Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG geändert werden
Vereinfachte wirkungsorientierte Folgenabschätzung
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Einbringende Stelle: |
Bundesministerium für Justiz |
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Vorhabensart: |
Bundesgesetz |
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Laufendes Finanzjahr: |
2023 |
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Inkrafttreten/ Wirksamwerden: |
2023 |
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Vorblatt
Problemanalyse
Das Regierungsprogramm 2020-2024 "Aus Verantwortung für Österreich" sieht im Kapitel "Justiz und Konsumentenschutz" u.a. die "Erarbeitung zeitgemäßer und Erweiterung bzw. Präzisierung vorhandener Straftatbestände zur Bekämpfung aller Arten von Cyberkriminalität sowie Prüfung der Erhöhung der derzeit in Geltung stehenden Strafrahmen" (S. 27) sowie die "Prüfung von strafrechtlichen Bestimmungen, die Einfluss auf den Wirtschaftsstandort haben (verstärkter Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sowie Novellierung der Bestimmungen über Industriespionage)" (S. 27) vor.
Ziel(e)
Effektive Bekämpfung von Cyberkriminalität sowie wirksamer Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen
Inhalt
Das Vorhaben umfasst hauptsächlich folgende Maßnahme(n):
1. Anhebung der Strafdrohungen in den §§ 118a, 119, 119a und 126c StGB;
2. Einführung einer neuen Qualifikation in § 126c StGB;
3. Anhebung der Strafdrohungen in den §§ 121, 122, 123 und 124 StGB sowie in den §§ 11 und 12 UWG;
4. Ausgestaltung der §§ 121, 122 und 123 StGB sowie der §§ 11 und 12 UWG als Ermächtigungsdelikte (anstelle von Privatanklagedelikten).
Beitrag zu Wirkungsziel oder Maßnahme im Bundesvoranschlag
Das Vorhaben trägt dem Wirkungsziel "Gewährleistung der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens, insbesondere durch Vorschläge zur Anpassung und Weiterentwicklung des Rechtssystems im Hinblick auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedürfnisse" der Untergliederung 13 Justiz im Bundesvoranschlag des Jahres 2023 bei.
Finanzielle Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und andere öffentliche Haushalte:
Grundsätzlich bewirken die in Aussicht genommenen Änderungen einen erhöhten Verfahrensaufwand (sowohl bei der Anzahl der Verfahren als auch beim Aufwand innerhalb des einzelnen Verfahrens) bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten und somit personellen Mehrbedarf und zwar aufgrund folgender Umstände:
1. Die Anhebung der Strafdrohungen in den §§ 118a Abs. 1, 119 Abs. 1, 119a Abs. 1 und 126c Abs. 1 StGB bewirken jeweils eine Zuständigkeitsverschiebung im staatsanwaltlichen Bereich vom Bezirksanwalt zum Staatsanwalt bzw. im gerichtlichen Bereich vom Bezirksgericht zum Landesgericht. Unter einem stehen aufgrund der höheren Strafdrohung mehr Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung.
2. Durch die Ausgestaltung der §§ 121, 122 und 123 StGB sowie der §§ 11 und 12 UWG als Ermächtigungsdelikte (anstelle von Privatanklagedelikten) entsteht ein bisher nicht existierender neuer Aufwand auf Ebene der Staatsanwaltschaften. Daneben ist insgesamt von mehr Verfahren auszugehen, weil das Kostenrisiko für Opfer (als Privatankläger) entfällt und die Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft zur Verfügung stehen.
3. Durch die Anhebung der Strafdrohungen in den §§ 121, 122 StGB wird eine entsprechende Verschiebung der Zuständigkeit für das Hauptverfahren von den Bezirksgerichten auf die Landesgerichte bewirkt; für die §§ 11, 12 UWG wird ausdrücklich eine Zuständigkeit der Landesgerichte für das Hauptverfahren vorgeschlagen.
Insgesamt wird ein Mehrbedarf von 2 staatsanwaltlichen VZK (St 1) sowie von 1,25 richterlichen VZK (R 1) geschätzt, wobei festzuhalten ist, dass es sich aufgrund der Vielzahl der zu treffenden Annahmen und Unsicherheitsfaktoren (insbesondere was die Ausgestaltung der §§ 121, 122 und 123 sowie §§ 11 und 12 UWG zu Ermächtigungsdelikten und die völlig neue Involvierung der Staatsanwaltschaften in das Verfahren anlangt) um nicht mehr als den Versuch einer groben Schätzung handeln kann. Für das Jahr 2023 werden die finanziellen Auswirkungen aliquot angenommen.
Finanzierungshaushalt für die ersten fünf Jahre
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in Tsd. € |
2023 |
2024 |
2025 |
2026 |
2027 |
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Nettofinanzierung Bund |
‑312 |
‑545 |
‑556 |
‑567 |
‑578 |
Anmerkungen zu sonstigen, nicht wesentlichen Auswirkungen:
Keine
Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union
Mit § 118a, § 119, § 119a und § 126c StGB werden u.a. auch Vorgaben der Richtlinie 2013/40/EU über Angriffe auf Informationssysteme und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates, ABl. Nr. L 218 vom 14.08.2013, S. 8ff und der Richtlinie (EU) 2019/713 zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/413/JI des Rates, ABl. Nr. L 123 vom 10.05.2019 S. 18ff umgesetzt. Durch die vorgeschlagenen Änderungen bleibt die vollständige Umsetzung dieser Richtlinien unbeeinträchtigt aufrecht.
Die Erhöhung der Strafdrohungen in den §§ 11 und 12 UWG soll die Umsetzung von Art. 16 der Richtlinie (EU) 2016/943 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, ABl. Nr. L 157 vom 15.06.2016 S. 1, verbessern.
Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens
Keine
Datenschutz-Folgenabschätzung gem. Art 35 EU-Datenschutz-Grundverordnung
Keine
Anhang
Detaillierte Darstellung der finanziellen Auswirkungen
Bedeckung
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in Tsd. € |
2023 |
2024 |
2025 |
2026 |
2027 |
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Auszahlungen/ zu bedeckender Betrag |
312 |
545 |
556 |
567 |
578 |
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in Tsd. € |
Betroffenes Detailbudget |
Aus Detailbudget |
2023 |
2024 |
2025 |
2026 |
2027 |
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gem. BFRG/BFG |
13. |
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312 |
545 |
556 |
567 |
578 |
Erläuterung der Bedeckung
Die aus der Umsetzung des Gesetzesvorhabens resultierenden Mehrkosten werden im Rahmen der Budgetverhandlungen für den BVA 2024 berücksichtigt.
Laufende Auswirkungen – Personalaufwand
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2023 |
2024 |
2025 |
2026 |
2027 |
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Körperschaft |
Aufw. (Tsd. €) |
VBÄ |
Aufw. (Tsd. €) |
VBÄ |
Aufw. (Tsd. €) |
VBÄ |
Aufw. (Tsd. €) |
VBÄ |
Aufw. (Tsd. €) |
VBÄ |
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Bund |
231,43 |
1,90 |
403,78 |
3,25 |
411,86 |
3,25 |
420,09 |
3,25 |
428,50 |
3,25 |
Es wird darauf hingewiesen, dass der Personalaufwand gem. der WFA-Finanziellen Auswirkungen-VO valorisiert wird.
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2023 |
2024 |
2025 |
2026 |
2027 |
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Maßnahme / Leistung |
Körpersch. |
Verwgr. |
VBÄ |
VBÄ |
VBÄ |
VBÄ |
VBÄ |
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VZK Staatsanwalt bzw. Staatsanwältin |
Bund |
RS-Höh. Dienst 3 R 1a, R 1b, St 1; Ri I, Sta I; Richter d.BG/GH1; Staatsanw. |
1,17 |
2,00 |
2,00 |
2,00 |
2,00 |
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VZK Richter:in |
Bund |
RS-Höh. Dienst 3 R 1a, R 1b, St 1; Ri I, Sta I; Richter d.BG/GH1; Staatsanw. |
0,73 |
1,25 |
1,25 |
1,25 |
1,25 |
Grundsätzlich bewirken die in Aussicht genommenen Änderungen einen erhöhten Verfahrensaufwand (sowohl bei der Anzahl der Verfahren als auch beim Aufwand innerhalb des einzelnen Verfahrens) bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten und somit personellen Mehrbedarf und zwar aufgrund folgender Umstände:
1. Die Anhebung der Strafdrohungen in den §§ 118a Abs. 1, 119 Abs. 1, 119a Abs. 1 und 126c Abs. 1 StGB bewirken jeweils eine Zuständigkeitsverschiebung im staatsanwaltlichen Bereich vom Bezirksanwalt zum Staatsanwalt bzw. im gerichtlichen Bereich vom Bezirksgericht zum Landesgericht. Unter einem stehen aufgrund der höheren Strafdrohung mehr Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung.
2. Durch die Ausgestaltung der §§ 121, 122 und 123 StGB sowie der §§ 11 und 12 UWG als Ermächtigungsdelikte (anstelle von Privatanklagedelikten) entsteht ein bisher nicht existierender neuer Aufwand auf Ebene der Staatsanwaltschaften. Daneben ist insgesamt von mehr Verfahren auszugehen, weil das Kostenrisiko für Opfer (als Privatankläger) entfällt und die Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft zur Verfügung stehen.
3. Durch die Anhebung der Strafdrohungen in den §§ 121, 122 StGB wird eine entsprechende Verschiebung der Zuständigkeit für das Hauptverfahren von den Bezirksgerichten auf die Landesgerichte bewirkt; für die §§ 11, 12 UWG wird ausdrücklich eine Zuständigkeit der Landesgerichte für das Hauptverfahren vorgeschlagen.
Eine valide Prognose des personellen Mehrbedarfs ist aufgrund der zahlreichen Unsicherheiten bzw. zu treffenden Annahmen und fehlenden Berechnungsgrundlagen nicht möglich. Nachstehend wird eine Annäherung in Form einer groben Schätzung vorgenommen.
Ad 1: Im Bereich der staatsanwaltlichen Verfahren bewirkt die mit der Anhebung der Strafdrohungen in den §§ 118a Abs. 1, 119 Abs. 1, 119a Abs. 1 und 126c Abs. 1 StGB verbundene Zuständigkeitsverschiebung von BAZ-Verfahren zu St-Verfahren auf Basis der verfügbaren Zeitwerte einen Mehrbedarf von ca. 0,7 Staatsanwalts-VZK. Dem steht ein geringer, deutlich unter 1 liegender Minderbedarf im Bereich der Bezirksanwälte bzw. Bezirksanwältinnen gegenüber. Da durch die Anhebung der Strafdrohungen auch mehr Ermittlungsmaßnahmen potentiell zur Verfügung stehen und somit mit einer Erhöhung der (aktuell verhältnismäßig sehr niedrigen) Zahl an Anklagen und damit verbundenen Hauptverfahren zu rechnen ist, wird selbst unter Einbeziehung der Entlastung im Bereich der Bezirksanwälte bzw. Bezirksanwältinnen ein Mehrbedarf an 0,5 staatsanwaltlichen VZK (St 1) geschätzt.
Im gerichtlichen Bereich sind – unter Zugrundelegung des Zeitwerts für das Hauptverfahren vor der:m Einzelrichter:in – ca. 200 Verfahren (gerichtlicher Anfall) für 1 richterliche VZK erforderlich. Ausgehend von dem sehr niedrigen durchschnittlichen gerichtlichen Anfall in den Jahren 2020 bis 2022 kann für die (bloße) Zuständigkeitsverschiebung vom Bezirksgericht zum bzw. zur Einzelrichter bzw. Einzelrichterin des Landesgerichts kein relevanter richterlicher Mehrbedarf prognostiziert werden (die gerichtlichen Anfallszahlen betrugen bundesweit in HV und U gemeinsam für die §§ 118a, 119, 119a und 126c StGB im Jahr 2020 22 Verfahren sowie in den Jahren 2021 und 2022 jeweils 18 Verfahren). Aufgrund der Erwartung einer größeren Zahl von Anklagen durch umfangreichere Ermittlungsmöglichkeit, insbesondere auch zur Ausforschung von Beschuldigten wird ein Mehrbedarf von 0.25 richterlichen VZK (R 1) geschätzt.
Ad 2 und 3: Die gerichtlichen Anfalls- und Erledigungszahlen sind im Bereich der §§ 121, 122, 123 und 124 StGB einerseits sowie §§ 11 und 12 UWG aktuell noch niedriger als jene im Bereich der vorstehend zitierten Cybercrime-Delikte. Hinsichtlich §§ 122, 123 und 124 StGB waren es bundesweit im Jahr 2020 insgesamt 5 Verfahren, im Jahr 2021 3 und im Jahr 2022 2 Verfahren. Zu § 121 StGB ist in diesem Zeitraum gar kein Verfahren angefallen. Hinsichtlich §§ 11 und 12 UWG weist die gerichtliche Verurteilungsstatistik im Zeitraum 2017 bis 2020 keine einzige Verurteilung auf.
Dies erklärt sich wohl u.a. durch den Umstand, dass es sich bei den §§ 121, 122 und 123 StGB sowie den §§ 11 und 12 UWG derzeit um Privatanklagedelikte handelt, in denen kein Ermittlungsverfahren stattfindet (und keine Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung stehen) und der Privatankläger zudem das Kostenrisiko trägt. Den Mehraufwand durch die bloße Verschiebung von der bezirksgerichtlichen Ebene auf die Landesgerichte zu quantifizieren ist sohin – wie auch unter Punkt 1 dargestellt – nicht möglich.
Durch die Umgestaltung zu Ermächtigungsdelikten wird jedoch einerseits eine Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft überhaupt erst neu begründet, anderseits entfällt das Kostenrisiko des Opfers. Es ist daher davon auszugehen, dass deutlich mehr Verfahren wegen §§ 121, 122 und 123 StGB sowie den §§ 11 und 12 UWG stattfinden. Die Verfügbarkeit der Ermittlungsmaßnahmen und das – solange die erteilte Ermächtigung aufrecht ist – bestehende Offizialprinzip wird voraussichtlich auch zu einem Anstieg der Anklagen und der durchzuführenden Hauptverhandlungen führen.
Angesichts dieser substantiellen Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingen auf mehreren Ebenen ist eine valide Prognose des Mehranfalls nicht möglich.
Im Rahmen einer Grobschätzung wird vorgeschlagen, den Mehraufwand mit 1,5 staatsanwaltlichen VZK (St 1; 1 VZK bedeutet rund 330 Verfahren/Jahr bundesweit bei 330 Verfahren, wenn nur ein Ermittlungsverfahren stattfindet bzw. 216 Verfahren, wenn dem Ermittlungsverfahren auch ein Hauptverfahren folgt) und 1 richterlichen VZK (R 1; rund 200 Verfahren/Jahr bundesweit) zu schätzen.
Zusammenfassung: Insgesamt wird sohin ein Mehrbedarf von 2 staatsanwaltlichen VZK (St 1) sowie von 1,25 richterlichen VZK (R 1) geschätzt, wobei erneut festzuhalten ist, dass es sich aufgrund der Vielzahl der zu treffenden Annahmen und Unsicherheitsfaktoren (insbesondere was die Ausgestaltung der §§ 121, 122 und 123 sowie §§ 11 und 12 UWG zu Ermächtigungsdelikten und die völlig neue Involvierung der Staatsanwaltschaften in das Verfahren anlangt) um nicht mehr als den Versuch einer groben Schätzung handeln kann. Für das Jahr 2023 werden die finanziellen Auswirkungen aliquot angenommen.
Laufende Auswirkungen – Arbeitsplatzbezogener betrieblicher Sachaufwand
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Körperschaft (Angaben in €) |
2023 |
2024 |
2025 |
2026 |
2027 |
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Bund |
80 999,92 |
141 323,55 |
144 150,01 |
147 033,02 |
149 973,67 |
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