Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil:

Der Ausbau der Primärversorgung ist eines der wichtigsten Anliegen der Gesundheitspolitik, um den allgemeinen und direkten Zugang für alle Menschen mit gesundheitlichen Anliegen im Sinne einer umfassenden und qualitativ hochwertigen Grundversorgung in Österreich sicherzustellen.

Durch das Gesundheitsreformumsetzungsgesetz 2017, BGBl. I Nr. 131/2017, wurden mit dem Primärversorgungsgesetz (PrimVG) und den Begleitregelungen insbesondere im Vertragsrecht in den Sozialversicherungsgesetzen die gesetzlichen Grundlagen für die neuen Primärversorgungseinheiten (PVE) in Österreich geschaffen.

In der Praxis haben sich jedoch bei der Einführung von PVE Umsetzungsprobleme gezeigt, weshalb auch der zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung im Bundes-Zielsteuerungsvertrag vorgesehene Zielwert von 75 PVE bis Ende des Jahres 2021 nicht erreicht werden konnte.

Anknüpfend an den Beschluss der LandesgesundheitsreferentInnenkonferenz vom 21. Mai 2021 zum Thema Primärversorgung wurde dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine gemeinsame Länderposition zur Reform der Primärversorgung mit Änderungsvorschlägen betreffend die rechtlichen Grundlagen von PVE übermittelt. Des Weiteren wurde auch in der Bundes-Zielsteuerungskommission die Notwendigkeit einer Änderung der Rechtsgrundlagen erkannt und es wurden die wesentlichen Eckpunkte für eine Neugestaltung des PrimVG festgelegt.

Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen einer Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern von Bund, Ländern und Sozialversicherung vorliegende Novelle erarbeitet, die dazu beitragen soll, die Umsetzbarkeit konkreter Projekte zur Implementierung von PVE zu erleichtern und zu beschleunigen.

Zielsetzung dieser Novelle ist es, eine bedarfsgerechte Primärversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, wobei PVE nach dem PrimVG eine wesentliche Rolle einnehmen. Die zeitgerechte Schaffung und Inbetriebnahme von PVE ist essentiell, um die Versorgung der Bevölkerung ausreichend sicherzustellen. Mit dieser Novelle soll die Einrichtung von PVE vereinfacht und beschleunigt werden, um Versorgungslücken im Bereich der Primärversorgung zu vermeiden bzw. so rasch als möglich zu schließen. Mit den PVE soll ein umfassendes, multiprofessionelles Versorgungsangebot zur Verfügung gestellt werden und es soll insbesondere für jüngere Ärztinnen und Ärzte erleichtert und attraktiv gemacht werden, in dieser Organisationsform als Allgemeinmedizinerin oder Allgemeinmediziner im Team tätig zu werden. Gleichzeitig soll der Bevölkerung ein umfassendes Angebot an Leistungen der Primärversorgung (inklusive Versorgung von Kindern und Jugendlichen und Versorgungsangebote im Bereich der Frauenheilkunde und Geburtshilfe) auch zu Tagesrandzeiten bzw. am Wochenende bereitgestellt werden.

Eckpunkte des Entwurfs:

Zum besseren Verständnis der nachfolgenden Ausführungen sollen eingangs einige Eckpunkte beschrieben werden, auf die jedoch in der Folge noch näher einzugehen sein wird:

1. Beschleunigung des Auswahlverfahrens nach § 14 PrimVG

Einhergehend mit der Verbindlichkeit der Planung soll das Auswahlverfahren zeitlich gestrafft (Abschaffung der bisherigen Stufenregelung) werden. Weiterhin soll dabei bisherigen Vertragspartnerinnen und Vertragspartnern ein Vorrang bei der Auswahl eingeräumt werden. Durch diesen Abbau bürokratischer Hürden soll das Verfahren beschleunigt werden, sodass Gründungen von PVE schneller erfolgen können.

2. Schaffung eines verkürzten Auswahlverfahrens nach § 14a PrimVG

Bestehen über längere Zeit zumindest zwei unbesetzte Planstellen im Bereich der Allgemeinmedizin bzw. im Bereich der Kinder- und Jugendheilkunde in einer Versorgungsregion, so besteht dort die Gefahr einer ärztlichen Unterversorgung. Um diesem Umstand zu beseitigen, soll in einem solchen Fall ein (zusätzliches) verkürztes Auswahlverfahren für PVE geschaffen werden.

3. Ermöglichung von PVE für Kinder- und Jugendheilkunde

Der Ausbau von PVE ist in Österreich essentiell für die Sicherstellung einer niederschwelligen Gesundheitsversorgung, wobei insbesondere auch Kindern und Jugendlichen dieser niederschwellige Zugang zur Primärversorgung gewährleistet werden muss.

Daher soll die Einführung von PVE, deren ärztliches Kernteam ausschließlich bzw. überwiegend aus Fachärztinnen und Fachärzten für Kinder- und Jugendheilkunde besteht, ermöglicht werden. Bis dato können Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde lediglich ergänzend zu Allgemeinmedizinerinnen bzw. Allgemeinmedizinern Teil des ärztlichen Kernteams der PVE sein.

Die Ermöglichung eigener „Kinder-PVE“ soll dazu beitragen, dass das Tätigwerden in der Sachleistungsversorgung im Bereich der Kinder- und Jugendheilkunde attraktiver wird.

4. Optionale Einbeziehung von FA für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in PVE

Fachärztinnen und Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe sind oftmals die erste Anlaufstelle für Frauen aller Generationen mit dem Schwerpunkt auf Vorbeugung, Diagnose und Behandlung von Erkrankungen der Frau. Die Option, Vertrags-Fachärztinnen und Vertrags-Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe z.B. durch eine Kooperationsvereinbarung verbindlich und strukturiert in eine PVE einzubinden, soll daher ausdrücklich im Gesetz verankert werden. Durch die Kooperation dieser Fachärztinnen und Fachärzten mit anderen Gesundheitsberufen im Rahmen einer PVE (zB DGKP, Hebammen sowie Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde) kann ein Fokus auf Familiengesundheit, Gynäkologie und Hebammenbetreuung gelegt werden.

5. Einführung von „multiprofessionellen“ Gruppenpraxen nach dem Ärztegesetz 1998 mit nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen im Bereich des Primärversorgungsgesetzes

Im Bereich der PVE soll es möglich sein, dass auch Angehörige der nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe an ärztlichen Gruppenpraxen als Gesellschafterinnen und Gesellschafter beteiligt sind. Mit der Einführung gemischter Gruppenpraxen soll eine weitere Attraktivierung dieser Versorgungsform im Sinne eines berufsgruppenübergreifenden Ansatzes erfolgen. Hierdurch wird ebenso der wiederholt von verschiedenen Stellen (unter anderem Patientenanwaltschaften) vorgebrachten Anregung, auch andere Gesundheitsberufe in der Primärversorgung zu stärken, Rechnung getragen.

Kompetenzrechtliche Ausführungen:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich das im Entwurf vorliegende Bundesgesetz auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG („Sozialversicherungswesen“), auf Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG („Gesundheitswesen“) sowie auf Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG („Heil - und Pflegeanstalten“).

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die vorgesehenen Regelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

II. Besonderer Teil:

Zu Art. 1 Z 1 und 2 sowie 4 bis 6 und 17 (§§ 2 Abs. 2, Abs. 3 zweiter Satz, 4 Z 2, 5 Abs. 2 und 3, 6 Abs. 1 erster Satz sowie 17 Abs. 6 PrimVG):

Nach § 2 Abs. 2 PrimVG in der geltenden Fassung hat die Primärversorgungseinheit jedenfalls aus einem Kernteam, das sich aus Ärztinnen und Ärzten für Allgemeinmedizin und Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege zusammensetzt, zu bestehen. Es ist schon nach der derzeitigen Gesetzeslage aufgrund des Wortlautes nicht ausgeschlossen, dass eine Primärversorgungseinheit lediglich aus zwei Ärztinnen und Ärzten für Allgemeinmedizin besteht, solange die vorgesehenen (Mindest-)Öffnungszeiten erfüllt werden können. Nunmehr soll eine zahlenmäßige Präzisierung der Regelung dahingehend erfolgen, dass das ärztliche Kernteam aus mindestens zwei Ärztinnen und Ärzten für Allgemeinmedizin zu bestehen hat.

Die gesamtvertragliche Vereinbarung einer höheren ärztlichen Mindestanzahl im Kernteam (derzeit sind dies nach § 10 Abs. 1 Z 2 des Primärversorgungs-Gesamtvertrages drei volle Vertragsarztstellen bzw. ärztliche Vollzeitäquivalente) ist damit unzulässig.

Die vorliegenden Ergänzungen im § 2 Abs. 2 PrimVG sollen es des Weiteren ermöglichen, dass auch solche PVE errichtet werden, die

1.     im ärztlichen Kernteam ausschließlich aus Fachärztinnen und Fachärzten für Kinder- und Jugendheilkunde oder

2.     aus Fachärztinnen und Fachärzten für Kinder-und Jugendheilkunde und einer Ärztin/einem Arzt für Allgemeinmedizin bestehen.

Die Errichtung solcher PVE ist jedenfalls abhängig von den jeweiligen Planungsvorgaben auf regionaler Ebene.

Die an die PVE gestellten Anforderungen werden im § 4 PrimVG definiert. Schon jetzt schließt die in § 4 Z 2 PrimVG gewählte Formulierung „bedarfsgerechte Öffnungszeiten, jedenfalls von Montag bis Freitag“ nicht aus, dass die PVE auch an Wochenenden Versorgung anbietet.

Durch die nunmehr vorgesehene Ergänzung soll insbesondere der Fokus auf die Öffnungszeiten für die neu vorgesehenen PVE für Kinder- und Jugendheilkunde gelegt werden. Dabei ist eine Öffnung für die Akutversorgung an Wochenenden und Feiertagen anzustreben. Dies wird jeweils von den regionalen Gegebenheiten abhängig sein, wobei zu erwarten ist, dass diese vor allem in größeren Ballungsräumen besonders relevant ist.

In Bezug auf den Leistungsumfang der PVE bedarf es auf die Gruppe der Kinder und Jugendlichen abgestellte Anpassungen im § 5 PrimVG.

Die Kinder und Jugendlichen als Patientinnen und Patienten sind altersgerecht zu informieren und anzuleiten. Des Weiteren hat begleitende Beratung der Personen, die mit der gesetzlichen Vertretung im Bereich der Pflege und Erziehung betraut sind, zu erfolgen. All diese Versorgungsaufgaben sind unter Einbeziehung des sozialen Umfelds der Kinder und Jugendlichen abzudecken.

Bei Einführung von PVE für Kinder- und Jugendheilkunde ist davon auszugehen, dass der Abschluss eines neuen Gesamtvertrages nach § 342b ASVG notwendig sein wird.

Des Weiteren soll ein besonderer Fokus – wie bereits im Allgemeinen Teil der Erläuterungen dargelegt –auch auf die Kooperation der PVE mit Vertrags-Fachärztinnen und Fachärzten für Frauenheilkunde und Geburtshilfe gelegt werden (vgl. § 2 Abs. 3 zweiter Satz PrimVG neu). Die Abrechnung dieser gynäkologischen Leistungen soll weiterhin über den jeweiligen „Gynäkologie-Einzelvertrag“ erfolgen. Diese Kooperationen sind im Versorgungskonzept der PVE im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit anderen Versorgungsbereichen abzubilden (siehe dazu § 6 Abs. 2 Z 1 lit. a PrimVG).

Hingewiesen wird darauf, dass der bisherige Abs. 2 des § 5 PrimVG künftig als Abs. 3 bezeichnet wird.

Zu Art. 1 Z 3 und 8 sowie 9 (§§ 2 Abs. 5 Z 1 lit. a und 9 Abs. 1 und 1a sowie 1b PrimVG):

Im Bereich der PVE können abweichend von ärztlichen Gruppenpraxen gemäß § 52a ÄrzteG 1998 künftig auch Angehörige der nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe an multiprofessionellen Gruppenpraxen als Gesellschafterinnen und Gesellschafter beteiligt sein. Voraussetzung dafür ist, dass diese zur freiberuflichen Berufsausübung berechtigt sind und in der PVE entweder im Kernteam oder im erweiterten Team hauptberuflich tätig sind. Die Einführung von solchen multiprofessionellen („gemischten“) Gruppenpraxen ändert nichts an der weiterhin bestehenden Kompetenz der Österreichischen Ärztekammer bzw. der Landesärztekammern zum Abschluss des Primärversorgungs-Gesamtvertrages nach § 342b ASVG bzw. weiterer Verträge.

Insgesamt soll die Primärversorgung in Österreich gestärkt und die Anzahl der Neugründungen von PVE erhöht werden. Die Multiprofessionalität von Gesellschafterinnen und Gesellschaftern unterstützt den multiperspektivischen Zugang mit Fokus auf patienten- und populationsbasierte, ganzheitliche Versorgung.

Gleichzeitig werden den Angehörigen der nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe neue zukunftsträchtige Berufsausübungsmöglichkeiten eröffnet. Auch die partnerschaftliche Zusammenarbeit eines multiprofessionellen Gründerteams unterstützt eine intensivierte Zusammenarbeit im Primärversorgungsteam. Die Erweiterung des Handlungs- und Entscheidungsrahmens von Angehörigen der Gesundheitsberufe kann die Berufszufriedenheit und den Verbleib im Beruf nachhaltig positiv beeinflussen. Die Bestimmung über Mehrheitsverhältnisse orientiert sich an der bewährten Regelung des § 21c Z 11 Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868.

Zu Art. 1 Z 7 (§ 8 Abs. 4 PrimVG):

Es handelt sich um die Richtigstellung mehrerer Verweisungen auf Bestimmungen des ASVG ohne inhaltliche Änderung.

Zu Art. 1 Z 10 bis 12 (§§ 9 Abs. 2 Z 2 sowie 10 Z 1 PrimVG):

Voraussetzung für die Einleitung eines Auswahlverfahrens gemäß § 14 PrimVG ist die Abbildung der PVE im jeweiligen RSG oder ein Beschluss der Landes-Zielsteuerungskommission (L-ZK) gemäß § 21 Abs. 8 des Bundesgesetzes zur partnerschaftlichen Zielsteuerung-Gesundheit. Im Zuge dessen wird der Bedarf für die Errichtung der PVE jedenfalls festgestellt.

Die Detailplanung auf regionaler Ebene ist bereits durch österreichweit einheitliche, verbindliche Rahmenvorgaben im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) determiniert. Gemäß ÖSG hat die Planung von PVE auf Grundlage einer Analyse der bestehenden regionalen Versorgungssituation zu erfolgen. Zu berücksichtigen sind unter anderem demografische, sozioökonomische und epidemiologische Merkmale der Bevölkerung im Einzugsgebiet. Ferner sind zu berücksichtigen die Altersstruktur der bestehenden primärversorgenden Gesundheitsdiensteanbieterinnen und -anbieter, insbesondere Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag sowie die Inanspruchnahme und Auslastung der bestehenden Versorgungsangebote im Einzugsgebiet. Unter dem Aspekt der medizinischen/wirtschaftlichen Tragfähigkeit wird eine Mindestbevölkerung von 2 000 Einwohnerinnen und Einwohner je Ärztin/Arzt für Allgemeinmedizin angesetzt. Weitere Kriterien für die Planung sind, dass PVE wohnortnah und verkehrsmäßig, auch im öffentlichen Verkehr, gut erreichbar sein sollen. Dabei soll die Erreichbarkeit einer Ärztin/eines Arztes für Allgemeinmedizin innerhalb von zehn Minuten im Straßenindividualverkehr für mindestens 90 % der Wohnbevölkerung des Bundeslandes gewährleistet sein.

§ 21 Abs. 10 G-ZG räumt der jeweiligen Landesärztekammer vor Beschlussfassung einer den RSG betreffenden Angelegenheit in der jeweiligen Landes-Zielsteuerungskommission die Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Dazu sind die für die Beschlussfassung vorgesehenen Planungsunterlagen zu übermitteln.

Für PVE in Form von Gruppenpraxen sieht § 9 Abs. 3 PrimVG schon derzeit vor, dass das Zulassungsverfahren gemäß § 52c ÄrzteG 1998 nicht anzuwenden ist. Ergänzend soll auch im § 9 Abs. 2 Z 2 PrimVG die Durchführung eines verkürzten Auswahlverfahrens nach § 14a PrimVG als Voraussetzung für die Gründung einer PVE im Form einer Gruppenpraxis hinzugefügt werden.

Im Hinblick auf die Zielsetzungen einer Beschleunigung des Auswahlverfahrens und einer nachhaltigen Stärkung der Versorgungssicherheit, ist die bei selbständigen Ambulatorien zusätzlich vorgesehene Bedarfsprüfung gemäß § 3a Abs. 2 Z 1 in Verbindung mit Abs. 3 KAKuG nicht erforderlich. Eine solche Angleichung der Regelung für selbstständige Ambulatorien an jene für Gruppenpraxen (§ 9 Abs. 3 PrimVG) ist schon auf Grund der EuGH-Judikatur geboten (vgl. hiezu auch EuGH, Rs C-169/07 Hartlauer, insb. Rz 63 und 72).

Zu Art. 1 Z 13 bis 15 (§ 14 Abs. 2 Z 1 und 2 sowie Abs. 3 und Abs. 4 letzter Satz PrimVG):

Der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) obliegt in Abstimmung mit der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen bzw. der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau die Durchführung des gesamten Auswahlverfahrens. Dies beinhaltet die Einleitung des Auswahlverfahrens samt Erstellung der Einladung, die Festlegung der Auswahlkriterien sowie das damit verbundene Bewertungsschema, die darauffolgende Bewertung der eingelangten Bewerbungen sowie zuletzt die Invertragnahme der konkreten PVE an sich.

Um zukünftig für die Bevölkerung Versorgungssicherheit mit Leistungen einer PVE zeitgerecht sicherstellen zu können, soll das Auswahlverfahren insgesamt neugestaltet und zeitlich beschleunigt werden. Die künftigen Einladungen sollen unmittelbar an einen unbeschränkten Bewerberkreis adressiert sein. Bewerbungen können daher sowohl von Vertrags- oder Wahlärztinnen und Wahlärzten, Gruppenpraxen oder selbständigen Ambulatorien abgegeben werden.

Bestehenden Vertragspartnerinnen bzw. Vertragspartnern in der im jeweiligen RSG ausgewiesenen Versorgungsregion soll jedenfalls bei der Auswahl – im Hinblick auf das bereits durch die bisherigen Verträge erworbene Vertrauen in die Qualität der ärztlichen Leistungen – weiterhin Vorrang eingeräumt werden. Abhängig von der Planung sind allenfalls auch Vertragspartnerinnen bzw. Vertragspartner im Bereich der Kinder- und Jugendheilkunde in der Z 1 mitumfasst.

Der Vorrang besteht auch deswegen, um eine möglichst hohe Kontinuität in der Versorgung der Bevölkerung zu erzielen und den Aufbau von Doppelstrukturen möglichst zu vermeiden. Damit einhergehend ist die Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit zu gewährleisten und die damit verbundene umfassende (Sachleistungs-)Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

Für den Fall der Umsetzung der Planungen des RSG im Stellenplan sind folglich zunächst die Bewerbungen von Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sowie Vertrags-Gruppenpraxen für Allgemeinmedizin bzw. für Kinder- und Jugendheilkunde, deren Planstellen im Stellenplan (§ 342 Abs. 1a ASVG) für die konkrete Primärversorgungseinheit vorgesehen sind, zu bewerten.

Zunächst sind lediglich diese priorisierten Bewerbungen heranzuziehen und einer Bewertung zu unterziehen (§ 14 Abs. 4 Z 1 PrimVG).

In der Folge gelangt Stufe zwei des Auswahlverfahrens zur Anwendung, in welcher die übrigen eingelangten Bewerbungen auszuwerten sind.

Im Übrigen wird es Aufgabe der ÖGK (in Abstimmung mit den anderen Krankenversicherungsträgern) sein, eine Mindestpunktezahl festzulegen, die seitens der Bewerberinnen und Bewerber erreicht werden muss, um zu beurteilen, ob Z 1 ausreichend erfüllt ist oder Z 2 anzuwenden ist. Im Auswahlverfahren geforderte (fachliche) Qualifikationen müssen – unabhängig von der jeweiligen Organisationsform der geplanten PVE – jedenfalls unter Angabe der Namen der mitarbeitenden Ärztinnen und Ärzte bzw. sonstigen nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe nachgewiesen werden.

Bewertungskriterien bei der Auswahl sind nach Abs. 5 insbesondere

1.     das Versorgungskonzept nach § 6 PrimVG sowie

2.     für die ärztlichen Leistungen die in der Reihungskriterien-Verordnung bzw. in den darauf beruhenden Reihungs-Richtlinien festgelegten Kriterien.

Ad Z 1: Im Versorgungskonzept sind unter anderem Regelungen zur Aufbau- und Ablauforganisation im Primärversorgungsteam und in der Zusammenarbeit mit anderen Versorgungsbereichen zu treffen. In diesem Bereich werden daher auch entsprechende Kooperationsvereinbarungen mit Vertrags-Fachärztinnen und Fachärzten für Frauenheilkunde und Geburtshilfe abzubilden sein.

Ad Z 2: Es ist darauf hinzuweisen, dass im Auswahlverfahren nicht die ÄrztInnen-Reihungskriterien-Verordnung, BGBl. II Nr. 379/2017, an sich anzuwenden ist (vgl. dazu auch § 342c Abs. 2 und 3 ASVG), sondern generell die in der Reihungskriterien-Verordnung bzw. in den darauf beruhenden Reihungs-Richtlinien festgelegten inhaltlichen Kriterien für die Bewertung der ärztlichen Qualifikationen.

Die gewählte Formulierung unter Verwendung einer demonstrativen Aufzählung (=insbesondere) schließt nicht aus, dass noch weitere Bewertungskriterien herangezogen werden.

Gleich wie im § 14a PrimVG (neu) sollen Bewerbungen, die zur Erreichung der Planungsvorgaben Übergangskonzepte enthalten, weiterhin zulässig sein, diese Übergangskonzepte aber auf maximal fünf Jahre beschränkt sein dürfen.

Zu Art. 1 Z 16 sowie Art. 2 Z 1 (§ 14a PrimVG; § 342 Abs. 3 ASVG):

Um eine weitere Beschleunigung bei der Invertragnahme von Primärversorgungseinheiten zu erreichen und einer möglichen ärztlichen Unterversorgung zügig entgegenzuwirken, soll ein verkürztes Auswahlverfahren nach § 14a PrimVG geschaffen werden. Das verkürzte Auswahlverfahren kommt für jene Fälle zur Anwendung, in denen zumindest zwei Planstellen im Bereich der Allgemeinmedizin bzw. in der Kinder- und Jugendheilkunde in der jeweiligen Versorgungsregion zumindest ein halbes Jahr unbesetzt sind.

In einem solchen Fall ist die ÖGK verpflichtet, die jeweilige L-ZK unverzüglich über diesen Umstand in Kenntnis zu setzen. Ausgehend von dem Fall, dass die L-ZK einen Beschluss über die Errichtung einer PVE fasst, hat die ÖGK in weiterer Folge jedenfalls (unabhängig vom Erfordernis eines allfälligen Einvernehmens mit der jeweiligen Ärztekammer) innerhalb von zwei Monaten zur Bewerbung einzuladen.

Die künftigen Einladungen sollen wie im Falle des § 14 PrimVG in der Fassung des Entwurfs unmittelbar an einen unbeschränkten Bewerberkreis adressiert sein. Bewerbungen können daher sowohl von Vertrags- oder Wahlärztinnen und Wahlärzten, Gruppenpraxen oder selbständigen Ambulatorien abgegeben werden.

Bestehenden Vertragspartnerinnen bzw. Vertragspartnern in der im jeweiligen RSG ausgewiesenen Versorgungsregion soll auch im Verfahren nach § 14a PrimVG weiterhin Vorrang eingeräumt werden, wobei diese Bewerbungen durch weitere berufsberechtigte Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin und gegebenenfalls Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde ergänzt werden können. Bewerbungen, die zur Erreichung der Planungsvorgaben ein auf höchstens fünf Jahre befristetes Übergangskonzept vorsehen, sind von der Auswahl nicht ausgeschlossen.

Ob solche geeigneten Bewerbungen nach § 14a Abs. 4 Z 1 PrimVG vorliegen, wird seitens der ÖGK (in Abstimmung mit den beiden anderen Krankenversicherungsträgern bei der Bewertung der eingelangten Bewerbungen zu beurteilen sein.

Die Neuregelung des § 342 Abs. 3 ASVG soll gewährleisten, dass die Anrechenbarkeit der im Rahmender PVE gebundenen ärztlichen Vollzeitäquivalente auf den Stellenplan künftig im gleichen Ausmaß im Falle der Invertragnahme einer PVE in Form einer Gruppenpraxis, eines Netzwerks bzw. in Form eines selbständigen Ambulatoriums stattfindet. Der Umfang der Anrechenbarkeit, der die Anzahl der in der PVE tätigen ärztlichen Vollzeitäquivalente betragen darf, ist dabei jeweils abhängig vom Beschluss der jeweiligen Landes-Zielsteuerungskommission bzw. der Planungsvorgabe des RSG. Damit soll es auch möglich sein, auf Über- und Unterversorgung in Folge wachsender bzw. schrumpfender Bevölkerung in den jeweiligen Versorgungsregionen bestmöglich reagieren zu können.