienstleistungen beruht auf einem Screening der Europäischen Kommission, das während der Vorbereitung der Folgenabschätzung zur Richtlinie (EU) 2019/882 durchgeführt wurde. Es wurden Produkte und Dienstleistungen ermittelt, die für Menschen mit Behinderungen relevant sind und zu denen die Mitgliedstaaten unterschiedliche nationale Barrierefreiheitsanforderungen festgelegt haben oder voraussichtlich festlegen werden, die das Funktionieren des Binnenmarkts behindern.
Abs. 1: Diese Bestimmung dient der Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/882.
Z 1: Damit Hardwaresysteme für Universalrechner barrierefrei funktionieren, muss auch ihr Betriebssystem barrierefrei sein. Solche Computerhardwaresysteme zeichnen sich durch ihren Mehrzweckcharakter und ihre Fähigkeit aus, mit der geeigneten Software die von Verbrauchern und Verbraucherinnen geforderten üblichen Computeraufgaben durchzuführen, und sind dazu bestimmt, von Verbrauchern und Verbraucherinnen bedient zu werden. Umfasst sind z. B. Personal Computer (PCs), einschließlich Desktops, Notebooks, Smartphones und Tablets mit den jeweils entsprechenden Betriebssystemen. Nicht umfasst sind jedoch in Verbraucherelektronik eingebettete Spezialcomputer oder einzelne Komponenten mit spezifischen Funktionen wie etwa Hauptplatinen oder Speicherchips, die in einem solchen System verwendet werden oder verwendet werden könnten.
Z 2: Bei Selbstbedienungsterminals sollen sowohl die zugehörige Hardware als auch die Software umfasst sein. Bei einem Wechsel der Software sollen alle Barrierefreiheitsanforderungen eingehalten werden, wobei allenfalls eine neuerliche Konformitätsbewertung notwendig werden kann.
Lit. a): Zahlungsterminals umfassen sogenannte Points of Sale (POS). Sie können für unterschiedliche Dienstleistungen verwendet werden. In der Regel werden über Zahlungsterminals Kartenzahlungen und damit Zahlungsdienste abgewickelt.
Lit. b): Die unter lit. b angeführten Selbstbedienungsterminals sollen insofern in den Geltungsbereich des BaFG fallen, als sie für die Erbringung einer oder mehrerer Dienstleistungen nach Abs. 2 bestimmt sind.
ba): Geldautomaten sind insbesondere Bankomaten oder andere für Bank- und Zahlungsdienste für Verbraucher und Verbraucherinnen verwendete Selbstbedienungsterminals.
bb): Fahrkartenautomaten sind Selbstbedienungsterminals, die physische Tickets für den Zugang zu Verkehrsdienstleistungen ausgeben.
bc): Check-in-Automaten sind Selbstbedienungsterminals, die den Check-in ermöglichen, beispielsweise bei Flugreisen.
bd): Selbstbedienungsterminals zur Bereitstellung von Informationen müssen interaktiv sein, damit sie in den Geltungsbereich des BaFG fallen. Dafür muss eine individuelle Interaktion mit dem Bildschirm möglich sein (z. B. Touch-Display, Aufruf von bestimmten Informationen etc.). Darunter können beispielsweise Geräte in Banken zum Abruf von Kontoinformationen fallen, sofern sie nicht Geldautomaten sind. Reine Anzeigebildschirme sollen nicht umfasst sein. Interaktive Selbstbedienungsterminals zur Bereitstellung von Informationen, die als integrierte Bestandteile von Fahrzeugen, Luftfahrzeugen, Schiffen oder Schienenfahrzeugen eingebaut sind, sollen jedenfalls nicht in den Geltungsbereich fallen, da sie Teil der Fahrzeuge, Luftfahrzeuge, Schiffe oder Schienenfahrzeuge sind, die nicht Gegenstand des BaFG sind. Für interaktive Selbstbedienungsterminals als Elemente von Personenverkehrsdiensten siehe die Ausführungen zu § 2 Abs. 2 Z 3 lit. e.
Z 3: Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang, die für elektronische Kommunikationsdienste verwendet werden, sind beispielsweise Mobiltelefone und Tablets sowie Geräte, die als Teil der Konfiguration für den Zugang zu elektronischen Kommunikationsdiensten genutzt werden, wie zum Beispiel Router oder Modems.
Z 4: Zu Verbraucherendgeräten mit interaktivem Leistungsumfang, die für den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten verwendet werden, zählen insbesondere Smart-TVs, Set-Top-Boxen (z. B. Amazon Fire TV Sticks, Apple TV, Sky-Receiver) oder Spielkonsolen. Als Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten soll insbesondere der barrierefreie Zugang zu audiovisuellen Inhalten und das Vorhandensein von Mechanismen, die es Nutzern und Nutzerinnen mit Behinderungen ermöglichen, ihre assistiven Technologien zu nutzen, zu verstehen sein. Siehe auch die Ausführungen zu § 2 Abs. 2 Z 2).
Z 5: Umfasst werden sollen E-Book-Lesegeräte entsprechend der Definition in § 3 Z 39. Siehe auch unten die Ausführungen zu § 2 Abs. 2 Z 5.
Abs. 2: Unbeschadet des § 37 soll das Bundesgesetz für bestimmte Dienstleistungen gelten, die für Verbraucher und Verbraucherinnen nach dem 28. Juni 2025 erbracht werden.
Diese Bestimmung dient der Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/882.
Z 1: Mit Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 sollen die Barrierefreiheitsanforderungen für elektronische Kommunikationsdienste harmonisiert und die Richtlinie (EU) 2018/1972 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (ABl. Nr. L 321 vom 17.12.2018, S. 36) ergänzt werden, in der Vorschriften über die Gleichwertigkeit des Zugangs und über die Wahlmöglichkeiten für Endnutzer und Endnutzerinnen mit Behinderungen festgelegt sind. Die Richtlinie (EU) 2018/1972 wurde durch das Telekommunikationsgesetz 2021 (TKG 2021; BGBl. I Nr. 190/2021) umgesetzt.
§ 4 Z 4 TKG 2021 bestimmt den Begriff „Kommunikationsdienste“ und setzt damit Art. 2 Z 4 der Richtlinie (EU) 2018/1972 um. Unter elektronischen Kommunikationsdiensten sind neben Internetzugangsdiensten auch interpersonelle Kommunikationsdienste wie Sprachtelefonie, Videotelefonie, SMS-Dienste und Online-Messengerdienste (z. B. WhatsApp, Signal oder Skype) umfasst. Ausgenommen sind Übertragungsdienste zur Bereitstellung von Diensten der Maschine-Maschine-Kommunikation.
Notrufe sind Gegenstand des TKG 2021 und sollen daher nicht in den Geltungsbereich des BaFG fallen. Die Barrierefreiheit von Notrufen wurde in § 122 TKG 2021 geregelt. Dies umfasst auch die Beantwortung von Notrufen, die an die einheitliche europäische Notrufnummer 112 gerichtet sind –. Beide Elemente bedürfen daher keiner Umsetzung im BaFG. Sollte es erforderlich erscheinen, ist die Regulierungsbehörde gemäß § 46 Abs. 4 TKG 2021 ermächtigt, im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus in einer Verordnung Barrierefreiheitsanforderungen für Notrufe und die Beantwortung von an die einheitliche europäische Notrufnummer 112 gerichteten Notrufen zu konkretisieren.
Z 2: Zu den Diensten, die den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten ermöglichen, können Webseiten, Online-Anwendungen, auf Set-Top-Boxen basierende Anwendungen (z. B. für Amazon Fire TV, Apple TV, Sky etc.), herunterladbare Anwendungen, auf Mobilgeräten angebotene Dienstleistungen einschließlich mobiler Anwendungen und entsprechende Media-Player sowie auf einer Internetverbindung basierende Fernsehdienste gehören. Die Barrierefreiheit von elektronischen Programmführern (Electronic Program Guides – EPGs) für Hörfunk und Fernsehen soll ebenfalls umfasst sein. Die Barrierefreiheit der audiovisuellen Mediendienste selbst wurde durch die Richtlinie 2010/13/EU in der Fassung der Richtlinie (EU) 2018/1808, die in Österreich durch das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz umgesetzt wurde, geregelt. Siehe auch die Ausführungen zu § 2 Abs. 1 Z 4.
Z 3: Menschen mit Behinderungen soll das Reisen und die Nutzung von Personenverkehrsdiensten ermöglicht bzw. erleichtert werden. Deswegen soll es für einzelne Elemente von Personenverkehrsdiensten im Luft-, Bus-, Schienen- und Schiffsverkehr harmonisierte Barrierefreiheitsanforderungen geben, wobei Beförderungen selbst nicht in den Geltungsbereich fallen. Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdienste sollen nur im Hinblick auf interaktive Selbstbedienungsterminals gemäß § 2 Abs. 2 Z 3 lit. e ausdrücklich vom Geltungsbereich umfasst sein. Zudem sind öffentliche Stellen, die Verkehrsdienste – einschließlich Stadt-, Vorort- sowie Regionalverkehrsdienste – anbieten, bereits durch die Richtlinie (EU) 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen, ABl. Nr. L 327 vom 2.12.2016 S. 1, dazu verpflichtet, ihre Webseiten und mobilen Anwendungen barrierefrei zu gestalten. Darüber hinaus sollen gemäß § 2 Abs. 2 Z 6 Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr in den Geltungsbereich fallen, sodass private Erbringer von Verkehrsdiensten ebenfalls verpflichtet werden, ihre Webseiten für den Online-Ticketverkauf barrierefrei zu gestalten. Daher ist es – in Entsprechung der Richtlinie (EU) 2019/882 – nicht notwendig, weitere Anforderungen für Webseiten oder mobile Anwendungen im Bereich der Stadt-, Vorort- sowie Regionalverkehrsdienste vorzusehen.
In Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Personenverkehrsdiensten sind Elemente von Personenverkehrsdiensten nicht umfasst, die außerhalb des Hoheitsgebietes der Mitgliedstaaten erbracht werden, auch wenn die betreffende Dienstleistung für den Unionsmarkt bestimmt war. In solchen Fällen sind Dienstleistungserbringer dazu verpflichtet, die Barrierefreiheitsanforderungen in Bezug auf den im Gebiet der Europäischen Union angebotenen Teil der Dienstleistung zu erfüllen. Bei Personenverkehrsdiensten im Luftverkehr sollen Luftfahrtunternehmen in der Union hingegen sicherstellen, dass die geltenden Anforderungen auch bei Flügen erfüllt werden, die von einem Flughafen in einem Drittstaat abgehen und einen Flughafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates zum Ziel haben. Alle Luftfahrtunternehmen – auch jene, die nicht in der Europäischen Union zugelassen sind – sollen sicherstellen, dass die Barrierefreiheitsanforderungen bei Flügen vom Unionsgebiet in einen Drittstaat erfüllt werden.
Lit. a) und b): Umfasst sein sollen Webseiten, auf Mobilgeräten angebotene Dienstleistungen, einschließlich mobiler Anwendungen (Apps), die von Betreibern von Personenverkehrsdiensten oder in ihrem Auftrag entwickelt oder zur Verfügung gestellt werden.
Lit. c): Umfasst werden sollen elektronische Tickets und elektronische Ticketdienste entsprechend den Definitionen in § 3 Z 40 und Z 41.
Lit. d): Umfasst werden soll die Bereitstellung von Informationen zum Verkehrsdienst, einschließlich Reiseinformationen in Echtzeit, die Fahrgäste mit Behinderungen zum Reisen benötigen. Dazu können beispielsweise Informationen über die Personenverkehrsprodukte und -dienste der Dienstleistungserbringenden, Informationen über Preise und Sonderangebote, Informationen vor Reiseantritt und während der Reise sowie Informationen bei Ausfall einer Reisedienstleistung oder einer verzögerten Abfahrt gehören. Die Bereitstellung kann über Webseiten, über auf Mobilgeräten angebotene Dienstleistungen, über interaktive Anzeigebildschirmen und über interaktive Selbstbedienungsterminals erfolgen. Reine Anzeigebildschirme sollen nicht umfasst sein. Ausgenommen sollen zudem interaktive Bildschirme sein, die sich nicht in der Europäischen Union befinden.
Lit. e): Interaktive Selbstbedienungsterminals als Elemente von Personenverkehrsdiensten sollen auch im Bereich des Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrs in den Geltungsbereich fallen. Ausgenommen werden allerdings jene Selbstbedienungsterminals, die als integrierte Bestandteile von Fahrzeugen, Luftfahrzeugen, Schiffen oder Schienenfahrzeugen eingebaut sind. Es handelt sich dabei um eine über § 2 Abs. 1 Z 2 lit. b bd) hinausgehende Ausnahme, da sie sich nicht nur auf interaktive Selbstbedienungsterminals zur Bereitstellung von Informationen beschränkt. Nicht umfasst sind daher beispielweise Fahrkartenautomaten in Zügen oder Straßenbahnen.
Z 4: Bankdienstleistungen für Verbraucher und Verbraucherinnen sollen die der Definition in § 3 Z 25 entsprechenden Bank- und Finanzdienstleistungen umfassen. Die Barrierefreiheitsanforderungen sollen zudem auch für die Abwicklung von Bankgeschäften mit Privatkunden und Privatkundinnen erforderlichen Identifizierungsmethoden, elektronische Signaturen und Zahlungsdienstleistungen gelten. Durch harmonisierte Barrierefreiheitsanforderungen sollen Menschen mit Behinderungen angemessen und in gleicher Weise wie alle anderen Verbraucher und Verbraucherinnen geschützt werden sowie die Dienste nutzen und fundierte Entscheidungen treffen können. Für Dienstleistungserbringer sollen außerdem gleiche Ausgangsbedingungen bestehen.
Z 5: In Zusammenhang mit E-Books können unter den Begriff des Dienstleistungserbringers bzw. -erbringerin unter anderem Verleger und andere Wirtschaftsakteure fallen, die am Vertrieb der E-Books beteiligt sind. Harmonisierte Barrierefreiheitsanforderungen sollen es Verlegern und anderen Wirtschaftsakteuren erleichtern, die Vorteile des Binnenmarkts zu nutzen, Probleme bei der Interoperabilität von E-Book-Lesegeräten vermeiden und den Zugang für Kunden und Kundinnen mit Behinderungen erleichtern.
E-Book-Dateien sind elektronisch so codiert, dass die Weitergabe und Lektüre von geistigen Werken möglich ist, die mehrheitlich aus Text oder Grafik bestehen. Die Barrierefreiheit von E-Book-Dateien ist davon abhängig, wie präzise diese Codierung erfolgt, insbesondere im Hinblick darauf, wie die verschiedenen konstitutiven Elemente des Werks qualifiziert sind und ob die Beschreibung seiner Struktur standardisiert erfolgt ist. Im Sinne der Interoperabilität unter dem Aspekt der Barrierefreiheit sollte die Kompatibilität dieser Dateien mit Benutzeragenten und aktuellen und zukünftigen assistiven Technologien optimiert werden. Spezielle Merkmale spezieller Werke wie Comics, Kinderbücher und Kunstbücher sollten in Bezug auf alle anwendbaren Barrierefreiheitsanforderungen geprüft werden.
Z 6: Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce) sollen die der Definition in § 3 Z 27 entsprechenden Ferndienstleistungen umfassen. Da Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr immer wichtiger werden und hochtechnologisch sind, sollen für ihre Barrierefreiheit harmonisierte Anforderungen festgelegt werden. Die Barrierefreiheitsanforderungen an Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr sollen für den Online-Verkauf von jeglichen Produkten oder Dienstleistungen gelten und daher auch für den Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung, die für sich genommen in den Geltungsbereich dieses Bundesgesetz fällt.
Abs. 3: Diese Bestimmung dient der Umsetzung von Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/882 und enthält Ausnahmen vom Geltungsbereich für bestimmte Inhalte von Webseiten und mobilen Anwendungen. Sie entsprechen den Ausnahmen in § 2 Abs. 3 Web-Zugänglichkeits-Gesetz, BGBl. I Nr. 59/2019, mit dem die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2016/2102 national umgesetzt wurden.
Z 1: Aufgezeichnete zeitbasierte Medien sind beispielsweise Video- und Audiomedien.
Z 2: Dateiformate von Büro-Anwendungen (engl. „office file formats“) sind laut Erwägungsgrund 26 der Richtlinie (EU) 2016/2102 zu verstehen als Dokumente, die nicht in erster Linie für die Verwendung im Internet gedacht sind und die in Websites enthalten sind, wie z. B. Dokumente in Adobe Portable Document Format (PDF), Microsoft-Office- oder (quelloffenen) gleichwertigen Formaten.
Z 3: Karten, die Navigationszwecken dienen, sind insofern ausgenommen, als eine barrierefreie Alternative zu den komplexen Navigationsfunktionen bereitgestellt wird – z. B. Postanschriften und nahe gelegene Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel, und zwar in einer einfachen und für die meisten Nutzer und Nutzerinnen lesbaren Form (vgl. Erwägungsgrund 29 der Richtlinie 2016/2102).
Z 4: Als Inhalte von Dritten sind beispielsweise verlinkte Textinhalte zu verstehen oder nachträglich zusätzlich hinzugefügte Inhalte, z. B. ein E-Mail-Programm, ein Blog, ein Artikel, zu dem Nutzer und Nutzerinnen Kommentare hinzufügen können, oder Anwendungen, die von Nutzern und Nutzerinnen bereitgestellte Inhalte unterstützen, oder wenn Werbungen dynamisch eingefügt werden. Solche Inhalte Dritter, sofern sie von betreffenden Wirtschaftsakteuren weder finanziert noch entwickelt wurden noch unter ihrer Kontrolle stehen, sollen vom Geltungsbereich ausgenommen werden (vgl. Erwägungsgrund 30 der Richtlinie (EU) 2016/2102).
Z 5: Inhalte archivierter Webseiten oder mobiler Anwendungen sollen nicht umfasst sein, falls sie nicht mehr aktualisiert oder überarbeitet werden. Eine rein technische Wartung gilt nicht als Aktualisierung oder Überarbeitung (vgl. Erwägungsgrund 32 der Richtlinie (EU) 2016/2102).
Abs. 4: Diese Bestimmung dient der Umsetzung von Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie (EU) 2019/882. Regelungen im Urheberrecht sollen unberührt bleiben. Konkret geht es dabei um die Verordnung (EU) 2017/1563 sowie die Bestimmung in § 42d Urheberrechtsgesetz, mit der die Richtlinie (EU) 2017/1564 in Österreich umgesetzt wurde.
Zu § 3 (Begriffsbestimmungen):
Mit dieser Bestimmung wird Art. 3 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Sie enthält Definitionen wesentlicher Begriffe. Wenn die die Begriffsbestimmungen in der Richtlinie Verweise auf andere EU-Richtlinien enthalten, wurden diese im BaFG beibehalten, um insbesondere sicherzustellen, dass der Geltungsbereich durch anderslautende nationale Bestimmungen nicht eingeschränkt wird. In den folgenden Erläuterungen wird in den betroffenen Ziffern vollständigkeitshalber auf die entsprechenden nationalen Bestimmungen hingewiesen.
Z 1: Die Formulierung entspricht der Definition gemäß Art. 1 der neuen deutschen Übersetzung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, BGBl. III Nr. 105/2016). Der Zeitraum von sechs Monaten entspricht im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsordnung dem Behinderungsbegriff in § 3 Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz.
Z 3: Art. 4 Z 1 der Richtlinie 2006/123/EG wurde in der Österreich in § 5 Z 2 Dienstleistungsgesetz umgesetzt.
Z 5: Art. 1 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2010/13/EU in der Fassung der Richtlinie (EU) 2018/1808 wurde in Österreich in § 2 Z 3 Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz umgesetzt.
Z 6: Art. 7 der Richtlinie 2010/13/EU in der Fassung der Richtlinie (EU) 2018/1808 wurde in Österreich in § 30b Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz umgesetzt.
Z 8: Art. 2 Z 4 der Richtlinie (EU) 2018/1972 wurde in Österreich in § 4 Z 4 Telekommunikationsgesetz 2021 umgesetzt. Die in Zusammenhang mit Notrufen stehenden Begriffsbestimmungen in Art. 3 Z 10 bis 14 der Richtlinie (EU) 2018/1972 sind in § 4 Z 29 bis 32 Telekommunikationsgesetz 2021 definiert.
Z 9: Nach Art. 2 Z 35 der Richtlinie (EU) 2018/1972 ist ein Gesamtgesprächsdienst bzw. Total-Conversation-Dienst ein Multimedia-Gesprächsdienst in Echtzeit, der die bidirektionale symmetrische Echtzeitübertragung von Video-Bewegtbildern, Text und Sprache zwischen Nutzern und Nutzerinnen an zwei oder mehr Standorten ermöglicht. Dieser Begriff ist für die Barrierefreiheitsanforderungen für elektronische Kommunikationsdienste gemäß Anlage I Abschnitt IV lit. a relevant.
Z 19: Der Begriff „Kleinstunternehmen“ entspricht der Definition in Art. 2 Abs. 3 des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der Europäischen Kommission betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. Nr. L 124 vom 20.5.2003 S. 36.
Z 20: Der Begriff „kleine und mittlere Unternehmen“ entspricht der Definition in Art. 2 Abs. 1 des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der Europäischen Kommission betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. Nr. L 124 vom 20.5.2003 S. 36.
Z 25:
Lit. a): Die Definitionen des Kreditvertrages bzw. Verbraucherkreditvertrages sind in Österreich in § 2 Abs. 3 Verbraucherkreditgesetz, BGBl. I Nr. 28/2010, bzw. in § 2 Abs. 3 Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz, BGBl. I Nr. 135/2015, verankert. Die Bestimmungen orientieren sich aber nicht an dem weiten in der Richtlinie 2008/48/EG sowie in der Richtlinie 2014/17/EU vorgesehenen Sinn, sondern knüpfen an die Definition in § 988 ABGB an. Andere Formen der Kreditierung, die unter die Begriffsbestimmungen der Richtlinie 2008/48/EG und der Richtlinie 2014/17/EU fallen, werden in Österreich hingegen im 5. Abschnitt des Verbraucherkreditgesetzes bzw. im 3. Abschnitt des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes geregelt (Zahlungsaufschub und sonstige Finanzierungshilfen).
Lit. b): Die Begriffsbestimmungen betreffend Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten sind in § 1 Z 3 lit. a, b, d und e sowie betreffend Wertpapiernebendienstleistungen in § 1 Z 4 lit. a, b, d und e Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 107/2017, verankert.
Lit. c): Die Begriffsbestimmung betreffend Zahlungsdienste ist in § 4 Z 3 Zahlungsdienstegesetz 2018, BGBl. I Nr. 17/2018, verankert.
Lit. d): Die Begriffsbestimmung betreffend mit einem Zahlungskonto verbundene Dienste ist in § 2 Z 6 Verbraucherzahlungskontogesetz, BGBl. I Nr. 35/2016, verankert.
Lit. e): Die Begriffsbestimmung betreffend E-Geld ist in § 1 Abs. 1 E-Geldgesetz 2010, BGBl. I Nr. 107/2010, verankert.
Z 26: Die Definition der Zahlungsinstrumente im Sinne des Art. 4 Z 14 der Richtlinie (EU) 2015/2366, auf die in der Begriffsbestimmung Bezug genommen wird, ist in § 4 Z 14 Zahlungsdienstegesetz 2018 verankert.
Z 27: Für die Zwecke der Begriffsbestimmung soll „Ferndienstleistung“ bedeuten, dass die Dienstleistung erbracht wird, ohne dass die Parteien gleichzeitig anwesend sind. „Elektronisch erbracht“ soll bedeuten, dass die Dienstleistung mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten am Ausgangspunkt gesendet und am Endpunkt empfangen wird und vollständig über Draht, über Funk, auf optischem oder anderem elektromagnetischem Wege gesendet, weitergeleitet und empfangen wird. „Auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers“ soll bedeuten, dass die Dienstleistung auf individuelle Aufforderung hin erbracht wird.
Z 38: Einen Anknüpfungspunkt in der österreichischen Rechtsordnung gibt es im Bundesgesetz über die Preisbindung bei Büchern, das in § 2 Z 7 ebenfalls eine Definition von E-Book enthält, die sich allerdings von der in der Richtlinie (EU) 2019/882 vorgesehenen Begriffsbestimmung unterscheidet.
Zum 2. Abschnitt
Zu § 4 (Verpflichtende Barrierefreiheitsanforderungen):
Mit dieser Bestimmung wird Art. 4 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Abs. 1: Diese Bestimmung dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/882. Wenn Wirtschaftsakteure Produkte in Verkehr bringen, die in den Geltungsbereich des BaFG fallen, müssen diese die im Gesetz festgelegten Barrierefreiheitsanforderungen erfüllen. Gleiches soll für Dienstleistungserbringer gelten, die in den Geltungsbereich fallende Dienstleistungen anbieten oder erbringen. Die konkreten Barrierefreiheitsanforderungen werden in der Anlage I angeführt, auf die in § 4 Abs. 1 und 2 ausdrücklich verwiesen wird. Die Aufteilung der Pflichten auf die einzelnen Wirtschaftsakteure – angepasst an die jeweilige Rolle im Liefer- und Vertriebsprozess – erfolgt im 3. Abschnitt (§§ 9 bis 16).
Abs. 2: Diese Bestimmung dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/882. Alle in den Geltungsbereich des Bundesgesetzes fallenden Produkte – mit Ausnahme der Selbstbedienungsterminals – müssen die Barrierefreiheitsanforderungen gemäß Anlage I Abschnitt I und II erfüllen. Selbstbedienungsterminals müssen nur die Anforderungen nach Anlage I Abschnitt I erfüllen, da für Endnutzer und Endnutzerinnen die im Abschnitt II enthaltenen zusätzlichen Anforderungen für Verpackungen und Anleitungen bei Selbstbedienungsterminals in der Praxis nicht relevant sind.
Abs. 3: Alle in den Geltungsbereich des Bundesgesetzes fallenden Dienstleistungen – mit Ausnahme der Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdienste – müssen die Barrierefreiheitsanforderungen gemäß Anlage I Abschnitt III und IV erfüllen. Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdienste müssen nur die spezifischen Anforderungen nach Anlage I Abschnitt IV erfüllen, die sich auf die Gewährleistung der Barrierefreiheit der zur Erbringung der Dienstleistung verwendeten Selbstbedienungsterminals beschränken, wobei der in Anlage I Abschnitt IV enthaltene Verweis als Verweis auf sämtliche für Selbstbedienungsterminals anwendbaren Anforderungen gemäß Anhang I Abschnitt I zu verstehen ist.
Zu § 5 (Konformitätsvermutung):
Abs. 1: Diese Bestimmung dient der Umsetzung von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/882. Die Konformitätsvermutung bei Heranziehung von harmonisierten Normen soll die Bewertung der Konformität mit den geltenden Barrierefreiheitsanforderungen erleichtern. Die Europäische Kommission beabsichtigt, gemäß Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie europäische Normungsorganisationen mit der Ausarbeitung von harmonisierten Normen zu beauftragen.
Abs. 2: Diese Bestimmung dient der Umsetzung von Art. 15 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/882. Die Konformitätsvermutung bei Heranziehung von technischen Spezifikationen soll die Bewertung der Konformität mit den geltenden Barrierefreiheitsanforderungen erleichtern. Die Europäische Kommission ist laut Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie ermächtigt, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung technischer Spezifikationen zu erlassen, die den Barrierefreiheitsanforderungen der Richtlinie entsprechen, wenn im Amtsblatt der Europäischen Union keine Fundstelle von harmonisierten Normen veröffentlicht wurde und wenn die Europäische Kommission zwar eine oder mehrere europäische Normungsorganisationen mit der Erarbeitung harmonisierter Normen beauftragt, beim Normungsverfahren aber übermäßige Verzögerungen auftreten bzw. der Auftrag von keiner der europäischen Normungsorganisationen angenommen werden sollte, oder wenn die Europäische Kommission nachweisen kann, dass eine technische Spezifikation den Anforderungen gemäß Anhang II der Verordnung (EU) 1025/2012 zur europäischen Normung entspricht.
Zu § 6 (Kleinstunternehmen):
Abs. 1: Mit dieser Bestimmung wird Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Damit soll eine Ausnahme für Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen anbieten oder erbringen, vorgesehen werden. Kleinstunternehmen unterscheiden sich von allen anderen Unternehmen durch ihre begrenzten Humanressourcen, ihren begrenzten Jahresumsatz oder ihre begrenzte Jahresbilanz. Die Belastung durch die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen beansprucht für Kleinstunternehmen daher generell einen größeren Anteil ihrer Finanz- und Humanressourcen als bei anderen Unternehmen. Es ist daher wahrscheinlicher, dass dies einen unverhältnismäßig großen Anteil der Kosten darstellt. Ein erheblicher Anteil der Kosten entsteht für Kleinstunternehmen durch das Erstellen oder Führen von Dokumenten und Aufzeichnungen zum Nachweis der Einhaltung der verschiedenen Anforderungen im Unionsrecht. Zwar sollten alle Wirtschaftsakteure, die unter dieses Bundesgesetz fallen, in der Lage sein, die Verhältnismäßigkeit der Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen zu bewerten und sie nur einzuhalten, soweit sie gemäß § 18 nicht unverhältnismäßig sind, doch würde die Forderung einer solchen Beurteilung von Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen erbringen, an sich bereits eine unverhältnismäßige Belastung darstellen. Die Anforderungen und Verpflichtungen sollen daher nicht für Kleinstunternehmen gelten, die Dienstleistungen innerhalb des Geltungsbereichs dieses Bundesgesetzes anbieten oder erbringen. Kleinstunternehmen, die Produkte innerhalb des Geltungsbereichs dieses Bundesgesetzes herstellen, importieren oder handeln, sind von der Ausnahmeregelung nicht umfasst. Allerdings sind für sie in § 17 Abs. 5, § 18 Abs. 5 und § 19 Abs. 2 entsprechende Erleichterungen vorgesehen, um ihren Verwaltungsaufwand zu verringern.
Wenn sich ein Unternehmen im Rahmen der Marktüberwachung auf die Ausnahme gemäß § 6 Abs. 1 beruft, trifft es eine Mitwirkungspflicht gemäß § 24 Abs. 2.
Abs. 2: Mit dieser Bestimmung wird Art. 4 Abs. 6 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Leitlinien sollen allen Kleinstunternehmen die Anwendung des Bundesgesetzes erleichtern, um ihnen dadurch die Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit sowie ihres Wachstumspotenzial im Binnenmarkt zu ermöglichen. Die Leitlinien für Kleinstunternehmen sollen bloße Arbeitsbehelfe darstellen und vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemeinsam mit dem Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort erstellt werden. Im Erstellungsprozess sollen der Österreichische Behindertenrat als Dachverband der österreichischen Behindertenorganisationen und die Wirtschaftskammer Österreich als Vertretung österreichischer Kleinstunternehmen einbezogen werden.
Zu § 7 (Verhältnis zu geltendem EU-Recht im Bereich des Personenverkehrs):
Diese Bestimmung soll der Klarstellung dienen, dass die Richtlinie (EU) 2019/882 über die in den aufgezählten Rechtsakten enthaltenen Barrierefreiheitsanforderungen hinausgeht und damit im Verkehrsbereich zusätzliche Anforderungen zur Anwendung kommen sollen, wobei die in den aufgelisteten Rechtsakten enthaltenen Barrierefreiheitsanforderungen auch weiterhin Anwendung finden sollen („Top-up-Ansatz“). Bestehende EU-Verordnungen zu Fahrgastrechten beziehen sich teilweise nur auf bestimmte Behinderungsarten, die Richtlinie (EU) 2019/882 deckt aber ein breiteres Spektrum ab und sieht damit Ergänzungen bzw. zusätzliche Barrierefreiheitsanforderungen vor. Beispielsweise sieht die VO (EU) 181/2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr vor, dass Menschen mit Behinderungen Informationen anfordern müssen oder dass Informationen in bestimmten Fällen nicht zwingend gegeben werden müssen – die RL (EU) 2019/882 sieht hingegen eine verpflichtende Bereitstellung vor. Die VO (EG) Nr. 1371/2007 und die neu gefasste VO (EU) 2021/782 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr sehen nur allgemeine Verpflichtungen vor, im EAA sind diese spezifiziert vorgesehen. Damit soll das Funktionieren des Binnenmarktes im Verkehrsbereich verbessert werden.
Mit der Bestimmung wird Art. 5 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Zu § 8 (Freier Warenverkehr):
Diese Bestimmung dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie (EU) 2019/882. Sie soll dem Grundsatz Rechnung tragen, dass die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen treffen sollen, damit der freie Verkehr der Produkte und Dienstleistungen, die unter die Richtlinie (EU) 2019/882 fallen und die Vorgaben der Richtlinie erfüllen, innerhalb der Europäischen Union nicht behindert wird. Dies trifft insbesondere auf Fälle zu, in denen es aufgrund der unterschiedlicher Anwendungen von Übergangsbestimmungen zu zeitlichen Unterschieden bei der Anwendbarkeit in den Mitgliedstaaten kommen kann. Bei Produkten müssen Mitgliedstaaten von der Vermutung ausgehen, dass Produkte, die das CE-Zeichen tragen, alle Bestimmungen der einschlägigen geltenden Rechtsvorschriften erfüllen. Somit dürfen die Mitgliedstaaten, wenn sie die Regelungen zur CE-Kennzeichnung ordnungsgemäß anwenden, das Inverkehrbringen von Produkten, die das CE-Kennzeichen tragen, in ihrem Hoheitsgebiet nicht verbieten, beschränken oder behindern.
Zum 3. Abschnitt
Um ein hohes Niveau an Barrierefreiheit und einen fairen Wettbewerb auf dem Binnenmarkt der Europäischen Union zu gewährleisten, sollen die Wirtschaftsakteure – je nach ihrer jeweiligen Rolle im Liefer- und Vertriebsprozess – für die Konformität der Produkte und Dienstleistungen verantwortlich sein. Die Verpflichtungen gelten dabei in gleicher Weise für Wirtschaftsakteure im privaten wie im öffentlichen Sektor. In diesem Zusammenhang ist auch auf den Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), ABl. Nr. C 272 vom 26.7.2016 S. 1, hinzuweisen.
Zu § 9 (Pflichten der Hersteller):
Abs. 1: Mit dieser Bestimmung wird Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Sie soll den Grundsatz nach § 4 Abs. 1 als Pflicht der Hersteller konkretisieren.
Abs. 2: Mit dieser Bestimmung wird Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Hersteller sind am besten für die Durchführung der Konformitätsbewertung und die Erstellung der technischen Dokumentation geeignet, da sie den Entwurfs- und Fertigungsprozess in allen Einzelheiten kennen. Diese Aufgaben können daher auch nicht an Bevollmächtigte delegiert werden (siehe § 10 Abs. 1). Details zum Konformitätsbewertungsverfahren sind in der Anlage II festgelegt, die den üblichen unionsrechtlichen Vorgaben entspricht. Hersteller können bei der Durchführung von Konformitätsbewertungsverfahren auch auf Dritte zurückgreifen, wobei die Verantwortung stets beim jeweiligen Hersteller bleibt. Die Einführung von notifizierten Konformitätsbewertungsstellen, wie es sie in anderen Bereichen gibt, ist nicht vorgesehen und würde den unionsrechtlichen Vorgaben widersprechen.
Wenn für ein Produkt mehrere Vorschriften gelten, in denen eine EU-Konformitätserklärung vorgeschrieben ist, ist eine einzige Konformitätserklärung ausreichend. Die einzige Konformitätserklärung kann aus einem Dossier bestehen, das alle maßgeblichen einzelnen Konformitätserklärungen enthält.
Abs. 3: Mit dieser Bestimmung wird Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Die Aufbewahrungsfrist von fünf Jahren beginnt mit dem Inverkehrbringen des Produkts.
Abs. 4: Mit dieser Bestimmung wird Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Auch bei Serienfertigungen ist die Konformität durch geeignete Verfahren, wie beispielsweise Qualitätssicherungsmaßnahmen, zu gewährleisten. Bei Änderungen, die dazu führen, dass die Konformitätserklärung nicht mehr zutrifft, müssen Hersteller gegebenenfalls die Konformitätserklärung anpassen oder ein neues Konformitätsbewertungsverfahren durchführen. In der Bestimmung angeführte Änderungen stellen lediglich eine demonstrative Aufzählung dar. Die Änderungen sind insofern angemessen zu berücksichtigen, als nicht jede Änderung Auswirkungen auf die Konformität eines Produkts haben muss.
Abs. 5: Mit dieser Bestimmung wird Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Auf dem Produkt oder – wenn auf dem Produkt selbst nicht möglich – auf der Verpackung oder in einer dem Produkt beigefügten Unterlage sind Angaben für eine zweifelsfreie Identifikation eines Produkts zu machen. Dies können Typen-, Chargen- oder Seriennummern oder ein anderes Kennzeichen sein.
Abs. 6: Mit dieser Bestimmung wird Art. 7 Abs. 6 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Durch die Angabe der eigenen Informationen und Kontaktmöglichkeiten stellen Hersteller sicher, dass sie leicht identifizierbar sind und eine schnelle Kontaktaufnahme erfolgen kann. Die Informationen sollen jedenfalls in deutscher oder englischer Sprache angeführt sein.
Abs. 7: Mit dieser Bestimmung wird Art. 7 Abs. 7 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Um die bestimmungsgemäße und sichere Verwendung eines Produkts zu ermöglichen, müssen dem Produkt eine Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen beigefügt werden. Diese sollen in deutscher Sprache vorliegen. Die Informationen und alle Kennzeichnungen sollen zudem klar, verständlich und deutlich sein.
Abs. 8: Mit dieser Bestimmung wird Art. 7 Abs. 8 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Hersteller müssen von sich aus tätig werden, wenn sie der Auffassung sind oder Grund zur Annahme haben, dass ein von ihnen in Verkehr gebrachtes Produkt nicht mit dem BaFG konform ist. Es reicht aus, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Produkt nicht den Barrierefreiheitsanforderungen gemäß § 4 Abs. 2 entspricht. Jedenfalls handeln müssen Hersteller bei Kenntnis der Nichtkonformität. Es sind unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Konformität des Produkts herzustellen. Sollten Korrekturmaßnahmen nicht möglich sein, müssen Hersteller das Produkt zurücknehmen.
Wenn Hersteller feststellen, dass das Produkt den Barrierefreiheitsanforderungen nicht entspricht, trifft sie zudem die Pflicht, unverzüglich das Sozialministeriumservice als zuständige Marktüberwachungsbehörde zu informieren. Sollte das Produkt auch in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bereitgestellt worden sein, sind auch die für die Marktüberwachung zuständigen Behörden in den entsprechenden Mitgliedstaaten zu informieren. Im Rahmen dieser Informationspflicht sind ausführliche Angaben zu machen, insbesondere welche Art der Nichtkonformität vorliegt und welche Korrekturmaßnahmen ergriffen wurden. Hersteller haben ein Verzeichnis über die nichtkonformen Produkte, über die die Marktüberwachungsbehörden informiert wurden, sowie über Beschwerden in Zusammenhang mit diesen Produkten zu führen.
Abs. 9: Mit dieser Bestimmung wird Art. 7 Abs. 9 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt und eine Informations- und Kooperationspflicht festgelegt. Die Befugnis der Marktüberwachungsbehörde, sich Dokumente und Informationen vorlegen zu lassen, ergibt sich bereits aus Art. 14 Abs. 4 lit. a der Verordnung (EU) 2019/1020, nach dem Marktüberwachungsbehörden von Wirtschaftsakteuren verlangen können, die relevanten Dokumente, technischen Spezifikationen, Daten oder Informationen über die Konformität der technischen Aspekte des Produkts zu verlangen (siehe auch § 23 Abs. 7). Sämtliche Informationen und Unterlagen müssen in deutscher oder englischer Sprache vorliegen.
Zu § 10 (Pflichten der Bevollmächtigten):
Mit dieser Bestimmung wird Art. 8 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Hersteller können dem Bevollmächtigten nicht die Sicherstellung der Konformität und die Erstellung der technischen Dokumentation übertragen. Bevollmächtigten wird von Herstellern nicht nur eine Handlungsmöglichkeit eingeräumt, sondern ein Auftrag erteilt, wodurch sie zur Vornahme der betreffenden Handlungen verpflichtet sind. Der Auftrag hat dabei zumindest die aufgezählten Aufgaben zu enthalten.
Zu § 11 (Pflichten der Importeure):
Durch Pflichten für Importeure soll sichergestellt werden, dass Produkte, die aus Drittstaaten auf dem Markt bereitgestellt werden, den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechen. Importeure sind keine bloßen Wiederverkäufer von Produkten, sondern spielen bei der Gewährleistung der Konformität der eingeführten Erzeugnisse eine wichtige Rolle. Die Verpflichtungen folgen in weiten Teilen jenen der Hersteller.
Abs. 1: Mit dieser Bestimmung wird Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Importeure dürfen analog zur Pflicht der Hersteller gemäß § 9 Abs. 1 nur Produkte in Verkehr bringen, die die Barrierefreiheitsanforderungen nach § 4 Abs. 2 erfüllen. Produkte dürfen also jedenfalls dann nicht importiert werden, wenn bekannt ist, dass ein Produkt den Barrierefreiheitsanforderungen dieses Bundesgesetzes nicht entspricht.
Abs. 2: Mit dieser Bestimmung wird Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Voraussetzung für die Erfüllung der Pflicht der Importeure nach § 11 Abs. 1 ist, dass Hersteller ihren Pflichten nachgekommen sind und insbesondere das Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt haben. Importeure haben dies vor allem durch sorgfältige Prüfung der Unterlagen sicherzustellen.
Abs. 3: Mit dieser Bestimmung wird Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Die Pflicht bezieht sich auf den Zeitpunkt, bevor ein Produkt in Verkehr gebracht wurde. Importeure trifft auch eine Informationspflicht an Hersteller und das Sozialministeriumservice als zuständige Marktüberwachungsbehörde.
Abs. 4: Mit dieser Bestimmung wird Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Nicht nur die Hersteller sind verpflichtet, eigene Informationen und Kontaktmöglichkeiten auf den Produkten anzugeben, sondern auch die Importeure. Dadurch wird die Rückverfolgbarkeit zu verantwortlichen Wirtschaftsakteuren in der Europäischen Union gewährleistet.
Abs. 5: Mit dieser Bestimmung wird Art. 9 Abs. 5 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Auch Importeure sollen sicherstellen, dass dem Produkt eine Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen beigefügt sind, um eine bestimmungsbemäße und sichere Verwendung des Produkts zu ermöglichen.
Abs. 6: Mit dieser Bestimmung wird Art. 9 Abs. 6 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Mit Lagerungs- und Transportbedingungen sind insbesondere sachgerechte Handhabung, Verpackungen, Beförderungen und Schutz vor Witterungseinflüssen gemeint. Voraussetzung ist, dass sich das Produkt im Verantwortungsbereich der Importeure befindet.
Abs. 7: Mit dieser Bestimmung wird Art. 9 Abs. 7 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Die Importeure müssen als Ansprechpartner des Sozialministeriumservice als Marktüberwachungsbehörde zur Verfügung stehen und für den Zeitraum von fünf Jahren ab dem Inverkehrbringen die EU-Konformitätserklärung aufbewahren. Die technische Dokumentation müssen sie hingegen im Bedarfsfall beschaffen und vorlegen können.
Abs. 8: Mit dieser Bestimmung wird Art. 9 Abs. 8 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Sie entspricht der Pflicht der Hersteller gemäß § 9 Abs. 8. Siehe daher die Ausführungen zu § 9 Abs. 8.
Abs. 9: Mit dieser Bestimmung wird Art. 9 Abs. 9 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Sie entspricht der Pflicht der Hersteller gemäß § 9 Abs. 9. Siehe daher die Ausführungen zu § 9 Abs. 9.
Zu § 12 (Pflichten der Händler):
Das Verhalten der Händler muss von der gebotenen Sorgfalt getragen sein. Händler müssen sohin jenes Maß an Beurteilungsvermögen, Sorgfalt, Umsicht, Entschlusskraft und Handlungen an den Tag legen, das man unter den gegebenen Umständen vernünftigerweise von ihnen erwarten kann. Die Händler müssen beispielsweise wissen, welche Produkte eine CE-Kennzeichnung benötigen und welche Informationen dem Produkt beigefügt sein müssen. Ein Nachweis über die Einhaltung der Pflichten nach § 12 Abs. 1 muss gegebenenfalls gegenüber der Marktüberwachungsbehörde geführt werden können.
Abs. 1: Mit dieser Bestimmung wird Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Händler müssen prüfen, ob die administrativen Anforderungen korrekt durchgeführt wurden.
Abs. 2: Mit dieser Bestimmung wird Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Sie entspricht der Pflicht der Importeure gemäß § 11 Abs. 3. Siehe daher die Ausführungen zu § 11 Abs. 3.
Abs. 3: Mit dieser Bestimmung wird Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Sie entspricht der Pflicht der Importeure gemäß § 11 Abs. 6. Siehe daher die Ausführungen zu § 11 Abs. 6.
Abs. 4: Mit dieser Bestimmung wird Art. 10 Abs. 5 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Händler müssen Produkte zurücknehmen, wenn die erforderlichen Korrekturmaßnahmen von Importeuren oder Herstellern nicht durchgeführt werden. Sie haben ferner die Pflicht, unverzüglich das Sozialministeriumservice als zuständige Marktüberwachungsbehörde zu informieren. Sollte das Produkt auch in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bereitgestellt worden sein, sind auch die für die Marktüberwachung zuständigen Behörden in den entsprechenden Mitgliedstaaten zu informieren.
Abs. 5: Mit dieser Bestimmung wird Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Sie entspricht der Pflicht der Hersteller gemäß § 9 Abs. 9 und der Pflicht der Importeure gemäß § 11 Abs. 9. Siehe daher die Ausführungen zu § 9 Abs. 9.
Zu § 13 (Umstände, unter denen die Pflichten des Herstellers auch für Importeure und Händler gelten):
Mit dieser Bestimmung wird Art. 11 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Wer ein Produkt unter eigenem Namen oder seiner eigenen Marke in Verkehr bringt, übernimmt die Pflichten der Hersteller. Das gilt auch, wenn bereits auf dem Markt befindliche Produkte so verändert werden, dass sich dies auf deren Konformität mit den geltenden Anforderungen auswirken könnte. Es geht dabei um Veränderungen von Produkteigenschaften, die Gegenstand der Konformitätsbewertung waren.
Zu § 14 (Identifizierung der Wirtschaftsakteure):
Mit dieser Bestimmung wird Art. 12 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Die Rückverfolgbarkeit von Produkten über die gesamte Liefer- und Vertriebskette vereinfacht und verbessert die Marktüberwachung, indem der Marktüberwachungsbehörde das Auffinden von Wirtschaftsakteuren erleichtert wird. Im Falle einer bekanntgewordenen Nichtkonformität von Produkten kann die Handelskette effektiv zurückverfolgt werden.
Zu § 15 (Pflichten der Dienstleistungserbringer):
Abs. 1: Mit dieser Bestimmung wird Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Sie soll den Grundsatz nach § 4 Abs. 1 als Pflicht der Dienstleistungserbringer konkretisieren.
Abs. 2: Mit dieser Bestimmung wird Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Ähnlich der Pflicht der Hersteller gemäß § 9 Abs. 2 zur Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens und zur Erstellung der technischen Dokumentation haben Dienstleistungserbringer Informationen zu erstellen, inwiefern die Dienstleistungen die geltenden Barrierefreiheitsanforderungen erfüllen. Details sind in der Anlage III festgelegt. Die Informationen sollen jedenfalls in den allgemeinen Geschäftsbedingungen oder einem ähnlichen Dokument enthalten sein. Zu den bereits geltenden Anforderungen an die Verbraucherinformation gemäß der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher gehören insbesondere Informationen gemäß Art. 5 der Richtlinie 2011/83/EU, wie wesentliche Eigenschaften der Dienstleistungen, Identität und Kontakt der Unternehmen oder der Gesamtpreis. Die Informationen müssen in schriftlicher und mündlicher Form bereitgestellt werden. Eine barrierefreie Form für Menschen mit Behinderungen kann insbesondere auch Gebärdensprachvideos umfassen. Die erstellten Informationen sind so lange aufzubewahren, wie die Dienstleistung angeboten oder erbracht wird.
Abs. 3: Mit dieser Bestimmung wird Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Unbeschadet des § 37 sollen Dienstleistungserbringer die Barrierefreiheitsanforderungen stets erfüllen. Ähnlich der Pflicht der Hersteller gemäß § 9 Abs. 4 müssen Dienstleistungserbringer auf Veränderungen bei Dienstleistungen oder Barrierefreiheitsanforderungen oder bei Änderungen der harmonisierten Normen oder technischen Spezifikationen entsprechend reagieren und gegebenenfalls die erstellten Informationen über die Konformität anpassen. Die Änderungen sind insofern angemessen zu berücksichtigen, als nicht jede Änderung Auswirkungen auf die Konformität einer Dienstleistung haben muss. Damit soll insbesondere auch sichergestellt werden, dass die Barrierefreiheitsanforderungen beispielsweise bei der Verwendung neuer Tools oder Software auf einer Webseite entsprechend erfüllt werden und die Barrierefreiheit auch nach Aktualisierungen oder Überarbeitungen gewährleistet wird.
Abs. 4: Mit dieser Bestimmung wird Art. 13 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Entsprechend der Pflicht der Hersteller gemäß § 9 Abs. 8 müssen Dienstleistungserbringer Korrekturmaßnahmen durchführen, wenn sie von einer Nichtkonformität der Dienstleistung mit den Barrierefreiheitsanforderungen ausgehen. Sollten Dienstleistungserbringer feststellen, dass die Dienstleistung den Barrierefreiheitsanforderungen nicht entspricht, trifft sie zudem die Pflicht, unverzüglich das Sozialministeriumservice als zuständige Marktüberwachungsbehörde zu informieren. Sollte die Dienstleistung auch in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erbracht worden sein, sind auch die zuständigen Behörden in den entsprechenden Mitgliedstaaten zu informieren. Im Rahmen dieser Informationspflicht sind ausführliche Angaben zu machen, insbesondere welche Art der Nichtkonformität vorliegt und welche Korrekturmaßnahmen ergriffen wurden.
Abs. 5: Mit dieser Bestimmung wird Art. 13 Abs. 5 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Entsprechend den Pflichten der anderen Wirtschaftsakteure gemäß § 9 Abs. 9, § 11 Abs. 9 und § 12 Abs. 5 müssen Dienstleistungserbringer auf Verlangen des Sozialministeriumservice als Marktüberwachungsbehörde alle Informationen und Unterlagen für den Nachweis der Konformität der Dienstleistung vorlegen. Sämtliche Informationen und Unterlagen müssen in deutscher oder englischer Sprache ausgehändigt werden. Dienstleistungserbringern trifft zudem eine Kooperationspflicht.
Zu § 16 (Informationen über die bauliche Umwelt):
Bei dieser Bestimmung handelt es sich um keine Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 (vgl. Art. 4 Abs. 4). Allerdings sollen sich Dienstleistungserbringer, die Dienstleistungen nach diesem Bundesgesetz anbieten oder erbringen, bei Verwendung von Selbstbedienungsterminals gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 (Zahlungsterminals, Geldautomaten, Fahrkartenautomaten, Check-in-Automaten und interaktive Selbstbedienungsterminals zur Bereitstellung von Informationen) im Rahmen einer Deklarationspflicht mit der Barrierefreiheit der baulichen Umwelt dieser Selbstbedienungsterminals auseinandersetzen, da diese Geräte auf eine möglichst unabhängige Nutzung durch alle Kunden und Kundinnen ausgelegt sind. In vielen Fällen liegen derartige Informationen den Unternehmen bereits vor, sodass auf bestehende Informationen zurückgegriffen werden kann. Die Pflicht soll auf die bauliche Umwelt, die in die Verantwortung der Dienstleistungserbringer fällt und auf die sie damit auch einen direkten Einfluss haben, beschränkt bleiben. Der Verantwortungsbereich eines Dienstleistungserbringers ergibt sich aus den im konkreten Fall anwendbaren gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen. Im Wesentlichen ist die bauliche Umwelt von Geräten betroffen, die sich in Bankfilialen oder Bahnhöfen befinden.
Die erstellten Informationen müssen sich nicht auf sämtliche, einzelne Selbstbedienungsterminals beziehen. Vielmehr sind beispielsweise auch Ausführungen über eine Bankfiliale denkbar, in der sich mehrere Geräte befinden. Das Gleiche gilt z. B. für Bahnhöfe. Die Deklarationspflicht soll zu keinem übermäßigen Verwaltungsaufwand der Unternehmen führen.
Barrierefreie bauliche Umwelt ist insbesondere wichtig für Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen. Dazu gehören Menschen, die Rollstühle oder Rollatoren benutzen, Menschen mit Seh- und Sinnesbehinderungen, aber auch Menschen mit intellektuellen Behinderungen.
In den Informationen über die bauliche Umwelt können insbesondere Aussagen über folgende Aspekte getroffen werden: stufenloser Zugang, Gerätehöhe, adäquate Raumgrößen und Wendebereiche, visuelle, taktile und akustische Orientierungssysteme, gute Beschilderung und Beleuchtungen sowie entsprechende Sensibilität und Hilfsbereitschaft des Personals etc.
Die Bereitstellung der Informationen kann v.a. über die Webseiten der Dienstleistungserbringer erfolgen.
Zum 4. Abschnitt
Zu § 17 (Grundlegende Veränderungen):
Abs. 1: Mit dieser Bestimmung wird Art. 14 Abs. 1 lit. a der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. In Ausnahmefällen sollen nur jene Barrierefreiheitsanforderungen Anwendung finden, die nicht zu einer derartigen Änderung eines Produkts oder einer Dienstleistung führen, die die Wesensmerkmale grundlegend verändert. Von einer grundlegenden Veränderung ist insbesondere dann auszugehen, wenn der ursprüngliche, intendierte Zweck eines Produkts oder einer Dienstleistung nicht mehr erreicht wird.
Abs. 2: Mit dieser Bestimmung wird Art. 14 Abs. 2 erster Fall der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Wirtschaftsakteure nehmen die Beurteilung selbst vor.
Abs. 3: Mit dieser Bestimmung wird Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Die Beurteilung muss dokumentiert und für einen Zeitraum von fünf Jahren aufbewahrt werden, sodass dem Sozialministeriumservice auf Verlangen eine Kopie ausgehändigt werden kann. Daraus soll hervorgehen, warum ein Produkt oder eine Dienstleistung nicht vollständig barrierefrei ist.
Abs. 4: Mit dieser Bestimmung wird Art. 14 Abs. 8 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Wirtschaftsakteure trifft eine aktive Informationspflicht an das Sozialministeriumservice als Marktüberwachungsbehörde, wenn sie eine Beurteilung vorgenommen haben, ob die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen zu einer grundlegenden Veränderung führt. Gegebenenfalls müssen auch die zuständigen Behörden in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union informiert werden.
Abs. 5: Mit dieser Bestimmung wird Art. 14 Abs. 4 und Abs. 8 letzter Satz der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Sie enthält Ausnahmen für Kleinstunternehmen, die mit Produkten befasst sind, um ihren Verwaltungsaufwand zu verringern. Zum einen sind sie von der Dokumentationspflicht gemäß Abs. 3 befreit. Auf Verlangen des Sozialministeriumservice als zuständige Marktüberwachungsbehörde müssen sie aber – statt einer Kopie der dokumentierten Beurteilung – die für die Beurteilung maßgeblichen Fakten vorlegen. Zum anderen sind sie von der aktiven Informationspflicht gemäß Abs. 4 ausgenommen. Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen anbieten oder erbringen, sind nicht umfasst, da sie ohnehin bereits unter die Ausnahme gemäß § 6 Abs. 1 fallen.
Zu § 18 (Unverhältnismäßige Belastungen):
Abs. 1: Mit dieser Bestimmung wird Art. 14 Abs. 1 lit. b der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. In Ausnahmefällen sollen Wirtschaftsakteure nur zur Einhaltung jener Barrierefreiheitsanforderungen verpflichtet sein, durch die für sie keine unverhältnismäßige Belastung entsteht. In solchen hinreichend begründeten Fällen wäre es einem Wirtschaftsakteur nach vernünftigem Ermessen nicht möglich, eine oder mehrere der Barrierefreiheitsanforderungen vollumfänglich anzuwenden. Wirtschaftsakteure sollen Produkte und Dienstleistungen aber insoweit durch Anwendung dieser Anforderungen möglichst barrierefrei gestalten, als dadurch keine unverhältnismäßige Belastung entsteht. Diese Barrierefreiheitsanforderungen, die aus Sicht der Wirtschaftsakteure keine unverhältnismäßige Belastung darstellen, sollen uneingeschränkt zur Anwendung kommen. Die Ausnahmen von der Erfüllung einer oder mehrerer Barrierefreiheitsanforderungen sollen für das jeweils betroffene Produkt bzw. die jeweils betroffene Dienstleistung im Einzelfall nicht über das zur Begrenzung der Belastung unbedingt erforderliche Maß hinausgehen. Unter Maßnahmen, die eine unverhältnismäßige Belastung darstellen würden, sind Maßnahmen zu verstehen, die eine zusätzliche übermäßige organisatorische oder finanzielle Belastung für Wirtschaftsakteure bedeuten. Mangelnde Priorität, Zeit oder Kenntnisse sollen hingegen nicht als berechtigte Gründe für eine unverhältnismäßige Belastung gelten.
Bei der Beurteilung des Ausmaßes der Belastung in Zusammenhang mit Selbstbedienungsterminals sollen Dienstleistungserbringer feststellen, welcher Grad an Barrierefreiheit bei allen Terminals oder welche begrenzte Zahl vollständig barrierefreier Terminals es ihnen ermöglichen würde, eine unverhältnismäßige Belastung zu vermeiden.
Abs. 2: Mit dieser Bestimmung wird Art. 14 Abs. 2 zweiter Fall der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Wirtschaftsakteure nehmen die Beurteilung selbst vor und haben dabei die Kriterien in Anlage IV heranzuziehen.
Abs. 3: Mit dieser Bestimmung wird Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Sie entspricht § 17 Abs. 3. Siehe daher die Ausführungen zu § 17 Abs. 3.
Abs. 4: Mit dieser Bestimmung wird Art. 14 Abs. 8 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Wirtschaftsakteure trifft eine aktive Informationspflicht an das Sozialministeriumservice als Marktüberwachungsbehörde, wenn sie eine Beurteilung vorgenommen haben, ob die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen zu einer unverhältnismäßigen Belastung führt. Siehe auch die Ausführungen zu der für grundlegende Veränderungen entsprechenden Bestimmung in § 17 Abs. 4.
Abs. 5: Mit dieser Bestimmung wird Art. 14 Abs. 4 und Abs. 8 letzter Satz der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Sie entspricht § 17 Abs. 5. Siehe daher die Ausführungen zu § 17 Abs. 5.
Abs. 6: Mit dieser Bestimmung wird Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Für Dienstleistungserbringer, die keine Kleinstunternehmen sind, gelten für die Beurteilung Besonderheiten. Sie müssen die Beurteilung, ob die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen zu einer unverhältnismäßigen Belastung führt, jedenfalls alle fünf Jahre erneut vornehmen. Außerdem ist die Beurteilung unabhängig davon erneut durchzuführen, wenn die Dienstleistung verändert wird oder die Dienstleistungserbringer vom Sozialministeriumservice als zuständige Marktüberwachungsbehörde dazu aufgefordert werden.
Abs. 7: Mit dieser Bestimmung wird Art. 14 Abs. 6 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Wirtschaftsakteure können sich nicht auf unverhältnismäßige Belastungen berufen, wenn sie Mittel aus öffentlichen oder privaten Quellen erhalten, die speziell für die Verbesserung der Barrierefreiheit bereitgestellt wurden. Zu den Mitteln gehören insbesondere entsprechende Förderungen aus öffentlichen Geldern. Die Einschränkung gilt allerdings nicht für Kredite, die Wirtschaftsakteure für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtungen erhalten.
Zum 5. Abschnitt
Für die Ausstellung der EU-Konformitätserklärung und das Anbringen des CE-Kennzeichens sind die Hersteller verantwortlich, da nur sie den Herstellungsprozess eines Produktes kennen und diesen auch kontrollieren können. Dieser Grundsatz ist als Verpflichtung in § 9 Abs. 2 und der Anlage II vorgesehen.
Zu § 19 (EU-Konformitätserklärung für Produkte):
Abs. 1: Mit dieser Bestimmung wird Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Die EU-Konformitätserklärung dient als Nachweis, dass sämtliche geltende Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt werden und gegebenenfalls, welche Barrierefreiheitsanforderungen aufgrund einer grundlegenden Veränderung gemäß § 17 oder einer unverhältnismäßigen Belastung gemäß § 18 nicht erfüllt werden.
Abs. 2: Mit dieser Bestimmung wird Art. 16 Abs. 2 erster und zweiter Satz der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Abs. 3: Mit dieser Bestimmung wird Art. 16 Abs. 2 letzter Satz der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Abs. 4: Mit dieser Bestimmung wird Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Abs. 5: Mit dieser Bestimmung wird Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Zu § 20 (CE-Kennzeichnung von Produkten):
Abs. 1: Mit dieser Bestimmung werden Art. 17 und Art. 18 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Abs. 2: Mit dieser Bestimmung wird Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Abs. 3: Mit dieser Bestimmung wird Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Zum 6. Abschnitt
Laut Richtlinie (EU) 2019/882 unterliegen die in den Geltungsbereich fallenden Produkte einer Marktüberwachung (Art. 19 ff.) und die in den Geltungsbereich fallenden Dienstleistungen einer Kontrolle der Konformität (Art. 23). Die Marktüberwachung für Produkte und Dienstleistungen soll die Einhaltung der Verpflichtungen der Wirtschaftsakteure gewährleisten und insbesondere sicherstellen, dass die Barrierefreiheitsanforderungen für die unter das BaFG fallenden Produkte und Dienstleistungen entsprechend erfüllt werden. Dieses Konzept entspricht der in zahlreichen Bereichen bereits existierenden Systematik von EU-Binnenmarktrichtlinien und dem sogenannten „New Legislative Framework“. In diesem Zusammenhang ist auch auf den Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), ABl. Nr. C 272 vom 26.7.2016 S. 1, hinzuweisen.
Für Produkte verweist die Richtlinie dabei auf einzelne Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 339/93 des Rates, ABl. Nr. L 218 vom 13.8.2008 S. 30. Diese Verordnung wurde mittlerweile teilweise durch die Verordnung (EU) 2019/1020 über die Marküberwachung und die Konformität von Produkten sowie zur Änderung der Richtlinie 2004/42/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 765/2008 und (EU) Nr. 305/2011, ABl. Nr. L 169 vom 25.6.2019 S. 1, ersetzt. Die ursprünglichen Verweise müssen nunmehr anhand der Entsprechungstabelle gemäß Anhang III der Verordnung (EU) 2019/1020 gelesen werden. Zudem sieht die Richtlinie umfassende Vorgaben an die Marktüberwachung vor, die sich am bereits bestehenden unionsrechtlichen Rahmen der Marktüberwachung orientieren.
Da es im Bereich der Dienstleistungen derzeit EU-weit keine bestehende Marktüberwachung gibt, wird diese in einem eigenen Abschnitt der Richtlinie zur Konformität der Dienstleistungen etwas offener umschrieben und festgelegt. Die Entwicklung und Implementierung eines geeigneten Verfahrens wird den Mitgliedstaaten überlassen.
Die Dienstleistungen sind vielfach von den Produkten abhängig. In der Praxis hängt die Durchführung der Dienstleistungen von dienstleistungsspezifischen Produkten (z. B. Fahrkartenautomaten, Geldautomaten, Set-Top-Boxen, E-Book-Lesegeräte) oder einem PC bzw. einem Smartphone ab. Eine gemeinsame Überwachung der Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen durch eine einzelne Behörde ist daher sinnvoll und zweckmäßig.
Im Sinne der Rechtsklarheit beinhaltet daher der 6. Abschnitt Regelungen zur Marktüberwachung der unter das BaFG fallenden Produkte und Dienstleistungen. Diese Vereinheitlichung soll insbesondere auch zur Effizienz der Marktüberwachung beitragen. Diese Vorgehensweise macht es erforderlich, die nur für Produkte geltenden Bestimmungen der Verordnung (EU) 2019/1020 sinngemäß in den Gesetzestext zu übernehmen und entsprechend auch auf Dienstleistungen anzuwenden. Darüber hinaus sind nur einzelne Bestimmungen der Verordnung (EU) 2019/1020 auf die Richtlinie und damit auf das BaFG anzuwenden. Durch das Zusammentreffen von unionsrechtlichen und einzelstaatlichen Vorschriften ist es notwendig, im Sinne des Zusammenhangs und der Verständlichkeit des Gesetzes, bestimmte Teile der Verordnung in der innerstaatlichen Rechtsvorschrift zu wiederholen oder zu präzisieren. Eine Wiederholung des Inhaltes einer Verordnung ist nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ausnahmsweise erlaubt (siehe Handbuch der Rechtsetzungstechnik, EU Addendum, RNr. 12 mit Verweis auf Rs 272/83, Kommission gegen Italien, Slg. 1985, 1057, RNr. 27).
Zu § 21 (Zuständigkeit):
Die Aufgaben der Marktüberwachung sollen durch das Sozialministeriumservice in unmittelbarer Bundesverwaltung wahrgenommen werden. In Angelegenheiten der Marktüberwachung soll das Sozialministeriumservice auch als Verwaltungsstrafbehörde tätig sein (siehe § 36). In Umsetzung des Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/882 ist somit das Sozialministeriumservice zugleich die für die Kontrolle der Konformität der Dienstleistungen zuständige Behörde.
Die rechtliche Grundlage für die Vollziehung des BaFG in unmittelbarer Bundesverwaltung durch das Sozialministeriumservice bietet Art. 102 Abs. 2 B-VG. Danach können insbesondere folgende Angelegenheiten im Rahmen des verfassungsmäßig festgestellten Wirkungsbereiches unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden: Waren- und Viehverkehr mit dem Ausland; Zollwesen; Geld-, Kredit-, Börse- und Bankwesen; Verkehrswesen sowie Post- und Fernmeldewesen.
Zusätzlich ermöglicht der im Verfassungsrang stehende § 1a Sozialministeriumservicegesetz (SMSG) die Betrauung des Sozialministeriumservice auch in Angelegenheiten, die nicht in Art. 102 Abs. 2 B-VG genannt werden. Nach den Materialien zu § 1a SMSG soll sich die Zuständigkeit des Sozialministeriumservice jedoch „dem Grunde nach an den bisherigen Zuständigkeiten orientieren.“
Das Sozialministeriumservice hat eine hohe Expertise und Kompetenz im Bereich Barrierefreiheit und fungiert als Kompetenzzentrum für Menschen mit Behinderungen. Es hat umfassende Erfahrung im Kontakt mit Wirtschaftsakteuren bzw. Unternehmen, wie z.B. im Rahmen der Beratung und Gewährung von Förderungen an Unternehmen (auch für Adaptierungen zur Herstellung von Barrierefreiheit), der Vorschreibung der jährlichen Ausgleichstaxen und der Durchführung von Schlichtungsverfahren nach dem Behindertengleichstellungsrecht sowie von Kündigungsverfahren nach § 8 Behinderteneinstellungsgesetz.
§ 6 Abs. 5 BGStG enthält eine allgemeine Definition von Barrierefreiheit, die ein zentrales Element des Behindertengleichstellungsrechts ist. Das im Behindertengleichstellungsrecht vorgesehene Schlichtungsverfahren hat das Sozialministeriumservice durchzuführen. Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) stellt explizit klar, dass Barrieren Diskriminierungen darstellen können, die es zu verhindern gilt. Dieses Verhindern von Barrieren entspricht auch dem Zweck der Richtlinie (EU) 2019/882, wonach die Verfügbarkeit barrierefreier Produkte und Dienstleistungen auf dem Binnenmarkt erhöht und die Barrierefreiheit einschlägiger Informationen verbessert werden soll. Ein Umfeld mit besser zugänglichen Produkten und Dienstleistungen ermöglicht eine inklusivere Gesellschaft und erleichtert Menschen mit Behinderungen ein unabhängiges Leben (siehe Erwägungsgrund 1 und 2 der Richtlinie (EU) 2019/882).
Der Diskriminierungsschutz des BGStG umfasst insbesondere den Zugang zu Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen (siehe § 2 Abs. 2 BGStG). Daher unterliegen alle im BaFG angeführten Dienstleistungen auch dem Diskriminierungsverbot des BGStG.
An die bestehenden Agenden des Sozialministeriumservice sollen nunmehr die neuen Agenden nach dem BaFG – und hier vor allem die Marktüberwachung der Produkte und Dienstleistungen – andocken und damit die Zuständigkeiten des Sozialministeriumservice zweckmäßig ausfüllen. Auf diese Weise wird das bestehende Behindertengleichstellungsrecht durch das neue BaFG unterstützt.
Eine Zustimmung der Länder gemäß Art. 102 Abs. 4 B-VG ist daher nicht erforderlich.
Die Betrauung einer zentralen Bundesbehörde mit der Durchführung aller Agenden des BaFG ist zudem – insbesondere im Hinblick auf den Umfang und die Komplexität der Rechtsmaterie – effizient und kostensparend. Damit werden Doppelgleisigkeiten verhindert, eine einheitliche Vorgangsweise und Entscheidungspraxis gewährleistet und die fachliche Kompetenz der in der Marktüberwachung beschäftigten Bundesbediensteten gefördert.
Unter Amtshandlungen sollen einerseits hoheitliche Handlungen verstanden werden, wie insbesondere das Verfahren in Bezug auf die Marktüberwachung und in Bezug auf Verwaltungsstrafen, als auch Eingaben in das europäische Informations- und Kommunikationssystem für die Marktüberwachung (ICSMS) sowie Informationen an die Öffentlichkeit oder bloße Auskünfte.
Zu § 22 (Aufgabe der Marktüberwachung):
Abs. 1: Nicht alle geltenden Bestimmungen der Verordnung (EU) 2019/1020 müssen für das Verfahren der Marktüberwachung im BaFG wiedergegeben werden (beispielsweise Art. 2 Abs. 3 für den Bereich Produktsicherheit). Um eine vollständige Umsetzung des Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/882 zu gewährleisten und im Bedarfsfall die Anwendbarkeit der Verordnung klarzustellen, ist es notwendig, auf die in Zusammenhang mit Produkten geltenden Bestimmungen der Verordnung zu verweisen. Die Anlage V enthält daher eine vollständige Liste der geltenden Bestimmungen, die sich aus den in Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/882 iVm der Entsprechungstabelle gemäß Anhang III der Verordnung (EU) 2019/1020 ergibt.
Abs. 2: Mit dieser Bestimmung sollen die grundlegenden Leitlinien für die Tätigkeiten im Rahmen der Marktüberwachung skizziert werden, die auf den Grundsatz in Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2019/1020 zurückgehen.
Abs. 3: Diese Bestimmung geht auf Art. 11 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2019/1020 zurück. Die Schwerpunkte für die Marktüberwachung werden jährlich im nationalen Marktüberwachungsprogramm festgelegt. Für die Auswahl der Produkte und Dienstleistungen spielen insbesondere die Marktdurchdringung, Fälle der Nichtkonformität in der Vergangenheit, Beschwerden von Verbrauchern und Verbraucherinnen sowie Informationen von anderen Behörden, Wirtschaftsakteuren, Medien und aus anderen Quellen eine Rolle. Unter Laborprüfungen sind jegliche technischen Überprüfungen zu verstehen, die vom Sozialministeriumservice selbst oder durch beauftragte externe Stellen, wie z.B. Sachverständige, durchgeführt werden.
Abs. 4: Diese Bestimmung dient der Umsetzung von Art. 23 Abs. 2 letzter Satz der Richtlinie (EU) 2019/882. Das Sozialministeriumservice soll über jene Entscheidungen informieren, die für die Öffentlichkeit und für Endnutzer und Endnutzerinnen von besonderem Interesse sind. Zu Informationen in barrierefreien Formaten zählen auch Informationen in einfacher bzw. Leichter Sprache.
Abs. 5: Mit dieser Bestimmung wird Art. 19 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Sie trägt auch dem in Art. 17 erster Satz der Verordnung (EU) 2019/1020 enthaltenen Transparenzgrundsatz Rechnung. Die Grenze, wonach Informationen aus Gründen der Vertraulichkeit nicht gegeben werden können, ergibt sich aus Abs. 6. Zu Informationen in barrierefreien Formaten zählen auch Informationen in einfacher bzw. Leichter Sprache.
Abs. 6: Die Bestimmung entspricht Art. 17 zweiter Satz der Verordnung (EU) 2019/1020. Bei den Marktüberwachungstätigkeiten soll das Sozialministeriumservice vor allem den Grundsatz der Vertraulichkeit und des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses beachten. Dies gilt insbesondere bei Auskünften an Dritte.
Abs. 7: Das Sozialministeriumservice soll im Rahmen der Marktüberwachung von Produkten im Zusammenhang mit den durch die Richtlinie (EU) 2019/882 am Binnenmarkt etablierten Barrierefreiheitsanforderungen das von der Europäischen Kommission eingeführte, bestehende Informations- und Kommunikationssystem für die Marktüberwachung entsprechend nutzen und betreuen, indem notwendige Daten eingegeben und gemeldet bzw. abgerufen werden.
Zu § 23 (Befugnisse und Betretungsrechte):
Abs. 1: Um Produkte und Dienstleistungen überprüfen zu lassen, können auch Sachverständige beigezogen werden. Notwendige Tools und Zugangsdaten sind beispielsweise benötigte Login-Daten (z.B. für E-Banking). Dabei handelt es sich aber nicht um Zugangsdaten von bestehenden Kunden und Kundinnen von Dienstleistungen, private Zugangsdaten der mit der Marktüberwachungsaufgabe betrauten natürlichen Person oder Zugangsdaten der Behörde. Dem Wirtschaftsakteur steht es frei, welche Tools bereitgestellt werden und wie der Zugang für die Überprüfung des Produkts oder der Dienstleistung ermöglicht wird. Denkbar ist beispielweise eine eigens für Testzwecke von einer Bank bereitgestellte Bankomatkarte oder spezielle Parameter, über die eine Dienstleistung aus der Perspektive einer Verbraucherin oder eines Verbrauchers in Anspruch genommen werden kann.
Abs. 2: Es soll keine Probenentschädigung vorgesehen werden, da verwendete Geräte im Rahmen der Überprüfung nicht in Einzelteile zerlegt oder gar unbrauchbar gemacht werden. Vielmehr sind die Produkte und verwendeten Geräte, wenn diese von Wirtschaftsakteuren zur Verfügung gestellt werden, wieder zurückzugeben.
Abs. 3: Diese Bestimmung geht auf Art. 14 Abs. 4 lit. j der Verordnung (EU) 2019/1020 zurück.
Abs. 4: Diese Bestimmung geht auf Art. 14 Abs. 4 lit. e der Verordnung 2019/1020 zurück und räumt dem Sozialministeriumservice im Rahmen seiner Marktüberwachungstätigkeit ein Betretungsrecht ein.
Abs. 5: Diese Bestimmung geht auf Art. 14 Abs. 4 lit. a der Verordnung (EU) 2019/1020 zurück.
Abs. 6: Diese Bestimmung geht auf Art. 14 Abs. 4 lit. b der Verordnung (EU) 2019/1020 zurück.
Abs. 7: Durch die rechtzeitige Ankündigung der Überprüfung eines Selbstbedienungsterminals soll gewährleistet werden, dass die benötigten Geräte zum entsprechenden Zeitpunkt tatsächlich auch erreichbar sind, da die Überprüfung in der Regel am Standort des Selbstbedienungsterminals stattfinden wird. Wirtschaftsakteure haben dafür zu sorgen, dass die Geräte für die erforderliche Zeit ungestört zur Verfügung stehen.
Abs. 8: Durch die Marktüberwachung soll es zu keinen nicht unbedingt notwendigen Störungen oder Behinderungen des Geschäftsbetriebes oder Betriebsablaufes kommen.
Abs. 9: Im Fall, dass ein Produkt oder eine Dienstleistung den Barrierefreiheitsanforderungen nicht entspricht, kann der Ersatz der für die Überprüfung angefallenen Kosten, insbesondere Sachverständigenkosten, den betroffenen Wirtschaftsakteuren vorgeschrieben werden.
Zu § 24 (Prüfung von grundlegenden Veränderungen, unverhältnismäßigen Belastungen und der Ausnahme von Kleinstunternehmen):
Abs. 1: Mit dieser Bestimmung wird Art. 19 Abs. 2 und Art. 23 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2019/882 umgesetzt. Unter den „geltenden Barrierefreiheitsanforderungen“ in Z 3 sind jene Anforderungen gemeint, für die keine Ausnahme gemäß § 17 oder § 18 vorliegt. Siehe auch die Erläuterungen zu § 17 und § 18.
Abs. 2: Wirtschaftsakteure, die sich auf die Ausnahme für Kleinstunternehmen gemäß § 6 Abs. 1 berufen, trifft eine Mitwirkungspflicht bei der Prüfung der Ausnahme, indem sie auf Verlangen des Sozialministeriumservice entsprechende Unterlagen vorzulegen haben.
Zu § 25 (Prüfung der Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen):
Mit dieser Bestimmung wird Art. 20 Abs. 1 Unterabsatz 1 und Art. 23 Abs. 1 lit. a der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Das Sozialministeriumservice soll Anhaltspunkten nachgehen und umfassend prüfen, ob die Anforderungen nach dem BaFG erfüllt werden. Wirtschaftsakteure trifft dabei eine Kooperationspflicht.
Zu § 26 (Marktüberwachungsmaßnahmen bei Produkten):
Für die in dieser Bestimmung vorgesehenen Informationen an die Europäische Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten kann das europäische Informations- und Kommunikationssystem für die Marktüberwachung (ICSMS) genützt werden. Siehe auch § 22 Abs. 7.
Abs. 1: Mit dieser Bestimmung wird Art. 20 Abs. 1 Unterabsätze 2 und 3 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Wenn das Sozialministeriumservice durch Ermittlungen zum Ergebnis kommt, dass ein Produkt die Barrierefreiheitsanforderungen nicht erfüllt, sollen in einem ersten Schritt betroffene Wirtschaftsakteure dazu aufgefordert werden, geeignete Korrekturmaßnahmen zu treffen. Wenn keine Korrekturmaßnahmen getroffen wurden, werden die betroffenen Wirtschaftsakteure aufgefordert, das Produkt vom Markt zu nehmen oder zurückzurufen. Bei diesen Aufforderungen handelt es sich um keine Bescheide. Das Sozialministeriumservice soll den Unternehmen die Möglichkeit einräumen, ihren Verpflichtungen nach dem BaFG nachzukommen.
Abs. 2: Mit dieser Bestimmung wird Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Abs. 3: Mit dieser Bestimmung wird Art. 20 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Abs. 4: Mit dieser Bestimmung wird Art. 20 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Erst, wenn betroffene Wirtschaftsakteure den Aufforderungen nach Abs. 1 nicht nachgekommen sind, soll das Sozialministerium mit Bescheid geeignete Maßnahmen treffen. Die Möglichkeiten des Sozialministeriumservice ergeben sich bereits aus Art. 16 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2019/1020. In Entsprechung der geltenden Verordnung (EU) 2019/1020 kann das Sozialministeriumservice auch einen Produktrückruf vorsehen. Dieses Marktüberwachungsinstrument soll allerdings nur als Ultima Ratio, unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit, dienen.
Abs. 5: Mit dieser Bestimmung wird Art. 20 Abs. 5 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Abs. 6: Mit dieser Bestimmung wird Art. 20 Abs. 6 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Abs. 7: Mit dieser Bestimmung wird Art. 20 Abs. 7 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Zu § 27 (Schutzklauselverfahren der Europäischen Union):
Mit dieser Bestimmung wird Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Sie betrifft nur die Marktüberwachung bei Produkten.
Zu § 28 (Marktüberwachungsmaßnahmen bei Dienstleistungen):
Abs. 1: Mit dieser Bestimmung wird Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Sie enthält eine Regelung zu Marktüberwachungsmaßnahmen bei Dienstleistungen. In einem ersten Schritt sollen die Dienstleistungserbringer dazu aufgefordert werden, geeignete Korrekturmaßnahmen zu treffen. Wenn diese nicht getroffen wurden, werden die betroffenen Dienstleistungserbringer mit Bescheid zu Korrekturmaßnahmen oder zu anderen Maßnahmen verpflichtet. Diese müssen geeignet und verhältnismäßig sein. Möglich ist z. B. die Verpflichtung, die Öffentlichkeit über Medien oder die eigenen Webseiten über die Nichteinhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen zu informieren. Als Ultima Ratio könnte auch die Verpflichtung zur Einstellung der Dienstleistung in Betracht kommen.
Abs. 2: Diese Bestimmung sieht eine Maßnahme des Sozialministeriumservice vor, wenn Dienstleistungserbringer ihre Deklarationspflicht gemäß § 16 nicht erfüllt haben. Das Sozialministeriumservice prüft dabei lediglich, ob die Informationen über die bauliche Umwelt bereitgestellt wurden. Eine inhaltliche Überprüfung der Angaben ist davon nicht umfasst.
Zu § 29 (Marktüberwachungsmaßnahmen bei formaler Nichtkonformität):
Abs. 1 und Abs. 2: Mit diesen Bestimmungen wird Art. 22 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Abs. 3 und Abs. 4: Diese Bestimmungen enthalten Regelungen zu Marktüberwachungsmaßnahmen bei formaler Nichtkonformität in Bezug auf Dienstleistungen und entsprechen der Vorgehensweise bei Produkten gemäß Abs. 1 und Abs. 2. Sie dienen somit auch der Umsetzung des Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/882.
Zu § 30 (Aufhebung von Maßnahmen):
Für Fälle, in denen Wirtschaftsakteure Korrekturmaßnahmen ergriffen und damit den gesetzmäßigen Zustand ihrer Produkte oder Dienstleistungen hergestellt haben, sollen die angeordneten Maßnahmen auf Antrag wieder aufgehoben werden. Die Maßnahmen können auch nur teilweise aufgehoben werden, wenn nach Einschätzung des Sozialministeriums weiterhin Maßnahmen notwendig sind.
Zu § 31 (Rechtsmittel):
Abs. 1: Aufgrund der Vollziehung durch das Sozialministeriumservice als Bundesbehörde in unmittelbarer Bundesverwaltung besteht eine Beschwerdemöglichkeit an das Bundesverwaltungsgericht.
Abs. 2: Im Sinne von Art. 133 Abs. 8 B-VG wird dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine Revisionsmöglichkeit eingeräumt.
Zu § 32 (Zollbehörde):
Für die Kontrolle von Produkten, die aus Drittstaaten auf den Unionsmarkt gelangen (Einfuhr), gelten gemäß Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/882 die Art. 27, Art. 28 sowie Art. 29 Abs. 2 und Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 bzw. nunmehr die Artikel 25 bis 27 und Art. 28 Abs. 2 und Abs. 3 der Verordnung (EU) 2019/1020. In Durchführung der Verordnung soll festgelegt werden, dass das Zollamt Österreich die in Österreich zuständige Zollbehörde ist, welche die Kontrolltätigkeiten im Rahmen der Zollverfahren gemäß Art. 25 Abs. 1 bis 4 dieser Verordnung durchführt.
Zum 7. Abschnitt
Zu § 33 (Barrierefreiheit gemäß Bundesvergabegesetz 2018, Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018 und Rechtsakten der Europäischen Union):
Abs. 1: Mit dieser Bestimmung wird Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt, der einen Verweis auf Art. 42 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU sowie Art. 60 Abs. 1 der Richtlinie 2014/25/EU enthält. Diese beiden Bestimmungen wurden in Österreich in § 107 Abs. 1 bzw. § 275 Abs. 1 Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018) umgesetzt.
Mit dieser Bestimmung soll ein ausdrücklicher Konnex zum öffentlichen Auftragswesen hergestellt werden, das in § 107 Abs. 1 und § 275 Abs. 1 Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018) sowie in § 60 Abs. 1 BVergGKonz 2018 Verpflichtungen zur Berücksichtigung von Barrierefreiheitsanforderungen vorsieht. Die vorgesehenen Anforderungen des BaFG sind in Vergabeverfahren gemäß den genannten Bestimmungen des BVergG 2018 bzw. des BVergGKonz 2018 bereits grundsätzlich verpflichtend zu berücksichtigen. Die ausdrückliche Bezugnahme auf die vergaberechtlichen Bestimmungen soll zur Klarstellung und Rechtssicherheit für Rechtsanwender und -anwenderinnen beitragen.
Die Richtlinie (EU) 2019/882 nimmt zwar keinen Bezug auf die Richtlinie 2014/23/EU. Da aber im BVergGKonz 2018 eine zu den §§ 107 und 275 BVergG 2018 gleichlautende Bestimmung verankert ist, ist auch ein Verweis auf das BVergGKonz 2018 erforderlich.
Abs. 2: Mit dieser Bestimmung wird Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Für Produkte und Dienstleistungen, die nicht in den Geltungsbereich des BaFG fallen, sind die Barrierefreiheitsanforderungen nicht verpflichtend. Die Heranziehung der Barrierefreiheitsanforderungen für die Erfüllung der in anderen Rechtsakten der Europäischen Union als der Richtlinie (EU) 2019/882 enthaltenen einschlägigen Verpflichtungen und den sie umsetzenden nationalen Vorschriften kann jedoch die Umsetzung der Barrierefreiheit erleichtern und zu Rechtssicherheit und zur unionsweiten Angleichung der Barrierefreiheitsanforderungen beitragen. Die Richtlinie (EU) 2019/882 setzt somit einen Standard, der auch für einzelne Merkmale, Bestandteile oder Funktionen von anderen Produkten und Dienstleistungen herangezogen werden kann, für die Barrierefreiheitsverpflichtungen in anderen EU-Rechtsakten vorgesehen sind (wie z. B. in der Richtlinie 2014/24/EU sowie in der Richtlinie 2014/25/EU). Damit soll es Rechtsanwendern und -anwenderinnen erleichtert werden, Verpflichtungen zur Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen, die nicht vom Geltungsbereich des BaFG umfasst sind, zu erfüllen.
Zu § 34 (Harmonisierte Normen und technische Spezifikationen für Rechtsakte der Europäischen Union):
Mit dieser Bestimmung wird Art. 25 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Auch in Fällen des § 33 soll die Konformitätsvermutung bei Heranziehung von harmonisierten Normen oder technischen Spezifikationen die Bewertung der Konformität mit den geltenden Barrierefreiheitsanforderungen erleichtern. Siehe auch die Erläuterungen zu § 5.
Zum 8. Abschnitt:
Zu § 35 (Rechtsdurchsetzung):
Abs. 1: Verbraucher und Verbraucherinnen sollen durch diese Bestimmung eine gesetzlich vorgesehene, niederschwellige Möglichkeit haben, sich an die Marktüberwachungsbehörde zu wenden. Dafür ist kein Antrag oder formelles Verfahren notwendig. Verbraucher und Verbraucherinnen können sich schriftlich, elektronisch, telefonisch oder persönlich an das Sozialministeriumservice wenden. Ihnen kommt im Verfahren keine Parteistellung zu. Das Sozialministeriumservice muss dabei barrierefreie Kommunikationsmöglichkeiten sicherstellen.
Darüber hinaus gibt es weitere Instrumente, die geltend gemacht werden können. So stehen Verbrauchern und Verbraucherinnen einerseits Schlichtungsmöglichkeiten nach dem Alternative-Streitbeilegung-Gesetz offen. Zusätzlich stehen auch gleichstellungsrechtliche Instrumente zur Verfügung. Nach dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz können weiterhin Schlichtungsverfahren wegen Diskriminierung aufgrund fehlender Barrierefreiheit eingeleitet und allenfalls Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Daneben können auch bestehende zivilrechtliche Ansprüche genützt werden. Zum Beispiel kommen Gewährleistungs- oder Schadenersatzansprüche aufgrund eines Mangels in Frage, wenn die durch das BaFG gesetzlich vorgegebenen Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen nicht eingehalten werden.
Im Gegensatz zum Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, das ein Nichtdiskriminierungsgesetz ist, legt das BaFG verpflichtende Barrierefreiheitsanforderungen fest. Wie auch andere Materiengesetze, die für bestimmte Bereiche Barrierefreiheitsanforderungen enthalten, ändert das BaFG nichts am Rechtsschutzinstrumentarium des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes (Schlichtungen und Klagen, einschließlich Verbandsklagen). Daher ist das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung durch Barrieren nach dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz einzelfallbezogen gemäß § 6 Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz zu prüfen und zu beurteilen. Die beiden Gesetze ergänzen sich gegenseitig und tragen damit erheblich zur Stärkung der Barrierefreiheit bei. Durch das BaFG wird künftig insbesondere klargestellt, wie bestimmte Produkte und Dienstleistungen technisch gestaltet sein müssen, damit sie barrierefrei sind. Ein Kleinstunternehmen, das Dienstleistungen anbietet, und damit nicht vom BaFG umfasst ist, fällt grundsätzlich unter das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, wenn es seine Dienstleistungen öffentlich anbietet. Es kann beim Vorwurf einer Diskriminierung durch Barrieren in einem Verfahren nach dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz geltend machen, dass die Beseitigung der Barrieren wegen unverhältnismäßiger Belastungen unzumutbar sei und daher keine Diskriminierung vorliege. Das Vorliegen einer Ausnahme nach dem BaFG bewirkt nicht, dass eine mittelbare Diskriminierung durch Barrieren nach dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz pauschal und ausnahmslos zu verneinen ist.
Abs. 2: Der Verein für Konsumenteninformation, der Österreichische Behindertenrat, die Bundesarbeiterkammer und die Wirtschaftskammer haben einerseits ein besonderes, berechtigtes Interesse daran, dass das BaFG eingehalten wird und andererseits Erfahrungen in der Rechtsdurchsetzung und Interessenvertretung. Ihnen soll daher ein Vertretungsrecht zukommen.
Abs. 3: Die Marktüberwachungsbehörde soll innerhalb von 8 Wochen über die weiteren Schritte informieren und dabei eine Auskunft geben, ob ein Verfahren eingeleitet wird und eine Begründung anführen, wenn kein Verfahren eingeleitet wird. Bei dieser Information handelt es sich um kein hoheitliches Verfahren und daher um keinen Bescheid.
Abs. 4: Mit dieser Bestimmung wird Art. 29 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Angesichts des bestehenden Rechtsrahmens für Rechtsbehelfe im Vergaberecht, der innerstaatlich mit dem Bundesvergabegesetz 2018 sowie dem Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018 vorgegeben wird, sollen die Bestimmungen des BaFG in Bezug auf Rechtsdurchsetzung und Verwaltungsstrafen nicht für Vergabeverfahren gelten.
Siehe auch die Ausführungen zu § 33 Abs. 1 betreffend Richtlinie 2014/23/EU. Es ist innerstaatlich geboten, das Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018 von den Bestimmungen des BaFG zu Rechtsdurchsetzung und Verwaltungsstrafen auszunehmen, um eine sachlich nicht rechtfertigbare Ungleichbehandlung im Rechtsschutz von Vergabeverfahren nach dem Bundesvergabegesetz 2018 einerseits und jenen nach dem Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018 andererseits zu vermeiden.
Zu § 36 (Verwaltungsstrafbestimmungen):
Abs. 1 bis 3: Mit diesen Bestimmungen wird Art. 30 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Um die Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sicherzustellen werden Verwaltungsstraftatbestände normiert. Verwaltungsstrafbehörde ist das Sozialministeriumservice. Mit der Höhe der Strafrahmen von bis zu 80.000 Euro soll eine wirkungsvolle und angemessene generalpräventive Wirkung erreicht werden. Bei den Strafhöhen handelt es sich um Maximalbeträge, die je nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und Größe des Unternehmens eine zielgerichtete und möglichst differenzierte Bemessung der Höhe der Geldstrafe ermöglichen sollen. Die Geldstrafen sollen eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionsmöglichkeit darstellen. Für kleine und mittlere Unternehmen sowie für Kleinstunternehmen, die mit Produkten befasst sind, sollen hingegen geringere Maximalstrafen gelten. Die Behörde sollte auch das Prinzip „Beraten vor strafen“ entsprechend berücksichtigen, insbesondere bei erstmaligen oder geringfügigen Verstößen.
Abs. 2 Z 6 und 7: Mit diesen Bestimmungen wird Art. 18 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Abs. 4: Mit dieser Bestimmung wird Art. 30 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Abs. 5: Werden nach diesem Bundesgesetz Geldstrafen verhängt, sollen diese dem Bund zufallen.
Abs. 6: Mit dieser Bestimmung wird Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Siehe dazu die Erläuterungen zu § 35 Abs. 4.
Zum 9. Abschnitt:
Zu § 37 (Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen):
Abs. 1: Der Zeitpunkt des Inkrafttretens ergibt sich aus der vorgegebenen Anwendbarkeit gemäß Art. 31 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/882.
Abs. 2: Mit der Bestimmung wird Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Dienstleistungserbringern soll ermöglicht werden, während eines Übergangszeitraums von fünf Jahren beim Angebot oder Erbringung einer Dienstleistung bereits vor dem 28. Juni 2025 eingesetzte Produkte weiterhin einzusetzen. Dienstleistungsverträge dürfen während dieser fünf Jahre unverändert fortbestehen. Dies gibt Dienstleistungserbringern ausreichend Zeit, um ihre Dienstleistungen an die neuen Barrierefreiheitsanforderungen anzupassen.
Abs. 3: Mit dieser Bestimmung wird Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Durch die erweiterten Übergangszeitraum für Selbstbedienungsterminals soll es Dienstleistungserbringern ermöglicht werden, bereits vor dem 28. Juni 2025 verwendete Terminals weiterhin zu verwenden und nicht sämtliche Geräte sofort ab Inkrafttreten des BaFG austauschen zu müssen. Sie dürfen aber nur bis zum Ende ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer eingesetzt werden bzw. maximal 20 Jahre nach ihrer ersten Ingebrauchnahme. Neu eingesetzte oder ausgetauschte Selbstbedienungsterminals müssen die entsprechenden Barrierefreiheitsanforderungen jedenfalls erfüllen. Damit werden die Kosten und die lange Lebensdauer von Selbstbedienungsterminals entsprechend berücksichtigt.
Für Zahlungsterminals ist diese Übergangsbestimmung nicht relevant, da sie nicht zur Erbringung der unter das BaFG fallenden Dienstleistungen bestimmt sein müssen. Dadurch ergibt sich keine Verpflichtung von anderen Dienstleistungserbringern, sondern lediglich der Hersteller, Händler und Importeure.
Zu § 38 (Verarbeitung von personenbezogenen Daten):
Zum Zweck der Erfüllung der Aufgaben nach dem BaFG wird das Sozialministeriumservice als Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Z 7 Datenschutz-Grundverordnung zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten ermächtigt. Die Verarbeitung ist insoweit zulässig, als sie zur Identifizierung der Wirtschaftsakteure notwendig ist.
Zu § 39 (Ermächtigung zum internationalen Datenaustausch):
Abs. 1 und 2: Mit dieser Bestimmung wird die Weitergabe von Daten zu Wirtschaftsakteuren und von Informationen zu Produkten und Dienstleistungen, die bei der Vollziehung des BaFG erhoben werden, an die Europäische Kommission und die in den anderen Mitgliedstaaten zuständigen Behörden ermöglicht, wobei auch die Einspeisung in das europäische Informations- und Kommunikationssystem für Marktüberwachung (ICSMS) erfasst ist.
Zu § 40 (Mitwirkung an der Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission):
Mit dieser Bestimmung wird Art. 28 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Die Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission soll insbesondere den Informationsaustausch zwischen Behörden und einschlägigen Interessensträgern und -trägerinnen erleichtern und die Zusammenarbeit zwischen Behörden sowie einschlägigen Interessensträgern und -trägerinnen im Sinne einer einheitlicheren Anwendung der Barrierefreiheitsanforderungen nach der Richtlinie (EU) 2019/882 unterstützen.
Zu § 41 (Berichterstattung an die Europäische Kommission):
Mit dieser Bestimmung wird Art. 33 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Zu § 44 (Umsetzungshinweis):
Diese Bestimmung enthält den erforderlichen Umsetzungshinweis und dient damit auch der Umsetzung des Art. 31 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/882.
Zu Anlage I:
Mit dieser Anlage wird Anhang I der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Die verbindlichen Barrierefreiheitsanforderungen sind als allgemeine Ziele formuliert. Dadurch ist gewährleistet, dass die Anforderungen genau und detailliert genug sind, um Verpflichtungen zu schaffen, und gleichzeitig auch ein gewisser Spielraum für Innovationen besteht.
Anlage I enthält folgende Abschnitte:
Abschnitt I – Allgemeine Barrierefreiheitsanforderungen für alle Produkte gemäß § 2 Abs. 1
Abschnitt II – Barrierefreiheitsanforderungen in Bezug auf Produkte gemäß § 2 Abs. 1, mit Ausnahme von Selbstbedienungsterminals gemäß § 2 Abs. 1 Z 2
Abschnitt III – Allgemeine Barrierefreiheitsanforderungen für alle Dienstleistungen gemäß § 2 Abs. 2
Abschnitt IV – Zusätzliche Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Dienstleistungen
Abschnitt V – Barrierefreiheitsanforderungen für Merkmale, Bestandteile oder Funktionen von Produkten und Dienstleistungen gemäß § 33 Abs. Mit dieser Bestimmung wird Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt.
Abschnitt VI – Anforderungen an die Funktionalität
Abschnitt VI enthält Anforderungen an die Funktionalität. Diese stellen keine generelle Alternative zu den Barrierefreiheitsanforderungen dar. Sie sollen vielmehr nur zur Anwendung kommen, wenn einerseits für gewisse Funktionen oder Merkmale der Produkte bzw. Dienstleistungen die Barrierefreiheitsanforderungen der Abschnitte I bis IV nicht genützt werden können, da sie keine ausreichende Handhabe bieten. Andererseits können die Anforderungen an die Funktionalität herangezogen werden, wenn für technische Barrierefreiheitsanforderungen an das Produkt oder die Dienstleistung eine andere technische, innovative Lösung vorgesehen werden soll und mit dieser Lösung eine vergleichbare oder bessere Barrierefreiheit erreicht werden kann.
Zu Anlage II:
Mit dieser Anlage wird Anhang IV der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Sie enthält Bestimmungen für die Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens.
Zu Anlage III:
Mit dieser Anlage wird Anhang V der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Sie enthält Bestimmungen für die Erstellung der Informationen über die Konformität von Dienstleistungen.
Zu Anlage IV:
Mit dieser Anlage wird Anhang VI der Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Sie enthält Kriterien zur Beurteilung der unverhältnismäßigen Belastung.
Zu Anlage V:
Diese Anlage enthält eine vollständige Liste jener Bestimmungen der Verordnung (EU) 2019/1020, die gemäß Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/882 in Verbindung mit der Entsprechungstabelle gemäß Anhang III der Verordnung (EU) 2019/1020 für Produkte anwendbar sind.
Zu Art. 2: Änderung des Sozialministeriumservicegesetzes
Zu § 2 Abs. 3a und § 4 Abs. 2 Z 5:
Zur Klarstellung sollen auch im Sozialministeriumservicegesetz die neuen Aufgaben des Sozialministeriumservice, die sich aus dem BaFG ergeben, festgelegt werden. Dies dient insbesondere der Rechtssicherheit, Nachvollziehbarkeit und Transparenz.
Zu § 10:
Mit der Novelle des Sozialministeriumservicegesetzes werden dem SMS nicht nur die entsprechenden Agenden nach dem BaFG übertragen. Das Sozialministeriumservice ist zudem befugt, organisatorische und personelle Maßnahmen in Zusammenhang mit der Vorbereitung der Marktüberwachung, wie insbesondere Einstellung und Schulung des erforderlichen Personals und Tätigung von Sachkosten, bereits ab dem 1. Jänner 2024 durchführen zu können.
Mit dem Aufbau der Marktüberwachung soll daher bereits 2024 begonnen werden. So sollen schrittweise Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Sozialministeriumservice aufgenommen werden und Sachaufwendungen getätigt werden.
Die Umstrukturierung mit der Änderung der Paragrafenbezeichnung, der Aufnahme eines neuen § 10 und dem Entfall des bisherigen § 11 dient der Rechtsbereinigung. Die Bestimmung des bisher geltenden § 11 über organisatorische und personelle Maßnahmen in Zusammenhang mit der Errichtung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen und der Einrichtung der Landesstellen wird nicht mehr benötigt.