Entwurf
Erläuterungen:
Allgemeiner Teil
Mit dem vorgeschlagenen § 132a ZPO soll die Möglichkeit zur Abhaltung einer „Videoverhandlung“ im streitigen zivilgerichtlichen Verfahren geschaffen werden. Nach dem vorgeschlagenen § 460 Z 1 ZPO soll diese Möglichkeit lediglich in Verhandlungen in Ehesachen (§ 49 Abs. 2 Z 2a JN) und Verfahren in anderen nicht rein vermögensrechtlichen aus dem gegenseitigen Verhältnis zwischen Ehegatten entspringenden Streitigkeiten (§ 49 Abs. 2 Z 2b JN) auf anwaltlich vertretene Parteien beschränkt sein. Ergänzend dazu soll mit dem vorgeschlagenen § 134 Z 1 ZPO für einen verfahrensrechtlich adäquaten Umgang im Fall von technischen Störungen gesorgt werden.
Eine ähnliche Bestimmung wurde bereits mit Ministerialentwurf für ein Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das E-Commerce-Gesetz und das Strafvollzugsgesetz geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2021 – ZVN 2021) im vergangenen Jahr zur Begutachtung versendet. Der damalige Entwurf eines § 132a ZPO wurde auf Wunsch insbesondere der Richter- und der Rechtsanwaltschaft aus der Novelle herausgenommen, damit die Regelung einer weiteren Diskussion und Evaluierung in einer gesonderten Arbeitsgruppe zugeführt werden kann. Unter Leitung des Bundesministeriums für Justiz wurden dieser Arbeitsgruppe Vertreter:innen des ÖRAK, der ÖNK, der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter, der Vereinigung der Diplomrechtspflegerinnen und Diplomrechtspfleger Österreichs, der AK, der WKÖ, des BMSGPK und des BMDW sowie die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und Vertreter der universitären Lehre beigezogen. Ein auf Basis der Diskussionen adaptierter Entwurf eines § 132a ZPO wird nunmehr neuerlich zur Diskussion gestellt.
Mit den vorgeschlagenen Änderungen des Allgemeinen Teils des Außerstreitgesetzes soll die Abhaltung einer „Videoverhandlung“ entsprechend dem Regulativ der ZPO grundsätzlich auch in allen außerstreitigen Verfahrensmaterien ermöglicht werden. In Verfahren in Ehe- und Kindschaftsangelegenheiten sowie in Verlassenschaftsverfahren soll die Teilnahme an einer solcherart anberaumten Tagsatzung grundsätzlich nur für durch einen Rechtsanwalt oder Notar vertretene Parteien zulässig sein. Diese Einschränkung gilt nicht für Parteien gemäß § 6 Abs. 3 AußStrG. In Erwachsenenschutz-, Heimaufenthalts- und Unterbringungsverfahren soll die „Videoverhandlung“ nur ausnahmsweise zulässig sein, weil die von solchen Verfahren betroffenen Personen in ihrer Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt und mit den besonderen Umständen einer solchen Form der Verhandlung daher überfordert sein können.
Auch in Verfahren nach der IO und nach der EO soll der Einsatz von geeigneten technischen Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung ermöglicht werden, wobei der Schuldner bzw. die Parteien dennoch persönlich vor Gericht erscheinen können.
Mit dem vorgeschlagenen § 85b GOG soll nunmehr eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage zur Gewährleistung der Datensicherheit bei mündlichen Verhandlungen im Wege von Bild- und Tonübertragungen geschaffen werden.
Kompetenzgrundlage:
Der vorliegende Entwurf stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG („Zivilrechtswesen“ hinsichtlich Art. 1 bis 6; „Justizpflege“ hinsichtlich Art. 7).
Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:
Keine.
Besonderer Teil
Zu Art. 1 (Änderung der Zivilprozessordnung)
Zu Z 1 (§ 132a):
Bereits seit der ZVN 2004 kann die Einvernahme von Zeugen oder Parteien im Wege einer Videokonferenz stattfinden („unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung“ wie sich der Gesetzgeber technologieneutral ausdrückt). Mit dem BBG 2011 wurde diese von der Praxis gut angenommene Form der Einvernahme als Standard festgesetzt. Die bis dahin übliche Einvernahme durch einen ersuchten Richter findet nur mehr in Ausnahmefällen statt. Damit hat sich das Zivilverfahren mit Hilfe moderner Technik ein Stück mehr Unmittelbarkeit in der Beweisaufnahme zurückerobert.
Der Einsatz von Videotechnologie ist also derzeit auf die Beweisaufnahme beschränkt; Konstellationen, in denen eine Partei in ein und derselben Verhandlung nicht nur als Beweismittel einvernommen werden soll, sondern auch Vorbringen erstatten will, fallen nicht unter § 277 ZPO.
Die durch COVID-19 ausgelöste Situation hat zu der Notwendigkeit geführt, persönliche Kontakte zu vermeiden. Um aber den Verhandlungsbetrieb bei den Gerichten nicht gänzlich zum Erliegen zu bringen, wurde mit dem 1. COVID-19-JuBG die Möglichkeit der Abhaltung einer „Videoverhandlung“ geschaffen. Diese Regelung hat sich gut bewährt und es wurde daher aus der Praxis – sowohl von Anwalts- als auch von Richterseite – der Wunsch nach einer Übernahme dieser Möglichkeit in das Dauerrecht geäußert.
Mit Abs. 1 sollen daher – dem Vorbild des § 3 1.COVID-19-JuBG folgend – die Teilnahme an der Verhandlung für Parteien oder Parteienvertreter sowie ein Beweisverfahren auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 277, welches auf die mündliche Erstattung und Erörterung eines Gutachtens eines gerichtlich bestellten Sachverständigen und die Vernehmung von Parteien und informierten Personen (§ 258 Abs. 2) in der vorbereitenden Tagsatzung beschränkt ist, im Wege der Videozuschaltung grundsätzlich ermöglicht werden. Die Anberaumung einer Tagsatzung in der Form dieser Bestimmung erfolgt auf entsprechende gerichtliche Anordnung. Dabei obliegt es dem Ermessen des Gerichts, ob es alle Parteien und deren Vertreter oder bloß einzelne von diesen mittels Videozuschaltung am Verfahren beteiligt. Dadurch soll der Entwurf dem Gericht bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen der Regelung (insbesondere auch dem Einverständnis der Parteien) die Möglichkeit einer sogenannten „hybriden“ Tagsatzung eröffnen, bei der etwa nur eine der Parteien oder falls (beispielsweise wegen großer räumlicher Entfernung) zweckmäßig auch nur ein anwaltlicher Vertreter mittels technischer Verbindung zugeschaltet ist. Zulässig wäre es aber auch, etwa nur den oder die Sachverständige/n per Wort- und Bildübertragung hinzuzuziehen. Die Anwesenheit des Entscheidungsorgans während der Tagsatzung im Gerichtsgebäude ist durch § 132 Abs. 1 ZPO vorgegeben.
Die Parteien können ein Vorgehen nach dieser Bestimmung lediglich anregen; ein diesbezügliches Antragsrecht ist nicht vorgesehen. Das Gericht hat den Parteien anzukündigen, ob es die bevorstehende Tagsatzung in Form einer „Videoverhandlung“ durchzuführen beabsichtigt. Dabei hat es das geplante Prozessprogramm darzulegen und zu erklären, ob es alle Parteien und deren Vertreter oder bloß einzelne von diesen mittels Videozuschaltung am Verfahren beteiligen möchte. Außerdem hat das Gericht eine Information über die technischen Voraussetzungen für die Teilnahme an einer „Videoverhandlung“ anzuschließen.
Der Entwurf ermöglicht die Durchführung einer „Videoverhandlung“ jedoch nur, soweit die Parteien mit diesem Vorgehen des Gerichts einverstanden sind. Aus diesem Grund wird jeder Partei ein gegen die vom Gericht geplante Vorgangsweise gerichtetes Widerspruchsrecht eingeräumt, welches innerhalb einer vom Gericht – entweder in der Ladung oder mit gesondertem Beschluss – festzusetzenden, angemessenen Frist ausgeübt werden kann. Der Widerspruch einer Partei bedarf keiner Begründung und bewirkt, dass der vom Gericht auf Basis dieser Bestimmung geplante Einsatz der Videotechnologie ausscheidet.
Daneben bietet der Entwurf die Möglichkeit, dass das Gericht die ausdrückliche Zustimmung einer Partei für den geplanten Einsatz der Videotechnologie in der bevorstehenden Tagsatzung einholt. Durch diese differenzierende Lösung soll den Bedürfnissen der Praxis möglichst umfassend entsprochen werden. Im Fall einer Ladung zur ersten (vorbereitenden) Tagsatzung als „Videoverhandlung“ erscheint es nicht praktikabel, diese an eine ausdrückliche Zustimmung durch die Parteien zu knüpfen, zumal das Gericht dann an der Ausschreibung einer Tagsatzung als „Videoverhandlung“ gehindert wäre, solange sich die Parteien nicht ausdrücklich zustimmend dazu erklärt haben. Für allfällige weitere mittels Einsatzes von Videotechnologie durchgeführte Tagsatzungen stellt jedoch die Möglichkeit, die Zustimmung der Parteien etwa unmittelbar in der vorangehenden Tagsatzung einzuholen, wohl den einfacheren und zweckmäßigeren Weg dar. (Nur) Soweit eine solche Zustimmung einer Partei zur Abhaltung einer Tagsatzung als „Videoverhandlung“ nicht vorliegt, müsste dann das befristete Widerspruchsrecht eingeräumt werden.
Die jeweiligen Einschränkungen der Möglichkeit zur Anberaumung einer „Videoverhandlung“ erklären sich wie folgt: Der Einsatz von Medien zum Zweck der zwischenmenschlichen Kommunikation bringt zwangsläufig eine gewisse Veränderung des Verhaltens der zugeschalteten Personen und der nonverbalen Kommunikation aller Beteiligten sowie eine Einschränkung der Wahrnehmung der auf diese Weise übermittelten Geschehnisse mit sich, die es zu beachten gilt. Diesem Umstand trägt insbesondere die Widerspruchsmöglichkeit bzw. das Zustimmungserfordernis der Parteien Rechnung; niemand soll dazu verhalten werden, an einer Verhandlung und Beweisaufnahme in der durch die Videoübertragung insofern doch in gewissem Sinne beeinflussten Form teilzunehmen. Das Gericht wird bei der Anordnung eines solchen Vorgehens darauf zu achten haben, dass sich das für die betreffende Tagsatzung vorgesehene Programm für diese Form der Verhandlung eignet: so ist insbesondere an kurze Tagsatzungen zu denken, die keine oder kaum Interaktion zwischen Gericht und Parteien erfordern. Tagsatzungen, in denen es etwa die Verfahrensleitung und Ausübung der Sitzungspolizei erfordert, dass die Parteien dem unmittelbaren Zugriff des Gerichts unterliegen, oder solche, in denen Augenscheinsgegenstände oder Urkunden eingesehen werden müssen, die sich auf Grund ihrer Größe oder Detailliertheit nur schwer in Kopie übermitteln oder mit der Kamera einfangen lassen, werden dagegen etwa nicht geeignet sein, in dieser Form durchgeführt zu werden. Die Möglichkeit der Beweisaufnahme nach dieser Bestimmung besteht unabhängig von den Voraussetzungen und unbeschadet des Anwendungsbereichs des § 277 ZPO; beide Bestimmungen können bei Vorliegen der jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen auch kombiniert zur Anwendung gelangen. Die Beweisaufnahme nach § 132a ist bewusst auf die aufgezählten Fälle der Vernehmung einer Partei oder eines informierten Vertreters im Rahmen der vorbereitenden Tagsatzung und die mündliche Erstattung und Erörterung eines Sachverständigengutachtens beschränkt. Auch hier wird vom Gericht darauf zu achten sein, dass die konkrete Situation für den Einsatz der Videotechnologie geeignet ist.
In der Praxis wird es sich anbieten, dass das Gericht mit den Parteien oder Parteienvertretern zunächst das Prozessprogramm für die im Wege der Videozuschaltung geplante Tagsatzung erörtert, um diese mit den Informationen zu versorgen, die eine überlegte Entscheidung über die Frage der Zustimmung zu diesem Vorgehen erfordert. So kann es etwa für die Frage der Zustimmung wesentlich sein, ob zusätzlich auch die Vernehmung einer Partei oder eines Zeugen vor dem auswärtigen Gericht (nach § 277 ZPO) vorgesehen ist. Jedoch liegt die Entscheidung über die Abhaltung einer Tagsatzung unter Einsatz von Videotechnologie in jedem Fall letztlich beim Gericht; selbst wenn dies beide Parteien anregen sollten und sich das vorgesehene Prozessprogramm hiefür eignen mag, kann das Gericht von einem solchen Vorgehen Abstand nehmen (etwa weil es eine von technischen Einrichtungen unbeeinflusste Kommunikation in der Verhandlung vorzieht).
Schließlich muss die durch die Beiziehung technischer Hilfsmittel etwas schwerfälliger ausgestaltete Vorgangsweise insgesamt auch aus dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie des konkreten Verfahrens abgewogen werden, etwa dadurch, dass durch diese Form der Verhandlung ein früherer Termin wahrgenommen werden kann oder Vertagungen vermieden werden können oder die Verfahrenskosten infolge eines geringeren Anreiseaufwands zum Gericht sinken. Auch soll durch dieses zusätzliche Kriterium für die Abhaltung von Tagsatzungen unter Einsatz von Videotechnologie der Ausnahmecharakter dieses Instrumentariums unterstrichen werden. Außerdem müssen die technischen Voraussetzungen vorhanden sein, um die Tagsatzung verfahrenskonform abzuhalten. Dies bedeutet nicht nur, dass das Entscheidungsorgan technisch entsprechend ausgestattet sein muss, sondern auch, dass das Gericht über die technischen Anlagen verfügen muss, die es bei einer öffentlichen mündlichen Verhandlung der Öffentlichkeit ermöglichen, dem Verfahrensgeschehen optisch und akustisch zu folgen, und die den jeweils geltenden datenschutzrechtlichen Sicherheitsstandards genügen. Weiters ergibt sich daraus, dass im Falle der Beteiligung von Personen mit besonderen Bedürfnissen mit diesen vorweg abzuklären ist, ob für sie ein barrierefreier Zugang zur Videotechnologie vorhanden ist, damit ihre Verfahrensrechte gewahrt sind.
Sollten technische Störungen der Verbindung auf Seiten einer Partei oder des Gerichts auftreten, die das termingerechte Zustandekommen der „Videoverhandlung“ verhindern oder deren Verlauf behindern, so sollte mit den bestehenden Regelungen der ZPO für vergleichbare Fälle das Auslangen gefunden werden. Insbesondere kann in solchen Fällen auf das (um die nunmehr vorgeschlagene Ergänzung der Z 1 erweiterte) Regulativ des § 134 zurückgegriffen werden. Im Fall einer durch eine technische Panne bei einer Partei verursachten Säumnis könnten überdies auch die Regelungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 146 ff) relevant sein.
Die Regelungen der Abs. 2 und 3 beschäftigen sich mit jenen Schwierigkeiten, welche die physische Abwesenheit der Partei oder ihres Vertreters vom Sitz der Verhandlung aufwerfen und entsprechen dem derzeit geltenden § 3 1.COVID-19-JuBG. Die Sonderregelung zur Willensbekundung der persönlich nicht anwesenden Partei oder ihres Vertreters bzw. allfälliger Dritter beim Vergleichsabschluss trägt den besonderen faktischen Gegebenheiten der Videoverhandlung Rechnung. Für bei Gericht anwesende Parteien, Vertreter oder Dritte gilt die allgemeine Regelung des § 209 Abs. 3 zweiter und dritter Satz ZPO zur Unterschriftsleistung weiterhin. Die Regelung stellt sicher, dass ein Vergleichsabschluss auch im Rahmen einer (allenfalls auch in „hybrider Form“ abgehaltenen) Videoverhandlung möglich sein soll. Unvertretenen Parteien soll die Vorlage des Kostenverzeichnisses dadurch erleichtert werden, dass sie dieses auch in der Tagsatzung mündlich zu Protokoll anbringen (vgl. § 434 Abs. 1 ZPO) können. Im Falle einer postalischen Übermittlung gilt für den Fristenlauf § 89 Abs. 1 GOG.
Der vorgeschlagene § 132a unterscheidet sich vom derzeit geltenden § 3 1. COVID-19-JuBG einerseits durch die Vorgabe von Kriterien, die erfüllt sein müssen, um eine Videoverhandlung abzuhalten und andererseits durch die eingeschränkte Möglichkeit einer Beweisaufnahme mittels Videotechnologie bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 277 ZPO.
Zu Z 2 (§ 134):
Für den Fall, dass technische Störungen der Verbindung auf Seiten einer Partei oder des Gerichts auftreten, die das termingerechte Zustandekommen der „Videoverhandlung“ verhindern oder deren Verlauf behindern, sollte grundsätzlich mit den bestehenden Regelungen der ZPO für vergleichbare Fälle das Auslangen gefunden werden.
§ 134 Z 1 sieht derzeit vor, dass Tagsatzungen nur durch richterliche Entscheidung verlegt werden können (Erstreckung). Solch eine Erstreckung kann auf Antrag oder von Amts wegen stattfinden, wenn sich dem rechtzeitigen Erscheinen einer oder beider Parteien oder der Aufnahme oder Fortsetzung der Verhandlung zwischen ihnen ein für sie unübersteigliches oder doch sehr erhebliches Hindernis entgegenstellt und insbesondere ohne die Erstreckung eine Partei einen nicht wieder gut zu machenden Schaden erleiden würde.
Demnach sollten sowohl der Fall einer nicht termingerecht zustandegekommenen technischen Verbindung für die Abhaltung einer „Videoverhandlung“ als auch der Fall des (nicht nur kurzzeitigen) Abbruchs der Verbindung in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen, wenn die technische Störung nicht einfach behebbar ist.
In jedem Fall müsste nach der geltenden Fassung der Regelung aber hinzukommen, dass die Verweigerung der Erstreckung für die verhinderte Partei einen unwiederbringlichen Schaden nach sich ziehen würde. Es muss sich hiebei nach herrschender Lehre und Rechtsprechung aber um einen Schaden handeln, der über die bloße Prozesskostenersatzpflicht für die weiteren Verfahrenskosten hinausreicht. Dieser „Schaden“ kann etwa dergestalt sein, dass durch die Abhaltung der Tagsatzung am festgesetzten Termin der Partei aus anderen (außerprozessualen, zB familiären, gesundheitlichen, beruflichen oder wirtschaftlichen) Gründen nicht wieder gutzumachende Nachteile erwachsen würden (vgl. 3 Ob 628/54 SZ 27/237; Buchegger in Fasching/Konecny3 II/3 § 134 ZPO Rz 10).
Der Tatbestand des § 134 Z 1 soll für den Anwendungsbereich des vorgeschlagenen § 132a insofern angepasst werden, als es als Voraussetzung für die Erstreckung einer „Videoverhandlung“ nach § 132a nicht eines drohenden unwiederbringlichen Schadens bedarf, sondern dass es ausreicht, wenn die Partei ohne die Erstreckung einen nicht wieder gut zu machenden prozessualen Nachteil erleidet. Damit ist beispielsweise gemeint, dass die Partei dadurch die Möglichkeit verliert, Vorbringen im Verfahren zu erstatten oder sich an einer Vernehmung oder Erörterung eines Sachverständigengutachtens zu beteiligen oder ihr Kostenersatzfolgen erwachsen.
Die durch den Entwurf erleichterte Möglichkeit, eine Verlegung einer nach § 132a anberaumten Tagsatzung zu erlangen, ist damit zu begründen, dass technische Störungen bei Videokonferenzen mannigfaltige Ursache haben können, die mehrheitlich nicht von den Parteien zu kontrollieren oder zu verhindern sind. Für diese Fälle ist es erforderlich, eine möglichst einfache und den daran anknüpfenden prozessualen Aufwand gering haltende Lösung zur Verfügung zu stellen, die aber auf der anderen Seite auch ausreichend allfälligem Missbrauch („Verschleppen“ der Verhandlung) vorbeugt.
Sollte die Ursache der technischen Störung der „Videoverhandlung“ im Wirkungsbereich der Justiz gelegen sein, könnte etwa die (bestehende) Regelung des § 134 Z 2 Abhilfe schaffen.
Zu Z 3 (§ 460 Z 1):
Nach dem vorgeschlagenen § 132a soll die Möglichkeit für Parteien und ihre Vertreter, an einer gerichtlichen Verhandlungstagsatzung auch unter Einsatz von Videotechnologie teilzunehmen, im streitigen zivilgerichtlichen Verfahren zur Verfügung gestellt werden. Mit der vorgeschlagenen Ergänzung in § 460 Z 1 soll der Anwendungsbereich des § 132a insofern eingeschränkt werden, als bei Verhandlungen in Ehesachen (§ 49 Abs. 2 Z 2a JN) und Verfahren in anderen nicht rein vermögensrechtlichen aus dem gegenseitigen Verhältnis zwischen Ehegatten entspringenden Streitigkeiten (§ 49 Abs. 2 Z 2b JN) die Möglichkeit einer „Videoverhandlung“ nur anwaltlich vertretenen Parteien zur Verfügung steht.
Dieser Ausnahme liegt die Überlegung zugrunde, dass die von dieser Einschränkung betroffenen streitigen Materien – ähnlich den familienrechtlichen außerstreitigen Angelegenheiten – insofern speziell sind, als sie regelmäßig emotional besonders belastete Streitgegenstände behandeln. In der Verhandlung wird im Rahmen von Vergleichsgesprächen häufig auch über die Kinder und deren Bedürfnisse gesprochen; dies wird für die beteiligten Personen oftmals einfacher sein, wenn sie sich physisch in einem Raum mit dem Rechtsprechungsorgan befinden, sofern sie nicht über einen anwaltlichen Beistand verfügen, der sie bei Bewältigung dieser besonderen Stresssituation unterstützt. Bei unvertretenen Parteien gilt es in den betroffenen Materien überdies zu berücksichtigen, dass diese in der Zeit der Gerichtsverhandlung womöglich noch in demselben Haushalt leben. Es sollte aber tunlichst vermieden werden, dass beide Parteien nebeneinander etwa vor demselben Endgerät sitzen. Das Gericht hätte in einer derartigen Konstellation praktisch keine Möglichkeiten, bei Eskalation eines Streits einzuschreiten. Überdies ist vorstellbar, dass auch Kinder im Nahebereich anwesend sind, was die Aufmerksamkeit der Eltern einschränkt und dem Wohl der Kinder schaden kann. Letztlich könnte es bei den in Rede stehenden Konflikten auch der Fall sein, dass ebenfalls in der Wohnung anwesende Familienangehörige oder ehemalige Freunde eine Partei beeinflussen oder unter Druck setzen wollen. Hier erscheint es besonders wichtig, dass das Gericht in Tagsatzungen für ein „Setting“ sorgen kann, in dem beide Parteien ihren Standpunkt einbringen können, ohne dass sie unter dem unmittelbaren Einfluss des jeweils anderen, eines Angehörigen oder von Bekannten stehen.
„Videoverhandlungen“ erscheinen aber auch in den von § 460 erfassten Verfahren mit dem Interesse an einer fairen Verfahrensführung vereinbar, wenn die Partei durch einen Rechtsanwalt bzw. eine Rechtsanwältin vertreten ist, weil es dessen bzw. deren Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass der Mandant bzw. die Mandantin der Verhandlung entweder in den Kanzleiräumlichkeiten oder zwar in der eigenen Wohnung, aber ohne Anwesenheit von Angehörigen oder Bekannten der anderen Partei beiwohnt.
Zu Art. 2 (Änderung des Außerstreitgesetzes)
Zu Z 1 bis 4 (§§ 18, 30, 31 und 78):
Mit dem vorgeschlagenen § 18 Abs. 2 soll auch in allen außerstreitigen Verfahren die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung für Parteien oder Parteienvertreter im Wege der Videozuschaltung grundsätzlich ermöglicht werden. Die Anberaumung einer Tagsatzung in der Form dieser Bestimmung erfolgt auf entsprechende gerichtliche Anordnung. Die Voraussetzungen für eine solche Anordnung und auch die Möglichkeiten der Gestaltung einer solcherart anberaumten Tagsatzung (etwa auch in sogenannter „hybrider“ Form) sind deckungsgleich mit jenen in § 132a Abs. 1 ZPO, weshalb auf die dortigen Erläuterungen verwiesen werden kann.
Um auch einen Vergleichsabschluss im Rahmen einer „Videoverhandlung“ im außerstreitigen Verfahren zu gewährleisten, ordnet der vorgeschlagene § 30 Abs. 2 die sinngemäße Geltung des § 132a Abs. 3 ZPO an.
Eine Einschränkung soll, ähnlich jener im vorgeschlagenen § 460 Z 1 ZPO, gemäß § 18 Abs. 3 für Verfahren in Ehe- und Kindschaftsangelegenheiten sowie in Verlassenschaftsverfahren erfolgen. In diesen Verfahren soll die Teilnahme an einer nach § 18 Abs. 2 anberaumten Tagsatzung durch Videozuschaltung grundsätzlich nur für durch einen Rechtsanwalt oder Notar vertretene Parteien zulässig sein, wobei aber die Sonderregelung des § 6 Abs. 3 davon unberührt bleiben soll. Ist eine Partei entsprechend vertreten, so sieht die Regelung nicht zwingend vor, dass sie der als „Videoverhandlung“ anberaumten Tagsatzung von demselben Bild- und Tongerät wie ihr Vertreter zugeschaltet ist, wiewohl dies in der Praxis vermutlich der Regelfall sein wird. Auch hier soll der besonderen emotionalen Belastung der Parteien und der Verstricktheit von nahestehenden, unter Umständen an derselben Wohnstätte aufhältigen Personen in den Konflikt Rechnung getragen werden (siehe die Erläuterungen zu § 460 Z 1 ZPO).
In gewissem eingeschränkten Umfang soll die Möglichkeit einer „Videoverhandlung“ im außerstreitigen Verfahren auch zur Beweisaufnahme genutzt werden können. Auch hierbei orientiert sich der Entwurf am vorgeschlagenen § 132a Abs. 1 ZPO. Dementsprechend sieht § 31 Abs. 6 vor, dass das Gericht bei einer nach § 18 Abs. 2 anberaumten Tagsatzung auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 277 ZPO Gutachten von gerichtlich bestellten Sachverständigen mündlich erstatten lassen oder erörtern und in der ersten Tagsatzung auch Parteien vernehmen kann. Auch diese Bestimmung verfolgt das Ziel, den Umfang der im Rahmen einer „Videoverhandlung“ zulässigen Beweisaufnahme grundsätzlich inhaltsgleich mit dem streitigen Verfahren zu gestalten. Zumal es im Verfahren außer Streitsachen jedoch keine „vorbereitende Tagsatzung“ gibt, beschränkt der Entwurf die Möglichkeit der Parteienvernehmung auf die erste Tagsatzung der jeweiligen außerstreitigen Verhandlung. Denn auch diese erste Tagsatzung wird in der gerichtlichen Praxis regelmäßig genutzt, um Vergleichsmöglichkeiten auszuloten. Dazu kann es nützlich sein, auch bei Bedarf eine (erste) Parteienvernehmung durchzuführen. Diese Möglichkeit soll auch bei einer nach § 18 Abs. 2 anberaumten Tagsatzung nicht verschlossen sein. Bei Verfahren über die Scheidung im Einvernehmen, für die ebenfalls die vorgeschlagene Möglichkeit der „Videoverhandlung“ zur Verfügung stehen soll, ist eine Parteienvernehmung vor Beschlussfassung sogar zwingend erforderlich. Da die Teilnahme der Parteien an der mündlichen Verhandlung in Ehe- und Kindschaftsangelegenheiten und Verlassenschaftsverfahren mittels Videozuschaltung nach dem Entwurf daran geknüpft ist, dass sie vertreten sind, ist dies auch für ihre Einvernahme als Partei im Weg der „Videoverhandlung“ Voraussetzung, was aus den in den Erläuterungen zu § 460 Z 1 ZPO geschilderten Gründen auch sinnvoll ist.
Der vorgeschlagene § 78 Abs. 4 ist nötig, um die Regelungen des § 132a Abs. 2 ZPO zum Prozedere der Übergabe des Kostenverzeichnisses an das Gericht im Fall einer „Videoverhandlung“ sinngemäß zur Anwendung zu bringen.
Von einem generellen Verweis auf § 132a ZPO im allgemeinen Teil des AußStrG wurde Abstand genommen, zumal die Bedürfnisse und Anforderungen in den verschiedenen außerstreitigen Verfahren höchst unterschiedlich sind; deren Spektrum reicht von Unterbringungs-, Heimaufenthalts-, Obsorge- und Kontaktrechts- oder Erwachsenenschutz- und Verlassenschaftsverfahren einerseits bis zu wohnrechtlichen Verfahren sowie grundbuchs- und firmenbuchrechtlichen Verfahren andererseits. Während es die gesundheitspolitische Notlage in Zeiten der Pandemie erforderlich gemacht hat, auch in außerstreitigen Verfahren den Einsatz von Videotechnologie für den Fortbetrieb der Verfahrensführung grundsätzlich zuzulassen, muss bei einer Überführung dieser Möglichkeit in das „Dauerrecht“ und somit in den Normalbetrieb der Gerichte ein differenzierender Ansatz gewählt werden. Dies hat vor dem Hintergrund zu geschehen, dass im Verfahren außer Streitsachen besondere richterliche Anleitungs- und Belehrungspflichten für unvertretene Parteien bestehen und außerdem dieses von einer verstärkt ausgeprägten Ausrichtung auf die Herbeiführung einer gütlichen Einigung geleitet ist, wofür wiederum eine möglichst unbeeinflusste Kommunikation zwischen allen Verfahrensbeteiligten sichergestellt werden muss. Der Entwurf stellt in Konsequenz dessen die Möglichkeit der „Videoverhandlung“ zwar grundsätzlich generell auch in Verfahren außer Streitsachen zur Verfügung. Jedoch sind für bestimmte außerstreitige Verfahren Abweichungen und Einschränkungen vorgesehen, die den besonderen verfahrensrechtlichen Anforderungen dieser Materien gerecht werden sollen. Dies betrifft Verfahren in Ehe- und Kindschaftsangelegenheiten sowie Verlassenschaftsverfahren und überdies Erwachsenenschutz-, Heimaufenthalts- und Unterbringungsverfahren.
Zu Z 5 bis 10 (§§ 95, 107, 118, 120a und 121):
Nach § 95 Abs. 2 letzter Satz soll für die Regelung der Scheidungsfolgen bei Gericht unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung § 30 Abs. 2 gelten, der wiederum den Regelungsbestand des § 132a Abs. 3 ZPO enthält. Siehe dazu die Erläuterungen zu § 30 Abs. 2.
In Pflegschaftsverfahren sind – was die Zulässigkeit von „Videoverhandlungen“ und „Videobeweisaufnahmen“ anbelangt – die Vorgaben des Allgemeinen Teils des AußStrG anzuwenden. Daraus erhellt, dass etwa die Anhörung des Kindes oder die Verlesung des Briefs des Kindes durch den Kinderbeistand nicht unter Verwendung von Kommunikationsmitteln zur Wort- und Bildübertragung erfolgen dürfen.
Nach § 107 Abs. 1 Z 2a ist § 31 Abs. 6 und 7 auf die Anhörung des Kinder- und Jugendhilfeträgers und die Erstattung und Erörterung von Berichten der Familiengerichtshilfe sinngemäß anzuwenden. Das bedeutet, dass das Gericht Berichte des Kinder- und Jugendhilfeträgers oder der Familiengerichtshilfe bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 und 3 unter Verwendung von Kommunikationsmitteln zur Wort- und Bildübertragung mündlich erstatten lassen oder erörtern kann. Die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 132a ZPO reichen auch hier aus, weil das Gericht ebenso dafür Sorge tragen kann, dass die im Gericht anwesenden Parteien dem Geschehen folgen und von ihrem Fragerecht unbeeinflusst Gebrauch machen können; die Parteien müssen also nicht vertreten sein. Sind dagegen die Parteien ebenfalls nur „virtuell“ anwesend, so müssen sie nach § 18 Abs. 3 vertreten sein.
Grundsätzlich sollen Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung in Erwachsenenschutzverfahren noch eingeschränkter als allgemein in Außerstreitverfahren zur Anwendung kommen. Dies liegt zum Einen daran, dass es hier besonders um den persönlichen Eindruck des Gerichts vom Befinden der betroffenen Person geht, der bei „virtueller“ Begegnung weniger aufschlussreich ist, zum Anderen daran, dass es gerade für Personen, die in ihrer Entscheidungsfähigkeit beschränkt sind, nicht immer leicht ist, zu begreifen, was es mit einem Vorgang auf einem Bildschirm eines Computers oder Mobiltelefons auf sich hat (siehe allgemein Lagger-Zach/Lauer, „Können Sie mich hören?“ Barrierefreiheit für Videoverhandlungen [Teil I], ÖZPR 2022/86).
Liegen aber die Voraussetzungen für die Erstanhörung im Rechtshilfeweg vor, ist die Unmittelbarkeit des Eindrucks durch das eigentlich zuständige Gericht ohnedies geschmälert und soll die Anhörung daher nach § 118 Abs. 3 letzter Satz auch unter Verwendung von Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung, dafür aber unmittelbar durch das zuständige Gericht stattfinden dürfen, wenn zusätzlich die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 erfüllt sind. Einerseits müssen also die technischen Voraussetzungen vorhanden sein, um die Tagsatzung verfahrenskonform abzuhalten, und andererseits ist erforderlich, dass die betroffene Person und ihr Rechtsbeistand im Verfahren innerhalb einer vom Gericht festgesetzten angemessenen Frist dem angekündigten Vorgehen nicht widersprechen oder deren ausdrückliche Zustimmungen dazu vorliegen. Die betroffene Person kann in Erwachsenenschutzverfahren unabhängig von ihrer Verfahrensfähigkeit Verfahrenshandlungen vornehmen (siehe § 116a Abs. 1 AußstrG).
Mit § 118 Abs. 4 soll es – ähnlich wie nach § 3 Abs. 1 Z 2 1. COVID-19-JuBG – Gerichten möglich gemacht werden, hier ausnahmsweise ohne Einverständnis der Parteien Anhörungen unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung durchzuführen, wenn eine allgemein vorherrschende Krisensituation vorliegt. Eine allgemein vorherrschende Krisensituation lag etwa während der COVID-19-Pandemie vor und wird künftig bei vergleichbaren Ereignissen von entsprechender Tragweite (zB. Pandemien, weitreichende terroristische Angriffe, Umweltkatastrophen) anzunehmen sein. Zusätzlich zu dieser abstrakten Gefährdungslage muss zur Durchführung einer „virtuellen Anhörung“ auch eine konkrete Gesundheitsgefährdung bei einer der am Verfahren beteiligten Personen zu befürchten sein. Ist nur die betroffene Person z.B. an Gelbfieber erkrankt, ist der Ausnahmetatbestand nicht erfüllt.
Trotz nur sehr eingeschränkter Anwendung der Möglichkeiten von Kommunikationsmitteln zur Wort- und Bildübertragung in Erwachsenenschutzverfahren (siehe die Erläuterungen zu § 118), soll die Erstattung und Erörterung eines Sachverständigengutachtens nach § 120a auf diese Weise erfolgen können, wenn – z.B. aufgrund des Krankheitsbildes – davon ausgegangen werden kann, dass die betroffene Person wegen der Erläuterungen des Gerichts (Lagger-Zach/Lauer, „Können Sie mich hören?“ Barrierefreiheit für Videoverhandlungen [Teil I], ÖZPR 2022/86) das Geschehen am vom Gericht beigestellten Bildschirm „begreift“ (siehe zu diesem Tatbestandsmerkmal § 116a Abs. 3 AußStrG).
Mit § 121 Abs. 6 soll es Gerichten möglich gemacht werden, ohne Einverständnis der Parteien mündliche Verhandlungen unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung durchzuführen, wenn eine allgemein vorherrschende Krisensituation vorliegt und zusätzlich auch eine konkrete Gesundheitsgefährdung bei einer der am Verfahren beteiligten Personen zu befürchten ist. Siehe die Erläuterungen zu § 118 Abs. 4.
Zu Art. 3 (Änderung des Unterbringungsgesetzes):
Zu Z 1 (§ 19):
Mit Abs. 4 soll es Gerichten möglich gemacht werden, hier ausnahmsweise ohne Einverständnis der Parteien Anhörungen unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung durchzuführen, wenn eine allgemein vorherrschende Krisensituation vorliegt und zusätzlich auch eine konkrete Gesundheitsgefährdung bei einer der am Verfahren beteiligten Personen zu befürchten ist. Siehe die Erläuterungen zu § 118 Abs. 4 AußStrG. Eine allgemein vorherrschende Krisensituation lag etwa während der COVID-10-Pandemie vor und wird künftig bei vergleichbaren Ereignissen von entsprechender Tragweite (zB. Pandemien, weitreichende terroristische Angriffe, Umweltkatastrophen) anzunehmen sein.
Zu Z 2 (§ 25):
Mit Abs. 3 soll es Gerichten möglich gemacht werden, ohne Einverständnis der Parteien mündliche Verhandlungen unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung durchzuführen, wenn eine allgemein vorherrschende Krisensituation vorliegt und zusätzlich auch eine konkrete Gesundheitsgefährdung bei einer der am Verfahren beteiligten Personen zu befürchten ist. Siehe die Erläuterungen zu § 118 Abs. 4 AußStrG. Eine allgemein vorherrschende Krisensituation lag etwa während der COVID-10-Pandemie vor und wird künftig bei vergleichbaren Ereignissen von entsprechender Tragweite (zB. Pandemien, weitreichende terroristische Angriffe, Umweltkatastrophen) anzunehmen sein.Ansonsten sollen „Videoverhandlungen“ aber nicht zulässig sein (§ 18 Abs. 2 AußStrG ist nicht anzuwenden).
Zu Z 3 und 5 (§ 29 Abs. 2 und § 38 Abs. 1):
Die vorgeschlagenen Änderungen sollen die Möglichkeit einer „Videoverhandlung“ auch für das Rekursverfahren (§ 29 Abs. 2) und für Verfahren bei Beschränkungen und Behandlungen (§ 38 Abs. 1) eröffnen. Durch den im geltenden § 38a Abs. 2 letzter Satz UbG enthaltenen Verweis auf § 25 UbG ist dies für nachträgliche Überprüfungen bereits sichergestellt.
Zu Z 4 (§ 31):
Die Paragrafenüberschrift vor § 31 ist gleichlautend mit der Abschnittsüberschrift und kann daher entfallen. Damit wird ein Redaktionsversehen der Unterbringungsgesetz- und IPR-Gesetz-Novelle 2022 beseitigt.
Zu Z 6 (§ 38):
Der Verweis auf Beschlüsse „gemäß § 36 Abs. 2 und 3“ beruht auf einem Vorentwurf zur Unterbringungsgesetz- und IPR-Gesetz-Novelle 2022, in dem die gerichtliche Kontrolle im Zusammenhang mit der Vornahme konkreter medizinischer Behandlungen an untergebrachten Personen in § 36 geregelt war. Stattdessen muss sich der Verweis auf Beschlüsse „gemäß § 36a“ beziehen.
Zu Z 7 (§ 39c):
In § 39c Abs. 3 ist der falsche Verweis auf § 32b Abs. 1 durch jenen auf § 32b Abs. 3 richtig zu stellen.
Zu Z 8 und 9 (§ 40d):
Auch hier soll ein Redaktionsversehen der Unterbringungsgesetz- und IPR-Gesetz-Novelle 2022 beseitigt und der dort vom Gesetzgeber angestrebte Gleichklang zwischen § 40d Abs. 3 und § 36a Abs. 1 Z 3 hergestellt werden. Hier wie dort muss das Gericht nicht „unverzüglich“ entscheiden, weil keine Gefahr-in-Verzug-Situation vorliegt, vielmehr soll das Verfahren in Ruhe und gründlich geführt werden können. „Unverzüglich“ muss die Entscheidung daher auch bei Minderjährigen nicht erfolgen. Dafür fehlt in § 40d Abs. 3 die „entsprechende Belehrung“ die in § 36a Abs. 1 Z 3 enthalten ist, die Belehrung soll – wie allgemein (vgl. § 35 Abs. 2) – möglichst „barrierefrei“, also verständlich für den Minderjährigen durchgeführt werden.
Zu Z 10 (§ 42 Abs. 6):
Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten der Novelle.
Zu Art. 4 (Änderung des Heimaufenthaltsgesetzes)
Zu Z 1 (§ 12 Abs. 3)
Mit der vorgeschlagenen Regelung soll es – nach dem Vorbild des § 3 Abs. 1 Z 2 1. COVID-19-JuBG für außerhalb der von der Justizverwaltung zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten durchzuführenden Verfahren in Heimaufenthaltssachen – dem Gericht ermöglicht werden, auch ohne Einverständnis der Parteien Anhörungen unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung durchzuführen, wenn eine allgemein vorherrschende Krisensituation vorliegt. Eine allgemein vorherrschende Krisensituation lag etwa während der COVID-19-Pandemie vor und wird künftig bei vergleichbaren Ereignissen von entsprechender Tragweite (zB. Pandemien, weitreichende terroristische Angriffe, Umweltkatastrophen) anzunehmen sein. Zusätzlich zu dieser abstrakten Gefährdungslage muss zur Durchführung einer „virtuellen Anhörung“ auch eine konkrete Gesundheitsgefährdung bei einer der am Verfahren beteiligten Personen zu befürchten sein. Bei Durchführung der virtuellen Anhörung ist eine physische Anwesenheit des Entscheidungsorgans in der Einrichtung freilich nicht erforderlich; der vom Gesetz geforderte persönliche Eindruck vom Bewohner in der Einrichtung ist tunlichst nach Maßgabe der technischen Gegebenheiten (beispielsweise durch Filmen der Räumlichkeiten bzw. des Seitenteils u.Ä.) zu ermöglichen.
Zu Z 2 (§ 14 Abs. 4)
Mit dem vorgeschlagenen Abs. 4 soll – ebenso wie nach dem neuen § 12 Abs. 3 (auf die Erläuterungen dazu wird verwiesen) – die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Heimaufenthaltssachen unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung ermöglicht werden. Ebenso wie bei der Anhörung nach § 12 Abs. 3 ist die Regelung als Ausnahme zur Anordnung des § 14 Abs. 1, wonach die mündliche Verhandlung in der Einrichtung durchzuführen ist, zu verstehen. Es wird klargestellt, dass die entsprechende Bestimmung zur Zulässigkeit der Durchführung einer Videoverhandlung im allgemeinen Teil des Außerstreitgesetzes (§ 18 Abs. 2 AußStrG) in Heimaufenthaltssachen nicht zur Anwendung gelangt. Soweit es allerdings um die konkrete Durchführung einer Verhandlung unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung geht, ist auf die Erläuterungen zu § 18 Abs. 2 AußStrG bzw. § 132a ZPO zu verweisen, wonach die Anberaumung auf entsprechende gerichtliche Anordnung erfolgt und es dem Ermessen des Gerichts obliegt, ob es alle Verfahrensbeteiligte oder bloß einzelne von diesen mittels Videozuschaltung am Verfahren beteiligt.
Zu Z 3 und 4 (§ 17 Abs. 2 und § 19a Abs. 2)
Die vorgeschlagenen Änderungen sollen die Möglichkeit einer „Videoverhandlung“ auch für Fälle nachträglicher Überprüfungen (§ 19a Abs. 2) sowie für das Rekursverfahren (§ 17 Abs. 2) eröffnen.
Zu Z 5 (§ 22 Abs. 4)
Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten der Novelle.
Zu Art 5 (Änderung der Insolvenzordnung):
Zu Z 1:
Der Entwurf zu § 132a ZPO sieht die Abhaltung von Tagsatzungen zur mündlichen Verhandlung sowie die mündliche Erstattung und Erörterung von Gutachten gerichtlich bestellter Sachverständigen und die Einvernahme von Parteien und informierten Personen ohne persönliche Anwesenheit der Parteien, ihrer Vertreter und sonst der Verhandlung beizuziehender Personen unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung vor. Voraussetzung hiefür ist jedoch, dass diese Vorgangsweise unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie tunlich ist, die technischen Voraussetzungen vorhanden sind, um die Tagsatzung verfahrenskonform abzuhalten, und nicht eine Partei innerhalb einer vom Gericht festgesetzten angemessenen Frist dem angekündigten Vorgehen widerspricht oder deren ausdrückliche Zustimmung dazu vorliegt.
Auch in Insolvenzverfahren soll die Abhaltung von mündlichen Verhandlungen, Einvernehmungen und Gläubigerausschusssitzungen unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung möglich sein. Dadurch soll aber eine persönliche Teilnahme nicht ausgeschlossen werden. Der Schuldner und sonstige geladene Personen können daher dennoch persönlich teilnehmen, wenn sie dies mindestens drei Tage vor dem Termin schriftlich bekanntgeben. Darauf ist in der Ladung hinzuweisen.
Um einen Gleichklang mit § 254 Abs. 3 herzustellen, erwähnt der Entwurf die mündlichen Verhandlungen; dieser Begriff ist jedoch weit zu verstehen. Er erfasst alle Arten von mündlichen Verhandlungen, unabhängig von ihrer Benennung, etwa als Tagsatzung oder Gläubigerversammlung. Umfasst sind etwa die Prüfungs-, Berichts-, Sanierungsplan-, Schlussrechnungs- und Verteilungstagsatzungen. Da die Einvernehmung zB des Schuldners im Eröffnungsverfahren nicht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erfolgen kann, sind Einvernehmungen gesondert anzuführen.
Entscheidend für eine Anordnung soll sein, ob die persönliche Anwesenheit des Schuldners oder der geladenen Person für die Durchführung des Verfahrens und die Entscheidungsfindung erforderlich ist. In manchen Fällen wird es notwendig sein, einen persönlichen Eindruck von dem Schuldner und seiner Einstellung zur konkreten Situation zu erhalten. Technische Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung sollen daher in diesen Fällen nicht zur Anwendung kommen. So wird in Fortführung der Wertungen des § 145 Abs. 3 IO die persönliche Anwesenheit des Schuldners insbesondere bei Prüfungs- und Berichtstagsatzungen bzw. bei Sanierungs- und Zahlungsplantagsatzungen weiterhin erforderlich sein, wenn der Schuldner um eine Zustimmung für seinen Sanierungs- oder Zahlungsplan wirbt und ein persönlicher Eindruck notwendig ist, um seine Leistungsfähigkeit und –bereitschaft sowie die Ernsthaftigkeit beurteilen zu können.
Auch der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie soll zur Entscheidung für die virtuelle Durchführung im Interesse der teilnehmenden Personen abgewogen werden. Zu berücksichtigen ist, dass etwa durch diese Form der Durchführung ein früherer Termin anberaumt werden kann oder der Aufwand infolge eines geringeren Zeit- und Anreiseaufwands zum Gericht sinkt.
Neben der Einhaltung der jeweils geltenden datenschutzrechtlichen Sicherheitsstandards müssen auch die technischen Voraussetzungen für eine verfahrenskonforme Durchführung gegeben sein. Im Falle der Beteiligung von Personen mit besonderen Bedürfnissen ist mit diesen daher vorweg abzuklären, ob für sie ein barrierefreier Zugang zur Videotechnologie vorhanden ist, damit ihre Verfahrensrechte gewahrt sind.
Auch Gläubigerausschusssitzungen, die nach § 89 Abs. 3 IO vom Insolvenzgericht oder vom Insolvenzverwalter schriftlich einzuberufen sind, sollen unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung durchgeführt werden können, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen.
Zu Art. 6 (Änderung der Exekutionsordnung)
Zu Z 1 (§ 59a):
Der Entwurf zu § 254 Abs. 3a und 3b IO sieht die Abhaltung von mündlichen Verhandlungen, Einvernehmungen und Gläubigerausschusssitzungen unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung vor. Auch im Exekutionsverfahren und im Verfahren über einstweilige Verfügungen soll die Durchführung von mündlichen Verhandlungen, Tagsatzungen und Einvernehmungen unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung möglich sein, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Diese Gleichstellung mit der Regelung in der IO entspricht auch der Regelung in dem Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (§ 3 Abs. 4 1. COVID-19-JuBG).
Der Entwurf sieht daher vor, dass mündliche Verhandlungen, Tagsatzungen und Einvernehmungen – außer der Versteigerungstermin – unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung durchgeführt werden können, sofern die persönliche Anwesenheit der Parteien oder der zu vernehmenden Person für die Durchführung des Verfahrens und die Entscheidungsfindung nicht erforderlich ist, diese Vorgangsweise unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie tunlich ist und die technischen Voraussetzungen vorhanden sind, um die Durchführung verfahrenskonform sicherzustellen. Dadurch soll aber eine persönliche Teilnahme nicht ausgeschlossen werden. Die Parteien und sonstige geladene Personen können daher dennoch persönlich vor Gericht teilnehmen, wenn sie dies mindestens drei Tage vor dem Termin schriftlich mitteilen. Darauf ist in der Ladung hinzuweisen. Entscheidend für eine Anordnung soll auch hier sein, ob die persönliche Anwesenheit der betreibenden oder verpflichteten Partei für die Durchführung des Verfahrens und die Entscheidungsfindung erforderlich ist. In manchen Fällen wird es notwendig sein, einen persönlichen Eindruck der Situation zu erhalten. Technische Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung sollen daher in diesen Fällen nicht zur Anwendung kommen.
Auch der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie soll zur Entscheidung für die virtuelle Durchführung im Interesse der teilnehmenden Personen abgewogen werden. Zu berücksichtigen ist, dass etwa durch diese Form der Durchführung ein früherer Termin anberaumt werden kann oder der Aufwand infolge eines geringeren Zeit- und Anreiseaufwands zum Gericht sinkt.
Neben der Einhaltung der jeweils geltenden datenschutzrechtlichen Sicherheitsstandards müssen auch die technischen Voraussetzungen für eine verfahrenskonforme Durchführung gegeben sein. Im Falle der Beteiligung von Personen mit besonderen Bedürfnissen ist mit diesen daher vorweg abzuklären, ob für sie ein barrierefreier Zugang zur Videotechnologie vorhanden ist, damit ihre Verfahrensrechte gewahrt sind.
Die Durchführung des Versteigerungstermins unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung wird einer späteren Regelung, die auf die Besonderheiten des Versteigerungsverfahrens eingeht, vorbehalten.
Zu Z 2 (§ 389):
Um dem Charakter des Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung als Eilverfahren gerecht zu werden, berücksichtigt der Entwurf den Fall, dass eine Einvernehmung binnen einer kürzeren als der in § 59a vorgesehene Frist von drei Tagen angeordnet wird. Die Einvernehmung kann in diesem Fall nicht unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung durchgeführt werden, wenn die geladene Person sich gegen diese Vorgangsweise ausspricht.
Zu Art. 7 (Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes):
Zu Z 1 (§ 85b GOG):
Gemäß Art. 32 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (DSGVO), § 54 Datenschutzgesetz (DSG) und Art. 29 der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (DSRL-PJ) haben die oder der Verantwortliche und und die Auftragsverarbeiterin oder der Auftragsverarbeiter geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen, um bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten ein angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten.
Im Sinne des § 1 Abs. 2 DSG, des Art. 6 Abs. 3 iVm Abs. 1 lit. e und Art. 32 DSGVO sowie des Art. 29 DSRL‑PJ sollen im GOG gewisse Vorgaben für den Einsatz der Bild- und Tonübertragung im Rahmen gerichtlicher Verfahren horizontal geregelt werden. Zu diesem Zweck normiert § 85b Abs. 1 nunmehr die Einhaltung jener Grundsätze, die im Hinblick auf die Datensicherheit bei mündlichen Verhandlungen und anderen vom Gericht anberaumten Amtshandlungen (z.B. Einvernahmen, Beweisaufnahmen) im Wege der Bild- und Tonübertragung eingehalten werden müssen. Die unionsrechtliche Verpflichtung der oder des jeweiligen Verantwortlichen nach Art. 32 DSGVO zur Gewährleistung angemessener Datensicherheit bleibt unberührt, sodass im Einzelfall gegebenenfalls auch weitere Maßnahmen erforderlich sein können. Im Regelfall wird aber die Einhaltung der in Abs. 1 festgelegten Grundsätze bzw. der Vorgaben einer Verordnung gemäß Abs. 2 ausreichend sein, um den Anforderungen des Art. 32 DSGVO zu genügen. Die Zulässigkeit des Einsatzes von Bild- und Tonübertragung richtet sich nach den Bestimmungen des anwendbaren Verfahrensrechts.
Z 1 beschränkt die für die Durchführung von Bild- und Tonübertagung herangezogenen Technologien auf die vom Bundesministerium für Justiz zur Verfügung gestellten Systeme. Damit soll einerseits ein einheitliches Auftreten der Justiz nach außen sichergestellt und andererseits die Einhaltung der (sicherheits-)technischen Anforderungen an diesbezügliche Systeme zentral gewährleistet werden.
Z 2 und 3 normieren entsprechende datenschutzfreundliche Voreinstellungen der Systeme, sodass Bild- und Tonübertragungen grundsätzlich verschlüsselt werden und eine Beschränkung auf die nach den Verfahrensgesetzen zuzulassenden Personen erfolgt. Darüber hinaus sind dem Stand der Technik entsprechende Absicherungen vorzunehmen wie insbesondere mit komplexen Zeichenfolgen geschützte Umgebungen oder die Anmeldung von verhandlungsführenden Personen („Moderatorinnen“ oder „Moderatoren“) mittels Multi-Faktor-Authentifizierung („MFA“).
Z 4 legt als weitere datenschutzfreundliche Voreinstellung fest, dass – sofern für Verhandlungen diesbezügliche Systeme zum Einsatz kommen – einzurichtende Umgebungen für eine einmalige Verwendung auszulegen sind. Damit soll sichergestellt werden, dass sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus vorangegangenen Terminen nicht neuerlich (allenfalls auch zufällig) in zeitlich nachfolgende Termine einwählen können.
Z 5 sieht ein Verbot für die Bild- und Tonaufnahme für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor, wobei auch das Streamen („Übertragung“) der Bild- und Tonübertragung untersagt wird, sofern dies für einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht explizit gesetzlich geboten ist (z.B. § 97 StPO).
Z 6 regelt die Protokollierung der Bild- und Tonübertragungen und orientiert sich dabei an den (gegenüber der DSGVO detaillierteren) Vorgaben des Art. 25 DSRL‑PJ. Für das strafgerichtliche Verfahren stellt Z 6 somit eine lex specialis-Regelung zu § 50 DSG dar. Durch die Aufbewahrung von näher festgelegten Metadatenkategorien für einen Zeitraum von 24 Monaten soll neben technischen Fehleranalysen insbesondere eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vorgangs ermöglicht werden. Für innerhalb dieses Zeitraums an die Strafverfolgungsbehörden übermittelte Protokolldaten gilt, dass diese als im Strafverfahren ermittelte Daten den Regelungen der StPO und damit nicht mehr der hier festgelegten 24-monatigen Frist unterliegen. Durch den Verweis auf das Verhandlungsprotokoll (vgl. § 208 ZPO, § 271 StPO) wird sichergestellt, dass die durch die Bild- und Tonübertragung gewonnenen Protokolldaten stets einem bestimmten Verfahren zuordenbar sind. Soweit möglich ist dieser Bezug bereits durch automationsunterstützte Protokollierung des Aktenzeichens herzustellen.
Da eine detailliertere Verankerung von Datensicherheitsmaßnahmen im Gesetz aufgrund der laufenden technischen Weiterentwicklung und des sich daraus ergebenden Anpassungsbedarfs nicht zweckmäßig ist, wird in Abs. 2 mit der Verordnungsermächtigung für die Bundesministerin oder den Bundesminister für Justiz die Möglichkeit geschaffen, weitergehende Datensicherheitsmaßnahmen entsprechend dem Stand der Technik festzulegen, die für die Gewährleistung eines angemessenen Schutzniveaus bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten erforderlich sind.
Abs. 3 legt für absolute Ausnahmefälle, insbesondere zur Abwendung eines drohenden Schadens oder wenn die Verhandlung unverzichtbar ist und sie nicht anders durchgeführt werden kann, die Möglichkeit zur Abstufung der in Abs. 1 Z 1 bis 4 festgehaltenen Sicherheitsmaßnahmen unter Risikoabwägung fest. Ein Beispiel dafür könnte die Ermöglichung einer Telefoneinwahl für einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Verhandlung sein, welche gemäß dem aktuellen Stand der Technik dann entgegen § 85b Abs. 1 Z 2 im Wege einer unverschlüsselten Kommunikationsverbindung erfolgen würde. Im Sinne der Verpflichtung nach Art. 32 DSGVO muss in einem solchen Fall angemessene Datensicherheit gegebenenfalls durch andere Maßnahmen sichergestellt werden, wobei die Umstände des Einzelfalls für die Beurteilung der Angemessenheit der Datensicherheit naturgemäß zu berücksichtigen sind. Abweichungen vom Aufzeichnungsverbot (Z 5) und von der Protokollierungspflicht (Z 6) sind nicht zulässig.
Zu Z 2 (§ 98 Abs. 33 GOG):
Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten der Novelle.