Entwurf
Bundesgesetz, mit dem ein Terrorinhalte-Bekämpfungs-Gesetz erlassen und das KommAustria-Gesetz geändert wird
Der Nationalrat hat beschlossen:
Artikel 1
Bundesgesetz zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte (Terrorinhalte-Bekämpfungs-Gesetz – TIB-G)
Gegenstand
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Durchführung der sich aus der Verordnung (EU) Nr. 784/2021 zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte, ABl. Nr. L 172 vom 17.05.2021 S. 79, (im Folgenden: Verordnung) ergebenden Verpflichtungen.
(2) Die Erfüllung dieser Verpflichtungen dient der Verhinderung des Missbrauchs der Angebote von Hostingdiensteanbietern (Art. 2 Nummer 1 der Verordnung) für die Verbreitung terroristischer Inhalte (Art. 2 Nummer 7 der Verordnung), der Erhöhung der Rechtssicherheit für diese Anbieter, der Stärkung des Vertrauens der Nutzerinnen und Nutzer in das Online-Umfeld sowie der Gewährleistung der Freiheit der Meinungsäußerung.
Zuständige Behörde
§ 2. (1) Zuständige Behörde im Sinne des Art. 12 Abs. 1 der Verordnung und damit für die Erlassung von Entfernungsanordnungen nach Art. 3 der Verordnung, die Überprüfung von Entfernungsanordnungen nach Art. 4 der Verordnung, für die Überwachung der Durchführung spezifischer Maßnahmen nach Art. 5 der Verordnung zuständig und Strafbehörde für die Zwecke des § 3 ist die gemäß § 1 des KommAustria-Gesetzes (KOG), BGBl. I Nr. 32/2001, eingerichtete Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria).
(2) Zur Unterstützung der KommAustria bei der Erfüllung der aus der Verordnung resultierenden Aufgaben einschließlich der Einrichtung einer Kontaktstelle im Sinne des Art. 12 Abs. 2 der Verordnung ist die RTR-GmbH, Fachbereich Medien berufen. Soweit die RTR-GmbH, Fachbereich Medien dabei personenbezogene Daten verarbeitet, wird sie als Auftragsverarbeiter der KommAustria tätig. Die RTR GmbH ist in dieser Funktion verpflichtet, die Datenschutzpflichten gemäß Art. 28 Abs. 3 lit. a bis h DSGVO wahrzunehmen.
Strafbestimmungen
§ 3. (1) Wer als Hostingdiensteanbieter
1. entgegen den Vorgaben in Art. 3 Abs. 6 der Verordnung die zuständige Behörde oder im Fall des Art. 4 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 6 der Verordnung die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates nicht unverzüglich über die Entfernung oder die Sperrung der terroristischen Inhalte unterrichtet,
2. der zuständigen Behörde entgegen Art. 5 Abs. 5 der Verordnung nicht oder verspätet über die spezifischen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Inhalte über seine Dienste Bericht erstattet,
3. aufgrund einer Entfernungsanordnung oder infolge spezifischer Maßnahmen nach Art. 3 oder 5 der Verordnung entfernte oder gesperrte Inhalte und die zugehörigen Daten nicht für die in Art. 6 Abs. 1 Buchstaben a und b der Verordnung genannten Zwecke oder nicht für den in Art. 6 Abs. 2 erster oder zweiter Satz festgelegten Zeitraum speichert oder entgegen Art. 6 Abs. 3 der Verordnung nicht dafür sorgt, dass derartige Inhalte und Daten angemessenen technischen und organisatorischen Schutzvorkehrungen unterliegen,
4. entgegen Art. 7 Abs. 1 der Verordnung keine Darlegungen über die Strategie zur Bekämpfung terroristischer Inhalte in seine Nutzungsbedingungen (Art. 2 Nummer 8 der Verordnung) aufnimmt,
5. entgegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung einen Transparenzbericht nicht oder nicht rechtzeitig veröffentlicht oder in den Transparenzbericht nicht die gemäß Art. 7 Abs. 3 der Verordnung zu erstattenden Angaben aufnimmt,
6. entgegen Art. 10 Abs. 2 der Verordnung einen beschwerdeführenden Inhalteanbieter (Art. 2 Nummer 2 der Verordnung) nicht oder nicht rechtzeitig über das Ergebnis der Prüfung der Beschwerde in Kenntnis setzt oder im Falle einer Ablehnung der Beschwerde nicht über die Gründe dafür informiert,
7. entgegen Art. 11 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 der Verordnung einem Inhalteanbieter keine Informationen über die Entfernung oder Sperrung eines Inhalts zur Verfügung stellt oder diesem Inhalteanbieter entgegen Art. 11 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 3 auf dessen Anfrage entweder die Gründe für die Entfernung oder Sperre sowie die Möglichkeiten zur Anfechtung der Entfernungsanordnung nicht mitteilt oder diesem nicht eine Kopie der Entfernungsanordnung übermittelt,
8. entgegen Art. 15 Abs. 1 der Verordnung
a) keine Kontaktstelle für den Erhalt von Entfernungsanordnungen auf elektronischem Weg und deren unverzügliche Bearbeitung benennt oder einrichtet oder
b) Informationen über die Kontaktstelle nicht öffentlich zugänglich macht
oder
9. entgegen Art. 17 Abs. 4 erster Satz der Verordnung die zuständige Behörde nicht von der Benennung eines gesetzlichen Vertreters in Kenntnis setzt oder entgegen Art. 17 Abs. 4 zweiter Satz der Verordnung die Informationen über den gesetzlichen Vertreter nicht öffentlich zugänglich macht,
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 50 000 Euro zu bestrafen.
(2) Wer als Hostingdiensteanbieter
1. entgegen Art. 4 Abs. 7 der Verordnung nicht unverzüglich nach Erhalt einer Entscheidung, die bei einer Entfernungsanordnung einen Verstoß feststellt, den aufgrund dieser Entfernungsanordnung entfernten Inhalt wiederherstellt oder einen gesperrten Inhalt entsperrt,
2. keine den Vorgaben von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung entsprechenden Bestimmungen in die Nutzungsbedingungen aufnimmt und anwendet,
3. es unterlässt, zur Verhinderung der öffentlichen Verbreitung terroristischer Inhalte über seinen Dienst
a) gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung spezifische Maßnahmen zu ergreifen oder
b) Maßnahmen zu ergreifen, die alle in Art. 5 Abs. 3 der Verordnung angeführten Anforderungen erfüllen,
4. einer nach Art. 5 Abs. 6 der Verordnung ergangenen, mit der Aufforderung, erforderliche Maßnahmen zu ergreifen, versehenen Entscheidung nicht entspricht,
5. entgegen den Anforderungen des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung für Inhalteanbieter keinen wirksamen und zugänglichen Beschwerdemechanismus bereitstellt,
6. entgegen Art. 10 Abs. 2 der Verordnung eine erhaltene Beschwerde nicht unverzüglich prüft oder einen entfernten oder gesperrten Inhalt nicht unverzüglich wiederherstellt bzw. entsperrt, wenn sich im Zuge der Prüfung der Beschwerde herausgestellt hat, dass dessen Entfernung bzw. Sperrung nicht gerechtfertigt war,
7. über Kenntnisse über terroristische Inhalte verfügt, die zu einer unmittelbaren Bedrohung von Leben führen, aber entgegen Art. 14 Abs. 5 der Verordnung
a) nicht unverzüglich die in den betreffenden Mitgliedstaaten zuständige Strafverfolgungsbehörde unterrichtet oder – falls die Feststellung der zuständigen Strafverfolgungsbehörde nicht möglich ist – die Kontaktstelle (Art. 12 Abs. 2 der Verordnung) in dem Mitgliedstaat, in dem er seine Hauptniederlassung hat oder in dem sein gesetzlicher Vertreter ansässig oder niedergelassen ist, benachrichtigt oder
b) die Informationen über diese terroristischen Inhalte nicht zur weiteren Bearbeitung an Europol übermittelt
oder
8. entgegen Art. 17 Abs. 1 der Verordnung die schriftliche Benennung des gesetzlichen Vertreters für die Entgegennahme, Einhaltung und Durchsetzung von Entfernungsanordnungen und Entscheidungen unterlässt oder entgegen Art. 17 Abs. 2 der Verordnung diesen gesetzlichen Vertreter nicht mit den notwendigen Befugnissen und Ressourcen ausstattet, damit dieser den den Hostingdiensteanbieter betreffenden Entscheidungen und Entfernungsanordnungen nachkommen und mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten kann,
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 500 000 Euro zu bestrafen.
(3) Wer als Hostingdiensteanbieter
1. entgegen Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 7 der Verordnung nicht schnellstmöglich – jedenfalls aber innerhalb einer Stunde – nach Erhalt einer Entfernungsanordnung der zuständigen Behörde (§ 2) in allen Mitgliedstaaten die erfassten terroristischen Inhalte entfernt oder den Zugang zu diesen terroristischen Inhalten sperrt oder
2. entgegen Art. 4 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 und 7 der Verordnung nicht schnellstmöglich – jedenfalls aber innerhalb einer Stunde – nach Erhalt einer Entfernungsanordnung der Behörde eines anderen Mitgliedstaates in allen Mitgliedstaaten die erfassten terroristischen Inhalte entfernt oder den Zugang zu diesen terroristischen Inhalten sperrt,
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 1 Million Euro zu bestrafen.
(4) Im Fall systematischer oder fortwährender Verstöße eines Hostingdiensteanbieters gegen die in Abs. 3 Z 1 angeführte Verpflichtung hat die zuständige Behörde eine Geldstrafe in der Höhe von bis zu 4 vH des von diesem Anbieter im vorangegangenen Geschäftsjahr erwirtschafteten weltweiten Jahresumsatzes zu verhängen.
(5) Bei der Bemessung der Höhe einer zu verhängenden Geldstrafe nach den vorstehenden Absätzen sind insbesondere die in Art. 18 Abs. 2 der Verordnung genannten Umstände zu berücksichtigen.
(6) Die nach dieser Bestimmung verhängten Geldstrafen fließen dem Bund zu.
Berichterstattung über die Anwendung
§ 4. (1) Hostingdiensteanbieter haben der zuständigen Behörde bis 1. Februar jedes Jahres ihren auf den Vorgaben in Art. 7 Abs. 3 der Verordnung beruhenden Transparenzbericht zu übermitteln.
(2) Die zuständige Behörde hat dem Bundeskanzler bis zum 1. März jedes Jahres ihren mit den in Art. 21 der Verordnung genannten Informationen versehenen Bericht über die Erfüllung ihrer Aufgaben nach der Verordnung und nach diesem Bundesgesetz zur Übermittlung an die Europäische Kommission zur Verfügung zu stellen. Dabei hat sie die ihr nach Abs. 1 zugekommenen Informationen zu berücksichtigen.
(3) Die zuständige Behörde hat jährlich einen mit den in Art. 8 der Verordnung genannten Informationen versehenen Bericht zu erstellen, der im Rahmen des Tätigkeitsberichts nach § 19 Abs. 2 KOG zu veröffentlichen ist.
Vollziehung
§ 5. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundeskanzler betraut.
Inkrafttreten
§ 6. Dieses Bundesgesetz tritt – mit Ausnahme von § 3 – mit 1. Jänner 2023 in Kraft; § 3 tritt mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt in Kraft.
Artikel 2
Änderung des KommAustria-Gesetzes
Das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria-Gesetz – KOG), BGBl. I Nr. 32/2001, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. YYY/2022, wird wie folgt geändert:
1. In § 2 Abs. 1 wird der Punkt am Ende der Z 16 durch das Wort „und“ ersetzt und folgende Z 17 angefügt:
„17. Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Terrorinhalte-Bekämpfungs-Gesetz (TIB-G), BGBl. I Nr. xxx/2022, in Durchführung von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 784/2021 zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte, ABl. Nr. L 172 vom 17.05.2021 S. 79.“
2. In § 2 Abs. 3 wird der Punkt am Ende der Z 11 durch das Wort „und“ ersetzt und folgende Z 12 angefügt:
„12. die Gewährleistung einer offenen und demokratischen Gesellschaft durch Bekämpfung des Missbrauchs von Hostingdiensten für die Verbreitung terroristischer Online-Inhalte.“
3. In § 3 Abs. 1 wird das Wort „fünf“ durch das Wort „sieben“ und das Wort „drei“ durch das Wort „fünf“ ersetzt.
4. Dem § 13 Abs. 4 wird folgende Z 4 angefügt:
„4. Aufgaben nach dem TIB-G in Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 784/2021 zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte.“
5. In § 18 Abs. 3 Z 1 wird nach dem Kurztitel „MedKF-TG“ die Wortfolge „oder dem TIB-G“ eingefügt.
6. In § 35 wird vor Abs. 2 folgender Abs. 1b eingefügt:
„(1b) Zur Finanzierung des in Erfüllung der Aufgaben nach § 2 Abs. 1 Z 17 entstehenden Aufwandes der KommAustria und des in Erfüllung der Aufgaben als Geschäftsstelle nach § 2 TIB-G entstehenden Aufwandes der RTR-GmbH stellt der Bund im Jahr 2023 einmalig einen Betrag für die Einrichtung von IT-Schnittstellen und eines Beschwerdeportals in Höhe von maximal 70 000 Euro zur Verfügung. Ab dem Jahr 2023 stellt der Bund weiters für den Aufwand der RTR-GmbH einen Betrag von 367 000 Euro zur Verfügung. Zur Ermittlung der ab dem Jahr 2024 gebührenden Beträge ist die Valorisierungsregel des Abs. 1 letzter Satz anzuwenden. Diese Mittel sind der RTR-GmbH ab dem Jahr 2023 in zwei gleich hohen Teilbeträgen per 31. Jänner und 30. Juni zu überweisen. Abs. 1 dritter Satz ist anzuwenden.“
7. In § 39 Abs. 1 wird nach der Wortfolge „27, 27a und 27b AMD-G“ die Wortfolge „ , auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 4 sowie Art. 5 Abs. 4, 6 und 7 der Verordnung (EU) Nr. 784/2021 zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte, ABl. Nr. L 172 vom 17.05.2021, S. 79,“ eingefügt.
8. Dem § 44 wird folgender Abs. 32 angefügt:
„(32) § 2 Abs. 1 Z 16 und 17 sowie Abs. 3 Z 11 und 12, § 3 Abs. 1, § 13 Abs. 4 Z 4, § 18 Abs. 3 Z 1, § 35 Abs. 1b sowie § 39 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2022 treten mit 1. Jänner 2023 in Kraft. Die für die Aufnahme der Tätigkeit der KommAustria und der RTR-GmbH in Angelegenheiten der Verordnung (EU) Nr. 784/2021 zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte, ABl. Nr. L 172 vom 17.05.2021, S. 79, notwendigen organisatorischen und personellen Maßnahmen können bereits vor dem Tag des Inkrafttretens getroffen werden.“