Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Damit in Zeiten der COVID-19-Pandemie Versammlungen von Gesellschaftern oder Organmitgliedern auch ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer durchgeführt und Beschlüsse auch auf andere Weise gefasst werden können, wurde mit § 1 COVID-19-GesG eine zeitlich befristete gesetzliche Grundlage für „virtuelle Versammlungen“ geschaffen, die in der COVID-19-GesV näher geregelt wurden.

Die Durchführung von Gesellschafterversammlungen unter Einsatz technischer Kommunikationsmittel, insbesondere über eine Videokonferenz, hat sich in der Praxis bewährt, weshalb nun eine dauerhafte gesetzliche Grundlage für virtuelle sowie hybride Versammlungen geschaffen werden soll. Im Unterschied zur Pandemiesituation sollen solche Gesellschaftersammlungen jedoch nur zulässig sein, wenn dies in Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist.

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes beruht auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Zivilrechtswesen einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens).

Besonderer Teil

Zu § 1:

Künftig sollen die Hauptversammlung einer AG oder SE, die Generalversammlung einer GmbH, Genossenschaft oder SCE, die Mitgliederversammlung eines Vereins, eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (Mitgliedervertretung) oder eines kleinen Versicherungsvereins und die Vereinsversammlung einer Sparkasse auch „virtuell“, also ohne die physische Anwesenheit der Teilnehmer, durchgeführt werden können.

Während das COVID-19-GesG auch für „Versammlungen von Organmitgliedern“ galt, ist der Anwendungsbereich dieses Gesetzes auf „Gesellschafterversammlungen“ im weiteren Sinn beschränkt. Mitumfasst sind Versammlungen von Repräsentationsorganen der Gesellschafter, wie etwa die Delegiertenversammlung einer Genossenschaft oder eines Vereins oder die Mitgliedervertretung als oberstes Organ eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit oder eines kleinen Versicherungsvereins.

Zur sprachlichen Vereinfachung bezeichnet der Begriff „Gesellschafter“ für die Zwecke dieses Bundesgesetzes auch Aktionäre und Mitglieder. Auch der Begriff „Gesellschaftsvertrag“ ist weit zu verstehen und umfasst auch die Satzung oder die Statuten. Als „Teilnehmer“ werden alle Personen bezeichnet, die zur Teilnahme an der Versammlung berechtigt oder verpflichtet sind, also sonst physisch bei der betreffenden Versammlung anwesend wären. Somit sind z.B. bei der Hauptversammlung einer AG nicht nur die Aktionäre, sondern auch die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat „Teilnehmer“ in diesem Sinn und können daher auch dezentral „anwesend“ im Sinn des § 116 Abs. 2 AktG sein.

Grundvoraussetzung für die Zulässigkeit einer virtuellen Versammlung ist, dass diese Art der Durchführung im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist (Abs. 2). Damit wird die Entscheidung, in welcher Form die Willensbildung der Gesellschafter erfolgen soll, diesen selbst in ihrer satzungsgebenden Mehrheit überantwortet. Diesbezüglich kann der Gesellschaftsvertrag entweder bestimmen, dass Gesellschafterversammlungen stets virtuell durchzuführen sind oder diese Entscheidung dem einberufenden Organ übertragen. Die Entscheidung über die Art der Durchführung ist dann von der Geschäftsführung bzw. vom Vorstand, im Fall der Einberufung durch andere Personen (vgl. etwa § 36 Abs. 1 zweiter Satz GmbHG und § 105 Abs. 1 dritter Satz AktG) von diesen, zu treffen. In jedem Fall bleibt aber die Möglichkeit gewahrt, im Einzelfall eine Vollversammlung aller Gesellschafter in Präsenzform durchzuführen.

Der Gesellschaftsvertrag kann auch bestimmen, dass anstatt einer „einfachen“ virtuellen Versammlung (§ 2), die die Grundregel bildet, eine „moderierte“ virtuelle Versammlung (§ 3) durchzuführen ist, sofern es einen Versammlungsleiter gibt. Auch diese Entscheidung kann im Gesellschaftsvertrag dem einberufenen Organ übertragen werden. Die moderierte Versammlung ist eine Form der virtuellen Versammlung, bei der jedoch eine optische und akustische Übertragung in Echtzeit ausreichend ist, ohne dass es einer (ständigen) Zweiweg-Verbindung bedarf. Die Teilnahmemöglichkeit muss in diesem Fall im Weg elektronischer Kommunikation gegeben sein (s. im Einzelnen dazu § 3).

Als weitere Variante kann der Gesellschaftsvertrag auch die Durchführung „hybrider Versammlungen“ vorsehen, bei denen den Teilnehmern die Wahl eröffnet wird, ob sie physisch oder in virtueller Form teilnehmen wollen (Abs. 4). Damit haben die Teilnehmer das Recht zur physischen Teilnahme an einer dann nur teilweise virtuellen Versammlung, für die daher stets auch ein konkreter Versammlungsort festzulegen ist. Der Gesellschafter hat aber auch die Möglichkeit, Rechte in Form der elektronischen Kommunikation auszuüben, ohne am Versammlungsort zu sein.

Bei virtuellen oder hybriden Versammlungen stellen sich besondere Fragen organisatorischer und technischer Natur, etwa welche Videokonferenz-Software zum Einsatz kommen soll. Soweit dafür keine gesetzlichen Vorgaben bestehen, können diese im Gesellschaftsvertrag getroffen werden; andernfalls obliegen auch diese Entscheidungen gemäß Abs. 5 dem einberufenden Organ. Die Ermächtigung des einberufenden Organs im Gesellschaftsvertrag ändert nichts an der datenschutzrechtlichen Gesamtverantwortung der Gesellschaft iSd Art. 4 Z 7 DSGVO.

Soweit dem einberufenden Organ in den Abs. 2 bis 5 eine Entscheidungsbefugnis eingeräumt wird, hat dieses bei seiner Entscheidung neben den Interessen der Gesellschaft (z.B. an einem geregelten und gut planbaren Ablauf der Versammlung) auch die – bekannten oder mutmaßlichen – Interessen der Teilnehmer (z.B. die technische Ausstattung und Affinität der Teilnehmer) zu berücksichtigen (Abs. 6). Dabei sind auch die Interessen und Grundrechte der betroffenen Personen, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern sowie die Sicherheit dieser Daten angemessen zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist eine barrierefreie Teilnahme zu gewährleisten. Das bedeutet unter anderem, dass die Teilnehmer keine bestimmte Software benötigen. Informationen müssen jedenfalls einfach zugänglich gemacht sowie relevante Inhalte möglichst verständlich und leicht zugänglich vermittelt werden. Schließlich ist darauf zu achten, dass gegebenenfalls auch Menschen mit Seh- und/oder Hör-Beeinträchtigungen einfachen Zugang zur Teilnahme an der Versammlung erlangen.

Abs. 7 stellt klar, dass in diesem Gesetz nur jene Besonderheiten geregelt werden, die aus der Durchführung einer Versammlung ohne bzw. ohne zwingende physische Anwesenheit der Teilnehmer resultieren. Im Übrigen gelten daher etwa für eine virtuelle Versammlung der Gesellschafter einer GmbH grundsätzlich dieselben (gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen) Regeln in Bezug auf die Einberufung und die Durchführung wie für eine reguläre Generalversammlung. Bei Widersprüchen kommt freilich diesem Bundesgesetz – als lex specialis – Vorrang zu.

Aus Abs. 8 ergibt sich schließlich, dass es durch dieses Bundesgesetz zu keinerlei Einschränkungen von bereits bisher bestehenden Möglichkeiten kommt, Versammlungen ohne Anwesenheit der Teilnehmer abzuhalten (vgl. etwa zur qualifizierten Videokonferenz als zulässige Art der Durchführung einer Aufsichtsratssitzung bei der AG Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 § 93 Rz 6). Dies wird auch für Versammlungen von Organmitgliedern klargestellt, obgleich sie nicht vom Anwendungsbereich umfasst sind.

Abs. 9 dient der Gewährleistung einer geschlechtergerechten Leseart des Gesetzes. Da es den Vorschlag verkompliziert und nicht zur einfachen Lesbarkeit beigetragen hätte, wenn bei allen personenbezogenen Bezeichnungen jeweils die männliche und die weibliche Form angeführt worden wären, soll jedenfalls ein Hinweis erfolgen, dass beide Formen gleichberechtigt sind und im Sprachgebrauch gegenüber natürlichen Personen jeweils die zum Geschlecht der natürlichen Person passende Form zu wählen ist. Die Klarstellung, dass sich sämtliche personenbezogenen Bezeichnungen in diesem Bundesgesetz auf Frauen und Männer in gleicher Weise beziehen, findet sich so bereits in zahlreichen Bundesgesetzen.

Zu § 2:

Abs. 1 sieht als Grundregel für die Durchführung einer einfachen virtuellen Versammlung die Teilnahmemöglichkeit mittels einer akustischen und optischen Zweiweg-Verbindung in Echtzeit vor. Dies ermöglicht es den Teilnehmern, sich zu Wort zu melden und ihre Stimme abzugeben, so wie dies etwa von Videokonferenzen bekannt ist. Diese Form kommt vor allem bei Versammlungen mit einem überschaubaren Teilnehmerkreis (z.B. für die Durchführung von Generalversammlungen bei der GmbH) in Betracht, ist aber nicht explizit auf eine Höchstteilnehmerzahl beschränkt.

Die Abs. 2 bis 4 entsprechen jenen Regelungen, die sich bisher in § 2 Abs. 4 bis 6 COVID-19-GesV fanden: So ist in der Einberufung einer virtuellen Versammlung gemäß Abs. 2 detailliert anzugeben, welche organisatorischen (z.B. vorherige Anmeldung) und technischen (z.B. notwendige technische Ausstattung) Voraussetzungen für eine Teilnahme bestehen (vgl. dazu auch § 1 Abs. 5).

Bei einer virtuellen Versammlung mit einigen wenigen, einander persönlich bekannten Teilnehmern wird eine formelle Identitätsfeststellung in aller Regel unterbleiben können. Sollte allerdings Anlass zu Zweifeln bestehen (wie z.B. bei der erstmaligen Teilnahme einer bislang unbekannten Person), sind gemäß Abs. 3 geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Identität zu überprüfen (z.B. durch die Bitte, einen Lichtbildausweis vor die Kamera zu halten, sodass der Ausweis zumindest für die zur Identifikation Berechtigten sichtbar ist). Auch dabei wird auf eine datenschutzkonforme Vorgehensweise zu achten sein.

Die Gesellschaft trifft nur insofern eine Verantwortung für den Einsatz von technischen Kommunikationsmitteln, als diese ihrer Sphäre zuzurechnen sind (Abs. 4). Demnach wird die Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses etwa dann möglich sein, wenn die von der Gesellschaft eingesetzte Videokonferenz-Software oder ihr Server versagt hat, nicht aber dann, wenn ein teilnehmender Gesellschafter individuelle Verbindungsprobleme hatte. Allerdings sollten solche Verbindungsprobleme insbesondere bei einem überschaubaren Teilnehmerkreis zum Anlass für eine kurzzeitige Unterbrechung der virtuellen Versammlung genommen werden, um dem betroffenen Gesellschafter einen neuerlichen Verbindungsaufbau zu ermöglichen. Kommt es bei der Durchführung und Leitung einer virtuellen Gesellschafterversammlung zu Verfahrensmängeln – etwa weil Fehler bei der Abstimmung, der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses oder der Ergebnisfeststellung auftreten, oder weil das Fragerecht der Teilnehmer verletzt wird, indem beispielsweise mündlich oder schriftlich gestellte Fragen übergangen werden – ist eine Beschlussanfechtung nach den allgemeinen Regeln möglich. Für die Gültigkeit mancher Vorgänge während einer Versammlung ist die Mitwirkung eines Notars erforderlich (vgl. etwa § 120 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 1 GmbHG). Dass diese Beurkundungen etc. auch ohne persönliche Anwesenheit des Notars, sondern „unter Nutzung einer elektronischen Kommunikationsmöglichkeit“ vorgenommen werden können, ergibt sich aus § 90a Notariatsordnung.

Zu § 3:

Die Aufrechterhaltung einer akustischen und optischen Zweiweg-Verbindung in Echtzeit kann dann an ihre (auch technischen) Grenzen stoßen, wenn die Anzahl der Teilnehmer einen überschaubaren Kreis übersteigt. Eine herkömmliche Videokonferenz ist für die Durchführung solcher Versammlungen somit unter Umständen nur bedingt geeignet.

Eine virtuelle Versammlung kann daher auch als „moderierte virtuelle Versammlung“ durchgeführt werden, sofern es einen Versammlungsleiter gibt. Die Entscheidung, ob eine virtuelle Versammlung iSd. § 2 oder eine moderierte virtuelle Versammlung iSd. § 3 durchgeführt wird, kann bereits im Gesellschaftsvertrag getroffen oder aber auch in diesem dem einberufenden Organ übertragen werden, dem auf diese Weise auch die Auswahl der eingesetzten Verbindungstechnologie überlassen werden kann.

Im Fall der moderierten virtuellen Versammlung kann auf eine akustische und optische Zweiweg-Verbindung in Echtzeit verzichtet werden. Es genügt vielmehr eine optische und akustische Übertragung der Versammlung in Echtzeit. Die Gesellschafter werden dadurch in die Lage versetzt, dem Verlauf der Versammlung zu folgen, können sich aber nicht unmittelbar zu Wort melden oder abstimmen. Um den interaktiven Charakter der Versammlung zu erhalten, ist den Gesellschaftern eine Redemöglichkeit im Wege der Videokommunikation zu gewähren. Zu diesem Zweck muss der Gesellschafter jederzeit die Möglichkeit haben, sich im Wege der elektronischen Kommunikation zu Wort zu melden; hierfür kommt etwa ein E‑Mail ebenso in Betracht wie die Nutzung eines Textfeldes über ein Gesellschafterportal. Es ist der von der Gesellschaft angebotene Kommunikationskanal zu verwenden; der Gesellschafter kann diesen nicht frei wählen. Die Gesellschafter erhalten so die Möglichkeit, auf Entwicklungen in der Versammlung zu reagieren (z.B. durch einen alternativen Beschlussantrag oder eine zusätzliche Frage).

Dem der Gesellschaft zuzurechnenden Versammlungsleiter kommt die Aufgabe zu, den Teilnehmern auf deren Wunsch das Wort zu erteilen und damit eine Debatte zu ermöglichen, wie dies auch in einer Präsenzversammlung vorgesehen wäre. Er entscheidet über die Reihenfolge der Redebeiträge und hat auch das Recht, einem Gesellschafter erforderlichenfalls das Wort wieder zu entziehen. Wie bei Präsenzversammlungen soll es natürlich auch bei einer virtuellen Versammlung möglich sein, den Ablauf zeitlich zu strukturieren und z.B. einen bestimmten Zeitpunkt bekanntzugeben, bis zu dem Fragen gestellt werden können.

Zudem ist auch die Stimmrechtsausübung der Gesellschafter sowie eine Widerspruchsmöglichkeit über elektronische Kommunikation während der Versammlung zu gewährleisten. Bei der technischen Umsetzung ist die Gesellschaft frei; eine entsprechende Funktion über ein Gesellschafterportal ist ebenso denkbar wie ein Textfeld oder eine spezielle E-Mail-Adresse, an die die Stimmrechtsausübung oder der Widerspruch an die Gesellschaft übersendet werden kann. Bei Abstimmungen könnte auch eine spezielle Abstimmungssoftware zum Einsatz kommen.

Im Übrigen kommen zur Frage der organisatorischen und technischen Voraussetzungen, der Identitätsprüfung und der Verantwortung für den Einsatz von technischen Kommunikationsmitteln die Regeln für die einfache virtuelle Versammlung zur Anwendung (vgl. § 2 Abs. 2 bis 4).

Zu § 4:

Um den Gesellschaften umfassenden Handlungsspielraum einzuräumen, soll auch die Möglichkeit der Durchführung einer hybriden Versammlung bestehen, sofern der Gesellschaftsvertrag dies festlegt. Wie bei der virtuellen Versammlung kann der Gesellschaftsvertrag auch vorsehen, die Entscheidung, ob eine hybride Versammlung durchgeführt wird, dem einberufenden Organ zu überlassen (vgl. § 2 Abs. 4).

Die hybride Versammlung vereinigt die Elemente einer physischen und einer virtuellen Versammlung und überlässt dem einzelnen Teilnehmer die Wahl, in welcher Form er teilnehmen will. Es ist daher ein konkreter Versammlungsort festzulegen, an dem die physische Anwesenheit der Teilnehmer möglich ist. Gleichzeitig sollen die Gesellschafter aber auch die Möglichkeit erhalten, ihre Rechte in Form der elektronischen Kommunikation auszuüben, ohne am Versammlungsort physisch anwesend zu sein.

Dabei ist zu gewährleisten, dass physische und virtuelle Teilnehmer gleichwertig behandelt werden; insbesondere wird darauf zu achten sein, Informations- und Interventionsasymmetrien zwischen den am Versammlungsort anwesenden und den auf elektronischem Weg teilnehmenden Gesellschaftern zu vermeiden. Abgesehen davon gelten für hybride Versammlungen dieselben Regelungen wie für virtuelle Versammlungen.

Zu § 5:

In Gesellschaften, deren Aktien an einer anerkannten Börse iSd. § 3 AktG gehandelt werden, ist bei virtuellen Hauptversammlungen besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass eine Teilnahme aller Aktionäre, insbesondere der Kleinanleger, möglichst niedrigschwellig möglich, aber für die Gesellschaften dennoch gut administrierbar ist. Diesen spezifischen Anforderungen soll durch die Bestimmung des § 5 Rechnung getragen werden.

Dementsprechend sieht Abs. 2 – in Anlehnung an § 3 Abs. 3 COVID-19-GesV – in organisatorischer Hinsicht vor, dass es ausreicht, wenn die detaillierten Informationen über die virtuelle Durchführung der Hauptversammlung in der Einberufung nur angekündigt und erst gemeinsam mit den Unterlagen nach § 108 Abs. 3 oder 4 AktG ab dem 21. Tag vor der Versammlung tatsächlich erteilt werden. Diese Informationen müssen zwingend auf der Gesellschaftswebsite zur Verfügung gestellt werden (vgl. § 108 Abs. 4 AktG).

Um einem noch größeren Aktionärskreis eine aktive Beteiligung an der Hauptversammlung zu ermöglichen und gleichzeitig die organisatorischen Abläufe für die Gesellschaften zu vereinfachen, soll das Frage- und Antragsrecht der Aktionäre auch schon im Zeitraum vor der Versammlung ausgeübt werden können. Die Gesellschaft hat den Aktionären daher einen elektronischen Kommunikationsweg zu eröffnen, über den sie Fragen und Beschlussanträge spätestens am dritten Werktag oder einem vom einberufenden Organ festzulegenden späteren Zeitpunkt vor der Versammlung an die Gesellschaft übermitteln können. Davon unberührt bleibt die Möglichkeit einer Wortmeldung in der Hauptversammlung daneben bestehen. Es bleibt damit dem Aktionär überlassen, ob er sich vor oder während der Hauptversammlung aktiv beteiligt oder von beiden Möglichkeiten Gebrauch macht. Der Gesellschaft vor der Versammlung zugekommene Fragen und Beschlussanträge sind den anderen Versammlungsteilnehmern auf geeignete Weise zur Kenntnis zu bringen. Hierfür bieten sich eine (allenfalls anonymisierte) Veröffentlichung auf der Webseite der Gesellschaft oder eine Verlesung während der Versammlung an.

Die durch § 3 Abs. 4 COVID-19-GesV eröffnete Möglichkeit, die Stellung eines Beschlussantrags, die Stimmabgabe und gegebenenfalls die Erhebung eines Widerspruchs in der Versammlung durch den Einsatz von besonderen Stimmrechtsvertretern zu kanalisieren (vgl. näher dazu § 3 Abs. 4 COVID-19-GesV), hat sich grundsätzlich bewährt; außerhalb einer Pandemiesituation besteht jedoch keine Rechtfertigung, die Ausübung der genannten Aktionärsrechte ausschließlich durch diese Personen zuzulassen. Der besondere Stimmrechtsvertreter soll daher in abgewandelter Form – nämlich als zusätzliches und für die Aktionäre kostenloses Angebot zur aktiven Partizipation durch einen Bevollmächtigten – beibehalten werden. Davon können etwa weniger technikaffine Personen Gebrauch machen, denen zwar ein Mitverfolgen der im Internet übertragenen Hauptversammlung möglich ist, die sich aber mit dem von der Gesellschaft angebotenen Abstimmungstool überfordert fühlen.

Da für die Aktionäre künftig also keinerlei Verpflichtung besteht, sich des besonderen Stimmrechtsvertreters zu bedienen, soll es ausreichen, wenn die Gesellschaft zwei geeignete Personen (statt bisher vier) mit dieser Aufgabe betraut. Weiterhin muss der besondere Stimmrechtsvertreter von der Gesellschaft – insbesondere in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht – unabhängig sein und ausschließlich die Interessen der von ihm jeweils vertretenen Aktionäre wahren. Für die Erteilung der Vollmacht gelten die allgemeinen aktienrechtlichen Bestimmungen (vgl. insbesondere § 114 AktG).

Wie dies in § 102 Abs. 4 zweiter AktG für die Hauptversammlung in Präsenz bereits vorgesehen ist, kann die Satzung bei börsenotierten Aktiengesellschaften auch die öffentliche Übertragung einer virtuellen oder hybriden Hauptversammlung vorsehen. Auch hier besteht die Möglichkeit einer satzungsmäßigen Ermächtigung des Vorstands (Abs. 5).

In Anlehnung an die Fernabstimmung gemäß § 126 AktG soll auch bei der virtuellen oder hybriden Hauptversammlung börsenotierter Aktiengesellschaften eine Stimmabgabe zusätzlich in das Vorfeld der Versammlung verlagert werden können, wobei auch hier der einzelne Aktionär entscheiden kann, ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch macht oder seine Stimme erst in der Hauptversammlung abgeben möchte (vgl. dazu § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 4). Eine Stimmabgabe kann dann also bereits vor der Versammlung direkt an die Gesellschaft auf elektronischem Weg – zu denken ist hier beispielsweise an eine Stimmabgabe per E-Mail oder nach Authentifizierung über das Internet – erfolgen. Vorausgesetzt ist auch hier, dass die Satzung diese Möglichkeit vorsieht oder den Vorstand dazu ermächtigt dies vorzusehen. Dabei ist auch der Zeitpunkt festzusetzen, bis zu dem eine vorgezogene Stimmabgabe erfolgen kann. Damit auch diese Aktionäre die Möglichkeit haben, auf Entwicklungen in der Hauptversammlung zu reagieren, können vorweg abgegebene Stimmen bis zur Abstimmung in der virtuellen oder hybriden Hauptversammlung stets auch widerrufen oder abgeändert werden. Im Übrigen ist hinsichtlich des Widerspruchs, der verfahrenstechnischen Anforderungen, der Geheimhaltung sowie der Abstimmungsformulare die Regelung über die Fernabstimmung (§ 126 AktG) sinngemäß anzuwenden.

Schließlich sieht Abs. 7 ein Minderheitenrecht zur Sicherstellung des physischen Teilnahmerechts der Aktionäre vor. Aktionäre, die zusammen zumindest 10% des Grundkapitals der Gesellschaft halten, können verlangen, dass die nächste ordentliche Hauptversammlung in Form einer Präsenzversammlung oder als hybride Versammlung durchgeführt wird, wenn die ordentliche Hauptversammlung nach diesem Bundesgesetz – nicht jedoch auf Grundlage des COVID-19-GesG oder einer anderen Rechtsgrundlage – in virtueller Form stattgefunden hat. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht gegen den Willen der Minderheit ausschließlich virtuelle Hauptversammlungen stattfinden. Auf diese Weise wird den Aktionären zumindest jedes zweite Jahr eine physische Anwesenheit bei der Hauptversammlung ermöglicht. Selbstverständlich kann auch der Mehrheitsaktionär von diesem Recht Gebrauch machen. Anders als § 105 Abs. 3 AktG richtet sich das Begehren nicht auf die unverzügliche Einberufung einer dringenden (zusätzlichen) Hauptversammlung, sondern bezieht sich auf die Form der Durchführung der nächsten ordentlichen Hauptversammlung. Damit ausreichend Zeit für die Organisation dieser Versammlung zur Verfügung steht, soll der Antrag bis zum Ende des Geschäftsjahres zu stellen sein, in dem die das Minderheitenrecht auslösende virtuelle Hauptversammlung stattgefunden hat. Der Vorstand hat dann die ordentliche Hauptversammlung im nächsten Geschäftsjahr in einer Form einzuberufen, die eine physische Teilnahme der Aktionäre ermöglicht; es kann sich also um reine Präsenzversammlung oder um eine hybride Versammlung handeln.

In der Satzung können in sinngemäßer Anwendung des § 105 Abs. 3 zweiter Satz AktG auch weniger strenge Vorgaben für die Ausübung des Minderheitsrechts getroffen werden, wie etwa eine Herabsetzung des Aktionärsquorums. Die Antragsteller müssen seit mindestens drei Monaten Inhaber der Aktien sein und diese auch bis zur Entscheidung über ihren Antrag halten (§ 105 Abs. 3 letzter Satz AktG). Wird dem Verlangen der Aktionäre nicht entsprochen, kann – in sinngemäßer Anwendung des § 105 Abs. 4 AktG – das Gericht diese Aktionäre zur Einberufung ermächtigen.

Schließlich ist in einer börsenotierten Gesellschaft jene Satzungsbestimmung, nach der eine (einfache oder moderierte) virtuelle oder hybride Versammlung zulässig ist oder diese Entscheidung dem einberufenden Organ übertragen wird, auf längstens fünf Jahre zu befristen (Abs. 8). Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Entscheidung über die Art der Durchführung der Hauptversammlung periodisch von den Aktionären neu bewertet und legitimiert werden muss. Der Beschluss über eine Verlängerung der Satzungsbestimmung kann auch im Rahmen einer virtuellen oder hybriden Hauptversammlung gefasst werden.

Zu §§ 6 und 7:

Hier finden sich die Vollziehungsklausel und die Regelung des Inkrafttretens. Das VirtGesG soll mit 14. Juli 2023 in Kraft treten und nach fünf Jahren vom Justizministerium evaluiert werden.